Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.04.2017, Az. 3 StR 524/16

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 12950

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:040417B3STR524.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 524/16
vom
4. April 2017
in der Strafsache
gegen

wegen Vergewaltigung
u.a.

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] -
zu 2.
auf dessen Antrag -
am 4.
April 2017 gemäß §
349 Abs.
2 und 4, §
354 Abs.
1 analog, §
354a StPO einstimmig beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 25.
August 2016
a)
im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall [X.] Tat
1 der Urteilsgründe des sexuellen Übergriffs schuldig ist;
b) aufgehoben
[X.])
in den Fällen [X.]
Tat 2 und [X.]
Tat 7 der [X.]; die zugehörigen Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bleiben jedoch aufrecht erhalten;
bb)
im Strafausspruch im Fall [X.] der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe; die jeweils zuge-hörigen Feststellungen bleiben jedoch aufrecht erhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.]s zurückver-wiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung, sexuellen Missbrauchs einer Widerstandsunfähigen, sexueller Nötigung in drei Fällen, versuchter sexueller Nötigung in zwei Fällen und wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. [X.] wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Revision, mit der er ein Verfahrenshindernis geltend macht, Verfahrensbeanstandungen erhebt sowie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von §
349 Abs.
2 StPO.
I. Aus den zutreffenden Gründen in der Antragsschrift des [X.] besteht das geltend gemachte Verfahrenshindernis nicht; die [X.] haben ebenfalls keinen Erfolg.
[X.] Die umfassende Überprüfung des Urteils auf die von dem Angeklag-ten erhobene Sachrüge führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs im Fall [X.] der Urteilsgründe und zur Aufhe-bung des Urteils in den Fällen [X.] Tat 2 und [X.] Tat 7 der Urteilsgründe, im Straf-ausspruch im Fall [X.] der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Ge-samtstrafe; im Übrigen hat sie keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklag-ten ergeben. Im Einzelnen:
1. Die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs einer Widerstandsun-fähigen im Fall [X.] der Urteilsgründe (Manipulationen im Genitalbereich des schlafenden Opfers) bedarf der Schuldspruchänderung, weil der -
von der [X.] für sich genommen rechtsfehlerfrei angewandte
-
zur Tatzeit und noch im Zeitpunkt der Urteilsverkündung geltende §
179 Abs.
1 Nr.
1 StGB aF 1
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4
-
aufgrund von Art. 1 Nr.
8 des Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 ([X.]
I, [X.] ff.) mit Wirkung ab dem 10.
November 2016 aufgehoben wurde und der frühere
sexuelle Missbrauch infolge Schlafs widerstandsunfähiger Personen nunmehr als sexueller Übergriff in §
177 Abs.
2 Nr.
1 StGB nF geregelt ist (vgl. MüKoStGB/[X.], 3.
Aufl., §
177 nF Rn.
62 f.). Diese Gesetzesänderung ist nach § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen, weil sich die Regelung des § 177 Abs.
2 StGB nF hinsichtlich der im Fall [X.]
Tat
1 der Urteilsgründe abgeurteilten Tat gegenüber §
179 Abs.
1 StGB aF als milderes Gesetz erweist. Dies erhellt aus einem Vergleich der Strafrahmen: Während der Strafrahmen des §
179 Abs.
1 StGB aF Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn
Jahren vorsah, droht §
177 Abs.
2 StGB nF nunmehr Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf
Jahren an.
Die Anwendung des damit auch im konkreten Fall milderen §
177 Abs.
2 StGB nF bedingt die Aufhebung der im Fall [X.]
Tat 1 der Urteilsgründe verhäng-ten Einzelfreiheitsstrafe. Auch wenn diese mit zehn Monaten im unteren Be-reich des Strafrahmens liegt, kann der Senat mit Blick auf die Halbierung der Strafrahmenobergrenze nicht ausschließen, dass das [X.] bei Anwen-dung des milderen Rechts auf eine niedrigere Einzelfreiheitsstrafe erkannt hät-te.
2. In den Fällen [X.] Tat 2 und [X.] Tat 7 der Urteilsgründe hält die jeweilige Verurteilung wegen versuchter sexueller Nötigung revisionsrechtlicher [X.] nicht stand.
a) Das [X.] hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:

