Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.01.2013, Az. XII ZR 39/10

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8982

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
XII ZR 39/10
Verkündet am:

16. Januar 2013

Küpferle,

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §
1578
b
a)
Wird ein
aus dem Ausland stammender Ehegatte im Zusammenhang mit seiner Eheschließung in [X.] ansässig und hätte er ohne die Ehe sein Heimat-land nicht verlassen, bestimmt sich sein angemessener Lebensbedarf im Sinne von §
1578
b Abs.
1 Satz
1 BGB nach den Erwerbs-
und Verdienstmöglichkeiten, die sich ihm bei einem Verbleib in
seinem Heimatland geboten hätten.
b)
Das von dem ausländischen Ehegatten in seinem Heimatland hypothetisch er-zielbare Einkommen ist gegebenenfalls im Hinblick auf [X.] an das [X.] Preisniveau anzupassen.
c)
Der angemessene Lebensbedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten kann auch in diesen Fällen nicht unter das unterhaltsrechtliche Existenzminimum sin-ken, welches dem in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien der [X.]e ausgewiesenen Selbstbehalt eines nichterwerbstätigen Unterhaltsschuldners entspricht.
[X.], Urteil vom 16. Januar 2013 -
XII ZR 39/10 -
[X.]

[X.]

-
2
-
Der XII. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 16.
Januar 2013
durch [X.], die Richterin
Dr.
[X.] und [X.]
Klinkhammer, Dr.
Günter und Dr.
Botur
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 1.
Familiensenats des Oberlan-desgerichts Rostock
vom 26.
Februar 2010
wird als unzulässig verworfen, soweit das [X.] über [X.] bis zum 31.
Dezember 2008 entschieden hat.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden der Beklagten aufer-legt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Abänderung einer Verbundentscheidung zum nachehelichen Unterhalt.
Die
Parteien
hatten im
Mai
1990 ihre kinderlos gebliebene Ehe geschlos-sen. Sie trennten sich spätestens im August 2002.
Auf den
im Oktober
2002 zugestellten Scheidungsantrag wurde ihre Ehe durch Urteil des Amtsgerichts vom 11.
März 2005 geschieden
und
der Kläger im Scheidungsverbund dazu verurteilt, an die Beklagte einen monatlichen Aufstockungsunterhalt
in Höhe 1
2
-
3
-
von 367,10

en.
Dabei ging das Amtsgericht aufseiten des [X.] von monatlichen [X.]n in Höhe von 2.950

aus, die um verschiedene ehebedingte Verbindlichkeiten zu bereinigen waren. Der Beklagten rechnete das Amtsgericht fiktive monatliche [X.] in
Höhe von 650

zu.
Der 1948 geborene Kläger ist
als Montageleiter bei
einem
Unternehmen des Maschinen-
und Anlagenbaus angestellt
und wird von seinem Arbeitgeber weltweit auf Baustellen eingesetzt. Die 1963 geborene Beklagte stammt aus der [X.]
und
war
im Zusammenhang mit der Eheschließung im Jahre 1990 aus der damaligen [X.] in die ehemalige DDR
übergesiedelt. In der [X.]
hatte sie zuvor
als Sekretärin für
ein kommunales
Verwaltungsorgan
gearbeitet. Sie hat im Jahre 1993 die [X.] Staatsangehörigkeit erworben; eine Erwerbstätigkeit in [X.] übt sie nicht aus.

Mit seiner am 31.
Mai 2006 bei dem Amtsgericht eingegangenen [X.] hat der zwischenzeitlich wiederverheiratete Kläger
unter anderem
auf den vollständigen Wegfall der Unterhaltspflicht nach
Ablauf eines Jahres seit Rechtshängigkeit seiner
Klage
angetragen. Die Beklagte ist diesem Begeh-ren
entgegengetreten und hat ihrerseits [X.] mit dem Ziel einer Erhöhung des Unterhalts für den [X.]raum ab Januar 2006 auf monatlich bis zu 2.480

