Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.09.2011, Az. 3 StR 277/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 3411

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 277/11
vom
13. September 2011
in der Strafsache
gegen

wegen
Vergewaltigung
u.a.

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2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] -
zu 1.
a) und 2. auf dessen Antrag -
am 13.
September 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, §
354 Abs.
1
StPO ein-stimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 18.
April 2011 aufgehoben,
a)
soweit die Einziehung einer Snaptüte mit circa einem Gramm Marihuana angeordnet worden ist,
b)
mit den zugehörigen Feststellungen, soweit das [X.] die Unterbringung des Angeklagten in einer Entzie-hungsanstalt abgelehnt hat.
Im Umfang der Aufhebung unter 1.
b) wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstande-nen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und wegen Raubes, jeweils in Tateinheit mit Überlassen von Betäubungsmitteln zum un-1
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mittelbaren Verbrauch an eine Minderjährige, wegen Diebstahls und wegen Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Weiter hat es bei dem Angeklagten [X.], circa ein Gramm Marihuana in einer Snaptüte und weitere 5,35 Gramm Marihuana, eingezogen. Die auf die Verletzung formellen und ma-teriellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Der [X.] hat in seiner Antragsschrift zur Entschei-dung des [X.] über die Einziehung sichergestellter Betäubungsmittel ausgeführt:
"Bedenken bestehen gegen die Einziehung des Rauschgifts, soweit es die in der Wohnung des Angeklagten sichergestellte Snaptüte mit [X.] einem Gramm Marihuana betrifft. Die Einziehung kann insoweit nicht auf § 33 Abs. 2 Satz 1 BtMG gestützt werden. Voraussetzung der Einziehung nach dieser Vorschrift ist, dass die Betäubungsmittel Gegenstand der von der Anklage umschriebenen und vom Gericht festgestellten Tat sind (vgl. [X.], [438, 439]; [[X.], [X.] vom 6.
April 2000 -
1 StR
59/00, juris Rn. 10, insoweit nicht abgedruckt in] [X.], 613
[f.]; [X.] BtMG 6.
Aufl. § 33 Rdn. 12). Dies trifft für die am 5. Oktober 2010, also zwei Tage nach den Taten,
wegen der der Angeklagte verurteilt worden ist, in der Wohnung des Angeklagten sichergestellte Rauschgiftmenge von etwa ein[em] Gramm Marihuana jedoch nicht zu; vielmehr hatte bereits die [X.] mit Abschlussverfügung vom 29. Dezember 2010 ([X.]. 168 d.A.) die Tat hinsichtlich des in der Wohnung des Angeklagten gefundenen Rauschgifts im Hinblick auf die in der Anklageschrift er-hobenen Tatvorwürfe gemäß § 154 StPO eingestellt."

