Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.01.2013, Az. VI ZB 78/11

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 9205

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BUNDE[X.]GERICHT[X.]HOF

BE[X.]CHLU[X.][X.]
VI ZB
78/11

vom

8. Januar 2013

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 233 B, Fd
Die für die [X.] zuständige Kanzleikraft ist anzuweisen, Fristen im [X.] grundsätzlich erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen, nachdem sie sich anhand der Akte vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlas-sen ist.
[X.], Beschluss vom 8. Januar 2013 -
VI [X.]/11 -
LG [X.]

AG [X.] ([X.])

-
2
-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am
8.
Januar
2013
durch den Vorsitzenden [X.], die Richter
Zoll und [X.], die Richterin
[X.] und den Richter [X.]töhr
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5.
Zivilkammer des [X.] ([X.]) vom 9.
November 2011 wird auf Kosten des Beklagten verworfen.
[X.]: 3.075,45

Gründe:
I.
Das
Amtsgericht
hat
den Beklagten verurteilt, an den Kläger 3.075,45

nebst Zinsen zu zahlen. Gegen das
am 29.
Juni 2011 zugestellte Urteil
hat der Beklagte mit einem bei Gericht am 29.
Juli 2011 eingegangenen [X.] [X.] eingelegt. Die Berufungsbegründung ist mit einem am selben Tag bei Gericht eingegangenen [X.] vom 5.
[X.]eptember 2011 erfolgt.
Nachdem das Berufungsgericht den Beklagten
auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hingewiesen
hatte, hat dieser fristgemäß Wieder-einsetzung in den vorigen [X.]tand beantragt.
Der Beklagtenvertreter hat vorge-tragen, die am 29.
August 2011 ablaufende Berufungsbegründungsfrist sei im 1
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Fristenkalender des Rechtsanwalts, auf dem Urteil des Amtsgerichts und
in der Handakte notiert worden. Zusätzlich sei dem Rechtsanwalt am 24.
August 2011 ein [X.] des Klägervertreters übermittelt worden, für den das Amtsgericht eine Frist zur [X.]tellungnahme binnen zehn
Tagen gesetzt habe. Diese Frist sei am Montag, dem 5.
[X.]eptember 2011,
abgelaufen. [X.]ie sei [X.] im Fristenkalender des Rechtsanwalts, auf dem Begleitschreiben des Amtsgerichts zum [X.] des Klägers und in der Handakte notiert worden.
Die Angelegenheit sei von Rechtsanwalt [X.] bearbeitet worden. Mit [X.] vom 26.
August 2011 habe dieser zum [X.] des Klägers [X.]tellung genommen. Nach Unterzeichnung des [X.]es habe Rechtsanwalt [X.] die geschulte und zuverlässige Rechtsanwaltsfachangestellte B.
angewiesen, diese [X.]tellungnahme vorab an das Amtsgericht zu faxen, die [X.]tellungnahmefrist vom 5.
[X.]eptember 2011 zu streichen und ihm die Akte so-dann sofort wieder vorzulegen. [X.] sei in der Kanzlei zur Fristüberwachung zuständig und angewiesen. Diese habe am 26.
August 2011 versehentlich nicht die Frist vom 5.
[X.]eptember 2011 zur [X.]tellungnahme zum
Kostenfestsetzungs-antrag des Klägers
gestrichen, sondern die Frist zur Berufungsbegründung vom 29.
August 2011. Danach
sei die Akte auf den Wiedervorlagestapel gelegt [X.], um in die Aktenschränke einsortiert zu
werden. Gegen Ende der Woche würden die [X.] für die darauffolgende Woche gesammelt und dem [X.] [X.]achbearbeiter am Montag vorgelegt. Da in der streitgegenständlichen Akte weiterhin die Frist für den 5.
[X.]eptember 2011 notiert gewesen sei, sei auch diese Akte Herrn Rechtsanwalt [X.] an diesem Tag zusammen mit einem Fristvermerk für den 5.
[X.]eptember 2011 auf der Akte vorgelegt worden. In der Annahme, dass es sich hierbei um die Berufungsbegründungsfrist handele, ha-be dieser die Berufungsbegründung fertiggestellt und beim Landgericht einge-reicht.
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4
-

Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag durch den [X.] Beschluss zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als [X.] verworfen. Die Fristversäumung beruhe auf einem Organisationsver-schulden, weil der Beklagtenvertreter nicht eine [X.] vorgetragen habe, durch die
sichergestellt sei, dass Fristen erst nach einer ordnungsgemä-ßen Kontrolle gelöscht werden dürften.