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen
und den Kläger auf die Widerklage in Abänderung des [X.] verur-teilt, an die Beklagte Unterhaltsrückstände für den [X.]raum Januar 2006 bis Oktober 2006
in Höhe von 11.694,12

sowie einen laufenden unbefristeten Ehegattenunterhalt in
monatlicher Höhe von 1.235,12

seit November 2006 zu zahlen. Gegen diese Entscheidung haben die
Parteien wechselseitige Berufun-gen
eingelegt, mit denen sie im Wesentlichen ihre
erstinstanzlichen
Begehren
weiterverfolgt haben; der Kläger hat
im Berufungsverfahren
eine Befristung
des Unterhaltsanspruchs bis zum 31.
Dezember 2007
begehrt. Das Oberlandesge-3
4
-
4
-
richt hat die angefochtene Entscheidung teilweise abgeändert, der Beklagten für den [X.]raum zwischen Januar 2006 und Dezember 2008 monatliche [X.]sbeträge in wechselnder Höhe zwischen 828,78

,11

e-sprochen und die
Unterhaltspflicht des
[X.] ab dem 1.
Januar 2009 entfallen lassen.

Mit ihrer zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte den Wegfall der Befristung
und weiterhin einen höheren Unterhalt für den [X.]raum seit
Januar 2006.

Entscheidungsgründe:
Auf das Verfahren ist gemäß Art.
111 Abs.
1 [X.] noch das bis zum 31.
August 2009 geltende Prozessrecht anzuwenden, weil das Verfahren vor diesem [X.]punkt eingeleitet worden ist (vgl. [X.]sbeschluss vom 3.
Novem-ber 2010 -
XII
ZB
197/10
-
FamRZ 2011, 100 Rn.
10).

I.
Die Revision ist unzulässig, soweit sich die Beklagte dagegen wendet, dass sie
für den [X.]raum zwischen Januar 2006 und Dezember 2008 mit ihrer [X.] auf Erhöhung des im Scheidungsverbund titulierten Unterhalts nicht vollständig durchgedrungen ist. Denn insoweit hat das [X.] die Revision nicht zugelassen

543 Abs.
1 ZPO).
Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s
kann sich eine wirksame Beschränkung des Rechtsmittels auch
bei uneingeschränkter Zulassung im Te-nor der angefochtenen Entscheidung aus dessen Entscheidungsgründen erge-5
6
7
8
-
5
-
ben.
Eine solche Beschränkung setzt voraus, dass das Berufungsgericht die Möglichkeit einer Nachprüfung im Revisions-
oder Rechtsbeschwerdeverfahren hinreichend klar auf einen abtrennbaren Teil seiner Entscheidung begrenzt hat (vgl. zuletzt [X.]surteile [X.]Z 189, 284
=
FamRZ 2011, 1041 Rn.
10 und vom 15.
September 2010 -
XII
ZR
20/09
-
FamRZ 2010, 1880 Rn.
9).

Das ist hier der Fall.
Enthält das angefochtene Urteil -
wie hier
-
einen Ausspruch zur Befristung, ist der streitgegenständliche Unterhalt in zeitlicher Hinsicht teilbar und eine entsprechend eingeschränkte Zulassung der Revision möglich ([X.]surteile [X.]Z 179, 43 =
[X.], 406 Rn.
10 und vom 25.
Januar 1995 -
XII
ZR
195/93
-
FamRZ 1995, 1405; anders für den Fall der Ablehnung der Befristung: [X.]surteile vom 27.
Januar 2010

