Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.10.2000, Az. 1 StR 282/00

1. Strafsenat | REWIS RS 2000, 807

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[X.]/00vom19. Oktober 2000in der [X.] u.a.- 2 -Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 19. Oktober 2000 beschlos-sen:Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 3. März 2000 mit den Feststellungenaufgehobena) im Schuldspruch in den [X.] 2 bis 5 der [X.]) im gesamten Strafausspruch.Die weitergehende Revision wird verworfen.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlungund Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, aneine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.Gründe:Der Angeklagte wurde wegen Vergewaltigung in fünf Fällen, jeweils [X.] mit vorsätzlicher Körperverletzung, zu einer [X.] neun Jahren (Einzelstrafen jeweils vier Jahre) verurteilt.Seine auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützte Revision hatmit der Sachrüge überwiegend Erfolg.1. Folgendes ist [X.] -Am 3. November 1998 lernte der Angeklagte bei einer Versammlung [X.] die 44 Jahre alte, geistig behinderte [X.]kennen. Er gab sich [X.] als "Polizist und Geheimagent" aus, was sie glaubte, insbesondereweil er ihr eine Spielzeugpistole zeigte. Nach der Versammlung nahm er sie mitin seine Wohnung, um mit ihr den Geschlechtsverkehr auszuüben. Sie folgteihm, da sie sich von einem Polizisten beschützt fühlte. Seine wahren Absichtenerkannte sie nicht. Sie ist an sexuellen Handlungen grundsätzlich nicht interes-siert, weshalb es früher mit ihrem Freund immer wieder zu [X.] gekommen war. Als Frau [X.]der Aufforderung zum Geschlechtsverkehrnicht freiwillig nachkam, schlug sie der Angeklagte, bedrohte sie mit der Spiel-zeugpistole, fesselte sie mit einem [X.] und mit Handschellen undführte dann gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr durch. Am [X.] brachte er sie zu der Behindertenwerkstatt, wo sie arbeitete, undschärfte ihr ein, die Sache müsse geheim bleiben, da er Geheimagent sei. [X.] sie, erklärte, er "könne sie überall abhören" und forderte sie auf, ihnals ihren neuen Freund vorzustellen. Frau [X.] kam dieser Aufforderung nach.In den nächsten Tagen bestand enger Kontakt zwischen dem Ange-klagten und Frau [X.] , die sich bis zum 8. November täglich in seiner Woh-nung aufhielt. Am 4., 5., 7. und 8. November kam es jeweils zu einer weiterenVergewaltigung, die in ihrem Ablauf mit dem Geschehen vom 3. November(Schläge, Bedrohung, Fesselung) nahezu identisch war. Ob es auch am6. November zu einem gleichartigen Geschehen gekommen war, läßt die [X.] letztlich offen, weil insoweit keine Anklage erhoben ist. Am9. November nahm der Angeklagte Frau [X.] das Geld, das sie von ihrer Be-treuerin für ihren wöchentlichen Bedarf erhalten hatte, gegen ihren Willen ab.Da "ein Polizist nicht stiehlt", erkannte Frau [X.] , daß sie "vom [X.] worden war" und wandte sich an ihre Betreuerin, der sie zunächst- 4 -berichtete, der Angeklagte habe ihr das Geld abgenommen; im weiteren [X.] berichtete sie auch davon, vergewaltigt worden zu sein. An ihrem Körperbefanden sich zahlreiche Hämatome, von denen die [X.] nach sach-verständiger Beratung festgestellt hat, daß sie auf Gewaltanwendung zurück-gehen.2. Die Angaben des Angeklagten haben häufig gewechselt und warendem jeweiligen Ermittlungsstand angepaßt. Letztlich hat er Geschlechtsverkehram 3. November 1998 eingeräumt; dieser sei jedoch einvernehmlich erfolgt.Zwar habe er an diesem Tag Frau [X.] auch mit einem [X.] undmit Handschellen gefesselt, dabei aber auf ihren Wunsch mit ihr "Polizei ge-spielt". An den anderen Tagen sei es nicht zu Geschlechtsverkehr gekommen.3. Der auf die Annahme der Glaubhaftigkeit der Angaben von Frau K.gestützte Schuldspruch hinsichtlich des Geschehens vom 3. November 1998([X.] 1 der Urteilsgründe) hält rechtlicher Überprüfung stand. Entgegen [X.] der Revision war die [X.] insoweit nicht verpflichtet, einweiteres Gutachten