Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.09.2012, Az. II R 52/11

2. Senat | REWIS RS 2012, 2721

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Gegenstand

Auslegung eines Erbvergleichs über Zugewinnausgleichs- und Pflichtteilsanspruch


Leitsatz

1. NV: Bei der Auslegung eines Erbvergleichs über den Zugewinnausgleichs- und den Pflichtteilsanspruch sind neben dem Wortlaut der Willenserklärungen alle Begleitumstände, insbesondere die Entstehungsgeschichte des Vertrages sowie der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck und die bestehende Interessenlage zu berücksichtigen.  

2. NV: Aus dem Umstand, dass nur der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch, nicht aber die Zugewinnausgleichsforderung zum erbschaftsteuerrechtlichen Erwerb gehört, kann nicht darauf geschlossen werden, die Vertragsparteien hätten ausschließlich den Pflichtteilsanspruch mindern und den Zugewinnausgleichsanspruch unverändert bestehen lassen wollen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Witwe des [X.]rblassers ([X.]) und lebte mit diesem im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. [X.] und sein [X.]ruder ([X.]) waren zu je 50 % an einer [X.] beteiligt. [X.] ist testamentarischer Alleinerbe des [X.].

2

Nach dem Tod des [X.] machte die Klägerin gegenüber [X.] Ansprüche auf Zugewinnausgleich und Pflichtteil geltend. [X.]eide Ansprüche wurden von [X.] dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Am 27. August 2008 trafen die Klägerin und [X.] eine notariell beurkundete "[X.]". In der [X.] dieses Vertrages stellen die [X.] zunächst klar, dass sie sich "im Wege des gegenseitigen [X.]" und "vergleichsweise" auf die für die Ansprüche der Klägerin maßgebliche Höhe des Anfangs- und [X.]ndvermögens des [X.] verständigt hätten und "auf dieser [X.]asis ... sich ... auf eine pauschale Abgeltung der Ansprüche geeinigt" hätten. Dementsprechend verpflichtete sich [X.], an die Klägerin "in [X.]rfüllung des gesetzlichen Zugewinnausgleichsanspruchs und in [X.]rfüllung des [X.] einen Pauschalbetrag in Höhe von insgesamt [X.]UR 12.600.000" zu zahlen. Mit dieser "Ausgleichsvereinbarung" sollten sämtliche wechselseitigen Ansprüche zwischen [X.] und der Klägerin "insbesondere erbrechtliche und güterrechtliche Ansprüche" erledigt sein; "auf sämtliche Ansprüche" wurde "wechselseitig verzichtet" (Teil [X.] § 5 der Vereinbarung). Die Klägerin legte später im [X.]esteuerungsverfahren ein Verzeichnis über den Nachlass des [X.] vor, aus welchem sich ein Schätzwert des Nachlasses vor Ausgleich des Zugewinns in Höhe von 24.388.774,40 € ergibt.

3

Der [X.]eklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) setzte durch [X.]escheid vom 5. März 2009 für den Pflichtteilserwerb [X.]rbschaftsteuer in Höhe von 314.355 € gegen die Klägerin fest.

4

Der [X.]inspruch hatte teilweise [X.]rfolg. Das [X.] ging in der [X.]inspruchsentscheidung vom 31. Januar 2011 von einem Pflichtteilserwerb der Klägerin in Höhe von 1.401.743 € und abzugsfähigen [X.] in Höhe von 40.727 € aus und setzte die Steuer auf 151.620 € herab. Die aufgrund des Vergleichs erfolgten Zahlungen an die Klägerin, die das [X.] mit 12.614.481 € annimmt, seien auf den [X.] und den Pflichtteilsanspruch verhältnismäßig aufzuteilen. Die geltend gemachten Kosten zur Regelung des Nachlasses in Höhe von insgesamt 208.129 € seien auf die Kinder der [X.]heleute und die Klägerin aufzuteilen. Der danach auf die Klägerin entfallende [X.]etrag sei nur insoweit abziehbar, als er dem Pflichtteilsanspruch zuzurechnen sei. Dies treffe für einen [X.]etrag von 40.727 € zu.

