Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.10.2011, Az. XII ZR 162/09

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1957

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
XII [X.]/09
Verkündet am:

26.
Oktober 2011

Küpferle,

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 1578 b
Zur sekundären Darlegungslast des Unterhaltsberechtigten hinsichtlich [X.] Nachteile bei der Unterhaltsherabsetzung und -befristung (im [X.] an [X.], 1 =
[X.], 875 und vom 20.
Oktober 2010
XII
ZR
53/09
-
[X.], 2059).
BGH, Urteil vom 26. Oktober 2011 -
XII [X.]/09 -
OLG Hamm

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 26.
Oktober
2011 durch die Richter
Dose, [X.], Dr.
Klinkhammer, Schilling und Dr.
Günter
für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.]
wird das Urteil des 8.
[X.]s für Fa-miliensachen des [X.] vom 19.
August 2009 aufgehoben, soweit die Berufung des [X.] für die [X.] ab Januar 2009 zurückgewiesen worden ist.
Der Rechtsstreit wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten [X.] und Entscheidung -
auch über die Kosten des Revisi-onsverfahrens
-
an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Abänderung eines Titels über nachehelichen Unterhalt.
Der 1954 geborene Kläger und die 1957 geborene Beklagte heirateten im Jahr 1977. Aus der Ehe sind drei inzwischen volljährige Kinder hervorge-gangen, von denen sich der jüngste [X.] noch in der Berufsausbildung [X.].
Die Parteien trennten sich im April 1997. Ihre Ehe ist seit August
1999 rechtskräftig geschieden.
1
2
-
3
-
Der Kläger ist Tischlermeister. Er war als Gesellschafter-Geschäftsführer
zu 25% an einer GmbH beteiligt, die Innenausbau betrieben hat. Außerdem war er Mitgesellschafter einer [X.], die ein Gewerbegrundstück an die GmbH vermietet hatte und inzwischen auseinandergesetzt ist. Er ist seit Januar 2008 unter anderem an einer rezidivierenden depressiven Störung erkrankt und bezieht seit Dezember 2008 eine -
befristete
-
Rente wegen voller Erwerbsmin-derung.
Als Geschäftsführer der GmbH ist er inzwischen abberufen, das [X.] ist gekündigt worden.
Die Beklagte hat nach dem Hauptschulabschluss eine Ausbildung zur Damenschneiderin absolviert und war bis zur Geburt des ersten Kindes im Jahr 1978 in einer [X.] tätig. Während der Ehe betreute sie im [X.] die drei Kinder und versorgte den Haushalt. Außerdem erlitt sie 1980 ei-ne Fehlgeburt. Seit Oktober 1999 geht die Beklagte
einer Teilzeitbeschäftigung als Kommissioniererin in einem Bekleidungsunternehmen nach, war aber [X.] einer im Jahr 2004 eingetretenen Krebserkrankung wiederholt arbeitsunfä-hig erkrankt.
Nach mehreren Operationen sind gesundheitliche Einschränkun-gen mit einer Schwerbehinderung von 50% verblieben.
Mit einer Arbeitszeit von 30
Wochenstunden erzielt sie ein monatliches
Bruttoeinkommen von rund 1.600

-
vor Abzug von Fahrtkosten
-
rund 1.140

Der Kläger war
während der Ehe Eigentümer eines Mehrfamilienhaus-grundstücks. Die darin befindliche Ehewohnung wurde nach der Scheidung
zu-nächst noch von der Beklagten -
als Nießbrauchsberechtigte
-
und den Kindern bewohnt. Inzwischen wurde
das Hausgrundstück veräußert, nachdem die [X.] gegen eine Abstandssumme auf ihren Nießbrauch verzichtet hatte.
Im Scheidungsverfahren schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sich der Kläger zur Zahlung
eines nachehelichen Unterhalts von monatlich 3
4
5
6
-
4
-
521
DM (266,38

Nach Veräußerung des [X.] und Auszug der Beklagten stritten die Parteien im Jahr 2003 um eine Abänderung des titulierten Unterhalts.
Im Ergebnis erhöhte das Berufungsgericht den lau-fenden Unterhalt durch Urteil vom
21.
Dezember
2005
ab Januar 2006 auf mo-natlich
357

