Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.05.2015, Az. VII ZR 53/13

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 11538

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR 53/13

vom

6. Mai 2015

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am
6.
Mai
2015
durch [X.]
Eick, [X.], Dr.
Kartzke
und
Prof.
Dr.
Jurgeleit und die Richterin Sacher
beschlossen:
Der Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der [X.] wird stattgegeben.
Der Beschluss des 23.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.]
vom 29.
Januar
2013 wird gemäß §
544 Abs.
7 ZPO aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 156.291,67

Gründe:
I.
Der Kläger macht Schadensersatzansprüche wegen in einem Natur-steinboden aufgetretener Risse geltend.
Er errichtete in den Jahren 2002/2003 ein zweigeschossiges Ärzte-
und Therapiehaus. Der frühere Beklagte zu 3 erbrachte die Architektenleistungen; die jetzt nur noch beteiligte Beklagte zu 2 (im Folgenden auch nur: Beklagte) 1
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war mit der Ausführung der Estricharbeiten beauftragt worden. Die inzwischen insolvente frühere Beklagte zu 1 hatte die
Verlegung der Natursteine auf dem schwimmenden Estrich übernommen. Weder die Beklagte noch die frühere [X.] zu 1 brachten Dehnungsfugen ein. Die Beklagte arbeitete in den Estrich lediglich Scheinfugen (Sollbruchstellen) ein.
Bereits im Jahr 2004 zeigten sich erste Risse in den verlegten [X.]. Bei einer Öffnung des Bodens ergab sich, dass die Risse in den Boden-platten
auch im darunter liegenden Estrich vorhanden waren.
Der Kläger hat zunächst ein selbständiges Beweisverfahren durchge-führt. Dort ist ein Gutachten des Sachverständigen [X.] eingeholt worden. Mit der Klage hat der Kläger sodann Schadensersatz in Höhe der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten von 76.291,67

der weitergehenden Ersatzpflicht begehrt. Nach Klagerücknahme gegen die frühere Beklagte zu 1 hat das [X.] der Klage gegen die Beklagten zu 2 und 3 nach ergänzender Beweisaufnahme durch schriftliche und mündliche Er-gänzungsgutachten des Sachverständigen
[X.] in vollem Umfang stattgegeben.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 12.
November 2012 darauf hingewiesen, dass es beab-sichtigte, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Darauf hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 17.
Dezember
2012 Stellung genommen und eine gutachterliche Stellungnahme des von ihr beauftragten [X.] zum Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen [X.] eingereicht. Das Berufungsgericht hat die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß §
522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde
der Beklagten, die Klageabweisung erreichen möchte.
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II.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte hätte [X.] in den Estrich einarbeiten müssen. Die Tatsache, dass sie dies [X.] habe, sei ursächlich für die eingetretenen Rissbildungen in den Flie-sen und dem Estrich geworden. Die von der Beklagten erhobenen Einwände durch Vorlage der Stellungnahme des Privatsachverständigen seien gemäß §§
529, 531 ZPO ausgeschlossen. Selbst wenn dieser Vortrag jedoch zugelas-sen würde, lägen die Voraussetzungen für die Einholung weitergehender Fest-stellungen des Sachverständigen [X.] bzw. für die Einholung des Gutachtens ei-nes anderen Sachverständigen nicht vor. Die bereits vorliegenden [X.] Feststellungen seien hierdurch nicht hinreichend in Frage gestellt worden.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten führt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverwei-sung der Sache an das Berufungsgericht. Das Urteil beruht, wie die Beschwer-de zu Recht rügt, auf der Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtli-ches Gehör,
Art.
103 Abs.
1 GG.
a) Die Beschwerde rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht das [X.] der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 17.
Dezember
2012, mit dem sie das Privatgutachten des Sachverständigen M. vom 13.
Dezember
2012 [X.] hat, unter unzutreffender Annahme der Voraussetzungen der §
529 Abs.
1, § 531 Abs.
2
Satz
1
Nr.
3 ZPO zurückgewiesen und dadurch deren [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt
hat.
Das Gebot aus Art. 103 Abs. 1 GG, rechtliches Gehör zu gewähren, ist dann verletzt, wenn das Berufungsgericht neues Vorbringen unter offensichtlich fehlerhafter Anwendung des §
531 Abs.
2 ZPO nicht zur Verhandlung zulässt 6
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5
-
(vgl. [X.], Beschluss vom 30. Oktober 2013