XII
ZR
100/08
-
FamRZ 2010, 538 Rn.
19 und vom 27.
Mai 2009 -
XII
ZR
78/08
-
[X.], 1300 Rn.
16). Das
[X.] hat die Revision zugelassen, weil "eine einheitliche Rechtsprechung zur Begrenzung von nachehelichen Unterhaltsan-sprüchen"
bislang noch nicht bestehe und im Hinblick hierauf die Zulassung der Revision der Fortbildung des Rechts diene. Den Gründen der angefochtenen Entscheidung ist somit hinreichend deutlich zu entnehmen, dass das [X.] die Revision nur wegen des
Ausspruchs zur Befristung zulassen wollte; die zulassungsrelevante Rechtsfrage wirkt sich insoweit
für die Beklagte nur auf den Unterhaltsanspruch ab Januar 2009 aus. Bezieht sich in einem Un-terhaltsrechtsstreit die [X.] indessen
nur auf einen Teil des streiti-gen [X.]raums, liegt regelmäßig die Annahme nahe, das Berufungsgericht habe die Revision auch nur hinsichtlich des von der [X.] betroffenen Teils zulassen wollen. Ein derartiges Verständnis des Ausspruchs über die Zu-lassung trägt auch der mit dem Prinzip der Zulassungsrevision verfolgten Kon-zentration des [X.] auf rechtsgrundsätzliche Fragen Rechnung. Es verhindert umgekehrt, dass durch eine formal undifferenzierte Zulassung der Revision abtrennbare Teile des Streitstoffs ohne ersichtlichen Grund einer revi-9
-
6
-
sionsgerichtlichen Prüfung unterzogen werden müssen ([X.]surteile [X.]Z 180, 170 =
[X.], 770 Rn.
9 und vom 27.
Mai 2009

XII
ZR
111/08
-
[X.], 1207 Rn.
10).

II.
Soweit die Revision zulässig ist, ist sie nicht begründet.

1. Das Berufungsgericht hat die Abänderungsklage des [X.] für zu-lässig gehalten, weil die zweite Ehefrau des [X.] seit dem 1.
Januar 2008 wegen der durch das
[X.]
vom 21. Dezember 2007 ([X.]) erfolgten Rechtsänderungen unterhaltsrechtlich gegenüber der Beklagten nicht mehr nachrangig sei und seit diesem [X.]punkt auch eine Mög-lichkeit zur zeitlichen Begrenzung des nachehelichen Unterhalts für Ehen von langer Dauer bestünde. In der Sache hat das Berufungsgericht den Unterhalts-anspruch der Beklagten bis zum 31.
Dezember 2008 befristet und insoweit zur Begründung seiner
Entscheidung das Folgende ausgeführt:
Eine zeitliche Begrenzung des Unterhalts nach §
1578
b Abs.
2 BGB könne sich im vorliegenden Fall, da die Parteien keine gemeinsamen Kinder hätten, nur dann als unbillig darstellen, wenn bei der Beklagten ehebedingte Nachteile vorlägen. Solche Nachteile für die [X.] nach dem 1.
Januar 2009 ha-be die Beklagte nicht hinreichend dargelegt. Der Kläger habe ausgeführt, dass die Beklagte bei Ausübung einer Berufstätigkeit in der Lage sei, ihren vor der Ehe in der [X.] erreichten bzw. den für sie heute dort erreichbaren [X.] selbst zu decken. Dem sei die Beklagte nicht substantiiert entgegen-getreten. Zwar könne bei der Ermittlung [X.] Nachteile nicht auf die Lebensverhältnisse der Beklagten vor 1990 abgestellt werden, da in der 10
11
12
-
7
-
[X.]
gravierende politische und wirtschaftliche Veränderungen eingetreten seien. Es komme vielmehr darauf an, über welche Einkommensverhältnisse die Beklagte
heute
verfügen würde, wenn sie in der [X.] geblieben wäre. [X.] könnten die ehebedingten Nachteile nicht nach den [X.]n Lebens-
und Einkommensverhältnissen bemessen werden, weil keinerlei Anhaltspunkte [X.] vorlägen, dass die Beklagte ohne die Eheschließung mit dem Kläger die Möglichkeit gehabt hätte, nach [X.] zu ziehen. Die von einer Sekretärin mit der Vorbildung der Beklagten in der [X.] erzielbaren Einkünfte würden allerdings auch unter Berücksichtigung von Verbrauchergeldparitäten
das der Beklagten in diesem Verfahren fiktiv zugerechnete Einkommen von 650