.
Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger die Reduzierung und Be-fristung des Unterhalts. Er beruft sich auf sein vor allem krankheitsbedingt ver-ringertes Einkommen
und auf eine nach geänderter Rechtslage seit Januar 2008 verstärkte
eigene Unterhaltsverantwortung der Beklagten.
Die Parteien streiten vor allem um das Bestehen [X.] Nachteile auf Seiten der [X.]n.
Das Amtsgericht
hat den titulierten Unterhalt für November 2008 bis ein-schließlich April
2009 herabgesetzt, im Übrigen aber bestehen lassen. Auf die Berufung des [X.] hat das Berufungsgericht den Unterhalt
-
unter anderem gemäß §
1578
b Abs.
1 BGB
-
weiter auf zuletzt monatlich
150

Januar
2011 herabgesetzt
und
wie das Amtsgericht eine Befristung abgelehnt. [X.] wendet sich der Kläger mit der zugelassenen Revision, mit welcher er sein Befristungsbegehren zum 31.
Dezember
2008 weiterverfolgt.

7
8
-
5
-
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.

Für das Verfahren ist gemäß Art.
111 Abs.
1 [X.] noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor [X.] [X.]punkt eingeleitet worden ist (vgl. [X.]surteile vom 11.
August 2010

-
XII
ZR
102/09
-
[X.], 1637 Rn.
8 und vom 25.
November 2009

-
XII
ZR
8/08
-
[X.], 192 Rn.
5 und [X.]sbeschluss vom 3.
November
2010 -
XII
ZB
197/10
-
FamRZ 2011, 100 Rn.
10).

I.
Das Berufungsgericht hat den Unterhalt aufgrund der gegenüber dem Vorprozess veränderten Einkommensverhältnisse der Parteien neu berechnet. Auf Seiten des [X.] ist es lediglich vom Krankengeld-
und später vom [X.] sowie Zinseinkünften ausgegangen.
Auf Seiten der Beklagten hat das Berufungsgericht ihr Einkommen
aus Teilzeittätigkeit angerechnet und eine wei-tergehende Erwerbspflicht verneint. Außerdem hat es ihr vorübergehend fiktive Mietzinseinnahmen zugerechnet.
Im Hinblick auf die Befristung des Unterhalts seien ehebedingte [X.] nicht auszuschließen, was sich unter Berücksichtigung der Darlegungs-
und Beweislast zum Nachteil des [X.] auswirke und einer Befristung entgegen-stehe. Ehebedingte Nachteile folgten noch nicht aus den aufgrund der Kinder-erziehung und Haushaltstätigkeit verringerten Rentenanwartschaften. Auch eine Erkrankung sei nur in Ausnahmefällen ehebedingt. Da die Krebserkrankung der Beklagten erst fünf Jahre nach der Scheidung aufgetreten sei, handele es sich insoweit um eine schicksalhafte Entwicklung. Ehebedingte Nachteile könnten 9
10
11
12
-
6
-
aber deshalb nicht ausgeschlossen werden, weil die Beklagte nicht (mehr) in der Lage sei, in dem von ihr einmal erlernten Beruf vollschichtig zu arbeiten, und zudem die Möglichkeit offenbleibe, dass ihre Chancen im Erwerbsleben ohne Ehe und Kinderbetreuung besser wären, als sie es tatsächlich seien. Inso-fern sei nämlich zu berücksichtigen, dass die Beklagte, die zum [X.]punkt der Trennung 40
Jahre alt und zu diesem [X.]punkt nach früherer Rechtslage allen-falls verpflichtet gewesen sei, eine Geringverdienertätigkeit aufzunehmen, seit der Geburt des ersten Kindes im Jahr 1978, als sie gerade erst knapp 21
Jahre alt gewesen sei, nicht mehr in ihrem erlernten Beruf gearbeitet habe.
In [X.] der nur sehr kurzen Berufstätigkeit im erlernten Beruf könne nicht ausge-schlossen werden, dass sich der Beklagten ohne die Berufspause Erwerbsmög-lichkeiten und Einkommensquellen als Damenschneiderin eröffnet hätten. Die Feststellung, dass sie im Erwerbsleben ohne die Eheschließung und die vier Schwangerschaften nicht besser hätte Fuß fassen können,
als dies tatsächlich durch ihre heutige Teilzeittätigkeit erfolgt sei, erscheine zu weitgehend. [X.] hätte sie ohne die Ehe und die Schwangerschaften umfassende Berufser-fahrung gehabt, die ihr bessere Einkommensquellen hätte eröffnen können. Auch wenn nicht zu übersehen sei, dass sich gerade in der Textilindustrie im Lauf der Ehezeit der Arbeitsmarkt fast durchweg verschlechtert habe und die Beklagte dadurch gezwungen worden wäre, sich beruflich umzuorientieren, bleibe gänzlich offen, welche endgültige Stellung sie ohne die Ehe und die Schwangerschaften im Erwerbsleben gehabt hätte.
Darüber hinaus könne die Beklagte den Beweis für eine herausragende berufliche Entwicklung (Schnei-dermeisterin oder sogar eine Leitungsposition in der Textilindustrie)
kaum füh-ren. Die schon als lang zu bezeichnende Ehedauer (rund 27
Jahre unter [X.] der Kinderbetreuungszeiten) sowie die Tatsache, dass sich die [X.]
"seit ihrer Berufspause 1978"
allein für Ehe und Familie
eingesetzt habe, be-gründe ein besonders gewichtiges Vertrauen in die erfolgte Unterhaltstitulierung -
7
-
(vgl. §
36 Nr.
1 EGZPO), das unter Abwägung der vorgenannten Umstände ei-ner Befristung entgegenstehe.
Demgegenüber sei ungeachtet nicht auszuschließender [X.] Nachteile unter Billigkeitsabwägungen eine Herabsetzung des Unterhalts auf 150

