Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.05.2011, Az. XI ZB 2/11

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6624

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 2/11

vom

17. Mai 2011

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat durch den
Richter am Bundesge-richtshof Dr. Joeres als
Vorsitzenden
und die Richter Dr.
Ellenberger, [X.], Dr.
Matthias und Pamp

am 17. Mai 2011

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden die Beschlüsse des 19.
Zivilsenats des [X.] vom 15.
Dezember
2010 und des [X.]s [X.]
I vom 13.
September
2010 aufgehoben.

Gründe:
I.
1. Der
Kläger macht gegen die Beklagte zu 2)
unter anderem Ansprüche im Zusammenhang mit der von ihm am 26. Oktober
2004 gezeichneten Beteili-gung an der F.

Medienfonds

GmbH & Co. KG
(im Folgenden: Fonds) sowie einem
zur teilweisen Finanzierung dieser Beteiligung aufgenommenen Darlehen
geltend.
Der Kläger stützt sein Klagebegehren gegen die Beklagte zu 2) zum ei-nen auf eine angebliche Prospektverantwortung der Beklagten zu 2) unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Prospekthaftung im engeren Sinne mit der [X.], der für die Anlage herausgegebene Prospekt sei inhaltlich aus [X.] Gründen falsch. Zum anderen nimmt er die Beklagte zu 2) als die seine Beteiligung finanzierende Bank in Anspruch mit der Begründung, die Be-1
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klagte
zu 2)
habe Aufklärungspflichten bei Eingehung des Darlehensvertrages verletzt. Schließlich stützt er sein Klagebegehren auch auf einen Widerruf des Darlehensvertrages nach den Verbraucherdarlehensvorschriften.
Beim [X.] ist unter dem Aktenzeichen KAP
1/07 ein Verfahren nach dem [X.] (nachfolgend: [X.]) anhängig. Die Beklagte zu 2) ist dort [X.] zu 2). Zu klären sind in diesem Verfahren, soweit es die [X.] Beklagte zu 2) betrifft, deren Prospektverantwortlichkeit und die Fehlerhaftigkeit des Prospekts.
2. Das [X.] hat das Verfahren nach §
7 [X.] ausgesetzt. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde gegen den Aussetzungsbe-schluss als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen aus-geführt:
§
7 Abs.
1 Satz
4 [X.] lasse eine Beschwerde gegen den [X.] nicht zu. Aus dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift ergebe sich, dass an sich auch die Voraussetzungen der Aussetzung gemäß §
7 Abs.
1 Satz
1 [X.] einer Überprüfung durch das Beschwerdegericht entzogen [X.]. Eine einschränkende Auslegung dieser Norm sei im Hinblick auf deren ein-deutigen Wortlaut nicht möglich. Zwar habe der [X.] die Anfech-tung von [X.], die auf §
7 Abs.
1 [X.] gestützt seien, insoweit zugelassen, als das Vordergericht den Beteiligtenbegriff aus dem
[X.] verkannt und Verfahren ausgesetzt habe, in denen kein [X.] nach §
1 [X.] hätte gestellt werden können und die [X.] von §
7 Abs.
1 [X.] von vornherein nicht erfasst würden. Diese Vo-raussetzungen lägen hier nicht vor, weil die Beklagte
zu 2) eine der [X.] sei. Es sei somit nicht zweifelhaft, dass gegen die Beklagte
zu 2) ein Musterfeststellungsverfahren durchgeführt werden könne. Nach Bekanntma-3
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chung des [X.] gemäß §
6 [X.] sei die Verfahrensstellung von anderen Gerichten in anderen Verfahren nicht überprüfbar. Der Umstand, dass der Kläger seine Ansprüche daneben auf weitere Sachverhalte stütze, die nicht den Gegenstand eines Musterfeststellungsantrags gemäß §
1 Abs.
1 [X.] darstellten, führe zu keiner anderen Beurteilung. §
7 Abs.
1 [X.] spreche nur von dem Verfahren als Ganzes und unterscheide nicht nach [X.]. Bei der hier vorliegenden alternativen Häu-fung von Streitgegenständen habe der Kläger hinzunehmen, dass es dem er-kennenden Gericht frei stehe, welchen der Sachverhalte es als Erstes prüfe.
Mit der -
vom Beschwerdegericht zugelassenen
-
Rechtsbeschwerde be-gehrt der Kläger die Aufhebung des Beschlusses des [X.] und der Aussetzungsentscheidung des [X.]s.

