Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.10.2017, Az. 2 StR 219/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 4468

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:041017U2STR219.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
2 StR 219/15
vom
4.
Oktober
2017
in der Strafsache
gegen

wegen versuchter sexueller Nötigung u.a.

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2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Verhandlung vom 4.
Oktober 2017, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Prof. Dr. Krehl

als Vorsitzender,

[X.] am [X.]
Dr. [X.],
[X.]in am [X.]
Dr. [X.],
die [X.] am [X.]
Dr. [X.],
[X.],

Staatsanwalt beim [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 21. Januar 2015 mit den zugehörigen Fest-stellungen aufgehoben
a) soweit er in den Fällen II.2. und [X.] der Urteilsgründe verur-teilt wurde,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II.3. der Urteils-gründe,
c)
im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückver-wiesen.
3.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Von Rechts wegen

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4
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen versuchter sexueller Nötigung und sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jah[X.] und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf eine Verfah[X.]srüge und die Sach-beschwerde gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Urteils-formel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

I.
Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Der Angeklagte lebte zur Tatzeit mit

[X.].

, der Großmutter
der Nebenklägerin, zusammen. In der [X.] vom [X.] 1995 bis Anfang 2010 kam es zu sexuellen
Übergriffen des Angeklagten auf de[X.] Enkelin, die am 17.
Januar 1993 gebo[X.]e Nebenklägerin

Z.

, sowie auf die am
21.
August 1988 gebo[X.]e Zeugin

M.

. Weitere sexuelle Übergrif-
fe wa[X.] nicht konkretisierbar; insoweit hat das [X.] den Angeklagten freigesprochen. Festgestellt wurden folgende Vorkommnisse:
a) Zu einem unbekannt gebliebenen [X.]punkt zwischen dem 21.
August 1995 und dem 1.
Dezember 1996 missbrauchte der Angeklagte

M.

, indem er das Kind auf den Esstisch setzte, dessen Beine auseinander-
drückte und seinen Penis für kurze [X.] an ihrem Genitalbereich rieb, um sich sexuell zu erregen (Fall II.1.
der Urteilsgründe).
b) An einem Morgen im [X.]raum zwischen dem 17.
Januar 1997 und [X.] 1999 missbrauchte der Angeklagte die Nebenklägerin, die im Bett auf 1
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dem Bauch lag, indem er sie an Brust und [X.]eide anfasste. Letzteres verur-sachte der Nebenklägerin [X.]merzen (Fall II.2.
der Urteilsgründe).
c) Im [X.]raum zwischen [X.] 2003 und [X.] 2005 missbrauchte der Angeklagte die Nebenklägerin im Gästezimmer der Wohnung ihrer Groß-mutter, indem er ihr die Hosen auszog, sie an Brust und [X.]eide anfasste und an ihrer [X.]eide leckte (Fall II.3.
der Urteilsgründe).
d) Bei einem Besuch der Familie der Nebenklägerin im [X.]raum vom 28.
September 2000 bis zum 28. Mai 2009 legte sich der Angeklagte hinter die Nebenklägerin ins Bett und fasste sie entweder an der [X.]eide an oder rieb seinen Penis daran (Fall II.4.
der Urteilsgründe).
e) An einem Tag im [X.]raum zwischen dem 17.
Januar 2007 und dem 16.
Januar 2010 wollte der Angeklagte erneut sexuelle Handlungen an der [X.] vornehmen. Diese wehrte sich jedoch durch [X.]läge und Tritte.

sie zu vergewaltigen, wenn sie ihm nicht freiwillig zu Willen sei. Er hatte jedoch nicht vor, tatsächlich Gewalt anzuwenden. Als seine Drohung keine Wirkung zeigte und der Angeklagte erkannte, dadurch nicht zu seinem Ziel zu gelangen, verließ er das Zimme.
der Urteilsgründe).
2. Das [X.] hat sich in den Fällen II.2., II.3.
und II.4.
nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte, wie dies die Anklage angenommen hat, auch in die [X.]eide der Nebenklägerin eingedrungen ist. Im Fall II.4.
ist es nicht zu einer Verurteilung gelangt, weil es nicht feststellen konnte, dass die sexuelle Handlung vor Überschreiten der [X.]utzaltersg[X.]ze der Nebenklägerin im Sinne von §
176 Abs.
1 StGB begangen wurde. In den Fällen II.1.
bis II.3.
der Urteilsgründe ist es jeweils von sexuellem Missbrauch eines Kindes ausge-6
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gangen; im Fall [X.]
der Urteilsgründe hat es den Versuch einer sexuellen Nöti-gung angenommen.