zur speziellen Zeugentüchtigkeit von Frau [X.] einzuho-len. Es liegt ohnehin nicht nahe, daß Frau [X.] , wie die Revision meint, we-gen ihres geistigen Zustandes Unfreiwilligkeit von Fesselung und Geschlechts-verkehr fabuliert oder halluziniert hat, obwohl sie in Wahrheit "Polizei spielen"wollte. Im übrigen hat der Sachverständige in Übereinstimmung mit einemschon früher im Rahmen eines Betreuungsverfahrens erstellten fachpsychiatri-schen Gutachten keine Anhaltspunkte für die Möglichkeit einer dahingehendenAuswirkung des geistigen Zustands von Frau [X.] festgestellt.Rechtlich ist der festgestellte Sachverhalt ebenfalls zutreffend gewür-digt.- 5 -4. Die dem Schuldspruch in den übrigen Fällen zu Grunde liegende Be-weiswürdigung hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Urteils-gründe ergeben nicht, daß die Zeugin [X.] trotz ihrer Behinderung ein vielakti-ges Geschehen in einer Weise schildern konnte, die ihre Aussage als hinrei-chend tragfähige Grundlage für eine Verurteilung in den weiteren [X.] ließ. Frau [X.] konnte die weiteren Vorgänge "auf Grund ihrer gei-stigen Behinderung nicht zusammenhängend schildern", hat aber "auf Vorhaltihrer früheren Aussagen die dargelegte Schilderung bestätigt". Da ihr geistigerZustand in der Hauptverhandlung nicht anders war als bei ihren früheren [X.], liegt die Annahme nahe, daß sie auch damals zu einer zusam-menhängenden Schilderung nicht in der Lage war. Zumal, da die späteren [X.] als mit dem Geschehen vom 3. November 1998 nahezu völlig iden-tisch geschildert sind, hätte sich die [X.] erkennbar mit dem konkretenAblauf der früheren Vernehmungen und deren Inhalt im einzelnen auseinan-dersetzen müssen und sich nicht mit der Feststellung begnügen dürfen, diefrüheren Angaben seien auf Vorhalt bestätigt worden. Die rechtsfehlerfrei ge-prüfte Frage, ob sich auf Grund ihres geistigen Zustands Zweifel an der Rich-tigkeit ihrer Angabe ergeben können, sie sei vom Angeklagten geschlagen undvergewaltigt worden (vgl. oben 3.), bleibt hiervon unberührt.Die aufgezeigte Lücke in der Beweiswürdigung führt schon auf die Sach-rüge zur Aufhebung des Schuldspruchs in den [X.] 2 bis 5 der Urteils-gründe. Die Sache bedarf daher in diesem Umfang neuer Verhandlung [X.]. Ob eine erneute Begutachtung und Vernehmung von Frau K.wegen ihres besonderen Zustands vertretbar ist, wird der Tatrichter zu prüfenhaben. Auf die Verfahrensrüge, mit der die Revision unter Hinweis auf erhebli-che Differenzen hinsichtlich der Zahl der Vergewaltigungen in den früherenAngaben von Frau [X.] auch in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit der- 6 -Einholung eines neuen Gutachtens geltend macht, kommt es nach alledemnicht an.5. Der Senat hat den Strafausspruch insgesamt aufgehoben. Es ist nichtvöllig auszuschließen, daß die [X.] im Fall [X.] 1 der Urteilsgründeeine mildere Strafe verhängt hätte, wenn nur eine Tat des Angeklagten nach-weisbar gewesen wäre.6. Die an den Senat gerichteten Anträge des Angeklagten auf "einstwei-lige Verfügung" hinsichtlich der Neubestellung eines Verteidigers und Wieder-einsetzung hinsichtlich der Revisionsbegründung können keinen Erfolg haben.Sie sind auf die Auffassung gestützt, die Revisionsbegründung durch den [X.] sei unzulänglich. Für die Bestellung eines neuen Verteidigers ist, [X.] das [X.] in seinem Beschluß vom 15. Juni 2000- 7 -ausgeführt hat, kein Grund ersichtlich. Wiedereinsetzung wegen einer entge-gen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht zulässig erhobenen Verfahrensrüge kommtregelmäßig nicht in Betracht. Im übrigen ist die Verfahrensrüge, soweit die [X.] erfolglos geblieben ist, nicht unzulänglich vorgetragen, sondern der Sa-che nach unbegründet.[X.] [X.] Hebenstreit

Meta

1 StR 282/00

19.10.2000

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.10.2000, Az. 1 StR 282/00 (REWIS RS 2000, 807)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 807

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