Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 26.06.2023, Az. 2 BvR 474/23

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2023, 4271

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Verletzung der Gewährleistung des gesetzlichen Richters in einem sog "Diesel-Verfahren" nicht hinreichend dargelegt - Verwerfung eines offensichtlich unzulässigen Ablehnungsgesuchs - Vorbefassung mit einer Rechtsfrage in anderem Verfahren kann Besorgnis der Befangenheit nicht begründen


Tenor

Das Ablehnungsgesuch gegen [X.] wird als unzulässig verworfen.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Entscheidungsgründe

1

Der Beschwerdeführer wendet sich in einem sogenannten "Diesel-Verfahren" gegen das Berufungsurteil des [X.] vom 1. März 2023 und den Beschluss des [X.] vom 21. März 2023, in dem seine Gehörsrüge abschlägig beschieden wurde.

2

1. a) Der Beschwerdeführer beantragt, die für die Verfassungsbeschwerde zuständige Kammer solle ohne Mitwirkung des [X.]s [X.] entscheiden. Hierzu trägt er im Wesentlichen vor, [X.] habe zuvor bereits an Entscheidungen des [X.] mitgewirkt, die für die Verfassungsbeschwerde unmittelbar relevant seien. Dies betreffe insbesondere die Frage nach der möglichen Drittwirkung der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Satz 1 [X.]-Fahrzeuggenehmigungsverordnung oder Art. 5 Verordnung 715/2007/[X.] sowie die Frage nach der Vorlagepflicht zum [X.]. Insoweit sei die Verletzung des Rechts auf [X.] durch [X.] gerügt. Vor dem Hintergrund dieser Grundrechtsverletzung und des europarechtlichen Bezugs sei die Besorgnis der Befangenheit begründet. Zudem habe die [X.] des Zweiten Senats des [X.] unter Beteiligung von [X.] in einer ähnlich gelagerten Angelegenheit kürzlich eine Verfassungsbeschwerde einstimmig nicht zur Entscheidung angenommen.

3

b) Das Ablehnungsgesuch ist offensichtlich unzulässig.

4

Ein Ablehnungsgesuch, das lediglich Ausführungen enthält, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind, ist offensichtlich unzulässig. In diesem Fall bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten [X.]innen und [X.]; diese sind auch von der Entscheidung über das offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuch nicht ausgeschlossen (vgl. [X.] 153, 72 <73 Rn. 2>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 9. März 2022 - 1 BvR 125/22 -, Rn. 2). Im Hinblick auf eine richterliche Vorbefassung bestimmt § 18 Abs. 1 Nr. 2 [X.]G abschließend, dass eine solche nur dann zum Ausschluss führt, wenn sie in einem früheren Rechtszug erfolgt ist und eine Mitwirkung an der angefochtenen Entscheidung zum Inhalt hatte. Nicht ausgeschlossen ist ein [X.], der sich bereits früher - in anderen Verfahren - zu einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage in bestimmter Weise geäußert hat (vgl. [X.] 131, 239 <253 f.>; 133, 377 <406 Rn. 71>).

5

So liegt der Fall hier. Unabhängig davon, ob die Vorbefassung des [X.]s [X.] überhaupt eine hier entscheidungserhebliche Frage betrifft - wofür mit Blick auf die angefochtene Entscheidung und den vom [X.] verneinten [X.] an die Beklagte wenig spricht -, kann aus einer Vorbefassung mit einer Rechtsfrage in einem anderen Verfahren eine Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 19 [X.]G nicht abgeleitet werden. Sowohl die Verneinung einer Vorlagepflicht an den [X.] in einem anderen Verfahren als auch die Mitwirkung bei der Nichtannahme einer anderen Verfassungsbeschwerde sind daher zur Begründung des [X.] gänzlich ungeeignet. [X.] besondere Umstände, die eine Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten [X.]s begründen könnten, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 18. Januar 2018 - 2 BvR 2691/17 -, Rn. 3; Beschluss der [X.] des [X.] vom 9. März 2022 - 1 BvR 125/22 -, Rn. 8).

6

2. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie bereits den [X.] der § 92, § 23 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz [X.]G nicht genügt.

7

a) Die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung muss sich mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint ([X.] 89, 155 <171>). Dazu bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit der Entscheidung und ihrer Begründung ([X.] 101, 331 <345>). Der Beschwerdeführer muss substantiiert dartun, mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Entscheidung nach seiner Auffassung kollidiert (vgl. [X.] 108, 370 <386 f.>). Soweit das [X.] für bestimmte Fragen verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung anhand dieser Maßstäbe aufgezeigt werden (vgl. [X.] 99, 84 <87>; 101, 331 <345 f.>; 102, 147 <164>).

8

Bei der Rüge einer Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wegen Missachtung gerichtlicher Vorlagepflichten ist demnach darzulegen, aus welchen Gründen es nach Auffassung des Beschwerdeführers nötig gewesen wäre, eine Entscheidung eines anderen Gerichts einzuholen; zudem ist darzustellen, inwieweit die Nichtbeachtung der Vorlagepflicht willkürlich sein soll oder darauf beruhen könnte, dass das vermeintlich vorlagepflichtige Gericht Bedeutung und Tragweite des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat ([X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 23. April 2009 - 1 BvR 3424/08 -, Rn. 14).

9

b) Diesen [X.] wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.]G abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 474/23

26.06.2023

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG Koblenz, 21. März 2023, Az: 13 U 1526/22, Beschluss

Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 18 Abs 1 Nr 2 BVerfGG, § 19 Abs 1 BVerfGG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 26.06.2023, Az. 2 BvR 474/23 (REWIS RS 2023, 4271)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4271

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 BvR 2691/17

1 BvR 125/22

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