Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.09.2023, Az. XIII ZB 32/20

13. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 7227

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des [X.] vom 10. März 2020 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 5.000 €.

Gründe

1

I. Der Betroffene, ein eritreischer Staatsangehöriger, reiste 2018 in das [X.] ein. Seinen Asylantrag lehnte das [X.] ([X.]) mit Bescheid vom 24. Mai 2018 als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung des Betroffenen nach [X.] an. Dagegen erhob dieser Klage vor dem Verwaltungsgericht, das die aufschiebende Wirkung der Klage anordnete. Mit Beschluss vom 16. Januar 2019 stellte es das Verfahren mit der Begründung ein, der Betroffene habe es trotz einer ihm am 14. Dezember 2018 zugestellten Aufforderung nicht betrieben. Ein Rückführungsversuch am 2. April 2019 wurde aufgrund der Ankündigung von Widerstandshandlungen von der [X.] abgebrochen. Während einer Vorsprache bei der Ausländerbehörde am 26. April 2019 wurde der Betroffene festgenommen.

2

Mit Beschluss vom selben Tag hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen Haft bis zum 30. April 2019 angeordnet. Die vom Betroffenen dagegen eingelegte Beschwerde hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene, der zwischenzeitlich nach [X.] überstellt worden ist, seinen Antrag weiter, die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung festzustellen.

3

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

4

1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, der Bescheid des [X.]s sei bestandskräftig, weil die Klage des Betroffenen nach § 81 Satz 1 [X.] als zurückgenommen gelte. Das Gericht habe keinen Zweifel, dass die Betreibensaufforderung dem Betroffenen zugestellt worden sei. Das Verwaltungsgericht habe im Beschluss vom 16. Januar 2019 ausgeführt, dass die Zustellung am 14. Dezember 2018 erfolgt sei. Angesichts der unsubstantiierten Behauptung des Betroffenen, die Betreibensaufforderung nicht erhalten zu haben, bestehe keine Veranlassung, an der sachlichen Richtigkeit der Feststellungen des [X.] zu zweifeln. Es liege auch der Haftgrund der erheblichen Fluchtgefahr vor.

5

2. Das hält rechtlicher Prüfung stand.

6

a) Das Beschwerdegericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Abschiebungsandrohung des [X.]s bestandskräftig war, weil der Betroffene das Klageverfahren nicht betrieben hat und die Klage daher nach § 81 Satz 1 [X.] als zurückgenommen gilt. Das Beschwerdegericht hat, wie erforderlich (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Juni 2020 - [X.]/19, juris Rn. 15), den äußeren Tatbestand einer vollziehbaren Ausweisungsverfügung festgestellt. Die Würdigung des [X.], die Betreibensaufforderung des [X.] sei dem Betroffenen zugestellt worden, ist nicht zu beanstanden. Es konnte sich nach Maßgabe des § 29 Abs. 1 FamFG auf den Inhalt des verwaltungsgerichtlichen [X.] stützen, in dem die Zustellung der Betreibensaufforderung an den Betroffenen unter Angabe des Datums ausdrücklich festgestellt worden ist. Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass diese Feststellung unzutreffend war. Sie trägt insbesondere nicht vor, dass in den Akten des [X.] ein Zustellungsnachweis nicht vorhanden ist oder dass und weshalb ein in dieser Akte befindlicher Zustellungsnachweis inhaltlich unrichtig ist. Auch im Verfahren vor dem Beschwerdegericht hat der anwaltlich vertretene Betroffene keine näheren Angaben zu diesen Umständen gemacht, was ihm im Wege der Akteneinsicht zumutbar gewesen wäre. Angesichts dessen bestand für das Gericht keine Pflicht, den Sachverhalt gemäß § 26 FamFG weiter aufzuklären.

7

b) Das Beschwerdegericht hat auch ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Haftgrund der erheblichen Fluchtgefahr nach § 2 Abs. 15 Satz 2 [X.] in der bis zum 20. August 2019 geltenden Fassung gegeben war. Der Betroffene hat den Erstaufnahmestaat [X.] vor Abschluss des laufenden Asylverfahrens verlassen. Das Beschwerdegericht hat das Verhalten des Betroffenen eingehend gewürdigt und angenommen, die Umstände seiner Feststellung im [X.] deuteten konkret darauf hin, dass der Betroffene den zuständigen Mitgliedstaat in absehbarer Zeit nicht aufsuchen werde. Dies folge daraus, dass er bei der Rückkehrberatung angegeben habe, kein Interesse an einer freiwilligen Ausreise zu haben und dazu auch nicht bereit sei. Auch habe er im Zuge des gescheiterten Überstellungsversuchs angekündigt, für den Fall der Rückführung nach [X.] aktiven Widerstand zu leisten. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, sprach unter den gegebenen Umständen daher nicht gegen die Annahme erheblicher Fluchtgefahr, dass der Betroffene nach dem gescheiterten [X.] zweimal bei der beteiligten Behörde freiwillig vorgesprochen hatte (vgl. [X.], Beschluss vom 24. März 2020 - [X.], juris Rn. 12; s.a. Beschluss vom 31. August 2021 - [X.]/19, juris Rn. 8). Dieses Verhalten konnte das Beschwerdegericht auch nicht daran hindern, seine Würdigung auf das nur kurz zuvor gezeigte Verhalten im Verlauf des abgebrochenen Rückführungsversuchs zu stützen.

8

3. [X.] beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG. Die Festsetzung des [X.] folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

[X.]     

      

[X.]     

      

Tolkmitt

      

Picker     

      

Holzinger     

      

Meta

XIII ZB 32/20

12.09.2023

Bundesgerichtshof 13. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Kassel, 10. März 2020, Az: 3 T 411/19

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.09.2023, Az. XIII ZB 32/20 (REWIS RS 2023, 7227)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7227

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XIII ZB 33/19 (Bundesgerichtshof)

Haftanordnung zur Überstellung eines Drittstaaters an einen Eu-Erstaufnahmestaat: Abschließende Aufzählung der konkreten Anhaltspunkte für eine …


XIII ZB 35/19 (Bundesgerichtshof)

Überstellungshaftsache: Fluchtgefahr bei Einleitung eines Asylverfahrens in Deutschland


XIII ZB 81/19 (Bundesgerichtshof)

Überstellungshaftsache: Anordnung von Haft zur Sicherung einer Zurückweisung im Rahmen von Kontrollen an Binnengrenzen


XIII ZB 14/21 (Bundesgerichtshof)

Freiheitsentziehungssache: Zulässigkeit eines Antrags auf Haftanordnung im Hauptsacheverfahren nach fehlerhafter Haftanordnung im Verfahren über eine …


XIII ZB 40/20 (Bundesgerichtshof)

Abschiebungshaft: Erforderlichkeit konkreter Ausführungen zur notwendigen Haftdauer im Haftantrag


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.