5

Die Klage hatte [X.]rfolg. Der Pflichtteilsanspruch der Klägerin war nach Auffassung des Finanzgerichts ([X.]) nur in Höhe von 420.094 € als [X.]rwerb anzusetzen. Der [X.] sei nach dem erkennbaren objektiven Willen der Vertragspartner dahin auszulegen, dass sich die Klägerin allein im Hinblick auf ihren Pflichtteilsanspruch, nicht aber im Hinblick auf ihren Zugewinnausgleichsanspruch mit weniger zufrieden gegeben habe. [X.]in gleichmäßiger Verzicht sowohl auf den güterrechtlichen Zugewinnausgleichsanspruch als auch auf den erbrechtlichen Pflichtteilsanspruch wäre in der [X.] genau bezeichnet worden, zumal die Klägerin und [X.] nach fachkundiger [X.]eratung gewusst hätten, dass der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch --anders als die Zugewinnausgleichsforderung-- bei der Klägerin als [X.]rwerb der [X.]rbschaftsteuer unterliege.

6

Auf der Grundlage "der zwischen den [X.]eteiligten nicht streitigen [X.]rmittlung" des [X.] (24.388.774 €) hätten die [X.] und Pflichtteilsansprüche der Klägerin insgesamt 13.718.685 € betragen, wovon auf den Zugewinn 12.194.387 € (50 % von 24.388.774 €) und auf den Pflichtteil 1.524.298 € (1/8 von 12.194.387 €) entfielen. Da der Vergleichsbetrag deutlich über dem der Klägerin zustehenden güterrechtlichen Anspruch liege, könne für die [X.]rbschaftsbesteuerung nicht ohne weiteres von einem teilweisen Verzicht auf den (nicht steuerpflichtigen) Zugewinnausgleichsanspruch ausgegangen werden. Denn die [X.]eteiligten hätten nach den Grundsätzen über die Anerkennung sogenannter [X.]rbvergleiche über außererbrechtliche Verbindlichkeiten nicht mit erbschaftsteuerrechtlicher Wirkung disponieren können. Der vorliegende ([X.]rb-)Vergleich betreffe deshalb nur den Pflichtteilsanspruch. Die Vertragsparteien hätten sich insoweit auf einen [X.]etrag von 420.094 € (12.614.481 € ./. 12.194.387 €) verständigt. Im Hinblick auf die zu berücksichtigenden Freibeträge nach § 16 und § 17 des [X.]rbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes --[X.]rbStG-- (insgesamt 563.000 €) führte die Klage zur antragsgemäßen Aufhebung von [X.]escheid und [X.]inspruchsentscheidung.

7

Mit der Revision rügt das [X.] die Verletzung der §§ 133, 157 des [X.]ürgerlichen Gesetzbuches ([X.]G[X.]). Das Auslegungsergebnis des [X.] widerspreche dem Wortlaut der [X.].

8

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und [X.]ntscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Das [X.] hat bei seiner Auslegung nicht alle Regelungen der Vergleichsvereinbarung berücksichtigt und damit die allgemeinen Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 [X.]G[X.]) verletzt.

a) Die Auslegung eines Vergleichs, in dem sich der [X.]rbe und der überlebende [X.]hegatte des [X.]rblassers, der weder [X.]rbe noch Vermächtnisnehmer geworden ist, sowohl über die Höhe des [X.] als auch über die Höhe des nach § 5 Abs. 2 [X.] nicht der [X.]rbschaftsteuer unterliegenden [X.]s (§ 1371 Abs. 2, § 1378 [X.]G[X.]) einigen, obliegt dem [X.] als Tatsacheninstanz und ist grundsätzlich für den [X.] ([X.]) gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindend. Hat die Tatsacheninstanz jedoch wesentlichen Auslegungsstoff außer [X.] gelassen und somit gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln (§ 133 und § 157 [X.]G[X.]) verstoßen, ist das Revisionsgericht an die Auslegung durch das [X.] nicht gebunden und kann, wenn weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind, die Auslegung des Vertrags selbst vornehmen ([X.]-Urteil vom 30. März 2009 II R 1/08, [X.]/NV 2009, 1666; Urteil des [X.] vom 23. Juni 2010 VIII ZR 256/09, [X.] 2010, 2648). Dabei sind neben dem Wortlaut der abgegebenen Willenserklärungen alle [X.]egleitumstände, insbesondere die [X.]ntstehungsgeschichte des Vertrages oder des Rechtsgeschäfts sowie der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck und die bestehende Interessenlage zu berücksichtigen ([X.]-Urteil vom 8. Februar 1989 II R 85/86, [X.][X.] 160, 1, [X.] 1990, 587).