Dem schließt sich der [X.] an. Da der Ausspruch über die Einziehung insoweit nur wegen einer Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben ist, entschei-2
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det der [X.] gemäß § 354 Abs. 1 StPO in der Sache selbst dahin, dass die Anordnung der Einziehung in dem unter 1.
a) der [X.] ersichtlichen Umfang entfällt.
2. Das Urteil hat weiter keinen Bestand, soweit das [X.] die [X.] in einer Entziehungsanstalt abge-lehnt hat. Die Begründung, mit der das [X.] einen Hang des Angeklag-ten, Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, einen symptomatischen Zusammenhang zwischen einem Hang zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln und den [X.] sowie die hinreichend konkrete Erfolgsaus-sicht der Behandlung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt verneint hat, vermag die Ablehnung der [X.] nicht zu tragen.
a) Nach den Feststellungen des sachverständig beratenen [X.] ist der Angeklagte von Cannabis und Amphetaminen psychisch
abhängig, so dass bei ihm entgegen der Annahme des [X.] ein Hang zu einem übermäßigen Genuss berauschender Mittel im Sinne des §
64 Satz 1 StGB besteht. Ein Hang im Sinne dieser Vorschrift ist nicht nur im Falle einer chroni-schen, auf körperlicher
Sucht beruhenden Abhängigkeit zu bejahen. Vielmehr genügt bereits eine eingewurzelte, aufgrund psychischer Disposition bestehen-de oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen ([X.], Beschluss vom 13.
Juni 2007
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StR
194/07, juris Rn. 8; Beschluss vom 4. April 1995 -
4
StR
95/95, [X.]R StGB § 64 Abs. 1 Hang 5). Eine solche Disposition des Angeklagten ist nach den Feststellungen des [X.] gegeben.
b) Bei seiner Entscheidung ist das [X.] von einem zu engen und deshalb rechtsfehlerhaften Verständnis von dem erforderlichen symptomati-schen Zusammenhang zwischen Hang und [X.] ausgegangen.
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5
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Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die [X.] ist. Vielmehr ist ein solcher Zusammenhang auch dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu [X.] ist (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
Mai 2009 -
3
StR
191/09, [X.]R StGB §
64 Zusammenhang, symptomatischer 5).
So liegt es hier. Das [X.] hat die aggressive Stimmung des be-reits vor seiner Ankunft bei der Geschädigten unter Betäubungsmitteleinfluss stehenden Angeklagten bei Begehung der [X.], während derer der An-geklagte weitere Betäubungsmittel konsumierte, ausdrücklich auf die [X.] der von ihm genossenen Rauschmittel zurückgeführt. Soweit es im Zu-sammenhang mit
der Prüfung einer [X.] ausgeführt hat, "für die Gewalttätigkeiten des Angeklagten sei der Drogenkonsum nicht symptoma-tisch", steht diese Behauptung in Widerspruch zu den übrigen Feststellungen und trägt die Ablehnung einer Unterbringung nach §
64 StGB nicht. Dass außer dem Hang weitere Persönlichkeitsmängel eine Disposition für die Begehung von Straftaten begründen, steht dem erforderlichen symptomatischen Zusam-menhang nicht entgegen ([X.], Beschluss vom 20.
Dezember 1996
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2
StR
470/96, [X.]R StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer
1).
c) Schließlich durfte das [X.] auf der Grundlage der von ihm ge-troffenen Feststellungen nicht von der Anordnung nach § 64 StGB mit dem Hinweis absehen, eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt biete keine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg. Die Wertung des [X.], der Genuss von Betäubungsmitteln sei "nur eine Begleiterschei-nung des kriminellen Lebenswandels", lässt sich mit den Feststellungen zu den 7
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[X.] nicht in Einklang bringen. Sie widerspricht auch den Mitteilungen des [X.] über Vorverurteilungen des Angeklagten, denen wiederholt rechtswidrige Taten zur Finanzierung des Betäubungsmittelkonsums des Ange-klagten zugrunde lagen.
Im Übrigen stehen, was
hier nicht festgestellt ist, für die Begehung von Straftaten mitursächliche Persönlichkeitsmängel der Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB nur dann entgegen, wenn die Unterbringung ausschließlich der Besserung des Angeklagten dient, also sich nicht gleichzeitig günstig auf die Interessen der öffentlichen Sicherheit im Sinne einer Verminderung der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit auswirkt, und wenn bei erfolgreichem Verlauf der Behandlung das Ausmaß seiner Gefährlichkeit nach Frequenz und krimineller Intensität der von ihm zu befürchtenden Straftaten nicht deutlich herabgesetzt wird ([X.], Beschluss vom 22.
September 1999 -
3
StR
393/99, [X.]R StGB §
64 Zusammenhang, symptomatischer 2; Beschluss vom 6.
August 2002
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StR
230/02, [X.]R StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 4). Der Erwartung, der Angeklagte werde außerhalb des Vollzugs (überhaupt) keine rechtswidrigen Taten mehr begehen, bedarf es nicht ([X.], Beschluss vom 28.
Juni 2005 -
3
StR
195/05, [X.], 304, 305).
3. Über die Anordnung der Maßregel muss deshalb (wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen, § 246a StPO) neu verhandelt und ent-schieden werden; es werden hierzu insgesamt neue Feststellungen zu treffen sein. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nicht gefährlich im Sinne des §
64 Satz 1 StGB ist, sind nicht ersichtlich. Der neue Tatrichter wird im Falle der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und
3, Abs. 5 Satz 1 StGB über die Reihenfolge der Vollstreckung von
Strafe und Maßregel zu befinden haben ([X.], Beschluss 10
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vom 30. Oktober 2007 -
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StR
499/07, [X.], 74). Bei [X.] eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe wird es für dessen Berechnung [X.] sein, die für den Angeklagten voraussichtlich erforderliche Therapie-dauer zu bestimmen.
Der [X.] kann ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf niedrigere Einzelstrafen erkannt oder eine mildere Gesamt-strafe verhängt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.
[X.]Pfister Schäfer

Ri[X.] [X.] befindet sich

im Urlaub und ist daher

gehindert zu unterschreiben.

[X.] Menges
12

Meta

3 StR 277/11

13.09.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.09.2011, Az. 3 StR 277/11 (REWIS RS 2011, 3411)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3411

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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