Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 06.05.2010, Az. 6 B 48/09

6. Senat | REWIS RS 2010, 6882

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Urteilsberichtigung; Ingangsetzen einer neuen Rechtsmittelfrist


Leitsatz

Eine Urteilsberichtigung eröffnet eine neue Rechtsmittelfrist gegen die berichtigte Entscheidung nur dann, wenn erst die berichtigte Fassung des Urteils die Partei in die Lage versetzt, sachgerecht über die Frage der Einlegung des Rechtsmittels und dessen Begründung zu entscheiden.

Gründe

1

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der Frist des § 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO eingelegt und nicht innerhalb der Frist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet worden ist.

2

1. Nach § 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen. Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das Rechtsmittel innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Das angefochtene Urteil ist dem früheren Prozessbevollmächtigten des [X.] am 15. April 2009 zugestellt worden. Die [X.] für die Beschwerde endete damit am 15. Mai 2009, die [X.] am 15. Juni 2009. Diese Fristen hat der Kläger versäumt, denn die Beschwerde ist erst am 29. Mai 2009 und die Beschwerdebegründung erst am 29. Juni 2009 beim Verwaltungsgericht eingegangen.

3

2. Die Fristen des § 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO und des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO sind nicht dadurch neu in Gang gesetzt worden, dass das Verwaltungsgericht den Beteiligten - dem Kläger am 4. Mai 2009 - die durch Beschluss vom 28. April 2009 in der Kostenentscheidung gemäß § 118 VwGO berichtigten [X.]en erneut zugestellt hat.

4

Die genannten Fristen beginnen mit der Zustellung des vollständigen Urteils. Vollständig in diesem Sinne ist ein Urteil auch dann, wenn die zugestellte [X.] geringfügige Unrichtigkeiten aufweist. In einem solchen Fall hat ein nach § 118 VwGO durchgeführtes Berichtigungsverfahren nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] (Beschlüsse vom 7. April 1966 - BVerwG 4 [X.] - RdL 1966, 251 f., vom 22. März 1991 - BVerwG 7 [X.] - [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 296 S. 30, vom 24. Mai 1996 - BVerwG 3 C 55.96 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 23 S. 9 und vom 10. Juli 2008 - BVerwG 2 B 41.08 - juris Rn. 4, vgl. in der Sache nach ebenso: [X.], Beschluss vom 9. August 1974 - [X.]/74 - BB 1974, 1330; [X.], Beschluss vom 6. Mai 2009 - [X.]/08 - NJW-RR 2009, 1443 m.w.N.) auf den Fristablauf grundsätzlich keinen Einfluss. Die Beteiligten müssen ihre Entscheidung über die Einlegung von Rechtsmitteln auf der Grundlage des unrichtigen Urteils treffen. Im Hinblick auf die Offensichtlichkeit der in Betracht kommenden Fehler ist das regelmäßig zumutbar (vgl. auch: [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], VwGO, Stand: Juli 2009, § 118 Rn. 7). Die Berichtigung eröffnet eine neue Rechtsmittelfrist gegen die berichtigte Entscheidung nur dann, wenn erst die berichtigte Fassung des Urteils die Partei in die Lage versetzt, sachgerecht über die Frage der Einlegung des Rechtsmittels und dessen Begründung zu entscheiden. Dies ist der Fall, wenn erst aus der Berichtigung hervorgeht, dass eine Partei durch das ergangene Urteil beschwert ist oder wenn die Beteiligten bei Rückforderung der [X.] zwecks Berichtigung nicht erkennen konnten, in welchem Umfang eine Berichtigung vorgenommen werden würde.

5

Ein entsprechender Fall liegt hier nicht vor. Mit Verfügung vom 15. April 2009 - den Beteiligten per Telefax am 16. April 2009 übermittelt - hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, den Tenor des Urteils zur Kostenentscheidung wegen offenbarer Unrichtigkeit des Ausspruchs zur [X.] gemäß § 118 Abs. 1 VwGO zu berichtigen. Es hat eine Frist zur Stellungnahme bis zum 24. April 2009 eingeräumt und die zugestellten [X.]en mit dem Hinweis zurückgefordert, dass nach Ablauf der Stellungnahmefrist eine erneute Zustellung veranlasst werde. Nachdem die Beteiligten Einwände nicht erhoben hatten, ist das Verwaltungsgericht entsprechend verfahren.