übersteigen. Die Zurechnung dieser fiktiven
Einkünfte sei zu
Recht erfolgt, denn
das Amtsgericht habe zutreffend
erkannt, dass die Beklagte ihre Erwerbsoblie-genheit gegenüber dem Kläger verletze, weil sie seit der spätestens im August 2002 erfolgten Trennung von dem Kläger weder einer Erwerbstätigkeit [X.] sei noch sich um eine solche bemüht habe. Die Beklagte verfüge über gute Deutschkenntnisse und dazu aufgrund ihrer Herkunft über umfangreiche Fremdsprachenkenntnisse, so dass das ihr fiktiv zugerechnete Nettoeinkom-men von 650

z.B. als Fremdsprachenkorrespondentin oder Dolmetscherin jedenfalls zu erzielen sei. Ehebedingte Nachteile könnten
sich auch nicht dar-aus
ergeben, dass die Beklagte wegen der Eheschließung nach [X.] übergesiedelt sei. Es fehlten
Darlegungen dazu, warum die Beklagte nach der Scheidung nicht wieder in die [X.] zurückkehren und ihre vor der Ehe aus-geübte Tätigkeit als Sekretärin nicht wieder habe aufnehmen können. Dies gel-te umso mehr, als die Beklagte zwischenzeitlich gute Deutschkenntnisse er-worben habe und nicht ersichtlich sei, warum diese nicht auch in der [X.] für eine Berufstätigkeit nutzbar gemacht werden könnten. Schließlich ergebe sich ohne Hinzutreten weiterer Umstände auch aus der mehr als zwölfjährigen Dau-er der Ehe kein [X.]
Nachteil.
-
8
-
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung zwar nicht in allen Punkten der Begründung, aber jedenfalls
im Ergebnis stand.
2.
Entgegen der Ansicht der Revision ist der Kläger mit seinem Befris-tungsverlangen nicht
ausgeschlossen.
a) Die Abänderung einer rechtskräftigen Entscheidung über den [X.] setzt nach dem hier noch anwendbaren §
323 Abs.
1 ZPO aF voraus, dass sich die für die Bestimmung der Höhe und Dauer der Leistungen maßgebenden Verhältnisse wesentlich geändert
haben.
Dabei ist zu beachten, dass die Grundlagen der Ausgangsentscheidung im Abänderungsverfahren zu wahren sind und eine Fehlerkorrektur wegen der Rechtskraft des Ausgangsurteils nicht zulässig ist. Deshalb
kann die Abänderungsklage nach §
323 Abs.
2 ZPO aF nur auf solche Gründe gestützt werden, die erst nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung
in der Tatsacheninstanz des Ausgangsverfahrens
entstanden sind, in der eine Erweiterung des Klageantrags oder die Geltend-machung von Einwendungen spätestens hätte erfolgen müssen.
Richtig ist im vorliegenden Fall zwar, dass der Kläger insbesondere
den Einwand, die Beklagte habe durch die Ehe keine Erwerbsnachteile erlitten, be-reits im Ausgangsverfahren hätte anbringen können.
Eine wesentliche Ände-rung der Verhältnisse im Sinne des §
323 Abs.
1 ZPO aF kann sich aber nicht nur aus der Änderung tatsächlicher Verhältnisse, sondern auch daraus erge-ben, dass sich die
rechtliche Beurteilung eines gegenüber dem [X.] unverändert gebliebenen Tatsachenstoffs geändert hat. Eine wesentli-che Änderung der insoweit maßgebenden rechtlichen
Verhältnisse kann sich nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s
nicht nur aus einer Gesetzesände-rung, sondern auch aus einer
Änderung der höchstrichterlichen Rechtspre-chung durch den [X.] ergeben
([X.]surteile vom 8.
Juni 2011 13
14
15
16
-
9
-

XII
ZR
17/09
-
FamRZ 2011, 1381 Rn.
18 und vom 29.
September 2010

XII
ZR
205/08
-
FamRZ 2010, 1884 Rn.
16 mwN), wie nunmehr auch durch §
238 Abs.
1 Satz
2 FamFG bzw. durch §
323 Abs.
1 Satz
2 ZPO in
der seit dem 1.
September 2009 geltenden Fassung gesetzlich klargestellt ist.