II.
Der [X.] hat durch Beschluss vom 6. April 2016 die [X.] im Hinblick auf das Anfrage-
und Vorlageverfah[X.] des 3.
Strafsenats in der Sache 3 [X.] unterbrochen. Er setzt die [X.] fort, nachdem der [X.] des [X.] für Strafsa-chen durch Beschluss vom 12. Juni 2017

[X.] (NJW
2017,
3537 ff., für [X.]St bestimmt) über die Vorlage entschieden hat.

III.
Die Revision des Angeklagten ist teilweise begründet.
1. Soweit es um die Taten zum Nachteil der Nebenklägerin geht, gilt Fol-gendes:
a) Der [X.]uldspruch hinsichtlich der Tat im Fall II.3.
ist rechtsfehlerfrei; jedoch begegnet die Begründung der Zumessung der Einzelstrafe hierfür durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
aa) Die Feststellungen zur Tatbegehung im Fall II.3.
der Urteilsgründe sind rechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit liegt keine Konstellation vor, in der bestritten hatte, hat die Tat im Fall II.3.
in der Hauptverhandlung eingeräumt. Sein Geständnis wird durch die Zeugenaussage der Nebenklägerin bestätigt. 10
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Da das [X.] den insoweit übereinstimmenden Angaben des Angeklag-ten und der Nebenklägerin gefolgt ist, liegt kein Rechtsfehler der Beweiswürdi-gung vor.
bb) Das [X.] hat im Fall II.3.
der Urteilsgründe einen minder schwe[X.] Fall des sexuellen Missbrauchs eines Kindes nach §
176 Abs.
1 Satz
1 Halbs.
2 [X.] verneint und bei der Strafzumessung im enge[X.] Sinne auf die diesbezügliche Begründung Bezug genommen. Dabei hat es [X.] verwiesen, dass die Tat bereits lange [X.]
zurückliege; diesen Strafmilde-langen zeitlichen Abstand zwischen Tat und Urteil bei [X.] nicht die gleich hohe Bedeutung zu wie in ande[X.] Fällen (vgl.

Die Überlegung trifft in dieser Allgemeinheit nicht mehr zu. Der [X.] für Strafsachen des [X.] hat am 12.
Juni 2017

[X.]