Januar 2011
gerechtfertigt. Der Kläger beziehe nunmehr selbst eine Erwerbsunfähigkeitsrente und habe seit mehr als zehn Jahren durchgängig Nachscheidungsunterhalt gezahlt. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass sie im Vertrauen auf die fortwährende Unterhaltsverpflichtung konkrete [X.] getroffen habe. Darüber hinaus seien die krankheitsbeding-ten Einschränkungen der Beklagten schicksals-
und nicht ehebedingt. Die [X.] verfüge mit dem Unterhalt ab dem 1.
Januar 2011 über ein Einkommen, das dem angemessenen Selbstbehalt
von 1.100

entspreche. Andererseits sei der Kläger durch den Unterhalt nicht unangemessen belastet, berücksichtigend, dass er im Gegensatz zur Beklagten in einer neuen Partnerschaft lebe und aus dem Zusammenleben -
wenngleich nicht eheprägend
-
wirtschaftliche Vorteile haben dürfte.

II.
Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem [X.] stand.

Die Abänderungsklage richtet sich nach §
323 ZPO
aF. Ihre Zulässigkeit steht im vorliegenden Fall außer Zweifel.
1. Das Berufungsgericht ist im [X.] an das abzuändernde Urteil davon ausgegangen, dass die Beklagte, nachdem die zeitweiligen Vorausset-zungen eines ([X.]-)Unterhaltsanspruchs nach §
1572 Nr.
2 BGB
entfal-13
14
15
16
-
8
-
len sind, ("jedenfalls") Aufstockungsunterhalt
nach §
1573 Abs.
2 BGB
bean-spruchen könne.