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5
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Im Fall [X.] Tat 2 der Urteilsgründe traf der Angeklagte eine in der Gast-stätte seiner Ehefrau arbeitende Aushilfe, die vorübergehend im Gästezimmer der Wohnung über der Gaststätte wohnte, in dem Wohnzimmer dieser Woh-nung an und drängte sie, mit ihm gemeinsam pornographische Filme auf sei-nem Mobiltelefon anzuschauen. Währenddessen äußerte er den Wunsch, mit ihr geschlechtlich zu verkehren, was sie indes ablehnte und das Wohnzimmer verließ. Der Angeklagte folgte ihr und drängte die ihm körperlich weit unterlege-ne Zeugin mit seinem Oberkörper so gegen die Tür des [X.], dass sie ihm auch wegen der von ihm seitlich an der Wand platzierten Arme nicht entkommen konnte. Sodann versuchte der Angeklagte die Zeugin zu küssen und ihr seine Zunge in den Mund zu stecken, was sie durch [X.] ihrer [X.] und Wegdrehen des Gesichts verhindern konnte. Als kurze Zeit später die Tür zum Gästezimmer aufsprang, konnte sich die Zeugin [X.] und in [X.] "stolpern".
Im Fall [X.] Tat 7 der Urteilsgründe ergriff der Angeklagte den Kopf einer anderen Aushilfe seiner Ehefrau, die auch in den
Fällen [X.] Tat 3 bis [X.] Tat 6 der Urteilsgründe sein Opfer wurde (drei Fälle der sexuellen Nötigung und eine Vergewaltigung), und versuchte, ihr ebenfalls die Zunge in den Mund zu
stecken, was auch sie durch Aufeinanderpressen ihrer [X.] und Wegdrehen
des Kopfes verhindern konnte.
b) Insoweit ist es zwar mit Blick auf die Umstände des Einzelfalles (die Opfer waren zuvor keine Beziehungs-
oder Sexualpartnerinnen des Angeklag-ten, befanden sich vielmehr ihm und seiner Ehefrau gegenüber in einer persön-lichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit; er versuchte, mit der Zunge in ihren Mund einzudringen) materiellrechtlich nicht zu beanstanden, dass die [X.] den in beiden Fällen erstrebten Zungenkuss als sexuelle Handlung 8
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von einiger Erheblichkeit im Sinne von §
184h Nr.
1 StGB angesehen hat (vgl. dazu auch MüKoStGB/Hörnle
[X.]O §
184h Rn.
21 mwN).
Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen und ausgehend von seiner Wertung, dass der Angeklagte die sexuelle Nötigung jeweils nur ver-suchte, weil die Opfer das Eindringen seiner Zunge verhinderten, hätte das [X.] indes prüfen und erörtern müssen, ob er strafbefreiend von der versuchten Tat zurücktrat. Es hat in der rechtlichen Würdigung zwar ausge-führt, der Angeklagte habe die Taten nicht freiwillig aufgegeben, vielmehr [X.] die Zeuginnen durch ihre Gegenwehr den Erfolg endgültig verhindert; durch die Feststellungen wird aber weder belegt, dass der [X.] jeweils fehlgeschlagen war, noch ist mit tragfähiger Begründung ausgeschlossen, dass der Angeklagte jeweils freiwillig vom unbeendeten Versuch der sexuellen Nöti-gung zurücktrat, als er sein Vorhaben, die Zeuginnen mit Gewalt zum [X.] zu zwingen, aufgab. Im Einzelnen:
[X.]) Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn der Täter nach der letzten von ihm vorgenommenen Tathandlung erkennt, dass mit den bereits eingesetzten oder den ihm sonst zur Hand liegenden Mitteln der erstrebte [X.] nicht mehr herbeigeführt werden kann, ohne dass er eine neue Handlungs-
und Kausalkette in Gang setzt
(st. Rspr.; siehe zuletzt etwa [X.], Beschluss vom 31. Mai 2016 -
3 [X.], juris Rn.
7 mwN).
Nach diesen Maßstäben belegen die Urteilsgründe einen fehlgeschlage-nen Versuch nicht. Dies ergibt sich im Fall [X.]
Tat
2 der Urteilsgründe schon [X.], dass der Angeklagte der Zeugin -
nachdem diese sich aus der Fixierung durch ihn hatte befreien können -
in [X.] folgte, der Aufforderung dieses zu verlassen, nicht nachkam, sie an ihrer Scheide berührte und sie schließlich auszog und gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr mit ihr vollzog, was sie 11
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resigniert über sich ergehen ließ. Die [X.] hat diese Handlungen zwar nur als -
wegen der fehlenden Gegenwehr der Zeugin strafloses -
Nachtatge-schehen gewertet; der Umstand, dass der Angeklagte sein Ziel, mit der Zeugin geschlechtlich zu verkehren, mit Erfolg weiter verfolgte, konnte aber den Schluss rechtfertigen, dass er gerade nicht davon ausging, den erstrebten [X.] nicht mehr herbeiführen zu können. Zu den Vorstellungen des Angeklag-ten in dem Zeitpunkt, als die Zeugin sich zunächst von ihm befreien konnte, verhalten sich die Urteilsgründe indes weder in den Feststellungen, noch im Rahmen der Beweiswürdigung oder der rechtlichen Würdigung.
Aber auch im Fall [X.]
Tat
7 der Urteilsgründe kann der Senat ohne eine
-
hier gleichfalls fehlende -
Erörterung der Vorstellungen des Angeklagten in Bezug auf den [X.] nicht ausschließen, dass er es noch für möglich hielt, diesen doch noch zu erreichen. Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass der Angeklagte in den anderen Fällen, in denen diese Zeugin sein Opfer wurde, auch vor erheblicherer Gewalt, als er sie in diesem Versuchsfall anwendete, nicht zurück schreckte. Dies lässt es als nicht fernliegend erscheinen, dass er aus seiner Sicht über weitere Mittel verfügt hätte, um die Zeugin zum [X.] zu nötigen.
bb) Der Versuch der sexuellen Nötigung war hier jeweils -
auch für den Angeklagten erkennbar -
noch nicht beendet, denn es war für ihn offensichtlich, dass die von ihm beabsichtigte sexuelle Nötigung in Gestalt des erstrebten, mit Gewalt erzwungenen Zungenkusses sich noch im Versuchsstadium befand, weil die Opfer jeweils das Eindringen seiner Zunge in ihren Mund verhinderten. Davon ausgehend konnte in seinem bloßen [X.] ein Rücktritt vom Versuch liegen.