b) Der [X.] hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass sich eine solche Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung -
bezogen auf die zur Befristung
des Aufstockungsunterhalts schon im Rahmen des §
1573 Abs.
5 BGB aF anzustellenden Billigkeitsabwägungen
-
durch die Änderung der [X.] aufgrund des Urteils vom 12.
April 2006 (XII
ZR
240/03

FamRZ 2006, 1006) vollzogen hat (zuletzt [X.]surteil vom 23.
Mai 2012

XII
ZR
147/10

FamRZ 2012, 1284 Rn.
18 mwN). Denn der [X.] hat mit [X.] seine zunächst nach dem [X.] vom 20.
Feb-ruar 1986 ([X.]
I S.
301) ergangene und grundlegend auf
das
Jahr 1990 zu-rückgehende
Rechtsprechung geändert.
Nach ihr war die
mit der Einführung des §
1573 Abs.
5 BGB aF erstmals möglich
gewordene
Befristung des Aufstockungsunterhaltsanspruchs bei Ehen von einer bestimmten Dauer regelmäßig ausgeschlossen und allenfalls unter außergewöhnlichen Umständen zulässig
(vgl. [X.]surteile vom 28.
März 1990

XII
ZR
64/89
-
FamRZ 1990, 857, 859
und
vom 10.
Oktober 1990

XII
ZR
99/88
-
FamRZ 1991, 307, 310; zur Entwicklung der [X.]srechtspre-chung vgl. Dose [X.], 1289, 1294).
Zwar hatte der [X.] bereits
im Zusammenhang mit der Änderung seiner Rechtsprechung zur Anrechnungsme-thode (sogenannte
Surrogatrechtsprechung) im Jahre 2001 angedeutet, dass einer
Begrenzung des Unterhalts nach §§
1578 Abs.
1 Satz
2,
1573 Abs.
5 BGB aF als Korrektiv gegenüber der mit der Anwendung der Differenzmethode auf die
Einkünfte des erst nach der Trennung wieder erwerbstätigen
Ehegatten verbundenen wirtschaftlichen Mehrbelastung des Unterhaltspflichtigen gestei-17
18
-
10
-
gerte Bedeutung zukommen könnte
([X.]surteil [X.]Z 148, 105 =
FamRZ 2001, 986, 991). Eine Änderung der Rechtsprechung zur Frage der zeitlichen Begrenzung des Aufstockungsunterhaltsanspruches war damit aber noch nicht verbunden. Vielmehr hatte der [X.] auch in der Folgezeit zunächst daran festgehalten, dass sich eine Ehedauer von mehr als zehn Jahren dem Grenzbe-reich nähern dürfte, in dem
unter Berücksichtigung der Umstände des Einzel-falls
der Dauer der Ehe als Billigkeitskriterium im Rahmen von §
1573 Abs.
5
BGB aF ein durchschlagendes Gewicht für eine dauerhafte "Unterhaltsgarantie"
und gegen die Möglichkeit zeitlicher Begrenzung des Unterhalts zukommen wird
(vgl. [X.]surteil vom 9.
Juni 2004 -
XII
ZR
308/01
-
FamRZ 2004, 1357, 1360
mit ausdrücklichem
Hinweis
auf die [X.]srechtsprechung aus dem Jahre 1990). Von dieser Rechtsprechung ist der [X.] erst in seinem Urteil vom 12.
April 2006 in Bezug auf die grundsätzliche Gewichtung des Merkmals der Ehedauer vollständig
abgerückt; er hat seither für die Entscheidung über eine
Befristung des Aufstockungsunterhalts nach §
1573 Abs.
5 BGB aF das haupt-sächliche Gewicht auf die mit der Ehe verbundenen Erwerbsnachteile für den Unterhaltsberechtigten gelegt.
c) Nach alledem kann dem Berufungsgericht zwar nicht in seiner
Beurtei-lung
gefolgt werden, dass
sich die Möglichkeit einer Befristung von Aufsto-ckungsunterhalt
bei Ehen von langer Dauer erst durch das Inkrafttreten des [X.] ergeben habe. Da das abzuändernde Urteil allerdings am
11.
März 2005 und damit vor
Erlass des [X.]surteils vom 12.
April 2006 ergangen ist, ist der Kläger aus Rechtsgründen nicht daran ge-hindert, den [X.] in diesem Abänderungsverfahren geltend zu machen, auch wenn dieser nicht auf neue Tatsachen gestützt wird
(vgl.
[X.] vom 5.
Oktober 2011 -
XII
ZR
117/09
-
FamRZ
2011, 1854 Rn.
31).