Ein umfassender Anspruch auf Aufstockungsunterhalt setzt indessen vo-raus, dass der Unterhalt begehrende geschiedene Ehegatte eine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt oder ausüben kann ([X.]surteile vom 10.
November 2010 -
XII
ZR
197/08
-
FamRZ 2011, 192 Rn.
16
f. [X.] und [X.], 50 =
FamRZ 2011, 454 Rn.
13). Das ist nach den Feststellungen des Berufungsge-richts nicht in vollem Umfang verwirklicht. Vielmehr ist die Beklagte nach den -
insoweit von der Revision
nicht angegriffenen
-
Feststellungen des [X.] an einer Ausweitung ihrer vollschichtigen Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen gehindert, sodass sich der Anspruch zum Teil aus §
1572 BGB ergibt.
2. Bei der Bedarfsermittlung nach §
1578 Abs.
1 BGB
ist das Berufungs-gericht nach zwischenzeitlichem Krankengeldbezug des [X.] von seinem aufgrund vollständiger Erwerbsminderung gesunkenen Einkommen
(Erwerbs-minderungsrente zuzüglich Zinsen) ausgegangen. Hierbei handelt es sich zwar um eine nacheheliche Veränderung. Unvorhersehbare nacheheliche Einkom-mensverringerungen können
aber entsprechend der ständigen Rechtsprechung
des [X.]s (vgl. [X.]surteil vom 18.
März 1992 -
XII
ZR
23/91
-
FamRZ
1992, 1045, 1046
f.) bereits im Rahmen der Bedarfsermittlung berücksichtigt werden,
wenn sie
nicht vorwerfbar herbeigeführt wurden. Die Berücksichtigung solcher auch im Fall des [X.] der Ehe eingetretener Veränderungen ist vom Bundesverfassungsgericht
gebilligt worden ([X.] FamRZ
2011, 437 Rn.
70).
Auch ansonsten gibt die Bedarfsermittlung des Berufungsgerichts keine Veranlassung zu Beanstandungen, was schließlich auch für den Abzug des

-
wenngleich hier nachrangigen
-
Kindesunterhalts vom Einkommen des Be-17
18
19
-
9
-
klagten gilt
(vgl. [X.]surteil vom 27.
Mai 2009 -
XII
ZR
78/08
-
FamRZ 2009, 1300 Rn.
44
[X.]).
3. Hinsichtlich der Herabsetzung und Befristung des Unterhalts nach §
1578
b Abs.
1, 2 BGB begegnet das Berufungsurteil hingegen durchgreifen-den Bedenken.
Dass die Vorschrift des §
1578
b BGB entgegen der Auffassung der Revision nicht verfassungswidrig ist, hat der [X.] bereits entschieden ([X.] vom 30.
Juni
2010 -
XII
ZR
9/09
-
FamRZ
2010, 1414 Rn.
14).
a) Die Befristung oder Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts [X.] Unbilligkeit nach §
1578
b Abs.
1, 2 BGB hängt insbesondere davon ab, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kin-des, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (§
1578
b Abs.
1 Satz
2, 3 BGB).
aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger
als Unterhaltsschuldner,
der sich mit der Befristung auf eine prozessuale Einwendung beruft, die Darlegungs-
und Beweislast hinsichtlich der für eine Befristung sprechenden Tatsachen trägt ([X.]surteil BGHZ 185, 1 =
FamRZ
2010, 875 Rn.
18 [X.]). In die Darlegungs-
und Beweislast des [X.] fällt grundsätzlich auch der Umstand, dass dem [X.]
keine ehebedingten Nachteile im Sinne von §
1578
b BGB entstanden sind.

