Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.08.2014, Az. X K 2/12

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Gegenstand

Kostenerstattungsanspruch des wegen überlanger Verfahrensdauer verklagten Bundeslandes - Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts - Keine Auslagenpauschale im finanzgerichtlichen Verfahren


Tenor

1. Die dem Beklagten entstandenen und vom Kläger aufgrund der Kostenentscheidung im Urteil des [X.] vom 20. November 2013 [X.] zu erstattenden notwendigen Aufwendungen werden auf 174 € festgesetzt.

2. Der dem Beklagten zu erstattende Betrag in Höhe von 174 € ist ab dem 17. Februar 2014 mit 5 % über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen (§ 155 der Finanzgerichtsordnung, § 104 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung).

Tatbestand

1

Nach dem Urteil des [X.] ([X.]) vom 20. November 2013 [X.] hat der Kläger die Kosten des Klageverfahrens zu tragen. Der Beklagte hat mit Kostenberechnung vom 12. Februar 2014, beim [X.] eingegangen am 17. Februar 2014, erstattungsfähige Kosten in Höhe von insgesamt 194 € (Reisekosten anlässlich der mündlichen Verhandlung am 20. November 2013 in Höhe von 174 €, Auslagen in Höhe von 20 €) geltend gemacht. Er hat eine Verzinsung der Kosten mit 5 % über dem Basiszinssatz beantragt. Die Kostenberechnung wurde dem Kläger am 18. Februar 2014 sowie am 1. April 2014 zur Stellungnahme übersandt. Der Kläger bestreitet die Erstattungsfähigkeit der vom Beklagten geltend gemachten Aufwendungen, weil Aufwendungen von Finanzbehörden nach § 139 Abs. 2 FGO nicht erstattungsfähig seien. Die hilfsweise mit Schreiben vom 15. Mai 2014 vorgebrachten Einwendungen bezüglich der Reisekosten --Erstattungsfähigkeit nur bei Anordnung des persönlichen [X.] hat er aufgrund der Ausführungen des Beklagten im Schreiben vom 10. Juni 2014 nicht mehr weiter aufrechterhalten. Mit Schreiben vom 20. Juni 2014 bestreitet der Kläger aber weiter die Erstattungsfähigkeit einer Auslagenpauschale in Höhe von 20 €, da die vom Beklagten angeführte Entscheidung des [X.] (VG) Berlin vom 14. März 2012  35 [X.] 3.12, 35 [X.] 4.12, 23 L 339.10 (Neue Juristische [X.] --NJW-Spezial 2012, 476--) zur [X.]ordnung (VwGO) ergangen und diese vor dem [X.] nicht anwendbar sei.

2

Der Beklagte hat mit Schreiben vom 21. Juli 2014 eine Kopie der Reisekostenabrechnung der Staatsanwältin vorgelegt, die ihn bei der mündlichen Verhandlung beim [X.] in [X.] am 20. November 2013 vertreten hat. Demnach wurden der Staatsanwältin vom Dienstherrn Fahrtkosten für die Benutzung eines eigenen PKW in Höhe von 168 € sowie eine Verpflegungspauschale von 6 € erstattet.

Entscheidungsgründe

3

Die angemessenen und notwendigen Aufwendungen des Beklagten sind in Höhe von 174 € erstattungsfähig.

4

1. Wird ein Land wegen überlanger Dauer eines finanzgerichtlichen Verfahrens verklagt, schließt die nur für "Finanzbehörden" anwendbare Vorschrift des § 139 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) einen Kostenerstattungsanspruch des [X.] nicht aus (vgl. zum Begriff der "Finanzbehörde" Stapperfend in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 139 Rz 14).

5

Die Kostenerstattung umfasst nach § 91 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden. Die Kostenerstattung richtet sich hinsichtlich der Reisekosten somit nicht nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), sondern nach den für Zeugen geltenden Vorschriften im Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz --[X.]--).

6

2. Die geltend gemachten Fahrtkosten sind nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 [X.] erstattungsfähig. Die Verpflegungspauschale ist nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes --Pauschbetrag von 6 € bei einer Abwesenheit von mindestens acht Stunden-- erstattungsfähig.

7

3. Die Erstattung sonstiger Aufwendungen setzt deren Notwendigkeit und Glaubhaftmachung voraus (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Höhe der Aufwendungen ist nachzuweisen. Vorliegend wurden die vom Beklagten geltend gemachten Auslagen weder konkretisiert noch nachgewiesen. Die Entscheidung des [X.] vom 14. März 2012  35 [X.] 3.12, 35 [X.] 4.12, 23 L 339.10 ([X.], 476) vermag einen Anspruch auf eine Auslagenpauschale nicht zu begründen. Die Entscheidung ist, wie der Kläger zutreffend einwendet, zur VwGO ergangen. Die VwGO enthält in § 162 Abs. 2 Satz 3 eine ausdrückliche Regelung, wonach juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nr. 7002 der Anlage 1 zum RVG bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern können. Das Verfahren der Finanzgerichtsbarkeit richtet sich jedoch nicht nach der VwGO, sondern nach der FGO. Diese enthält in der mit § 162 VwGO vergleichbaren Regelung des § 139 FGO keine mit § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO vergleichbare Regelung. Im finanzgerichtlichen Verfahren hat eine juristische Person des öffentlichen Rechts daher keinen Anspruch auf eine Auslagenpauschale nach Nr. 7002 Anlage 1 RVG. Mangels Rechtsgrundlage kann eine Behörde eine "Auslagenpauschale" in Höhe von 20 € nicht erstattet verlangen. Insbesondere kommt eine entsprechende Anwendung des für Post und Telekommunikation geltenden Auslagentatbestands Nr. 7002 [X.] nicht in Betracht. Eine Regelungslücke besteht insoweit nicht. Aufwendungen für Post und Telekommunikation könnten daher allenfalls konkret abgerechnet werden (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Oktober 2011 [X.] WF 234/11, Neue Juristische [X.] Zivilrecht 2012, 316, m.w.N.).

Meta

X K 2/12

19.08.2014

Bundesfinanzhof

Beschluss

§ 91 Abs 1 S 2 ZPO, § 139 Abs 2 FGO, § 162 Abs 2 S 3 VwGO, Anl 1 Nr 7002 RVG, Nr 7002 RVG-VV, § 155 S 2 FGO, § 198 GVG, §§ 198ff GVG, § 139 Abs 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.08.2014, Az. X K 2/12 (REWIS RS 2014, 3449)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3449

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

B 10 ÜG 5/14 R

5 C 3/19 D

B 10 ÜG 2/19 R

B 10 ÜG 1/19 R

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