in Abänderung der vom [X.] zitierten Entscheidung des 1.
Strafsenatkommt im Rahmen der Strafzumessung bei Taten, die den sexuellen Miss-brauch von Kindern zum Gegenstand haben, die gleiche Bedeutung zu wie bei [X.] Entscheidung des 1.
Strafsenats des [X.] nicht mehr generell davon ausgegangen werden, dass der [X.]ablauf zwischen Tat und Urteil in [X.] eine andere Bedeutung für die Strafzumessung habe, als sie bei ande[X.] Delikten anzunehmen ist.
Daran ändert nach Ansicht des Großen [X.]s für Strafsachen die Rege-lung des §
78b Abs. 1 Nr. 1 StGB nichts, wonach die Verjährung der Strafver-folgung bis zur Vollendung des 30.
Lebensjahres des Opfers bei Straftaten 15
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nach den §§
174 bis 174c, 176 bis 178, 180 Abs.
3, §§
182, 225, 226a und 237 StGB ruht. Mit dieser verjährungsrechtlichen Regelung soll der besonde[X.] Be-deutung des Anzeige-
und Aussageverhaltens von Opfern des sexuellen Miss-brauchs im Kindes-
oder Jugendalter Rechnung getragen werden, die sich bei der Tatbegehung im [X.] Nahbereich in einer Abhängigkeit vom Täter be-finden und dadurch in ihrer Bereitschaft zur Strafanzeige und zur Aussage ge-gen den Beschuldigten gehemmt sein können. Jedoch wirkt sich die verjäh-rungsrechtliche Regelung nicht ohne weiteres auf die Bewertung des [X.]ab-laufs zwischen Tat und Urteil im Rahmen der Strafzumessung aus. Die Um-stände, die das gesetzgeberische Motiv für die besondere Regelung des Ru-hens der Verjährung der Strafverfolgung bilden, können zwar auch den Straf-zumessungsaspekt des langen [X.]ablaufs zwischen Tat und Urteil beeinflus-sen. Dies bedarf aber einer Prüfung des Tatgerichts im Einzelfall. Es rechtfertigt nicht die generelle Annahme, dem [X.]ablauf komme bei der Strafzumessung in Fällen des sexuellen Missbrauchs nicht die gleiche Bedeutung zu, wie bei ande-[X.] Delikten. Danach ist der zeitliche Abstand zwischen Tat und Urteil im Rah-men der Strafzumessung nicht mehr deliktsgruppenspezifisch, sondern einzel-fallbezogen zu würdigen.
Das [X.] hat sich mit den Umständen des Einzelfalls hinsichtlich der Beziehung zwischen Täter und Opfer im Lauf der [X.] zwischen Tat und Urteil nicht auseinandergesetzt, sondern allgemein und deliktsspezifisch die Bedeutung des langen [X.]ablaufs zwischen Tat und Urteil relativiert. Der [X.] kann die aufgrund des veränderten Maßstabs erforderliche Würdigung nicht selbst vornehmen und daher nicht ausschließen, dass die Verneinung eines minder schwe[X.] Falls und die Strafzumessung im enge[X.] Sinne auf der recht-lich fehlerhaften Erwägung beruht.

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b) Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II.2.
und [X.]
der Ur-teilsgründe hat insgesamt keinen Bestand. Insoweit ist die Beweiswürdigung des [X.]s nicht tragfähig.
aa) Die
Beweiswürdigung ist Aufgabe des Tatgerichts. Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisi-onsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht dabei Rechts-fehler unterlaufen sind. Das ist der Fall,
wenn die Beweiswürdigung wider-sprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesi-cherte Erfahrungssätze verstößt. Darüber hinaus hat der [X.] in n die Darlegung einer zur Verurteilung füh[X.]den Beweiswürdigung und ihrer Grundlagen formuliert. Die Urteilsgründe müssen dann für das Revisionsgericht genau erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände, welche die Ent-scheidung zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten zu beeinflussen [X.] sind, erkannt, in seine Überlegungen einbezogen und in einer [X.] gewürdigt hat (vgl. [X.], Urteil vom 6.
April 2016

2
StR 408/15). [X.] bei Sexualdelikten sind die Entstehung und die Entwicklung der belasten-den Aussage von besonderer Bedeutung (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
Juni 2017

2 [X.], [X.], 319 f.). Hat die Geschädigte zum Teil An-gaben gemacht, der das Tatgericht nicht folgt, ist besondere Vorsicht bei der Beweiswürdigung hinsichtlich der übrigen Aussageteile geboten (vgl. [X.], Urteil vom 20. Juli 2016

2 StR 59/16).
bb) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht, wes-halb die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II.2.
und [X.]
keinen Be-stand haben
kann.

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(1) Das [X.] hat es als Hinweis auf die Glaubhaftigkeit der Anga-ben der Nebenklägerin gewertet, dass ihre erste [X.] gegenüber den mehrmaliges Nachfragen eine Missbrauchsbehauptung aufgestellt, aber nur wenig preisgegeben. Im Urteil wird nicht erörtert, ob diese Behauptung mög-licherweise allein der Drucksituation geschuldet war.
Hatte zudem nach den Urteilsfeststellungen bei der anschließenden poli-zee-tracht zu ziehen gewesen, dass weitere Details erst in diesem Zusammenhang entwickelt worden sein können, ohne dass dies auf einen Erlebnisbezug der Behauptungen schließen lässt. Der Hinweis des [X.]s, dass die sugges-tiven Elemente in der polizeilichen Vernehmung nicht die Taten des sexuellen Missbrauchs eines Kindes (§
176 StGB) im Umfang der Feststellungen betrof-fen hätten, sondern Qualifikationen durch Penetration (§
176a Abs.
2 StGB), die das [X.] nicht festgestellt hat, genügt insoweit nicht. Das [X.] hat in der Behauptung einer Penetration eine möglicherweise unzutreffende Mehrbelastung des Angeklagten durch die Nebenklägerin gesehen. Dies weckt weiter gehende Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit der übrigen belastenden Angaben, die das [X.] nicht ausgeräumt hat.
(2) Das [X.] hat hervorgehoben, die in der Hauptverhandlung gemachten Angaben der Nebenklägerin entsprächen im Handlungskern dem Geschehen, das sie bei der Polizei und gegenüber der psychiatrischen Sach-verständigen geschildert habe. Zugleich hat es aber die [X.] bei der [X.]ilderung einzelner Übergriffe festgehalten und dies damit erklärt, dass die Erinnerung der Nebenklägerin an das Geschehen wegen einer Vielzahl gleich-artiger Handlungen erschwert sei. Durch [X.] wird aber die Bedeutung des [X.] vermindert (vgl. [X.], Be-22
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schluss vom 28.
Oktober 1999

