Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.10.2023, Az. XIII ZB 53/22

13. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 7272

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Gegenstand

Beschwerdeberechtigung im Abschiebungshaftverfahren: Berücksichtigung einer vom Betroffenen benannten Vertrauensperson


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Person des Vertrauens des Betroffenen wird der Beschluss des [X.] - 21. Zivilkammer - vom 27. Mai 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zu anderweitiger Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 5.000 €.

Gründe

1

I. Der Betroffene, ein [X.] Staatsangehöriger, reiste im Jahr 2013 erstmals in die [X.] ein. Seine Asylanträge hatten keinen Erfolg. [X.] betrieb die beteiligte Behörde die Abschiebung des Betroffenen. In diesem Zusammenhang ordnete das Amtsgericht mit Beschluss vom 14. Oktober 2021 im Wege der einstweiligen Anordnung gegen diesen Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 22. Oktober 2021 an.

2

Am 21. Oktober 2021 hat der [X.] gegenüber dem Amtsgericht angezeigt, dass er die Person des Vertrauens (fortan: Vertrauensperson) des Betroffenen sei, und beantragt, die gegen diesen angeordnete Haft aufzuheben sowie festzustellen, dass die Haft ab Eingang des Antrags rechtswidrig war. Dem Schreiben war eine vom Betroffenen unterzeichnete Vollmacht beigefügt, die auch die Erklärung enthielt, dass er den [X.] als Vertrauensperson benenne. Das Amtsgericht hat den [X.] mit Beschluss vom 3. November 2021 abgelehnt. Die dagegen vom [X.] eingelegte, nach Beendigung der Haft auf Feststellung gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene sein Begehren weiter.

3

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

4

1. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde mangels Beschwerdebefugnis für unzulässig erachtet, da der [X.] keine Vertrauensperson des Betroffenen sei. Insoweit reiche nicht aus, dass der Betroffene eine Vollmacht unterschrieben habe, die ihn als solche benenne. Es bestünden Zweifel, ob der Inhalt des in [X.] vorformulierten Formulars für den Betroffenen verständlich gewesen sei. Der [X.] habe auch nicht dargelegt, dass er dem Betroffenen den Inhalt des Formulars erläutert habe.

5

2. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

6

a) Das Beschwerdegericht hat den [X.] zu Unrecht nicht als Vertrauensperson des Betroffenen anerkannt.

7

aa) Nach der Rechtsprechung des [X.] ist in Freiheitsentziehungsverfahren grundsätzlich der- oder diejenige Person des Vertrauens, um dessen oder deren Beteiligung der Betroffene bittet; weitergehende Voraussetzungen, wie etwa ein Näheverhältnis oder wenigstens eine nachvollziehbar dargelegte persönliche Beziehung zum Betroffenen und ein daraus folgendes ideelles Interesse der Person am Ausgang des Verfahrens, sind nicht erforderlich ([X.], Beschlüsse vom 19. Mai 2020 - [X.]/19, [X.] 2020, 387 Rn. 10; vom 28. November 2022 - [X.] 132/19, juris Rn. 7; vom 9. Mai 2023 - [X.] 9/20, juris Rn. 14). Entscheidend für die Stellung als Vertrauensperson ist allein, wem der Festzuhaltende Vertrauen entgegenbringt ([X.], Beschluss vom 9. Mai 2023 - [X.] 9/20, juris Rn. 14). Es genügt daher, wenn der Betroffene in einer Vollmacht die Person nicht nur mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben bevollmächtigt, sondern sie ausdrücklich auch als Person seines Vertrauens benannt hat, die über seine Inhaftierung und deren Fortbestand nach Art. 104 Abs. 4 GG, § 432 FamFG unterrichtet und an dem Verfahren beteiligt werden soll ([X.], Beschluss vom 28. November 2022 - [X.] 132/19, juris Rn. 7). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

8

bb) Gründe, an der Ernstlichkeit der Benennung des [X.]s zur Vertrauensperson durch den Betroffenen zu zweifeln, sind den Feststellungen nicht zu entnehmen. Soweit das Beschwerdegericht anführt, dem Betroffenen sei das von ihm unterschriebene Formular möglicherweise nicht verständlich gewesen, handelt es sich um eine reine Mutmaßung, die einer tatsächlichen Grundlage im festgestellten Sachverhalt entbehrt.

9

b) Der [X.] ist auch beschwerdebefugt. Er wendet sich als Vertrauensperson mit der Beschwerde (allein) gegen die Zurückweisung seines zugunsten des Betroffenen gestellten [X.]s. Diesen konnte er aufgrund seiner Benennung als Vertrauensperson (vgl. [X.], Beschlüsse vom 9. Mai 2023 - [X.] 9/20, juris und [X.] 27/20, [X.]. juris Rn. 14 f.) und im eigenen Namen (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Mai 2020 - [X.]/19, [X.] 2020, 387 Rn. 13) stellen; eine Beteiligung im vorangegangenen Haftanordnungsverfahren war dazu nicht erforderlich. Aufgrund der mit der Zurückweisung seines Antrags verbundenen formellen Beschwer des [X.]s ergibt sich seine Beschwerdebefugnis im Streitfall unmittelbar aus § 59 Abs. 1 FamFG, nicht aus § 429 FamFG (vgl. [X.], Beschlüsse vom 26. Januar 2021 - [X.] 30/20, juris Rn. 13; vom 20. April 2021 - [X.] 93/20, juris Rn. 7 f).

c) Nach der Entlassung des Betroffenen aus der Haft konnte der [X.] den [X.] gemäß § 62 FamFG mit dem Feststellungsantrag weiterverfolgen (vgl. [X.], Beschluss vom 31. August 2021 - [X.] 87/20, juris Rn. 6 f.).

3. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben (§ 74 Abs. 5 FamFG). Der [X.] kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da sich die Rechtmäßigkeit der gegen den Betroffenen angeordneten Sicherungshaft auf Grundlage der vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen nicht beurteilen lässt. Daher ist die Sache gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

III. Die Festsetzung des [X.] folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

[X.]     

      

[X.]     

      

Tolkmitt

      

Picker     

      

Kochendörfer     

      

Meta

XIII ZB 53/22

10.10.2023

Bundesgerichtshof 13. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Frankfurt, 27. Mai 2022, Az: 2-21 T 152/21

Art 104 Abs 4 GG, § 62 AufenthG, § 59 Abs 1 FamFG, § 432 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.10.2023, Az. XIII ZB 53/22 (REWIS RS 2023, 7272)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7272

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