19
-
11
-
d) Entgegen der Auffassung der Revision steht
auch §
36 Nr.
1 EGZPO dem Befristungsverlangen des [X.] nicht entgegen,
weil
diese Vorschrift hier keine Anwendung
findet. Hierzu
hat der [X.] bereits mehrfach ausgespro-chen, dass §
36 Nr.
1 EGZPO nur auf die Abänderung solcher Unterhaltstitel bzw. Unterhaltsvereinbarungen anwendbar ist, deren Grundlagen sich durch das [X.] geändert haben. Bei der Abänderung eines vor dem 1.
Januar 2008 erlassenen
Urteils oder einer zuvor geschlosse-nen Vereinbarung zum Aufstockungsunterhalt ist das mit Blick auf das [X.]s-urteil vom 12.
April 2006 nicht der Fall
([X.]surteile [X.]Z 183, 197 =
FamRZ 2010, 111 Rn.
16 und
vom 27.
Januar 2010 -
XII
ZR
100/08
-
FamRZ 2010, 538 Rn.
22). §
36 Nr.
1 EGZPO kann deshalb für sich genommen nicht als [X.] dafür herangezogen werden, für [X.] nach dem 1.
Januar 2008 von einer zeitlichen Begrenzung des Anspruches auf Aufstockungsunter-halt abzusehen ([X.]surteil vom 8.
Juni 2011 -
XII
ZR
17/09
-
FamRZ 2011,
1381 Rn.
22
f.).
3.
Die vom Berufungsgericht nach §
1578
b Abs.
1 und 2 BGB vorge-nommene Befristung des [X.] der Beklagten hält der
revisi-onsrechtlichen Überprüfung stand. Zwar sind seine Erwägungen nicht frei von [X.]. Diese wirken sich aber im Ergebnis nicht aus.
Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist nach
§
1578
b Abs.
1 Satz
1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhalts-anspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Nach
§
1578
b Abs.
2 Satz
1 BGB ist ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zeit-lich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung ergeben sich aus §
1578
b 20
21
22
-
12
-
Abs.
1 Satz
2 und 3 BGB. Danach ist vorrangig
zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Ge-staltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.
a) Im Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht mit
Recht darauf abge-stellt, ob aufseiten des Unterhaltsberechtigten ehebedingte Nachteile entstan-den sind. Um einen
ehebedingten Nachteil der
Höhe nach bemessen zu [X.], muss der Tatrichter Feststellungen zum angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten im Sinne des §
1578
b Abs.
1 Satz
1 BGB und zum Ein-kommen treffen, das der Unterhaltsberechtigte tatsächlich erzielt bzw. gemäß §§
1574, 1577 BGB erzielen könnte. Der Maßstab des angemessenen [X.] bemisst sich dabei regelmäßig nach dem Einkommen, das der [X.] Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen [X.] zur Verfügung hätte, wobei eine Schätzung entsprechend
§
287 ZPO bei ausreichenden Grundlagen zulässig ist (vgl. zuletzt [X.]surteil vom
11.
Juli 2012
-
XII
ZR
72/10
-
FamRZ 2012, 1483 Rn.
43
mwN).
aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hätte die Beklagte ohne ihre Eheschließung
mit dem Kläger nicht nach [X.] übersiedeln können, sondern sie hätte voraussichtlich weiter in der [X.] gelebt. Dies räumt
auch die Revision ein.
Soweit
indessen im Rahmen des §
1578
b Abs.
1 Satz
1 BGB beim unterhaltsberechtigten Ehegatten ein Vergleich zwischen sei-ner jetzigen Lebenslage und seiner hypothetischen Lebenssituation ohne Ehe-schließung angestellt werden muss, kann
es in solchen Fällen folgerichtig nicht beanstandet werden, wenn für die Ermittlung
eines hypothetischen Erwerbsein-kommens auf die Erwerbs-
und Verdienstmöglichkeiten des ausländischen 23
24
-
13
-
Ehegatten
abgestellt
wird, die sich ihm
bei einem Verbleib in seinem Heimat-land
geboten hätten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hätte die Beklagte bei einer Beschäftigung als Sekretärin oder Assistentin der Geschäfts-führung
in einem [X.] Wirtschaftsunternehmen seit 2009 kein Einkom-men erzielen können, welches
auch unter Berücksichtigung der unterschiedli-chen Kaufkraft in [X.] einem Betrag von mehr als 650