b) Das [X.] hat bei seiner Auslegung, dass der [X.] und der Pflichtteilsanspruch der Klägerin nicht im gleichen Verhältnis gemindert worden sein sollen, sondern ein alleiniger Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch vereinbart worden sein soll, auf den objektiv erkennbaren Willen der Vertragspartner abgestellt. [X.]s hat jedoch nicht dargelegt, wodurch in der Vergleichsvereinbarung oder aus welchen anderen Umständen ein solcher Wille der Vertragspartner erkennbar sei. Die [X.]egründung, ein gleichmäßiger Verzicht auf beide Ansprüche sei nicht vereinbart worden, weil andernfalls dieser Umstand in der Vereinbarung genau bezeichnet worden wäre, ist nicht tragfähig. Denn auch der vom [X.] angenommene alleinige Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch ist in der Vergleichsurkunde nicht angeführt.

c) Auch aus dem Umstand, dass nur der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch, nicht aber die Zugewinnausgleichsforderung erbschaftsteuerrechtlich zum [X.]rwerb der Klägerin gehört, kann nicht darauf geschlossen werden, die Vertragsparteien hätten ausschließlich den Pflichtteilsanspruch mindern und den [X.] unverändert bestehen lassen wollen. Ob [X.] als Schuldner der Ansprüche einen solchen Willen hatte, ist nicht festgestellt. [X.]in derartiger Wille kann nicht allein im Hinblick auf die unterschiedliche erbschaftsteuerrechtliche [X.]inordnung der Ansprüche bei der Klägerin angenommen werden. Denn bei [X.] sind sowohl die Zugewinnausgleichsforderung als auch der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch als Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] abzugsfähig. Anhaltspunkte dafür, dass [X.] mit der Vergleichsvereinbarung auch erreichen wollte, den erbschaftsteuerrechtlich maßgebenden Wert des [X.]rwerbs der Klägerin möglichst gering zu halten, sind nicht erkennbar. Die Vergleichsvereinbarung diente vielmehr --wie aus der Präambel ersichtlich ist-- der [X.]eilegung des nach dem Tod des [X.] entstandenen Streits über Grund und Höhe aller Ansprüche gegenüber dem Alleinerben [X.] und der Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten.

d) Soweit das [X.] maßgeblich darauf abstellt, dass der Vergleichsvertrag keine [X.]estimmung darüber enthalte, ob und in welcher Höhe die Klägerin auf die ihr zustehenden jeweiligen Ansprüche verzichtet habe (S. 7 des Urteils), spricht dies nicht für, sondern gegen das Auslegungsergebnis des [X.]. Denn der Umstand, dass der Vergleich weder Angaben über die tatsächliche Höhe der Ansprüche noch den Umfang des [X.] der Klägerin enthält, macht deutlich, dass die [X.] die zwischen ihnen streitige Frage nach der Höhe der tatsächlichen Ansprüche gerade offenlassen und die Ansprüche durch eine einheitliche Pauschalregelung erledigen wollten.

Dies ergibt sich auch deutlich aus dem vom [X.] unberücksichtigt gelassenen Teil [X.] § 5 der Vergleichsvereinbarung. Danach sollten mit der Ausgleichsvereinbarung sämtliche wechselseitigen Ansprüche zwischen [X.] und der Klägerin aus und im Zusammenhang mit dem Ableben des [X.], insbesondere erbrechtliche und güterrechtliche Ansprüche erledigt sein. Diese Regelung kann deshalb nur so verstanden werden, dass die Pauschalsumme gleichermaßen und ohne Präferenz beide Ansprüche betreffen sollte. Hierfür spricht nicht nur die [X.]ezeichnung als "Pauschalbetrag" auch hinsichtlich des [X.]s, sondern auch die sich unmittelbar anschließende wechselseitige [X.], die sich ausdrücklich auf güterrechtliche Ansprüche erstreckt. Hinsichtlich einer vollständig getilgten Zugewinnausgleichsforderung, wie sie das [X.] angenommen hat, wäre eine solche Verzichtserklärung nicht erforderlich gewesen.