VII ZR 339/12, [X.], 31 Rn. 8; Beschluss vom 9.
Juni
2005
V
ZR
271/04, NJW 2005, 2624
f.; vgl. auch [X.], NJW 2000, 945, 946).
Das Berufungsgericht hat den Vortrag und insbesondere die in Bezug genommenen Ausführungen des privaten Sachverständigen M. als neue An-griffs-
bzw. Verteidigungsmittel im Sinne von §
531 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 ZPO gewertet, ohne dies näher zu begründen. Es hat lediglich darauf verwiesen, dass die Beklagte nunmehr weitergehende neue Einwände zu angeblich
nicht von ihr zu verantwortenden Mangelursachen erhebe. Im Übrigen sei nicht nachzuvollziehen, warum sie nicht bereits in erster Instanz zur Verteidigung mit neuen technischen Einwänden einen eigenen Sachverständigen betraut habe.
Damit verkennt das Berufungsgericht die Reichweite des §
531 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 ZPO. Ein in zweiter Instanz konkretisiertes Vorbringen ist dann nicht neu, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus erster Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert,
verdeutlicht oder er-läutert wird ([X.], Beschluss vom 21.
Dezember 2006
VII
ZR
279/05, [X.], 585 = NZBau 2007, 245; Urteil vom 18.
Oktober 2005
VI
ZR
270/04, [X.]Z 164, 330, 333
m.w.[X.]). Die
Beklagte
hatte
bereits in erster Instanz be-stritten, dass
die fehlenden Dehnungsfugen ursächlich für die Risse in Estrich und Belag gewesen seien. Dies war ausreichend, weil die Beweislast für die Ursächlichkeit bei dem Kläger liegt. Darüber hinaus hatte die Beklagte sich be-reits in erster Instanz zur weiteren Substantiierung ihres Bestreitens darauf be-rufen, dass die frühere Beklagte zu 1 die Risse u.a. dadurch verursacht habe, dass sie die Natursteinplatten zu früh, nämlich vor ausreichender Austrocknung des Estrichs verlegt habe. Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, welche neu-en Tatsachen das Berufungsgericht meint, die nach §
531 Abs.
2
Satz
1
Nr.
3 ZPO zurückzuweisen sein könnten.
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Darüber hinaus hat das Berufungsgericht fehlerhaft angenommen, die Beklagte habe bereits erstinstanzlich einen privaten Sachverständigen [X.] können und müssen, wenn sie das Gutachten des Sachverständigen [X.] angreifen wollte. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des [X.], dass eine [X.] nicht grundsätzlich verpflichtet ist, bereits in erster In-stanz
Einwendungen gegen ein Gerichtsgutachten unter Beifügung eines [X.] oder gestützt auf Sachverständigenrat vorzubringen (vgl. [X.], Beschluss vom 21.
Dezember 2006
VII
ZR
279/05, [X.], 585, 586
m.w.[X.] = NZBau 2007, 245).
b) Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches
Gehör. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei einer Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten zu ei-nem anderen Ergebnis gelangt wäre.
Zwar hat das Berufungsgericht auch noch Ausführungen dazu gemacht, warum selbst bei einer Berücksichtigung des Vortrags keine hinreichend kon-kreten Zweifel an der Feststellung des [X.]s bestünden, die fehlenden Dehnungsfugen seien mindestens mitursächlich für die aufgetretenen [X.]. Mit der dort gegebenen Begründung lassen sich solche Zweifel
jedoch
nicht verneinen.
Das Berufungsgericht hat hier zum einen darauf verwiesen,
der gerichtli-che Sachverständige [X.] habe festgestellt, dass nach seiner Erfahrung
selbst bei Unterstellung einer die Belegreife hindernden
zu hohen
Restfeuchte
die Ursache der Rissbildung (auch) in den zu wenig angelegten Fugen liege. Denn bei Verlegung trotz zu hoher Restfeuchte hätte der Boden "schüsseln" müssen, was hier nicht der Fall sei. Deshalb schließe er aus, dass eine zu hohe Rest-feuchte vorliege. Damit wird nicht klar, ob der gerichtliche Sachverständige tat-12
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7
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sächlich eine Aussage hat treffen wollen mit der Unterstellung, eine zu hohe Restfeuchtigkeit habe vorgelegen.
Zwar hat der Sachverständige [X.]
worauf das Berufungsgericht ebenfalls abstellt
außerdem aus den aufgetretenen Rissbildern abgeleitet, dass diese nicht auf
einer Verlegung auf zu feuchtem
Estrich beruhen könnten. Dagegen hat die Beklagte jedoch mit dem vorgelegten Privatgutachten eingewandt, sol-che atypischen Schadensbilder seien seit langem bekannt; hieraus könne nicht abgeleitet werden, dass die Schäden nicht auf einer zu frühen Verlegung auf zu feuchtem Estrich beruhten. Mit diesen Widersprüchen zwischen den Ausfüh-rungen der Sachverständigen hat sich das Berufungsgericht nicht näher [X.]. Zudem hat das Berufungsgericht nicht dargelegt, warum es befähigt sein sollte,
Feststellungen hierzu aus eigener Sachkunde zu treffen.

Eick
[X.]
Kartzke

Jurgeleit

Sacher
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.03.2012 -
11 O 347/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 29.01.2013 -
I-23 [X.] -

16

Meta

VII ZR 53/13

06.05.2015

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.05.2015, Az. VII ZR 53/13 (REWIS RS 2015, 11538)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 11538

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZR 53/13

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