Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.05.2004, Az. 1 StR 72/04

1. Strafsenat | REWIS RS 2004, 3010

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 72/04 vom 26. Mai 2004 in der Strafsache gegen

wegen Vergewaltigung
- 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 26. Mai 2004, an der teilgenommen haben: [X.] am [X.] [X.]

und [X.] am [X.] Dr. Wahl, [X.], [X.], [X.]in am [X.] Elf,

[X.]

als Vertreter der [X.]schaft,

Rechtsanwalt

als Verteidiger, Rechtsanwalt

als Vertreter der Nebenklägerin,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt: - 3 - Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin gegen das Urteil des [X.] vom 18. August 2003 werden verworfen. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tra-gen. Die dem Angeklagten im [X.] entstandenen
notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen Gründe:

Das [X.] hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf der Vergewaltigung zum Nachteil der Nebenklägerin freigesprochen. Hiergegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Neben-klägerin, die die Verletzung sachlichen Rechts rügen. Die Rechtsmittel sind unbegründet. [X.] Die Anklage hat dem Angeklagten zur Last gelegt, in der Nacht vom 18. auf den 19. April 2002 in seiner Wohnung seine frühere Lebensgefährtin [X.], die Nebenklägerin, vergewaltigt zu haben, indem er sie [X.] durch die von ihr unbemerkte Verabreichung eines Schlafmittels in ei-nem Getränk widerstandslos gemacht, anschließend mit Schnüren an Händen - 4 - und Füßen gefesselt, ihr den Mund mit Paketklebeband verschlossen, ihr eine Augenmaske aufgesetzt und dann mit der Wehrlosen gegen ihren Willen den Beischlaf ausgeübt habe. Das [X.] hat sich nicht von der Täterschaft des Angeklagten zu überzeugen vermocht. Es hat, beraten durch Sachverständige, für möglich er-achtet, daß die Nebenklägerin Fesselung und Knebelung bei einem einver-nehmlichen Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten erlebt und hingenommen habe, weil sie den Angeklagten nicht an eine andere Frau, die Zeugin S.

, habe verlieren wollen. Sie könne die Anzeige wegen Vergewaltigung sieben Monate nach dem Geschehen deshalb erstattet haben, weil der Ange-klagte schließlich konkret beabsichtigt habe, die Zeugin S.

zu hei-raten. Dadurch könne sich bei der Nebenklägerin im nachhinein ein Gefühl der Schande eingestellt haben, zumal der Angeklagte mit der Zeugin [X.]

ähnlich verfahren sei wie mit der Nebenklägerin, indem er auch diese beim Geschlechtsverkehr gefesselt habe. Dies könne zu einem "artifiziellen Trauma" bei der Nebenklägerin geführt haben. Infolgedessen könne die Ne-benklägerin die möglicherweise damals unter ihrer Fesselung einvernehmlich vorgenommenen sexuellen Handlungen nachträglich als unfreiwillig und [X.] empfunden haben und subjektiv davon auch überzeugt sein ([X.]). I[X.] Das freisprechende Urteil des [X.]s begegnet keinen [X.] rechtlichen Bedenken. 1. Die Revisionen beanstanden, das [X.] habe nicht dargelegt, welchen Sachverhalt es als festgestellt erachte; es habe lediglich die [X.] 5 - sungen des Angeklagten und die Bekundungen der Beweispersonen angeführt und gewürdigt. Den Revisionen ist einzuräumen, daß den Urteilsgründen ein ausdrück-lich hervorgehobener Abschnitt fehlt, aus dem sich die für erwiesen erachteten Tatsachen ergeben (vgl. zu den Anforderungen nur BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2, 4, 5; [X.] 47. Aufl. § 267 Rdn. 33). Das führt hier jedoch nicht zur Aufhebung des Urteils. Der Gesamtzusammenhang der Ur-teilsgründe verdeutlicht noch hinreichend, von welchem festgestellten Sach-verhalt die [X.] ausgegangen ist. Danach hat zwischen dem Angeklag-ten und der Nebenklägerin in der Schlußphase ihrer Beziehung Geschlechts-verkehr stattgefunden, bei dem die Nebenklägerin in der von ihr bezeichneten Weise gefesselt war, den Mund verklebt hatte und während des Verkehrs auch Schmerzen empfand. Einzelne Umstände waren jedoch nicht aufklärbar. An der [X.] hatte die [X.] erhebliche Zweifel. Sie hat ein freiwilliges Sicheinlassen der Nebenklägerin auf den Ange-klagten und dessen ungewöhnliche Praktiken für möglich gehalten. 2. Gegen die Beweiswürdigung der [X.] ist von Rechts wegen nichts zu erinnern. Das Revisionsgericht hat diese Bewertung hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist weder widersprüchlich, unklar oder lückenhaft, noch verstößt sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze (vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 11, 16; [X.], 48). Beide Revisionen unternehmen es lediglich, ihre eigene Sicht der Dinge und ihre Würdigung in den Vordergrund zu rücken und an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen. Eine abweichende Wertung der Beweise vermag aber grundsätzlich einer Revision nicht zum Erfolg zu verhelfen. - 6 - Die [X.] hat ihre Zweifel an der Darstellung der Nebenklägerin nachvollziehbar begründet. Die Ausführungen zu dem Anruf bei der Polizei durch eine "Frau Fuchs", den die [X.] aufgrund mehrerer verschiede-ner Umstände [X.] entgegen deren Beteuerungen [X.] der Nebenklägerin selbst [X.], die Bewertung des zeitlichen Ablaufs, wie ihn die Nebenklägerin [X.] hat, und die inhaltlichen Abweichungen zwischen der polizeilichen Aussage der Nebenklägerin einerseits und ihren Angaben bei der Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter und in der Hauptverhandlung belegen hinreichend die Zweifel der [X.] an der Darstellung der Nebenklägerin. Hinzu kam das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Sch. , der die Alternativhypo-these einer unbewußten Falschaussage nicht zu verwerfen vermochte. Diese ging davon aus, die Nebenklägerin könne sich überwunden und auf "[X.]" mit dem Angeklagten eingelassen haben, weil sie ihn zu diesem Zeit-punkt noch geliebt habe. Erst als sie aus Enttäuschung darüber, daß sich der Angeklagte der Zeugin [X.] zugewandt und diese sogar habe heiraten wollen, einen "Schub" verspürt habe und sich im Laufe der Zeit Schuld- und Schamgefühle über den möglicherweise einvernehmlich durchge-führten Geschlechtsverkehr unter Fesselung gebildet hätten, sei sie mögli-cherweise im nachhinein davon überzeugt gewesen, daß die sexuellen Hand-lungen ohne ihr Einverständnis erfolgt seien, obwohl tatsächlich seinerzeit ihr Einverständnis vorgelegen habe. Unter diesen Umständen erweist es sich auch nicht als Widerspruch, daß die [X.] eine bewußte Falschaussage der Nebenklägerin verneint. Die Schilderung ihrer Empfindungen deutet auch nach der Wertung des Land-gerichts vielmehr auf die [X.] der Darstellung hin. Das steht indes nicht wirklich einer unbewußten Verschiebung von Geschehenem wie - 7 - auch ihrer Beweggründe entgegen, aus denen sie sich auf die Wünsche - 8 - des Angeklagten eingelassen haben könnte, das Vorgefallene aber Monate später aus ihrer Enttäuschung heraus anders einordnet. [X.] Wahl

Boetticher

[X.]

Elf

Meta

1 StR 72/04

26.05.2004

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.05.2004, Az. 1 StR 72/04 (REWIS RS 2004, 3010)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 3010

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