Die dem Unterhaltspflichtigen obliegende Darlegungs-
und Beweislast er-fährt jedoch Erleichterungen nach den von der Rechtsprechung zum Beweis negativer Tatsachen entwickelten Grundsätzen.
Entsprechend der -
nach Erlass des Berufungsurteils weiterentwickelten
-
Rechtsprechung
des [X.]s trifft den 20
21
22
23
-
10
-
Unterhaltsberechtigten im Einklang mit der
ständigen Rechtsprechung
des [X.] zum Beweis negativer Tatsachen
eine sogenannte [X.] Darlegungslast ([X.]surteil BGHZ 185, 1 =
[X.], 875 Rn.
18 [X.]). Diese
hat im Rahmen von §
1578
b BGB zum Inhalt, dass der Unter-haltsberechtigte
die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile ent-standen, substanziiert
bestreiten und seinerseits darlegen muss, welche [X.] ehebedingten Nachteile entstanden
sein sollen. Erst wenn das Vorbrin-gen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen
genügt, müssen die vor-getragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt
werden
([X.]surteile
BGHZ 185, 1 =
FamRZ
2010, 875 Rn.
23
und vom 20.
Oktober
2010 -
XII
ZR
53/09
-
FamRZ
2010, 2059 Rn.
24).
Der [X.] verkennt nicht, dass hierzu regelmäßig eine hypothetische Be-trachtung angestellt werden muss und diese gerade dann auf unsicherer Tatsa-chengrundlage steht, wenn der Unterhaltsberechtigte bei Eheschließung noch am Beginn seiner beruflichen Entwicklung stand und die Ehe lange gedauert hat
(vgl. [X.], 304
f.). Diesbezügliche Schwierigkeiten sind aber im Rahmen der an die sekundäre Darlegungslast zu stellenden Anforderungen zu bewältigen, welche nicht überspannt werden dürfen ([X.]surteil vom 20.
Okto-
ber
2010 -
XII
ZR
53/09
-
[X.], 2059 Rn. 32
f.) und den Besonderhei-ten des Einzelfalls Rechnung tragen müssen. Insoweit besteht für die Tatsa-chengerichte zudem ein Spielraum durch die Anwendung von [X.] in dem jeweiligen Berufsfeld
wie auch die Berücksichtigung tariflicher Regelun-gen. Dies entbindet allerdings nicht von der Darlegung konkreter beruflicher
Entwicklungsmöglichkeiten und bei behauptetem beruflichen Aufstieg zudem der entsprechenden Bereitschaft und Eignung des Unterhaltsberechtigten (vgl. [X.]surteil vom 20.
Oktober
2010 -
XII
ZR
53/09
-
FamRZ
2010, 2059 Rn.
33). Die Darlegungen müssen so konkret sein, dass
die für den [X.] seinerzeit vorhandenen beruflichen Entwicklungschancen und seine [X.]
-
11
-
lichen Fähigkeiten -
etwa auch anhand vergleichbarer Karrieren
-
vom Famili-engericht auf ihre Plausibilität überprüft werden können und der Widerlegung durch den Unterhaltspflichtigen zugänglich sind
([X.]surteile BGHZ 185, 1 =
[X.], 875 Rn.
23 und vom 20.
Oktober
2010 -
XII
ZR
53/09
-
[X.], 2059 Rn.
24).

bb) Diesen Anforderungen an den substanziierten Vortrag [X.] Nachteile hat das Berufungsurteil
nicht hinreichend Rechnung getragen. Nach dem vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Vorbringen
mangelt es an [X.] Darlegungen der Beklagten, welche beruflichen Nachteile ihr aufgrund der ehebedingten Berufspause entstanden sein sollen.
Das Berufungsgericht
ist statt dessen ohne näheren Vortrag der [X.]n davon ausgegangen, dass das Entstehen [X.] Nachteile nicht ausgeschlossen werden könne,
weil die Beklagte nicht (mehr) in der Lage sei, in dem von ihr einmal erlernten Beruf vollschichtig zu arbeiten, und die [X.], dass ihre Chancen im Erwerbsleben ohne Ehe und Kinderbe-treuung besser
wären, als sie es tatsächlich seien.
Eine solche Annahme wird in dieser Allgemeinheit aber den Anforderungen an einen substanziierten Sach-vortrag
nicht gerecht. Sie wäre für den beweisbelasteten Kläger auch nicht in zumutbarer Weise zu widerlegen.