6

Damit unterscheidet sich das berichtigte Urteil nur geringfügig von den unberichtigten Ausfertigungen, die den Beteiligten zunächst zugestellt worden waren. Die Klarstellung einer schon bisher bestehenden, jedoch verborgenen sachlichen Beschwer konnte die Berichtigung schon deshalb nicht zur Folge haben, weil sie lediglich die Kostenentscheidung des verwaltungsgerichtlichen Urteils betraf. Allein auf den Gesichtspunkt einer hinzugekommenen kostenmäßigen Beschwer kann entgegen der Ansicht des [X.] nicht abgestellt werden. Dies ergibt sich aus dem Rechtsgedanken des § 158 VwGO (in diesem Sinne die Notwendigkeit einer sachlichen Beschwer betonend: [X.], Beschluss vom 9. August 1974 a.a.O.).

7

Ferner ist nicht ersichtlich, inwiefern dem Kläger erst der Inhalt des [X.] Klarheit darüber verschaffen konnte, ob er Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einlegen und wie er diese gegebenenfalls begründen solle. Insbesondere war seinem vormaligen Prozessbevollmächtigten auf Grund der am 16. April 2009 übermittelten verwaltungsgerichtlichen Verfügung vom 15. April 2009 bereits einen Tag nach Zustellung des Urteils vom 30. März 2009 bekannt, inwieweit eine Urteilsberichtigung vorgenommen werden würde. Durch die zeitweilige Rückgabe der [X.]en an das Verwaltungsgericht war der Kläger in der Wahrnehmung seiner Rechte im Rechtsmittelverfahren schon deshalb nicht gehindert, weil er bzw. sein damaliger Prozessbevollmächtigter nach den Umständen Anlass gehabt hätten, erforderlichenfalls Kopien des Urteilsabdruckes anzufertigen (vgl. dazu allgemein: Beschluss vom 24. Mai 1996 a.a.[X.] 10).

8

3. Die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] und deren Begründung sind auch nicht deshalb als fristgerecht zu werten, weil die dem Urteil des [X.] vom 30. März 2009 beigegebene Rechtsmittelbelehrung den Anforderungen des § 58 Abs. 1 VwGO nicht genügen würde und deshalb gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 VwGO jeweils von einer Jahresfrist auszugehen wäre.

9

Der Kläger rügt zu Unrecht, die Rechtsmittelbelehrung sei fehlerhaft, weil sie den Sitz des [X.] als Beschwerdegericht nicht bezeichne. Denn § 58 Abs. 1 VwGO fordert eine Belehrung über den Sitz des Gerichts, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist. Gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO muss die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bei dem Gericht angebracht werden, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll. Bei eben diesem Gericht muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 2 VwGO auch die Beschwerdebegründung eingereicht werden. Der Sitz des [X.] Düsseldorf, dessen Urteil der Kläger mit der Revision, deren Zulassung er erstrebt, angreifen will, wird in der Rechtsmittelbelehrung des Urteils korrekt benannt.