chen hätte.
Diese Feststellungen greift die Revision nicht an;
sie lassen auch keine Rechtsfehler erkennen.

Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich für die Beklagte kein weitergehender [X.] Nachteil dadurch, dass sie durch die in der
Ehe gewählte Übernahme der Hausfrauenrolle
daran gehindert worden sei,
sich durch Fortbildung oder Umschulung weitergehend für den [X.]n [X.] zu qualifizieren. Bei einem im Hinblick auf die Eheschließung in [X.]
ansässig gewordenen ausländischen Ehegatten ist
die ungenü-gende
Verwertbarkeit seiner im Ausland absolvierten Berufsausbildung auf dem [X.]n Arbeitsmarkt nicht ehebedingt (vgl. [X.]surteil [X.]Z 170, 77 =
[X.], 450, 451). Auch wenn der Beklagten
durch die eheliche
Rol-lenverteilung die Möglichkeit beruflicher
Qualifikation für den [X.]n Ar-beitsmarkt genommen
worden sein sollte, würde eine sich dadurch im [X.] mit der Scheidung
von dem Kläger ergebende Bedarfslage nicht auf einem ehebedingten
Nachteil, sondern auf dem Entgehen
von
Erwerbschancen
beruhen, die sich ihr
-
als [X.] Vorteil
-
mit der Übersiedlung nach [X.] hätten
eröffnen
können.
Ihr
angemessener
Lebensbedarf kann deshalb
nicht auf der Grundlage einer fiktiven Erwerbsbiographie bestimmt werden, die erst im Jahre 1990 mit ihrer
Übersiedlung nach [X.] an-setzt.

25
-
14
-
bb) Allerdings folgt aus dem Begriff der "Angemessenheit"
des [X.] in §
1578
b Abs.
1 Satz
1 BGB zugleich, dass es sich um einen Bedarf handeln muss, der das Existenzminimum mindestens erreicht. Der [X.] hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass dieser Bedarf dem in den Leitlinien der [X.]e ausgewiesenen notwendigen Selbstbehalt eines nichter-werbstätigen Unterhaltsschuldners von 770

seit dem 1.
Januar 2013:
800

entspricht, und zwar auch dann, wenn von dem [X.] noch eine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann. Denn der darüber hinausgehende not-wendige Selbstbehalt eines erwerbstätigen
Unterhaltsschuldners schließt einen [X.] ein, der aufseiten des [X.]s keine Berechtigung hat ([X.]surteil vom 17.
Februar 2010 -
XII
ZR
140/08
-
FamRZ 2010, 629 Rn.
33; vgl. auch [X.]surteil vom 13.
Januar 2010 -
XII
ZR
123/08
-
FamRZ 2010, 444 Rn.
18 zum Mindestbedarf beim Unterhaltsanspruch nach §
1615
l BGB). Diesen Bedarf kann auch ein im Hinblick auf die Eheschließung in [X.] ansässig gewordener
Ehegatte als Mindestbedarf verteidigen, weil der unterhaltspflichtige Ehegatte ihn nicht auf eine Rückkehr in sein Heimatland und deshalb nicht darauf verweisen kann, dass sein Existenzminimum unter den dortigen wirtschaftlichen Bedingungen gesichert werden könnte.