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StR 370/99, [X.], 123, 124; [X.], [X.] vom 11.
Oktober 2010

2 StR 403/10). Zudem hat die Nebenklägerin eingeräumt, vor ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung die [X.] aus dem Vorverfah[X.] gelesen zu haben. Auch dies kann die Kon-stanz der detailarmen Mitteilungen
erklä[X.]. Die Urteilsgründe lassen nicht er-kennen, dass das [X.] dies bei seiner Gesamtwürdigung aller [X.] im erforderlichen Maß bedacht hat.
(3) Das [X.] hat nicht feststellen können, ob die bei der Neben-klägerin durch die psychiatrischen Sachverständigen diagnostizierte posttrau-matische Belastungsstörung, die zusätzlich vorhandene [X.] und die außerdem diagnostizierte depressive Erkrankung auf die Taten zurückzu-füh[X.] sind. Deshalb hat es diese Beeinträchtigungen auch
nicht strafschärfend bewertet. Andererseits hat es von der Nebenklägerin beschriebene Flashbacks und Dissoziationen als Realkennzeichen gewertet. Das [X.] hat diesen Widerspruch nicht aufgelöst. Es hat zwar eine kinderpsychiatrische Sachver-ständige
vernommen; de[X.] Ausführungen hat es im Urteil aber nicht erläutert.
(4) Das [X.] hat ferner angenommen, das äußere Erscheinungs-
er Angaben an. Dies ist angesichts der Unklarheit der Ursachen der psychischen Beeinträchtigungen der Nebenkläge-rin und der [X.]wierigkeit der Deutung ihrer Wirkungen nicht nachzuvollziehen.
(5) Unklar bleibt die Annahme des [X.]s, es gebe keinen
durch-greifenden Hinweis darauf, dass ein [X.], den die Nebenklägerin über ihre Missbrauchsbehauptungen geführt hatte, ohne suggestive Wirkung auf ihre Erinnerungen geblieben sei. Es hat betont, die Nebenklägerin sei nach der T[X.]nung von etwaigen Suggesto[X.] bei ih[X.] Angaben geblieben. Die psychi-25
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atrische Sachverständige habe dazu erklärt, eine suggestiv beeinflusste Person Suggestor get[X.]nt sei. Dieser Hinweis in den Urteilsgründen lässt besorgen, dass das [X.] von einem Erfahrungssatz ausgegangen ist, der so nicht besteht.
[X.]) Insgesamt hätte das [X.] die Aspekte der erstmaligen Offen-barung des [X.] in einer Drucksituation, die anschließende suggestive Form der Befragung bei der polizeilichen Vernehmung, die [X.] der Angaben mit der Folge der Relativierung des [X.], die Unklarheit der Ursachen der psychischen Be-einträchtigungen der Nebenklägerin, die Fragwürdigkeit des persönlichen Er-scheinungsbild bei der Vernehmung in der Haupthandlung und mögliche sug-gestive Einflüsse bei der Internetkommunikation über die Missbrauchsproble-matik nicht nur einzeln betrachten, sondern auch hinsichtlich einer möglichen Wechselwirkung der Beweisbedeutung dieser Umstände im Rahmen einer [X.] würdigen müssen, um zu prüfen, ob insoweit eine unzutreffende Mehrbelastung des Angeklagten durch die Nebenklägerin vorliegt.
2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen einer Tat zum Nachteil der Zeugin M.