e) Für die Auslegung, dass mit der Vergleichsvereinbarung der Wert für beide Forderungen im gleichen Verhältnis herabgesetzt wurde, spricht neben Teil [X.] § 5 auch die Regelung in Teil [X.] § 1 des [X.]. Darin ist die Zahlung eines [X.] des [X.] an die Klägerin "in [X.]rfüllung des gesetzlichen [X.]s und in [X.]rfüllung des [X.]" geregelt. Ob [X.] als Schuldner mit dieser Zahlung beide Forderungen der Klägerin im gleichen Verhältnis oder die Zugewinnausgleichsforderung in voller Höhe und die [X.] nur zum Teil getilgt hat, ist nicht durch die Klägerin als Gläubigerin zu bestimmen. Maßgeblich ist vielmehr die [X.]estimmung des Schuldners. Ist der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet und reicht das von ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden aus, so wird diejenige Schuld getilgt, welche er bei der Leistung bestimmt (§ 366 Abs. 1 [X.]G[X.]). Trifft der Schuldner --wie im [X.] keine [X.]estimmung, so wird bei Schulden, die zum selben Zeitpunkt fällig und gleich alt sind, jede Schuld verhältnismäßig getilgt (§ 366 Abs. 2 [X.]G[X.]).

f) An dieser [X.]eurteilung ändert auch nichts das von der Klägerin vorgelegte Nachlassverzeichnis, selbst wenn dieses als Grundlage für die Vergleichsverhandlungen gedient haben sollte und zwischen den Prozessbeteiligten in erster Instanz nicht streitig war. Denn es handelt sich bei den dort für die einzelnen Nachlassgegenstände aufgeführten Werten überwiegend lediglich um Schätzwerte, die keinen gesicherten Aufschluss über den tatsächlichen Wert des Nachlasses und damit über die wirkliche Höhe der beiden Ansprüche der Klägerin geben. Die [X.] sind zudem noch bei Abschluss des Vergleichs davon ausgegangen, dass die Ansprüche der Klägerin nach Grund und Höhe streitig sind, haben sich auf "vertretbare", für die beiden Ansprüche der Klägerin maßgebliche Werte (Anfangs- und [X.]ndvermögen des [X.]; Wert des [X.]etriebsvermögens) lediglich "vergleichsweise" geeinigt und damit die tatsächliche Höhe beider Ansprüche der Klägerin bewusst offengelassen.

Der Hinweis des [X.], der vorliegende ([X.]rb-)Vergleich betreffe deshalb nur den Pflichtteilsanspruch, weil die [X.]eteiligten nur über diesen Anspruch mit erbschaftsteuerrechtlicher Wirkung hätten disponieren können, vermag das Auslegungsergebnis des [X.] nicht zu stützen. Denn der Inhalt einer vertraglichen Vereinbarung kann sich nicht aus deren steuerrechtlichen Wirkungen ergeben, vielmehr verhält es sich genau umgekehrt. Die steuerrechtlichen Folgen ergeben sich aus dem Inhalt des Vertrags.

Auch hat das [X.] in diesem Zusammenhang nicht beachtet, dass, selbst wenn der tatsächliche Wert des Nachlasses 24.388.774 € betragen haben sollte, die Voraussetzungen für eine steuerrechtliche Anerkennung des [X.]rbvergleichs hinsichtlich des [X.] der Klägerin nicht erfüllt gewesen wären. Denn konnte die Klägerin einen Zugewinnausgleich in Höhe der Hälfte des nach Auffassung des [X.] tatsächlich feststehenden [X.] beanspruchen, wäre zugleich auch die [X.]erechnungsgrundlage für den Pflichtteilsanspruch mit 1/8 des [X.] festgelegt gewesen. [X.]ine Unsicherheit über die Höhe des [X.], die im Wege eines Vergleichs zur [X.]eilegung von Rechtsstreitigkeiten hätte beseitigt werden können, hätte nicht mehr bestanden. Der vom [X.] angenommene (Teil-)Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch wäre erbschaftsteuerrechtlich unbeachtlich gewesen. Als [X.]rwerb wäre der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch in Höhe von 1.524.298 € anzusetzen gewesen. Denn mit der Geltendmachung des [X.] durch die Klägerin wäre die [X.]rbschaftsteuer gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.]uchst. b [X.] auf der Grundlage des tatsächlichen Werts ihres Anspruchs entstanden und zugleich damit der [X.]rwerb aus erbschaftsteuerrechtlicher Sicht vollendet gewesen ([X.]-Urteil vom 19. Juli 2006 II R 1/05, [X.][X.] 213, 122, [X.] 2006, 718). [X.]rfüllungsabreden, die nach der [X.]ntstehung des Steueranspruchs zwischen dem [X.]rben und dem Pflichtteilsberechtigten getroffen werden, können den einmal entstandenen Steueranspruch weder aufheben noch verändern. Auch ein nachträglicher teilweiser Verzicht des [X.]erechtigten auf seinen Anspruch wirkt sich grundsätzlich nicht auf die Steuer aus.

