Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2012, Az. I ZR 125/11

I. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8141

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 125/11
vom

15. März 2012

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat am 15. März 2012 durch [X.] [X.] und [X.], Dr.
Schaffert, Dr.
Kirchhoff
und Dr.
Koch

beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird die [X.] gegen das Urteil des 14.
Zivilsenats des [X.] vom 24.
Mai 2011 zugelassen.

Auf die Revision der Klägerin wird das vorbezeichnete Urteil auf-gehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den 7.
Zivilsenat des Berufungs-gerichts zurückverwiesen.

Der Streitwert der Revision wird auf 30.000

Gründe:

[X.] Die Parteien betreiben in D.

unter der übereinstimmenden Lage-
bezeichnung R.

Straße

auf verschiedenen Grundstücken jeweils
einen Parkplatz-Service, mit dem sie Personen, die einen Flug vom Dr.

[X.] aus gebucht haben, für die Dauer ihrer Abwesenheit einen Parkplatz sowie den Transfer zum und vom [X.] anbieten. Die Kunden können die Angebote der Parteien über das [X.] buchen und erhalten danach eine Re-servierungsbestätigung per E-Mail zugesandt.
1
-
3
-

Der Kunde M.

[X.].

hatte auf diese Weise bei der Klägerin einen
Parkplatz für die [X.] vom 23.
September bis 7.
Oktober 2009 gebucht. [X.] er zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter am 23.
September 2009 auf dem Gelände R.

Straße

in D.

angekommen war, zeigte
er nach
dem vom Beklagten bestrittenen Vortrag der Klägerin dem für den [X.] tätigen Busfahrer [X.].

seine Reservierungsbestätigung, aus der sich
ergab, dass ein Parkplatz bei der Klägerin gebucht war. Der Busfahrer [X.].

wies Herrn [X.].

gleichwohl einen Parkplatz auf dem Gelände der Beklagten
zu und vereinnahmte ein Parkentgelt in Höhe von 50

Das [X.] hat die Beklagte nach Vernehmung
von Zeugen an-tragsgemäß zur Unterlassung des Anbietens eines Parkplatzes an Kunden, die bei der Rechtsnachfolgerin der Klägerin einen Parkplatz reserviert haben und dem Beklagten oder dessen Mitarbeitern oder von diesen beauftragten [X.] eine entsprechende Reservierungsbestätigung vorweisen, und zur Zahlung von 50

t.
Es hat die [X.] für aus §§
8, 9, 3, 4 Nr.
10 [X.] begründet erachtet und hierzu ausgeführt:

Eine gezielte Behinderung von Mitbewerbern nach §
4 Nr.
10 [X.] durch [X.] zum Vertragsbruch liege insbesondere dann vor, wenn ein Wettbewerber einen an einen Mitbewerber gebundenen Kunden in den irrigen Glauben versetze, er beziehe die Leistung von diesem Vertragspartner. Dies sei hier deshalb der Fall, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer feststehe, dass der Zeuge [X.].

, dessen Verhalten
die Beklagte sich nach §
8 Abs.
2 [X.] zurechnen lassen müsse, bei der Zu-weisung des Parkplatzes an die Familie [X.].

und der
Vereinnahmung des
[X.] gewusst habe, dass der Zeuge [X.].

einen Parkplatz nicht beim
Beklagten, sondern bei der Klägerin gebucht habe, und dadurch den Irrtum des Zeugen [X.].

, er befinde sich auf dem Parkplatz der Klägerin und zahle an
diese, aufrechterhalten habe. Die entsprechenden Angaben der als Zeugen 2
3
4
-
4
-
vernommenen Eheleute [X.].

, an deren Glaubwürdigkeit zu zweifeln kein An-
lass bestehe, seien glaubhaft. Die vom Zeugen [X.].

gemachten Angaben
seien demgegenüber in sich widersprüchlich, mit den sonstigen Umständen unvereinbar und insbesondere auch im Hinblick auf das Verhalten dieses Zeu-gen bei seiner Vernehmung
und auf sein mittelbares Interesse am Ausgang des Rechtsstreits unglaubhaft. Der Zeuge [X.].

habe den Zeugen [X.].

zudem
im Sinne von §
5 Abs.
1 Satz
2 Nr.
3 [X.] irregeführt. Aus diesem Grund
greife auch der vom Beklagten erhobene [X.] nicht durch. Der Schadensersatzanspruch in Höhe von 50

ergebe sich aus §
9 [X.], weil der Zeuge [X.].

die Klägerin durch sein Verhalten zum Verzicht auf ihren An-
spruch auf Zahlung des mit dem Zeugen [X.].

vereinbarten [X.] her-
ausgefordert habe.

Die vom Beklagten eingelegte Berufung hat zur Abweisung der Klage ge-führt. Das Berufungsgericht ist dabei
ohne weitere Beweisaufnahme
im Ge-gensatz zum [X.] davon ausgegangen, dass die Klägerin den Beweis für ein wettbewerbsrechtlich zu beanstandendes Verhalten des Beklagten nicht geführt habe, weil die Würdigung der erstinstanzlichen Zeugenaussagen zu einem non liquet führe und dies zu Lasten der beweisbelasteten Klägerin gehe.