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c) Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn sich die Handlungen des Angeklagten ungeachtet des Umstands, dass es ihm jeweils nicht gelang, seine Zunge in den Mund der Opfer zu
stecken, gleichwohl bereits als sexuelle Handlungen von einiger Erheblichkeit darstellen würden und die Taten damit jeweils als vollendete sexuelle Nötigun-gen zu werten wären. Davon ist die [X.] indes offenbar nicht [X.]; auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ist es dem Senat nicht möglich, zu einer abweichenden Würdigung zu gelangen.

3. Die Aufhebung der Einzelstrafe im Fall [X.] der Urteilsgründe und ihr jeweiliger Wegfall in den Fällen [X.] Tat 2 und [X.] Tat 7 der Urteilsgründe be-dingen die Aufhebung auch des Gesamtstrafenausspruchs.
4. [X.] zu den Einzelstrafen und zum Gesamtstrafenaus-spruch werden, ebenso wie die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen in den Fällen [X.] Tat 2 und [X.] Tat 7 der Urteilsgründe, von den [X.], die zur teilweisen Aufhebung des Urteils führen, nicht betroffen und können des-

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halb -
und weil sie auch im Übrigen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdi-gung beruhen -
bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen kann das neue Tatgericht treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
Becker

Ri[X.] Dr. Schäfer befindet sich

Gericke

im Urlaub und ist daher gehindert

zu unterschreiben.

Becker

Tiemann

Hoch

Meta

3 StR 524/16

04.04.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.04.2017, Az. 3 StR 524/16 (REWIS RS 2017, 12950)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 12950

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