g) Der Senat geht deshalb davon aus, dass im Rahmen des geschlossenen Gesamtvergleichs mit der Zahlung des [X.] beide Forderungen der Klägerin im gleichen Verhältnis getilgt wurden und sich die Klägerin damit zufrieden gegeben hat. Dies beinhaltet zugleich, dass sie möglicherweise eine Minderung beider im Streit befindlichen Forderungen hingenommen hat. In untrennbarem Zusammenhang damit hat sie zur [X.]eilegung der Streitigkeiten und zur Herstellung der Rechtssicherheit für alle [X.] ihre Ansprüche auf Zugewinn und Pflichtteil für erledigt erklärt und auf alle Ansprüche verzichtet, die infolge des Ablebens des [X.] entstanden waren oder noch entstehen können. Welche erb- oder güterrechtlichen Ansprüche nach Abschluss des Vergleichs von dem Verzicht noch hätten erfasst werden können, kann dahinstehen; jedenfalls sind Anhaltspunkte dafür, dass der auch von [X.] erklärte Verzicht konkrete Ansprüche betroffen habe und deshalb insoweit eine Gegenleistung des [X.] vorliegen könnte, nicht ersichtlich.

h) Da das [X.] von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben.

2. Die Sache ist nicht spruchreif. Die vom [X.] getroffenen Feststellungen ermöglichen keine abschließende [X.]ntscheidung darüber, ob die Klägerin über den vereinbarten Pauschalbetrag von 12.600.000 € hinaus eine Zahlung des [X.] von 14.481 € zum Teil auch zur [X.]rfüllung ihres [X.] erhalten hat und in welchem Umfang die von ihr geltend gemachten [X.]eratungskosten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 [X.] abzugsfähig sind.

a) Der [X.]rwerb aufgrund eines geltend gemachten [X.] (§§ 2303 ff. [X.]G[X.]) gilt gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] als [X.]rwerb von Todes wegen. Mit der Geltendmachung des [X.] durch den [X.]erechtigten ist die [X.]rbschaftsteuer gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.]uchst. b [X.] entstanden. [X.]ine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn sich der [X.]erechtigte nach ernstlichem Streit über die Höhe seines Pflichtteils vergleichsweise mit weniger zufrieden gibt als er beansprucht hat. In diesem Fall kann er nur aus dem niedrigeren Wert besteuert werden ([X.]-Urteile in [X.][X.] 213, 122, [X.] 2006, 718, und vom 1. Juli 2008 II R 71/06, [X.][X.] 222, 63, [X.] 2008, 874, jeweils m.w.[X.]). Voraussetzung für den Ansatz des niedrigeren Werts ist jedoch stets, dass die Höhe des [X.] unsicher war und erst mit dem Nachgeben des Pflichtteilsberechtigten feststand.

b) Im Streitfall ist der notariell beurkundete Vergleichsvertrag entgegen der Vorentscheidung dahin auszulegen, dass mit der Zahlung des vereinbarten [X.] von 12.600.000 € die Zugewinnausgleichsforderung und der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch der Klägerin verhältnismäßig getilgt werden sollten und von einem vergleichsweise festgelegten Wert des [X.] von 1.400.000 € auszugehen ist. Dieser [X.]etrag ist nach den oben dargestellten Grundsätzen erbschaftsteuerrechtlich maßgebend, weil der Pflichtteilsanspruch bis zum Abschluss des Vergleichs nach Grund und Höhe streitig und unsicher war und diese Unsicherheit durch den Abschluss des Vergleiches beseitigt wurde. Das von der Klägerin vorgelegte Nachlassverzeichnis ergibt keine sichere [X.]rkenntnis über den wirklichen Wert des Nachlasses.

