Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.02.2021, Az. 4 StR 471/20

4. Strafsenat | REWIS RS 2021, 9004

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Gegenstand

Lückenhafte Beweiswürdigung: Unterlassene Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten in den Urteilsgründen


Tenor

1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des [X.] vom 6. Juli 2020 im Ausspruch über die Einziehung aufgehoben; die Einziehung entfällt.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschuldigte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die auf die unausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Beschuldigten. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

2

1. Die Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand.

3

a) Zwar ist die Beweiswürdigung lückenhaft, weil den Urteilsgründen auch in ihrem Gesamtzusammenhang nicht entnommen werden kann, ob sich der Beschuldigte in der Hauptverhandlung zur Sache eingelassen hat, obwohl dies von Rechts wegen geboten ist.

4

Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass in den Urteilsgründen wiederzugeben ist, ob und gegebenenfalls wie sich der Beschuldigte in der Hauptverhandlung zur Sache eingelassen hat (vgl. [X.], Beschlüsse vom 3. Dezember 2020 ‒ 4 StR 371/20; vom 1. September 2020 ‒ 1 StR 205/20; vom 12. Februar 2020 ‒ 1 StR 518/19, NStZ-RR 2020, 152, 153; vom 12. Dezember 2019 ‒ 5 StR 444/19; vom 10. Dezember 2014 ‒ 3 StR 489/14, [X.], 121, 122; und vom 30. Dezember 2014 - 2 StR 403/14, [X.], 299). Zwar ergibt sich dies nicht aus § 267 StPO, der den Inhalt der Urteilsgründe bestimmt. Aus sachlich-rechtlichen Gründen ist aber regelmäßig eine Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten erforderlich, damit das Revisionsgericht nachprüfen kann, ob sich das Tatgericht unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise eine tragfähige Grundlage für seine Überzeugungsbildung verschafft und das materielle Recht richtig angewendet hat (vgl. [X.], Beschlüsse vom 3. Dezember 2020 ‒ 4 StR 371/20; vom 24. Juni 2020 ‒ 2 StR 416/19 und vom 30. Dezember 2014 - 2 StR 403/14, [X.], 299, 300).

5

Der hierin liegende Rechtsfehler nötigt unter den hier gegebenen besonderen Umständen jedoch nicht zu einer Aufhebung des Urteils. Das [X.] hat die ‒ geständigen ‒ Angaben des Beschuldigten gegenüber den Polizeibeamten und dem psychiatrischen Sachverständigen zu den [X.], zu seiner jeweiligen [X.] und zu seinem krankheitsbedingten Erleben in seine Beweiserwägungen eingestellt. Da es sich die Überzeugung vom Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen maßgeblich auch unter Berücksichtigung dieser Angaben des Beschuldigten sowie unter Berücksichtigung der hiermit in Einklang stehenden weiteren Zeugenaussagen verschafft hat, kann der Senat angesichts der bestehenden, ungewöhnlich klaren und dichten Beweislage ein Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler ausschließen (§ 337 Abs. 1 StPO).

6

b) Zwar begegnet die Wertung der Tat II.4 der Urteilsgründe als [X.] rechtlichen Bedenken. Denn insoweit sind die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht ‒ wie im Rahmen des § 63 StGB erforderlich (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 6. März 1986 ‒ 4 StR 40/86, [X.]St 34, 22, 26) ‒ positiv festgestellt, sondern lediglich nicht ausgeschlossen. Angesichts des Gewichts der drei rechtsfehlerfrei festgestellten [X.] (Messerangriffe mit erheblichen Verletzungsfolgen auf einen Unbekannten und auf seine Eltern, von denen er sich verfolgt bzw. vergiftet glaubte) schließt der Senat ein Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler jedoch aus (§ 337 Abs. 1 StPO).

7

2. Die Anordnung der Einziehung des sichergestellten Messers kann dagegen nicht bestehen bleiben, weil die Einziehung im (isolierten) Sicherungsverfahren nicht in Betracht kommt.

8

Die selbständige Einziehung eines Gegenstands gemäß § 76a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 74 Abs. 1 StGB ist nicht im Sicherungsverfahren nach § 413 StPO, sondern nur im selbstständigen Einziehungsverfahren gemäß § 435 Abs. 1 StPO möglich (vgl. [X.], Beschluss vom 6. November 2018 ‒ 4 StR 462/18; Beschluss vom 16. März 2016 ‒ 4 StR 39/16, [X.], 256). Einen Antrag im Sinne des § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO hat die Staatsanwaltschaft nicht gestellt. Die Einziehung hatte daher zu entfallen.

9

3. Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Beschuldigten teilweise von den Kosten des Revisionsverfahrens und der ihm hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen freizustellen.

Sost-Scheible     

        

Bender     

        

Quentin

        

Bartel     

        

Rommel     

        

Meta

4 StR 471/20

02.02.2021

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dortmund, 6. Juli 2020, Az: 34 KLs 7/20

§ 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.02.2021, Az. 4 StR 471/20 (REWIS RS 2021, 9004)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 9004

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