Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.03.2001, Az. VI ZR 30/00

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2001, 3331

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/00Verkündet am:6. März 2001Holmes,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z: neinBGB § 852Zu den Voraussetzungen, unter denen es wegen rechtsmißbräuchlichen Verhaltensdes Geschädigten ganz ausnahmsweise in Betracht kommen kann, vom Beginn derVerjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB auch dann auszugehen, wenn der [X.] den [X.]ädiger zwar nicht positiv kennt, die Augen jedoch vor einer sich [X.] aufdrängenden Kenntnis verschließt.[X.], Urteil vom 6. März 2001 - [X.]/00 - [X.] II- 2 -Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.]Lepa, [X.], [X.] sowie die Richterin [X.] Recht erkannt:Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 23. [X.] Oberlandesgerichts München vom 12. November 1999 auf-gehoben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Die klagende Versicherungs-AG nimmt - als Rechtsnachfolgerin ihrerVersicherungsnehmerin, der [X.] - die [X.] auf Ersatz eines [X.] in Anspruch.Die [X.] erteilte der [X.] im Oktober 1993 den Auftrag,unter anderem ein in ihrem Eigentum stehendes schweres elektronischesMeßgerät zu einer auswärtigen Niederlassung zu befördern. Im Rahmen [X.] ordnete der als Fuhrparkleiter der [X.] tätige Beklagte zu 1 [X.] des Geräts auf einen anderen Lastkraftwagen an; der Beklagte zu 2,- 3 -Betriebsleiter bei der [X.], betätigte den hierzu eingesetzten Gabelstap-ler. Im Laufe des [X.]s stürzte das Meßgerät um und wurde [X.] beschädigt.Die Klägerin trat als Transportversicherer gegenüber der [X.] in [X.] ein. Sie ließ sich deren [X.]adensersatzansprüche ab-treten und wandte sich mit einem [X.]reiben vom 10. Dezember 1993 an die[X.]; darin kündigte sie eine Regreßnahme an und erbat unter anderem"eine genaue [X.]ilderung des Vorfalls durch den betreffenden Mitarbeiter [X.] den Namen". Auf Veranlassung der [X.] nahm die "[X.]. [X.]" der Klägerin gegenüber mit [X.]reiben vom 15. April1994 zum Unfallhergang Stellung; dabei wurde mitgeteilt, daß drei Mitarbeiterder [X.] beim [X.] tätig gewesen seien, deren Namen [X.] genannt wurden.Die Klägerin, die der Auffassung ist, der Transportschaden sei durch diebeteiligten Mitarbeiter der [X.] schuldhaft pflichtwidrig herbeigeführt [X.], hat zunächst gegen letzteres Unternehmen Klage auf [X.]adensersatzerhoben. In jenem Rechtsstreit hat die [X.] mit [X.]riftsatz vom19. Dezember 1997 die hiesigen [X.] als Zeugen für ihre Sachverhalts-darstellung benennen lassen. Daraufhin hat die Klägerin ihre Klage mit [X.] Januar 1998 bei Gericht eingegangenem [X.]riftsatz auf die beiden [X.] erweitert; das gegen diese gerichtete Verfahren ist sodann vomRechtsstreit gegen die [X.] abgetrennt worden.Die Klägerin wirft den [X.] vor, sie hätten gegen das Verbot der[X.] verstoßen, das Meßgerät umzuladen, und seien im übrigen bei der Um-ladung nicht sorgfältig vorgegangen. Die [X.] haben unter anderem [X.] der Verjährung erhoben. Das [X.] hat die auf Zahlung von- 4 -479.591 DM nebst Zinsen gerichtete Klage wegen Verjährung abgewiesen. DieBerufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit ihrer Revision verfolgt die Kläge-rin ihr Klagebegehren weiter.Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht hält einen gegenüber den [X.] allein in [X.] kommenden deliktischen [X.]adensersatzanspruch für verjährt. Die drei-jährige Verjährungsfrist gemäß § 852 Abs. 1 BGB sei vor Einreichung der [X.] am 22. Januar 1998 bereits abgelaufen gewesen. [X.] spätestens Mitte 1994 zu laufen begonnen, da sich die Klägerin so [X.] lassen müsse, als habe sie jedenfalls zu diesem Zeitpunkt Namen undAdressen der [X.] erfahren und damit die erforderliche Kenntnis von [X.] des in Anspruch genommenen [X.]ädigers gehabt. Die Klägerin [X.] nämlich, nachdem sie seitens der [X.]. [X.] im [X.]reiben vom 15. April1994 über den [X.]adenshergang informiert worden sei, ohne nennenswerteMühe in zumutbarer Weise die notwendige Kenntnis durch Nachfrage [X.] können. Das [X.]reiben der Klägerin vom 10. Dezember 1993 an die[X.] sei kein ausreichender Informationsversuch; dieses [X.]reiben [X.] erkennen, daß die Klägerin die Namen der betreffenden Mitarbeiter zudem Zwecke in Erfahrung bringen wolle, sie auf [X.]adensersatz in [X.] nehmen. Vielmehr sei aus dieser Anfrage nicht mehr zu entnehmen als [X.] der Klägerin, genaue Einzelheiten des Vorfalles im Rahmen der [X.] -prüfung der Ersatzpflicht der [X.] in Erfahrung zu bringen und eventuellZeugen benannt zu bekommen. Eine andere Beurteilung rechtfertige sich [X.] dem Vortrag der Klägerin, sie habe auch noch telefonisch nachgefragt; [X.] nicht näher konkretisierten Vorbringen ergebe sich nicht, daß die tele-fonischen Anfragen anders zu verstehen gewesen seien als das [X.]reibenvom 10. Dezember 1993. Hingegen sei davon auszugehen, daß die Klägerin,hätte sie hinreichend deutlich gemacht, daß sie neben der [X.] weitereRegreßschuldner in Erfahrung bringen wolle, auch eine entsprechende [X.] hätte erhalten können.Der Lauf der Verjährung sei auch nicht gemäß § 852 Abs. 2 BGB ge-hemmt gewesen. Es sei nichts dafür vorgetragen, daß irgendwelche Verhand-lungen über eine [X.]adensersatzleistung im Namen der [X.] oder auchnur in deren Interesse geführt worden seien. Regulierungsverhandlungen mitder Firma [X.]. [X.] hätten nicht die [X.] betroffen. Im übrigen habe die[X.]. [X.] im [X.]reiben vom 15. April 1994 Ansprüche über die vertraglichenHaftungshöchstgrenzen hinaus eindeutig abgelehnt, was im Verhältnis zu den[X.], sollten sie sich diese Verhandlungen zwischen den [X.] entgegenhalten lassen müssen, einer völligen Zurückweisung gleichge-kommen sei.- 6 -II.Die Überlegungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revi-sion nicht stand. Die im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen rechtferti-gen nicht die rechtliche Beurteilung, die mit der Klage geltend gemachten[X.]adensersatzansprüche seien gegenüber den [X.] verjährt.1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß das hier geltendgemachte [X.]adensersatzbegehren nur auf die deliktische Anspruchsgrundla-ge des § 823 Abs. 1 BGB gestützt werden kann, so daß sich die [X.] § 852 Abs. 1 BGB richtet und es daher darauf ankommt, ob die Klägerindie notwendige Kenntnis vom [X.]aden und von der Person der [X.] mehr als drei Jahre vor Einreichung der [X.]sschrift bei [X.] am 22. Januar 1998 [X.] Die Revision rügt jedoch zu Recht, daß die