Dies hat das Berufungsgericht zwar verkannt; seine Beurteilung, dass aufseiten der Beklagten keine ehebedingten Nachteile vorliegen, wird dadurch jedoch nicht in Frage gestellt. Ein [X.] Nachteil kann
sich für die [X.] im [X.]raum seit Januar 2009 nur ergeben, wenn und soweit sie ihr [X.] Existenzminimum
nicht zu sichern vermag, obwohl sie eine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt oder bei gehöriger Erfüllung ihrer Er-werbsobliegenheit ausüben könnte.
Davon
kann
unter den obwaltenden Um-ständen nicht
ausgegangen werden.
Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hätte die Beklagte angesichts ihrer [X.] und ihrer in [X.] erworbenen guten Sprachkenntnisse bei ent-26
27
-
15
-
sprechenden Erwerbsbemühungen eine angemessene Erwerbstätigkeit als Dolmetscherin oder Fremdsprachenkorrespondentin ausüben
können. Schon die
der Beklagten in der Ausgangsentscheidung vom 11.
März 2005 zugerech-neten fiktiven Einkünfte in Höhe von monatlich 650

n-digen Selbstbehalt
eines [X.] nach den im Bezirk des [X.]s geltenden Leitlinien in der zum Entscheidungszeitpunkt gültigen Fassung (Ziffer
21.2. der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des [X.], Stand: 1.
Juli 2003). Die Annahme, dass die spätestens seit [X.] 2003 zur Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit verpflichtete Beklagte selbst bei zunehmender Berufserfahrung in [X.] keine Aus-sicht auf eine Einkommenssteigerung hätte, mit der nachhaltig zumindest der
Mindestbedarf
gesichert
werden kann, erscheint im Hinblick darauf nicht ge-rechtfertigt.
b) §
1578
b BGB ist allerdings
nicht auf die Kompensation [X.] Nachteile beschränkt, sondern erfasst auch eine darüber hinausgehende nach-eheliche Solidarität, die auch beim Aufstockungsunterhalt einer Befristung des Unterhaltsanspruchs
aus Billigkeitsgründen entgegenstehen kann
(vgl. zuletzt [X.]surteil vom 25.
Januar 2012 -
XII
ZR
139/09
-
FamRZ 2012, 525 Rn.
50).
Das Maß der geschuldeten nachehelichen Solidarität bestimmt sich neben der Ehedauer (vgl. nunmehr ausdrücklich BT-Drucks. 17/11885,
S.
6) vor allem durch die wirtschaftliche Verflechtung, die durch den Verzicht des haushaltsfüh-renden Ehegatten auf eine eigene Erwerbstätigkeit und hier insbesondere dadurch eingetreten ist, dass die Beklagte zum Zwecke der Eheschließung ihr Heimatland verlassen hat. Das Berufungsgericht ist auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen im Ergebnis zu einer ungekürzten Unterhalts-pflicht bis zum 31.
Dezember
2008, mithin für mehr als dreieinhalb Jahre nach Rechtskraft der Scheidung und mehr als
sechs Jahre nach Zustellung des Scheidungsantrags gelangt. Dieses Ergebnis ist angesichts einer [X.]
-
16
-
jährigen Ehedauer, des
Alters
der Parteien bei Trennung und Scheidung, der Kinderlosigkeit der Ehe
und des Umstandes, dass der Kläger durch seine Wie-derverheiratung neue Unterhaltspflichten eingegangen ist, nach revisionsrecht-lichen Maßstäben noch vertretbar.

Dose

[X.]

Klinkhammer

Günter

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.02.2007 -
21 [X.]/06 -

[X.], Entscheidung vom [X.] -
10 UF 97/07 -

Meta

XII ZR 39/10

16.01.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.01.2013, Az. XII ZR 39/10 (REWIS RS 2013, 8982)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8982

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