Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2012, Az. X ZR 90/10

X. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2082

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 90/10
vom

23. Oktober 2012

in dem Patentnichtigkeitsverfahren

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Der X. Zivilsenat des [X.] hat am 23. Oktober 2012
durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Meier-Beck, den Richter [X.], die
Richterin Mühlens sowie die Richter [X.] und Dr. Bacher

beschlossen:

Das
den Sachverständigen Prof. [X.].

S.

betref-
fende Ablehnungsgesuch wird zurückgewiesen.

Gründe:
Der Antrag ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
[X.] Der gerichtliche Sachverständige Prof. [X.]. S.

hat dem Ge-
richt mit Schreiben vom 26. September 2012 mitgeteilt, dass er am 11. April 2012 von der H.

GmbH (nachfolgend: H.

GmbH) gebeten worden sei, einen Klienten bei der Kurzbewertung hinsichtlich der [X.] von Patenten zu unterstützen. Am 18. April 2012 sei ein Ver-trag zwischen der H.

GmbH und ihm zustande gekommen. Weitere Auf-
träge habe es nicht gegeben. Anlässlich des 10-jährigen Bestehens der H.

GmbH sei er erstmalig zu einer Veranstaltung am 21./22. September
2012 eingeladen worden. Dort habe er erfahren, dass die H.

GmbH
derzeit direkt oder indirekt für die Klägerin Patentstreitigkeiten gegen die [X.] bearbeite und auch zumindest in einem Verfahren involviert sei, in dem er, der gerichtliche Sachverständige, ein Gutachten erstattet habe. Dies sei ihm vor dem 22. September 2012 nicht bekannt gewesen.
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Ihm, dem gerichtlichen Sachverständigen, sei die H.

GmbH seit
November 2011 bekannt, als er von [X.] H.

mit der allgemeinen
Anfrage kontaktiert worden sei, ob er grundsätzlich bereit sei, in [X.] in seinem Kompetenzgebiet für die H.

GmbH tätig zu werden. Ein Vertrag
oder eine Kooperation seien aber seinerzeit nicht zustande gekommen. Er, der gerichtliche Sachverständige, habe Herrn H.

auf seine Gutachtertätig-
keit für den [X.] und seine Pflicht zur Unabhängigkeit und Neut-ralität in Streitsachen mit
den Parteien dieses Rechtsstreits hingewiesen. Er habe die H.

GmbH als neutrale Vermittlerin von Experten und Expertise
verstanden.
Die Beklagte stützt ihren Ablehnungsantrag im Wesentlichen darauf, dass dem gerichtlichen Sachverständigen die enge Verbindung der H.

GmbH zur Klägerin nicht habe verborgen bleiben dürfen, weil sie aus dem
In-ternetauftritt der H.

GmbH klar und eindeutig erkennbar gewesen sei.
Zudem ergebe sich die Besorgnis der Befangenheit aus dem Schreiben des gerichtlichen Sachverständigen vom 26. September 2012 selbst, in dem dieser den Sachverhalt nur sehr oberflächlich dargelegt habe.
I[X.] Nach §
406 Abs.
1 ZPO i.V.m. § 42 ZPO kann ein Sachverständiger abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet
ist, Misstrauen gegen sein Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Einen solchen Grund hat die Beklagte nicht dargelegt.
Aus ihrem Vorbringen ergeben sich bei der gebotenen objektiven Be-trachtung keine Umstände, die aus Sicht der Beklagten Zweifel an der Unpartei-lichkeit des gerichtlichen Sachverständigen begründen können. Zwar kann der Anschein nicht vollständiger Unvoreingenommenheit begründet sein, wenn der Sachverständige in einer wirtschaftlichen Verbindung zu einer der Parteien steht
([X.], Beschluss vom
24.
Juli 2007 -
X
ZR
1/06 Rn.
1; Beschluss vom 3
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5
6
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4
-

11.
Juli 1995

X
ZR
99/93). Nimmt der Sachverständige demgegenüber einen
Gutachtensauftrag von einem Dritten an, der seinerseits in einem Beratungs-verhältnis zu einer der Parteien steht, kommt dies nur unter
engen Vorausset-zungen in Betracht, die im Streitfall nicht gegeben sind.
Die Besorgnis der Befangenheit wird zunächst nicht durch die Umstände der Aufnahme der wirtschaftlichen Verbindung mit der H.

GmbH be-
gründet. Dem gerichtlichen Sachverständigen Prof. [X.]. S.

war bei

Zustandekommen des Beratungsvertrages vom 18.
April 2012 mit der H.

GmbH nicht bewusst, dass diese die Klägerin in rechtlichen Auseinan-dersetzungen mit der Beklagten beraten hat. Die Richtigkeit der entsprechen-den Ausführungen des Sachverständigen in seinem Schreiben vom 26. Sep-tember 2012 an das Gericht ist von der Beklagten nicht in Frage gestellt [X.].
Die Beratungsleistung, die der Sachverständige für die H.

GmbH
erbracht hat, war überdies punktueller Natur und nicht auf Dauer angelegt. Sie stand nach seinen Angaben nicht in inhaltlichem Zusammenhang mit dem Streitfall und betrifft keine der Prozessparteien. Die H.

GmbH ist aus-
weislich der von der Beklagten vorgelegten Auszüge aus ihrer Internetpräsenz für eine Vielzahl von Anbietern aus dem Bereich der Mobilfunktechnik sowie zahlreiche Rechtanwalts-
und Patentanwaltskanzleien tätig und kann deshalb nicht dem Lager der Klägerin zugeordnet werden. Auch von daher ist nicht zu besorgen, dass der Sachverständige durch seine nach Abschluss des im [X.] erstellten schriftlichen Gutachtens in Auftrag gegebene Tätigkeit für die H.

GmbH daran gehindert ist, sein Gutachten in der mündlichen Verhand-
lung unvoreingenommen abzugeben.
Eine abweichende Beurteilung ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht daraus, dass der gerichtliche Sachverständige nicht näher 7
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dargelegt hat, für welchen Klienten die H.

GmbH bei der Erteilung des
Auftrags an ihn tätig war, welches Honorar er für seine Tätigkeit erhalten hat und in welchem Umfang ihm die H.

GmbH im November 2011 Aufträge
in Aussicht gestellt hat. Aus den Ausführungen des gerichtlichen [X.], an dessen Glaubwürdigkeit keine Zweifel bestehen, folgt, dass er ledig-lich an einer Kurzbewertung beteiligt war, die nicht in Zusammenhang mit ge-richtlichen Auseinandersetzungen steht, dass die Streitparteien nicht involviert sind und dass die H.

GmbH an ihn im November 2011 nur mit der all-
gemeinen Anfrage herangetreten ist, ob er grundsätzlich bereit sei, Gutachten-aufträge anzunehmen. Diese Angaben genügen, um Zweifel an der Unvorein-genommenheit, die sich aus den Verbindungen zur H.

GmbH ergeben
könnten, auszuräumen. Schon angesichts dessen hatte der Sachverständige keinen Anlass zu näheren Angaben.
Meier-Beck

[X.]

Mühlens

Grabinski

Bacher

Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 31.03.2010 -
5 Ni 35/09 ([X.]) -

Meta

X ZR 90/10

23.10.2012

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2012, Az. X ZR 90/10 (REWIS RS 2012, 2082)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2082

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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