II.
Die statthafte Rechtsbeschwerde (§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 ZPO) ist [X.].
1. Rechtsfehlerhaft ist das Beschwerdegericht der Ansicht, der [X.] des [X.]s sei gemäß §
7 Abs.
1 Satz
4 [X.] unan-fechtbar. §
7 Abs.
1 [X.] findet auf das Streitverhältnis der Parteien inso-weit keine Anwendung, als Ansprüche aus vorvertraglicher Aufklärungspflicht-verletzung der Beklagten
zu 2)
aus dem [X.] bzw. Ansprüche aus einem Widerruf nach dem Verbraucherdarlehensrecht im Streit sind (vgl. Senatsbeschluss vom 30.
November 2010 -
XI
[X.], [X.], 110
ff.). Daher ist die auf §
7 Abs.
1 [X.] gestützte Aussetzung des gesamten Rechtsstreits durch das [X.] unzulässig.
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a)
Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] können Rechtsstreitigkeiten, in denen Schadensersatzansprüche auf vertraglicher Grundlage oder
aus §
241 Abs.
2, §
311 Abs.
2 und 3 BGB bzw. aus der soge-nannten Prospekthaftung im weiteren Sinne geltend gemacht werden, von vornherein nicht Gegenstand eines [X.] nach §
1 Abs.
1 [X.] sein. Das gilt auch dann, wenn sich die Haftung aus der Verwendung eines feh-lerhaften Prospektes im Zusammenhang mit einer Beratung oder einer Vermitt-lung ergibt (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 30.
November 2010 -
XI
[X.], [X.], 110 Rn.
11 mwN).
b) Das gilt auch für Ansprüche des Anlegers gegen die die Anlage finan-zierende Bank wegen vorvertraglicher [X.]en aus dem [X.], wie sie hier in Rede stehen. Solche Ansprüche, die der Kläger hier neben einem Anspruch aus Prospekthaftung im engeren Sinne gel-tend macht, können nicht Gegenstand eines [X.] sein. Das gilt auch dann, wenn die Haftung -
etwa aus einem Wissensvorsprung
-
die Kennt-nis von einer durch fehlerhafte Prospektangaben begangenen arglistigen [X.] voraussetzt (vgl. Senatsbeschluss vom 30.
November 2010 -
XI [X.], [X.], 110 Rn.
14 mwN). Erst Recht gilt dies für Ansprüche, die auf ein Widerrufsrecht nach den Verbraucherdarlehensvorschriften gestützt wer-den.
c) Entgegen der Ansicht des [X.] ändert die Tatsache, dass die Beklagte
zu 2)
auch als Prospektverantwortliche nach den Grundsät-zen der Prospekthaftung im engeren Sinne in Anspruch genommen wird, nichts daran, dass über die daneben geltend gemachten Ansprüche aus vertraglichen oder vorvertraglichen Pflichtverletzungen bzw. aus dem Widerruf des [X.]
zu entscheiden ist, bevor eine Aussetzung nach dem [X.] in 9
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Betracht kommt (vgl. Senatsbeschluss vom 30.
November 2010 -
XI
[X.], [X.], 110 Rn.
15 mwN).
Den [X.] im engeren Sinne liegt ein anderer Lebenssachverhalt zugrunde als den Ansprüchen wegen einer Aufklärungs-pflichtverletzung aus dem [X.] oder eines Widerrufs des [X.]. Ein fehlerhafter Prospekt führt nicht notwendig zur Haftung des Darlehensgebers, ein fehlerfreier Prospekt schließt seine Haftung nicht notwen-dig aus. Das gilt erst recht für Ansprüche wegen Widerrufs des [X.]. Es fehlt daher an gleichgerichteten Interessen, die allein durch das [X.] gebündelt werden sollen.
Auch gebietet das Gebot effektiven Rechts-schutzes eine Entscheidung über die nicht dem Anwendungsbereich des
[X.] unterliegenden Sachverhalte. Denn wenn die Klage gegen die [X.] zu 2) als Darlehensgeberin begründet sein sollte, wären dem Kläger Verzö-gerungen und Kosten wegen eines Verfahrens, das auf den Erfolg seiner Klage keinen Einfluss hat, nicht zuzumuten (vgl. Senatsbeschluss vom 30.
November 2010 -
XI
[X.], [X.], 110 Rn.
16 mwN).
Aufgrund des Sach-
und Streitstandes kann eine Haftung der
Beklagten zu 2) als Darlehensgeberin unter dem Gesichtspunkt einer vorvertraglichen [X.] nicht ohne weiteres verneint werden. Das [X.] muss diesem Sachvortrag daher nachgehen und prüfen, ob der Anspruch des Klägers gegen die
Beklagte
zu 2)
wegen vorvertraglicher Aufklärungs-pflichtverletzung gegeben ist.
2. Eine Kostenentscheidung ergeht nicht. Die Kosten des [X.] bilden einen Teil der Kosten des Rechtsstreits, die unabhängig vom Ausgang des Beschwerdeverfahren
nach §§
91
ff. ZPO die in der Sache unter-12
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7
-
liegende Partei zu tragen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 30.
November 2010 -
XI
[X.], [X.], 110 Rn.
18 mwN).

Joeres
Ellenberger
[X.]

Matthias
Pamp
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.09.2010 -
32 [X.] -

OLG [X.], Entscheidung vom 15.12.2010 -
19 W 2448/10 -

Meta

XI ZB 2/11

17.05.2011

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.05.2011, Az. XI ZB 2/11 (REWIS RS 2011, 6624)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6624

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