Hierzu hätte es vielmehr des Vorbringens der Beklagten bedurft, welche berufliche Entwicklung sie ohne die Eheschließung und die Übernahme der [X.] geplant oder zu erwarten gehabt
hätte, welche Aufstiegs-
und Qualifizierungsmöglichkeiten in ihrem speziellen Berufsfeld für sie bestanden hätten
und ob sie hierfür eine genügende Bereitschaft aufgebracht hätte. [X.] ist in Rechnung zu stellen, dass sich aus anderen
als in der ehelichen Rol-lenverteilung begründeten
Ursachen keine ehebedingten Nachteile ergeben 25
26
27
-
12
-
können. Insoweit hat das Berufungsgericht etwa angeführt, dass sich der [X.] in der Textilindustrie zunehmend verschlechtert habe, was jedenfalls gegen einen
nachhaltigen Aufstieg der Beklagten
im Beruf der Damenschneide-rin sprechen dürfte.
Zudem sind auch gesundheitlich bedingte Einschränkungen regelmäßig nicht ehebedingt
(vgl. [X.]surteile [X.], 43 =
FamRZ
2009, 406 Rn.
33; vom 30.
Juni 2010 -
XII
ZR
9/09
-
[X.], 1414 Rn.
18 und vom 7.
Juli
2010 -
XII
ZR
157/08
-
FamRZ 2011, 188
Rn.
20).
Bei der Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte hätte sich bei [X.] verschlechterten Möglichkeiten ohne die eheliche Rollenverteilung schon früher für einen Wechsel in ihr heutiges Berufsfeld entschieden, mangelt es schon an einer konkreten Darstellung, welche besseren Entwicklungsmög-lichkeiten in diesem Fall bestanden hätten. Auch insoweit ist der Beklagten eine konkrete Darlegung zumutbar. Ihr Vorbringen,
dass sie ohne Eheschließung [X.] gemacht und sogar eine Leitungsposition in einer Textilfabrik er-langt
hätte, hat das Berufungsgericht zwar bezweifelt, aber letztlich offengelas-sen, so dass es insoweit auch in der Revisionsinstanz nicht abschließend [X.] werden kann.
Mit ihrem vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Sachvortrag hat die Beklagte
demnach nicht ausreichend dargelegt, worin ein [X.] Nachteil liegen soll. Falls die Beklagte, wie bereits im vorausgegangenen Urteil des Be-rufungsgerichts
aus dem Jahr 2005 angenommen, außerhalb ihres jetzigen [X.] nur als [X.] vermittelbar wäre und dann kein höheres Einkommen
erzielen könnte, fehlt es an einer Begründung, dass ihre heutige Arbeitsstelle ihr nicht das Einkommensniveau bietet, das sie ohne die eheliche Rollenverteilung erzielen könnte. Dass sie nur mit 30
Wochenstunden und nicht vollschichtig arbeiten muss, liegt nach den Feststellungen des Berufungsge-richts
darin begründet, dass ihr wegen der fortbestehenden gesundheitlichen 28
29
-
13
-
Einschränkungen eine Ausdehnung ihrer Erwerbstätigkeit nicht zumutbar sei. Die gesundheitlichen Einschränkungen sind aber vom Berufungsgericht als [X.] Nachteil zutreffend ausgeschlossen worden.
[X.]) Auf der Grundlage des bisherigen Vortrags der Beklagten durfte das Berufungsgericht nicht vom -
nicht widerlegten
-
Bestehen [X.] Nach-teile ausgehen.
b) Die zur Feststellung [X.] Nachteile erhobenen Beanstandun-gen ergreifen auch die vom Berufungsgericht vorgenommene Herabsetzung des Unterhalts. Gemäß der -
ebenfalls nach dem angefochtenen Urteil ergan-genen
-
Rechtsprechung
des [X.]s
bemisst sich der angemessene Lebens-bedarf, der nach §
1578
b Abs.
1
BGB regelmäßig die Grenze für die Herabset-zung des nachehelichen Unterhalts bildet, nach dem Einkommen, das der un-terhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte. Aus dem Begriff der Angemessenheit folgt aber zugleich, dass es sich grundsätzlich um einen Bedarf handeln muss, der das Existenzminimum wenigstens erreicht ([X.]surteile vom 14.
Oktober
2009
-
XII
ZR
146/08
-
FamRZ 2009, 1990 Rn.
14;
vom 17.
Februar 2010
-
XII
ZR
140/08
-
[X.], 629 Rn.
29
und vom 29.
Juni 2011
-
XII
ZR
157/09
-
zur Veröffentlichung bestimmt Rn.
27
f.).
Mit welchem Betrag nach diesen Maßstäben der angemessene Lebens-bedarf der Beklagten
zu veranschlagen ist, hat das Berufungsgericht
nicht fest-gestellt. Seine [X.] kann daher nicht nachvollzogen werden. Dass es den Betrag von 1.100

