Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.09.2015, Az. IV ZR 175/14

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 5389

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 175/14

Verkündet am:

16. September 2015

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin Dr. Brockmöller
im schriftli-chen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 24.
August 2015

für Recht erkannt:

Auf die Revision des
Klägers
wird das Urteil des
20. Zi-vilsenats
des [X.]s Köln
vom 2. Mai 2014 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf .

Gründe:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. [X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rück-zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge dreier kapitalbildender [X.].

Diese wurden aufgrund von Anträgen
d. [X.] jeweils mit [X.] zum 1. März 1999 bei den ersten beiden Verträgen und zum 1. Dezember 1999 beim letzten Vertrag nach dem so genannten Poli-1
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cenmodell
des § 5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im [X.] § 5a [X.] a.F.) abgeschlossen.

D. [X.] zahlte in der Folge die Versicherungsprämien. Mit Schreiben vom 10. Juli 2006 kündigte er die drei Verträge und der [X.] den
jeweiligen Rückkaufswert aus.
Mit Schreiben vom 2. Februar 2011 erklärte er zu allen drei Verträgen den Widerspruch nach § 5a [X.] a.F.

Mit der Klage begehrt d. [X.]

soweit für die Revisionsinstanz noch von Belang

Rückzahlung aller auf die Verträge geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich der
bereits gezahlten [X.], insgesamt 6.996,91

.

Nach Auffassung d. [X.] sind die Versicherungsverträge nicht wirk-sam zustande gekommen, weil d. [X.] zum einen nicht ordnungsgemäß belehrt wurde und zum anderen das Policenmodell mit den Lebensversi-cherungsrichtlinien der [X.] nicht vereinbar sei.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen; die Berufung des [X.] ist vom [X.] zurückgewiesen worden. Hiergegen rich-tet sich die Revision des Klägers.
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Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

I. Dieses hat Prämienrückerstattungsansprüche
aus ungerechtfer-tigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe zwar nicht ordnungs-gemäß über das Widerspruchsrecht belehrt, weil jeweils
der Hinweis [X.] fehlte, dass der Widerspruch schriftlich zu erfolgen hat. Die
Verträge seien aber gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. ein Jahr nach Zahlung der jeweils ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden.

[X.] Die Revision ist begründet.

1. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann d. [X.] mit der vom Berufungsgericht gegebenen [X.] nicht versagt werden.

a) Die zwischen den Parteien geschlossenen
Versicherungsverträ-ge schaffen keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlungen. Sie sind in-folge des jeweiligen Widerspruchs d. [X.] nicht wirksam zustande [X.]. Diese waren

ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. normierten Jahresfrist

rechtzeitig.

[X.]) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden [X.] belehrte der Versicherer d. [X.]

auch un-7
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ter Berücksichtigung des Vorbringens der Revisionserwiderung

nicht ordnungsgemäß i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F. über das [X.], weil die in den jeweiligen Policenbegleitschreiben [X.] bereits insofern inhaltlich fehlerhaft ist, als sie keinen Hinweis darauf enthielt, dass der Widerspruch in Schriftform zu erheben war. Die
notwendige Belehrung über das gesetzliche Former-fordernis
(vgl. Senatsurteil vom 28. Januar 2004

[X.], [X.], 497 unter 3 b) konnte d. [X.] nicht aus der Formulierung entneh-men, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des [X.] genüge. Selbst wenn ein verständiger Versicherungsnehmer nur verkörperte Erklärungen als der Absendung zugänglich ansieht, so bleibt für ihn dennoch unklar, ob hierzu eine Verkörperung in Textform aus-reicht oder ob es nicht der traditionellen Schriftform bedarf (Senatsurteil vom 29. Juli 2015

[X.], [X.], 1104 Rn.
24 und [X.], juris Rn. 12).

Die Revision rügt außerdem zu Recht, die Widerspruchsbelehrun-gen
seien auch deshalb inhaltlich fehlerhaft, weil in den maßgeblichen Begleitschreiben der Fristbeginn nur an den Erhalt des [X.],
nicht aber auch an den Erhalt der Allgemeinen Versicherungs-bedingungen und der Verbraucherinformation geknüpft wurde. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung reichte es insoweit nicht aus, wenn dem Kläger die in den Belehrungen nicht erwähnten Unterlagen zuge-gangen wären
(Senatsurteil vom 29.
Juli 2015 -
[X.], [X.], 1104 Rn.
25).
Die Belehrung ist abstrakt zu beurteilen
(vgl. [X.], Urteil vom 17. Dezember 1992

[X.], [X.]Z 121, 52, 57 unter II
3).

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Für einen solchen Fall bestimmte §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der
Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des [X.] der [X.] vom 19.
Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil
vom 7.
Mai 2014 ([X.], [X.]Z 201, 101 Rn.
17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon er-fasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. [X.]
wie hier

nicht ordnungsgemäß über das Recht zum [X.] belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

bb) Die Kündigung der
Versicherungsverträge
steht den
Wider-sprüchen
nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
36 m.w.N.).
Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits voll-ständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
37 m.w.N.).

b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-14
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ne Rückwirkung entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
42-44).

2. Der Höhe
nach umfasst der [X.] nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. [X.] bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung den jedenfalls bis zur Kündigung der
Verträge
genossenen Versi-cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung [X.] (Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
45 m.w.N.; vgl. auch Senatsurteile vom 29. Juli 2015

[X.], [X.], 1101
Rn.
35 ff. und [X.], [X.], 1104 Rn. 33 ff.).

Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-

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weisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
46).

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.12.2011 -
26 O 83/11 -

O[X.], Entscheidung vom 02.05.2014 -
20 U 3/12 -

Meta

IV ZR 175/14

16.09.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.09.2015, Az. IV ZR 175/14 (REWIS RS 2015, 5389)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 5389

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IV ZR 448/14

IV ZR 76/11

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