II.
Die gemäß §
574 Abs.
1 [X.]atz
1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 [X.]atz
4, §
238 Abs.
2 [X.]atz
1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Vorausset-zungen des §
574 Abs.
2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müs-sen, nicht erfüllt sind.
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die [X.]iche-rung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des [X.]. Der angefochtene Beschluss verletzt den Beklagten
weder in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit
dem Rechtsstaatsprinzip) noch dessen rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG). Danach darf einer [X.] die Wiedereinsetzung in den vorigen [X.]tand nicht aufgrund von Anforderungen an die [X.]orgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den [X.]-en den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in [X.], aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwe-ren (vgl. [X.]enatsbeschlüsse vom 5.
November 2002 -
VI
ZB 40/02, NJW 2003, 4
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6
-
5
-

437; vom 12.
April 2011 -
VI
ZB 6/10, [X.], 506
Rn.
5; vom 17.
Januar 2012 -
VI
ZB 11/11, [X.], 1009 Rn.
6).
2. Die angefochtene Entscheidung entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das Berufungsgericht hat zu
Recht ein Organisationsver-schulden des Prozessbevollmächtigten des Beklagten angenommen, welches gemäß §
85 Abs.
2 ZPO dem Verschulden der [X.] gleichsteht.
a) Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist zwar zunächst [X.] zurückzuführen, dass die Kanzleiangestellte versehentlich diese Frist
im Fristenkalender gestrichen hat, obgleich
sie die Frist zur [X.]tellungnahme auf den [X.] streichen wollte. Insoweit verweist die Rechtsbe-schwerde mit Recht darauf, dass ein solches Fehlverhalten einer
ansonsten zuverlässigen
[X.] im Einzelfall einer Prozesspartei -
anders als ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten
-
nicht zuzurechnen ist.
b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist allerdings die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht allein auf das Versehen der [X.] zurückzuführen. Im [X.]treitfall hat das Berufungsgericht viel-mehr den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten zu Recht deshalb zurück-gewiesen, weil die Fristversäumung auf ein Organisationsverschulden des Pro-zessbevollmächtigten des Beklagten
zurückzuführen ist, welches sich hier [X.] hat. Aus dem Vortrag des Beklagtenvertreters ergibt
sich nämlich nicht, dass eine Kanzleianweisung besteht, aufgrund welcher nach Bearbeitung einer [X.]ache eine Kontrolle durchgeführt wird, die sicherstellt, dass zur Fristwahrung nichts mehr zu veranlassen
ist.
aa) Die vom Berufungsgericht insoweit gestellten Anforderungen an die [X.]orgfaltspflicht eines Prozessbevollmächtigten stehen in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Danach gehört es zu den Aufgaben des 7
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-
6
-

Prozessbevollmächtigten, dafür [X.]orge zu tragen, dass ein fristgebundener [X.] rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Prozessbevollmächtigte nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren, in denen Rechtsmittel-
oder Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig vorgelegt werden. Er muss vielmehr zusätzlich eine [X.] schaffen, durch die zuverlässig ge-währleistet wird, dass fristwahrende [X.]chriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Da für die [X.] in jedem Anwaltsbüro ein Fristenka-lender unabdingbar ist, muss der Rechtsanwalt sicherstellen, dass die im [X.] vermerkten Fristen erst gestrichen werden (oder ihre Erledigung sonst kenntlich gemacht wird), wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der [X.] also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht, die weitere Beförderung der ausgehenden Post also organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist (vgl. [X.]enatsbeschlüsse vom 23.
Mai 2006 -
VI
ZB 77/05, [X.], 1563 Rn.
5; vom 12.
April 2011 -
VI
ZB 6/10, aaO, Rn.
7; vom 17.
Januar 2012 -
VI
ZB 11/11, aaO, Rn.
9). Dabei
ist der für die Kontrolle zu-ständige Angestellte anzuweisen, Fristen im Kalender grundsätzlich erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen, nachdem er sich anhand der Akte vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 14.
März 1996 -
III
ZB 13/96, [X.], 1298; vom 6.
November 2001 -
XI
ZB 11/01, [X.]R ZPO §
233 [X.] 17; vom 11.
[X.]eptember 2007 -
XII
ZB 109/04, NJW 2007, 3497 Rn.
13).
bb) Der Begründung des [X.] ist nicht zu entneh-men, dass in der Kanzlei der Beklagtenvertreter die danach erforderlichen or-ganisatorischen Vorkehrungen getroffen wurden. Der Beklagte hat vielmehr die Auffassung vertreten, er müsse zu einem diesbezüglichen Organisationssystem nicht vortragen, weil die Ordnungsgemäßheit der [X.] im Hinblick auf den Fehler der [X.] keine Rolle spiele. Dies ist indes nicht 11
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-

der Fall, weil der Fehler der [X.] durchaus hätte erkannt werden können, wenn
sie sich
bei der [X.] anhand der Akte vergewissert hätte, ob zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen sei.
Galke
Zoll
[X.]

[X.]
[X.]töhr

Vorinstanzen:
AG [X.] ([X.]), Entscheidung vom 22.06.2011 -
2 [X.]/10 -

LG [X.], Entscheidung vom 09.11.2011 -
53 [X.] 1393/11 -

Meta

VI ZB 78/11

08.01.2013

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.01.2013, Az. VI ZB 78/11 (REWIS RS 2013, 9205)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 9205

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