Der aufgrund des Vergleichs vereinbarte Pauschalbetrag entfällt in Höhe von 1.400.000 € auf den vergleichsweise ermittelten Pflichtteilsanspruch der Klägerin und ist insoweit als [X.]rwerb anzusetzen. Da durch den Pauschalbetrag von 12.600.000 € sowohl der [X.] als auch der Pflichtteilsanspruch der Klägerin vollständig getilgt wurden und der Pflichtteilsanspruch, nicht aber der [X.] der [X.]rbschaftsteuer unterliegt, ist es für die Festsetzung der [X.]rbschaftsteuer erforderlich, den [X.]etrag auf die beiden Ansprüche aufzuteilen. Für diese Aufteilung ist davon auszugehen, dass sich die Zugewinnausgleichsforderung der Klägerin auf die Hälfte des Werts des von [X.] hinterlassenen [X.]ndvermögens beläuft und der Pflichtteilsanspruch in Höhe von 1/8 des Nachlasses (nach Abzug der Zugewinnausgleichsverbindlichkeit) besteht. Die Summe beider Forderungen beträgt --wie der vereinbarte [X.] 12.600.000 €. Unter [X.]erücksichtigung dieser Vorgaben lassen sich die aufgrund des Vergleichs maßgeblichen Werte für das vergleichsweise festgelegte [X.]ndvermögen des [X.] und für die Aufteilung des [X.] auf Zugewinn und Pflichtteil rechnerisch ermitteln. Diese rechnerische [X.]rmittlung führt zu dem [X.]rgebnis, dass dem Vergleich ein im Nachlass befindliches [X.]ndvermögen des [X.] --vor Abzug der Verbindlichkeit wegen des [X.] von 22.400.000 €, eine auf den Zugewinn entfallende pauschale Zahlung von 11.200.000 € und eine auf den Pflichtteil entfallende pauschale Zahlung von 1.400.000 € zugrunde liegen.

c) Das [X.] hat --aus seiner Sicht zu [X.] keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin über den vereinbarten Pauschalbetrag von 12.600.000 € hinaus eine Zahlung des [X.] von 14.481 € auch zur Abgeltung des [X.] erhalten hat. [X.]s kann daher nicht beurteilt werden, ob insoweit der [X.]rwerb der Klägerin zu erhöhen wäre.

Das [X.] geht zwar davon aus, dass die Klägerin "zur pauschalen Abgeltung der Ansprüche" 12.614.481 € erhalten hat. [X.]s ist aber nicht ersichtlich, worauf die [X.] von 14.481 € beruht. Das [X.] wird insoweit Feststellungen nachzuholen haben. Sollte die [X.] ganz oder teilweise den geltend gemachten Pflichtteilsanspruch betreffen, wäre der [X.]rwerb entsprechend zu erhöhen, soweit dem das Verböserungsverbot (§ 96 Abs. 1 Satz 2 [X.]O) nicht entgegensteht. Sollte es sich bei der [X.] um Verzugszinsen handeln, läge ein [X.]rwerb der Klägerin von Todes wegen nicht vor.

d) Weiter wird das [X.] noch festzustellen haben, in welcher Höhe sich die von der Klägerin geltend gemachten [X.]eratungskosten auf die [X.]rlangung ihres steuerbaren Pflichtteilserwerbs beziehen und daher gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 [X.] abzugsfähig sind.

Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 [X.] sind nur die Kosten abzugsfähig, die unmittelbar im Zusammenhang mit der [X.]rlangung des steuerpflichtigen [X.]rwerbs entstehen. [X.]ntscheidend für den [X.] im Streitfall ist deshalb, ob die von der Klägerin geltend gemachten Kosten mit dem Pflichtteilsanspruch zusammenhängen. Nicht abzugsfähig sind die Kosten, die auf die Geltendmachung der Zugewinnausgleichsforderung der Klägerin entfallen. Auch scheidet ein Abzug Dritten in Rechnung gestellter Kosten aus. Soweit die Kostenrechnungen an die Klägerin gerichtet wurden, muss geklärt werden, in welchem Zusammenhang die Kosten angefallen sind. [X.]etreffen die berechneten Kosten die Geltendmachung mehrerer Ansprüche oder die [X.]eratung in [X.]ezug auf die [X.]rmittlung der anzusetzenden Werte der Nachlassgegenstände, können die Kosten entsprechend den Werten der jeweiligen Ansprüche aufgeteilt und der Klägerin zugeordnet werden, soweit ihr Pflichtteilsanspruch davon betroffen ist.

Meta

II R 52/11

27.09.2012

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 7. September 2011, Az: 4 K 803/11 Erb, Urteil

§ 133 BGB, § 157 BGB, § 3 Abs 1 Nr 1 ErbStG 1997, § 5 Abs 2 ErbStG 1997, § 10 Abs 1 S 1 ErbStG 1997, § 10 Abs 5 S 1 Nr 3 ErbStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.09.2012, Az. II R 52/11 (REWIS RS 2012, 2721)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2721

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