Klägerin entgegen der imBerufungsurteil vertretenen Auffassung nicht so behandelt werden kann, als seibei ihr das Erfordernis der Kenntnis von den [X.] als Haftungsschuldnernbereits für die Zeit vor dem 22. Januar 1995, nämlich spätestens in der [X.] erfüllt gewesen.a) Die in § 852 Abs. 1 BGB vorausgesetzte positive Kenntnis von [X.] des [X.] hat der Verletzte nur dann, wenn ihm dessen Na-me und Anschrift bekannt sind (st. Rspr., vgl. z.B. Senatsurteile vom 31. [X.] - [X.]5/94 - [X.], 551, 552 und vom 16. Dezember 1997- [X.]/96 - [X.], 378, 379). Die Namen der hiesigen [X.]erfuhr die Klägerin jedoch - davon ist auf der Grundlage der im Berufungsurteilgetroffenen Feststellungen auszugehen - erst durch den seitens der [X.] 7 -vollmächtigten der [X.] in dem gegen sie gerichteten Rechtsstreit vorge-legten [X.] vom 19. Dezember 1997.b) Für seine Auffassung, der Klägerin sei dennoch eine entsprechendeKenntnis bereits in der Jahresmitte 1994 zuzurechnen, will das Berufungsge-richt an den Rechtsgrundsatz anknüpfen, daß die Verjährungsfrist des § 852Abs. 1 BGB ausnahmsweise auch dann zu laufen beginnen kann, wenn [X.] den gebotenen Kenntnisstand nicht positiv besessen hat, es [X.] möglich war, sich die erforderlichen Kenntnisse in zumutbarer Weiseohne nennenswerte Mühe und ohne besondere Kosten zu beschaffen. [X.] dem Rechtsgedanken des § 162 BGB folgend dem Geschädigten die sonstbestehende Möglichkeit genommen werden, die Verjährungsfrist mißbräuchlichdadurch zu verlängern, daß er die Augen vor einer sich aufdrängenden Kennt-nis verschließt. Der erkennende Senat hat jedoch stets mit [X.], daß selbst eine grob fahrlässige Unkenntnis der vom Gesetz ge-forderten positiven Kenntnis nicht gleichsteht; vielmehr betrifft diese Ausnahmevom Gebot der positiven Kenntnis nur Fälle, in denen es der Geschädigte ver-säumt hat, eine gleichsam auf der Hand liegende Kenntnismöglichkeit wahrzu-nehmen und letztlich das Sichberufen auf die Unkenntnis als [X.] er-scheint, weil jeder andere in der Lage des Geschädigten unter denselben [X.] Umständen die Kenntnis gehabt hätte (st. Rspr., vgl. z.B. [X.]Z 133,192, 198 f.; Senatsurteile vom 16. Dezember 1997 - [X.]/96- [X.], 378, 380; vom 17. November 1998 - [X.] - VersR 1999,585, 587; vom 18. Januar 2000 - [X.] - [X.], 503, 504 undvom 12. Dezember 2000 - [X.] - ZIP 2001, 379, 380).c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze durfte das Berufungsge-richt - wie die Revision zu Recht beanstandet - vorliegend nicht zu dem [X.]luß- 8 -gelangen, die Klägerin sei so zu behandeln, als habe sie bereits mehr als dreiJahre vor der [X.] die erforderlichen Kenntnisse hinsichtlich der[X.] gehabt. Die Klägerin war nicht verpflichtet, im Interesse der [X.] an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist eigene Initiati-ven zur Erlangung der Kenntnis über den [X.]adenshergang und die Persondes [X.]