Ebenso fehl geht der Kläger mit seinem weiteren Einwand, die Rechtsmittelbelehrung erweise sich als widersprüchlich und intransparent, weil sie im Hinblick auf das [X.] nach § 67 Abs. 4 VwGO ausführe, dass als Bevollmächtigte nur die in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO bezeichneten Personen oder diesen gleichgestellte Personen zugelassen seien. Nach der Rechtsprechung des [X.] muss die Rechtsmittelbelehrung für die Nichtzulassungsbeschwerde über den gesetzlichen [X.] nicht belehren (Beschlüsse vom 15. Februar 2000 - BVerwG 11 [X.] - [X.] 424.02 § 64 LwAnpG Nr. 8 S. 2 f. und vom 7. Oktober 2009 - BVerwG 9 [X.] - NVwZ-RR 2010, 36 f.; ebenso für die Revision: Urteil vom 15. April 1977 - BVerwG 4 C 3.74 - BVerwGE 52, 226 <232> = [X.] 407.4 § 17 [X.] Nr. 24 S. 51; offen für erstinstanzliche Verfahren: Urteil vom 31. März 1995 - BVerwG 4 A 1.93 - BVerwGE 98, 126 <127 f.> = [X.] 407.4 § 17 [X.] Nr. 99 S. 12 f.); wenn allerdings ein derartiger Hinweis vorgenommen wird, darf er für die Betroffenen nicht irreführend sein (Beschluss vom 15. Februar 2000 a.a.[X.] 3). Eine solche Irreführung kann indes im vorliegenden Fall ausgeschlossen werden. Denn durch die von dem Kläger kritisierte Formulierung in der Rechtsmittelbelehrung des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 30. März 2009 waren im Hinblick auf die zur [X.] geltende, durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 ([X.]) eingeführte Fassung des § 67 Abs. 4 VwGO hinreichend deutlich die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO aufgeführten zusätzlichen Möglichkeiten der Vertretung von Behörden und juristischen Personen des öffentlichen Rechts angesprochen. Nur damit konnten die in der Rechtsmittelbelehrung bezeichneten "diesen gleichgestellte Personen" gemeint sein. Dieser Begriff wurde textlich durch den nachfolgenden Hinweis auf die Behördenvertreter ausgefüllt. Anhand des maßgeblichen Wortlauts der Rechtsmittelbelehrung konnte keine Unsicherheit dahin aufkommen, ob mit den "gleichgestellten Personen" nicht - unzutreffenderweise - die in § 67 Abs. 2 Satz 2 VwGO genannten Personen angesprochen sein sollten. Gegen die sinngemäße Bezugnahme auf § 67 Abs. 2 Satz 2 VwGO spricht auch der Hinweis im letzten Satz der Rechtsmittelbelehrung, wonach ein Beteiligter, der nach Maßgabe von § 67 Abs. 4 Satz 3 VwGO zur Vertretung berechtigt ist, sich selbst vertreten kann. Damit wird deutlich, dass sich die Prozessvertretung vor dem [X.] ausschließlich nach § 67 Abs. 4 VwGO und den dort insoweit in Bezug genommenen Regelungen richtete, also gerade nicht nach § 67 Abs. 2 Satz 2 VwGO.

4. Schließlich kann dem Kläger nicht die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO im Hinblick auf die versäumten Fristen für die Einlegung und die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gewährt werden.

Der anwaltlich vertretene Kläger war nicht, wie von § 60 Abs. 1 VwGO gefordert, ohne sein Verschulden an der Einhaltung der genannten Fristen verhindert. Die [X.] und Zurechnung der Fehleinschätzung über den [X.] scheiden entgegen der Ansicht des [X.] nicht deshalb aus, weil das Verwaltungsgericht eine erneute Zustellung des im Kostenpunkt berichtigten Urteils angekündigt, ohne besonderen Hinweis auf die weiter laufenden Fristen vorgenommen und bei der Behandlung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf die Verfristung hingewiesen hat. Die erneute Zustellung des gesamten berichtigten Urteils ist zwar nicht zwingend nötig ([X.], in: [X.]/[X.], VwGO, 2. Aufl. 2006, § 118 Rn. 31), in der Praxis aber nicht unüblich. In jedem Fall erforderte die im Hinblick auf den [X.] bestehende klare Rechtslage keinen ausdrücklichen Hinweis. Das Verwaltungsgericht hat die verfristet erhobene und begründete Beschwerde entsprechend § 135 Satz 3 i.V.m. § 133 Abs. 5 Satz 1 VwGO behandelt.

Meta

6 B 48/09

06.05.2010

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Düsseldorf, 30. März 2009, Az: 11 K 7540/08, Urteil

§ 133 Abs 2 S 2 VwGO, § 133 Abs 3 S 1 VwGO, § 133 Abs 3 S 2 VwGO, § 118 Abs 1 VwGO, § 58 Abs 1 VwGO, § 67 Abs 4 S 4 VwGO, § 67 Abs 2 S 2 VwGO, § 60 Abs 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 06.05.2010, Az. 6 B 48/09 (REWIS RS 2010, 6882)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6882

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 5 R 302/19 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Prozessurteil statt Sachurteil - Urteilsberichtigung - Rücksendung einer …


2 C 12/21 (Bundesverwaltungsgericht)

Sprungrevision; Belehrung über das Erfordernis der Beibringung der Zustimmungserklärung


2 B 36/19 (Bundesverwaltungsgericht)

Erfolglose Beschwerde wegen unrichtiger und irreführender Angaben in der Rechtsmittelbelehrung


8 B 86/10 (Bundesverwaltungsgericht)

Empfangsbereitschaft als Zustellungsvoraussetzung für Urteilszustellung gegen Empfangsbekenntnis


AnwZ (Brfg) 19/18 (Bundesgerichtshof)

Klage gegen den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft: Versäumung der Antragsbegründungsfrist für die Zulassung der …


Referenzen
Wird zitiert von

B 5 R 302/19 B

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.