ist dagegen rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Insoweit greift die Verfah[X.]srüge nicht durch, das [X.] habe einen wiederholten Antrag der Verteidigung auf Einholung eines aussagepsy-chologischen Sachverständigengutachtens zu Unrecht zurückgewiesen.
aa) Die Verteidigung hatte die Einholung eines solchen Gutachtens [X.] mit der Begründung beantragt, dass die angeklagte Tat bereits 19 bis 20 Jahre zurückliege und die Zeugin M.

damals erst 4 bis
5 Jahre alt gewesen
sei. Das [X.] hatte diesen Antrag im Hinblick auf ausreichende eigene 28
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Sachkunde und den Hinweis der psychiatrischen Sachverständigen, die zur Begutachtung der Nebenklägerin hinzugezogen worden war, zurückgewiesen,
eine Glaubwürdigkeitsbeurteilung durch einen Sachverständigen erforderlich aussagepsychologischen Gutachtens wiederholt und damit ergänzt, dass die Zeugin M.

zum Teil unterschiedliche Angaben gemacht habe. Den Beweis-

ebie-r-gumente betreffen die vom Gericht zu leistende und ohne die Hinzuziehung eines Sachverständigen leistbare Würdigung der Glaubhaftigkeit der Aussage und der Glaubwürdigkeit der Ze

bb) Diese Begründung ist rechtsfehlerfrei. Die Würdigung von Aussagen nicht nur erwachsener, sondern auch kindlicher oder jugendlicher Zeugen ge-hört zum Wesen richterlicher Rechtsfindung und ist daher grundsätzlich dem Tatrichter anvertraut. Die
Einholung eines aussagepsychologischen Sachver-ständigengutachtens ist nur dann geboten, wenn der Sachverhalt oder die [X.] solche Besonderheiten aufweist, dass Zweifel daran aufkom-men können, ob die Sachkunde des Gerichts auch zur Beurteilung
der Glaub-würdigkeit unter den gegebenen besonde[X.] Umständen ausreicht (vgl. [X.], Beschluss vom 25. April 2006

1 [X.], [X.], 242 f.). Ein sol-cher Ausnahmefall liegt hier aber nicht allein deshalb vor, weil zwischen Tat und Urteil lange [X.] vergangen ist, die Zeugin zur Tatzeit noch ein Kind war und ihre Angaben in bestimmten Punkten keine [X.] aufweisen. Dies sind Um-stände, die ein Strafrichter aus eigener Sachkunde beurteilen kann. Nach der Auskunft der psychiatrischen Sachverständigen konnte das [X.] zudem ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass kein psychopathologischer Befund 32
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bei der Zeugin vorliegt, der ausnahmsweise die Hinzuziehung eines aussage-psychologischen Sachverständigen nahegelegt hätte.
b) Auch die Beweiswürdigung des [X.]s ist rechtsfehlerfrei.
Die Tatsache, dass die Zeugin bei der ersten polizeilichen Vernehmung von mehre[X.] sexuellen Übergriffen gesprochen hatte, aber in der [X.] auch auf Vorhalt nur von einer Begebenheit ausging, hat die
Straf-r-gezogene [X.]lussfolgerung ist möglich.
Der Hinweis der Revision darauf, dass die Mutter der Geschädigten [X.] hatte, diese habe ihr gegenüber geschildert, der Angeklagte habe bei einem Übergriff einen nackten Oberkörper gehabt, was sich in den Zeugenaus-sagen der Geschädigten nicht wieder finde, deckt ebenfalls keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Das [X.] hat diesen Aspekt als un-erheblich bezeichnet, weil die Mutter der Geschädigten sich nach seiner Über-

M.

handelt es sich um mög-
liche [X.]lussfolgerungen aus den festgestellten Tatsachen, die auch keinen Widerspruch der Urteilsgründe ergeben.
Krehl [X.] [X.]

[X.] [X.]
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35

Meta

2 StR 219/15

04.10.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.10.2017, Az. 2 StR 219/15 (REWIS RS 2017, 4468)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4468

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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