I[X.] Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zu-lässig (§
543
Abs.
2 Satz
1 Nr.
2, §
544 ZPO,
§
26 Nr.
8 EGZPO). In der Sache ist sie ebenfalls begründet und führt gemäß §
544 Abs.
7
ZPO
zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]. Dieses hat die erstinstanzlich vernommenen Zeugen entgegen §
529 Abs.
1 Nr.
1, §
398 Abs.
1 ZPO nicht erneut vernommen, obwohl es de-ren Aussagen anders gewürdigt hat als das [X.]. Diese rechtsfehlerhaf-te Anwendung des §
529 Abs.
1 Nr.
1 ZPO verletzt den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nach Art.
103 Abs.
1 GG (st. Rspr.; vgl. nur [X.], [X.] vom 14.
Juli 2009

VIII
ZR
3/09, [X.] 2009, 1291 Rn.
4; Beschluss vom 9.
Februar 2010
XI
ZR
140/09, [X.], 515 Rn.
6
und 8; Beschluss 5
6
-
5
-
vom 24.
März 2010
VIII
ZR
270/09, [X.], 1095 Rn.
5, jeweils mwN). Eine Entscheidung des [X.] ist daher zur Sicherung einer einheit-lichen Rechtsprechung erforderlich (§
543 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2, §
544 ZPO).

1. Das [X.] hat auf der Grundlage der von ihm
als glaubhaft an-gesehenen
Bekundungen der Eheleute [X.].

mit Recht einen Unterlassungs-
anspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus §§
8, 3, 4 Nr.
10 [X.] unter dem Gesichtspunkt des [X.]s zum Vertragsbruch in Form der Verstärkung eines Irrtums über die Person des Leistenden (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 30.
Aufl., §
4 Rn.
10.36a und 10.38) und aus §§
8, 3, 5 Abs.
1 Satz
1, Satz
2 Nr.
3 [X.] in Form der Verstärkung des Irrtums des Zeugen [X.].

über die Person des Unternehmers, der ihm gegenüber die Dienstleistung er-brachte, bejaht. Die Haftung des Beklagten für den der Klägerin durch das [X.] des Zeugen [X.].

entstandenen Schaden
folgte zwar nicht aus §
8
Abs.
2 [X.], wohl aber aus §
831 Abs.
1 BGB (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO
§
9 Rn.
1.7). Der Beklagte, der insoweit nach §
831 Abs.
1 Satz
2 BGB die Darlegung und Beweislast trägt, hat nicht vorgetragen, dass er bei der Aus-wahl des Zeugen [X.].

, der die in Rede stehende geschäftliche Handlung für
ihn vorgenommen hat, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hat oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre.

2. Nach §
529 Abs.
1 Nr.
1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des ersten [X.] gebunden. Bei [X.] an der [X.]chtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Fest-stellungen ist eine erneute Beweisaufnahme zwingend geboten. Nach ständiger Rechtsprechung muss das Berufungsgericht die bereits in erster Instanz ver-nommenen Zeugen insbesondere dann regelmäßig nochmals gemäß §
398 Abs.
1 ZPO vernehmen, wenn es deren Aussagen anders würdigen will als die Vorinstanz. Die nochmalige Vernehmung eines Zeugen kann allenfalls dann unterbleiben, wenn sich das Rechtsmittelgericht auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe 7
8
-
6
-
des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (vgl. [X.], [X.] 2009, 1291 Rn.
5; [X.], 515 Rn.
9; [X.], 1095 Rn.
6
f., jeweils mwN).

3. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier entgegen der Ansicht der Be-schwerdeerwiderung nicht vor.

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Klägerin den direk-ten Beweis dafür, dass der Zeuge [X.].

die ihm vom Zeugen [X.].

überge-
bene bzw. vorgehaltene Buchungsbestätigung als eine solche der Klägerin er-kannt hat, nicht geführt hat und auf eine solche Kenntniserlangung allenfalls aus den vom [X.] in seinem Urteil dargelegten Umständen geschlossen werden kann.
Danach ist für die Revision davon auszugehen, dass die Klägerin den ihr insoweit obliegenden Hauptbeweis (zumindest indirekt) geführt hat.

b) Das Berufungsgericht hat sodann aber ein non liquet mit der [X.] angenommen, die Aussage des Zeugen [X.].

habe die aufgrund der
Aussagen der Eheleute [X.].

etwa gewonnene Annahme erschüttert, dem
Zeugen [X.].

sei durch Einsichtnahme in die vom Zeugen [X.].

mitgebrach-
te Buchungsbestätigung positiv bekannt geworden, dass es sich um eine Bestä-tigung
der Klägerin gehandelt habe.
Es hat hierzu
ausgeführt, die Aussage des Zeugen [X.].

sei entgegen der Ansicht des [X.]s weder in sich wider-
sprüchlich noch aus sonstigen Gründen unglaubhaft, sondern im Gegenteil [X.] nicht weniger glaubhaft als die Aussagen der Eheleute [X.].

. Eine
solche Beurteilung
der Widerspruchsfreiheit und Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen [X.].

, die insoweit ganz erheblich von der Beurteilung dieser Fra-
gen abweicht, die das [X.] auf der Grundlage des
von ihm erhobenen Zeugenbeweises und der dabei gewonnenen Eindrücke vorgenommen hat, konnte das Berufungsgericht nach der vorstehend unter
II
2 angeführten Recht-sprechung nicht ohne eigene Vernehmung der drei bei dem in Rede stehenden Vorgang anwesenden Zeugen vornehmen.
9
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11
-
7
-

II[X.] Das angefochtene Urteil beruht danach auf einer Verletzung des [X.] der Klägerin auf rechtliches Gehör. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer abweichenden Entscheidung gelangt wäre, wenn es die drei Zeugen selbst erneut vernommen hätte.

Der Senat hat bei der Zurückverweisung von der Möglichkeit des §
563 Abs.
1 Satz
2 ZPO Gebrauch gemacht.

[X.]
Pokrant
Schaffert

Kirchhoff
Koch
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 25.01.2011 -
42 [X.]/10 -

O[X.], Entscheidung vom 24.05.2011 -
14 [X.] -

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Meta

I ZR 125/11

15.03.2012

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2012, Az. I ZR 125/11 (REWIS RS 2012, 8141)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8141

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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