ädigers zu entfalten. Die Klägerin hätte sich nur dann im Sinne desdargestellten [X.] einer sich aufdrängenden Kenntnis mißbräuch-lich verschlossen, wenn sie von jeglicher naheliegenden und jederzeit auf ein-fache Weise möglichen Nachfrage zur Vervollständigung des Wissens umfehlende Details abgesehen hätte (vgl. z.B. Senatsurteil vom 18. Januar 2000- [X.] aaO m.w.N.). Eine solche Fallgestaltung lag jedoch hier nichtvor, und zwar auch nicht im Hinblick darauf, daß es sich bei der Klägerin umein im Geschäftsverkehr erfahrenes Versicherungsunternehmen handelt.Die Klägerin hat sich im Gegenteil bereits zu Beginn der [X.]adensregu-lierung mit ihrer schriftlichen Anfrage vom 10. Dezember 1993 an die [X.]gewandt und ausdrücklich nicht nur um eine [X.]ilderung des [X.]adensher-gangs, sondern auch um Mitteilung des Namens "des betreffenden Mitarbei-ters" gebeten. Bereits diese - hinsichtlich der erbetenen Angaben zur Personvon [X.]ädigern erfolglos gebliebene - Nachfrage, die zweifelsfrei im [X.] mit der Prüfung eventueller haftungsrechtlicher [X.], schließt die Annahme aus, die Klägerin handle rechtsmißbräuchlich,wenn sie sich nunmehr auf ihre im für die Verjährung maßgeblichen Zeitpunktfehlende Kenntnis hinsichtlich der [X.] beruft. Entgegen der [X.] kann es im Rahmen des vorliegend allein interessieren-den rechtlichen Gesichtspunkts innerhalb der Verjährungsfrage nicht daraufankommen, ob die Klägerin in ihrem [X.]reiben an die [X.] ausdrücklichdarauf hingewiesen hat, sie wolle die Mitarbeiter selbst auch haftungsrechtlich- 9 -in Anspruch nehmen. Von der Klägerin konnten, um ein mißbräuchliches Sich-verschließen gegenüber einer naheliegenden Erkenntnismöglichkeit auszu-schließen, auch nicht weitere Nachforschungen, etwa ein besonderes Insistie-ren auf Auskünften der [X.] oder der [X.]. [X.] verlangt werden; wie be-reits dargelegt, wäre im vorliegenden Zusammenhang selbst der Vorwurf einesgrob fahrlässigen Verhaltens der Klägerin, wenn sie weitere Erkundigungs-maßnahmen unterließ, nicht von rechtlicher Relevanz.Ob die Klägerin von vornherein vorhatte, auch gegen die [X.] vorzugehen oder ob sie ihre Regreßbemühungen zunächstnur gegen die [X.] richten wollte, kann angesichts dessen, daß die Ver-jährungsvoraussetzungen gegenüber jedem Gesamtschuldner gänzlich ge-trennt festzustellen sind (vgl. Senatsurteil vom 12. Dezember 2000- [X.] - aaO), für die Frage des Verjährungsbeginns durch Kennt-niserlangung keine Rolle spielen.3. Da somit mangels der erforderlichen Kenntnis der Klägerin im Sinnedes § 852 Abs. 1 BGB die Verjährungsfrist nicht zu einem Zeitpunkt zu [X.], der mehr als drei Jahre vor der Einreichung der [X.]s-schrift lag, konnte durch diese [X.] noch rechtzeitig eine [X.] nach § 209 Abs.1 BGB herbeigeführt werden. Auf die [X.], ob zwischenzeitlich eine Hemmung der Verjährung gegenüber den [X.] durch Verhandlungen über den zu leistenden [X.]adensersatz gemäߧ 852 Abs. 2 BGB eingetreten war, kommt es daher nicht mehr an.- 10 -II[X.] Berufungsurteil kann auch nicht aus anderen Gründen aufrechter-halten werden, da die Frage, ob die sachlichen Voraussetzungen einer delikts-rechtlichen Haftung der [X.] erfüllt sind, mangels jeglicher Feststellungendes Berufungsgerichts nicht beurteilt werden kann.Die angefochtene Entscheidung war daher aufzuheben und die Sachezur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.[X.] Dr. Lepa [X.] [X.] Diederichsen

Meta

VI ZR 30/00

06.03.2001

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.03.2001, Az. VI ZR 30/00 (REWIS RS 2001, 3331)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 3331

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