, der in der seinerzeit gültigen Düsseldorfer
Tabelle und den Leitlinien der [X.]e als angemes-sener
Selbstbehalt
ausgewiesen war, als Mindestbetrag betrachtet hat, lässt sich der Begründung des Berufungsurteils nicht entnehmen. Schon aus der mit 30
31
32
-
14
-
30
Wochenstunden aktuell ausgeübten Tätigkeit der Beklagten
ergibt sich hin-gegen ein Nettoeinkommen von rund 1.140

und nach Abzug berufsbedingter Fahrtkosten von rund 950

.
Dieser Betrag könnte im Fall des Fehlens ehebe-dingter Nachteile dem angemessenen Lebensbedarf der Beklagten bereits ent-sprechen, zumal
die gesundheitsbedingten
Erwerbseinbußen der Beklagten -
wie
ausgeführt
-
nicht ehebedingt sind.

III.
Das Berufungsurteil
ist demnach -
soweit im Rahmen der eingelegten Revision zum Nachteil des [X.] entschieden worden ist
-
aufzuheben. Dem [X.] ist es nicht möglich, in der Sache abschließend zu entscheiden, weil wei-tere tatrichterliche Feststellungen und Würdigungen erforderlich sind.

IV.
Für das weitere Verfahren, weist der [X.] darauf hin, dass das [X.] der Beklagten für die erneut anzustellende Billigkeitsabwägung Gelegenheit zu weiterem
Vortrag zu geben hat, um etwaige ehebedingte Nach-teile begründen zu können.
Sollten ehebedingte Nachteile nicht ausreichend vorgetragen sein oder vom Kläger widerlegt werden, steht damit noch nicht fest, dass und in welchem Umfang der Unterhalt herabzusetzen oder zu befristen ist. Ob bei fehlenden ehebedingten Nachteilen eine Herabsetzung des [X.] nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§
1578 Abs.
1 Satz
1 BGB) auf den angemes-senen Lebensbedarf (§
1578
b Abs.
1 Satz
1 BGB) in Betracht kommt, ist ge-33
34
35
-
15
-
mäß §
1578
b BGB
vielmehr im Wege einer umfassenden Billigkeitsabwägung zu bestimmen, die dem Tatrichter obliegt. Dabei ist auch eine über die Kom-pensation [X.] Nachteile hinausgehende nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen ([X.]surteile vom 6.
Oktober
2010 -
XII
ZR
202/08
-
[X.], 1971 Rn.
21; vom 17.
Februar 2010 -
XII
ZR
140/08
-
[X.], 629 Rn.
21
und vom 21.
September 2011 -
XII
ZR
121/09
-
zur Veröffentlichung be-stimmt
Rn.
23
f.). Das Maß der Solidarität bestimmt sich neben der Ehedauer vor allem durch die wirtschaftliche Verflechtung, die durch Aufgabe einer eige-nen Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder der Haushaltsführung eingetreten ist und nicht zuletzt auch durch die von der [X.] erbrachte Lebensleistung ([X.]surteil
vom 30.
Juni 2010

XII
ZR
9/09
-
[X.], 1414 Rn.
28).
Zudem sind -
wie vom Berufungsge-richt
bereits praktiziert
-
die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der
Parteien
einzubeziehen sowie
die Dauer und Höhe des bereits geleisteten Un-

-
16
-
terhalts.
Damit ist nicht ausgeschlossen, dass sich das Berufungsurteil auch bei fehlenden ehebedingten Nachteilen nach erneuter Würdigung im Ergebnis als richtig erweist.

Dose

[X.]

Klinkhammer

Schilling

Günter
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 10.02.2009 -
5 F 226/08 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 19.08.2009 -
II-8 UF 33/09 -

Meta

XII ZR 162/09

26.10.2011

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.10.2011, Az. XII ZR 162/09 (REWIS RS 2011, 1957)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1957

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

XII ZR 162/09

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.