Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.05.2022, Az. 8 C 11/21

8. Senat | REWIS RS 2022, 4683

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Gegenstand

Rechtswidriger Teilwiderruf einer Zuwendung wegen Zweckverfehlung


Leitsatz

1. Eine dem Vertretungszwang nach § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO unterliegende Prozesshandlung, die von mehreren Personen unterzeichnet ist, genügt den Anforderungen des § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO, wenn eine dieser Personen sie erfüllt.

2. Die Jahresfrist des § 49 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 48 Abs. 4 VwVfG läuft für jeden Widerrufsgrund gesondert. Sie beginnt, wenn die Behörde aufgrund vollständiger Kenntnis von dem jeweiligen Widerrufsgrund und den für die Widerrufsentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen für den gesamten Verwaltungsakt einschätzen kann, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Widerrufsgrund die Aufhebung des Verwaltungsakts rechtfertigen kann.

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem eine ihr gewährte Zuwendung teilweise widerrufen und zurückgefordert wird.

2

Sie unterstützt Unternehmen bei der Schaffung betrieblicher Ausbildungsplätze durch Übernahme der Ausbildungsinhalte, die diese nicht selbst anbieten können (überbetriebliche Ausbildung). Das [X.] gewährte aufgrund einer Richtlinie vom 27. Juni 2003 Zuwendungen zur Förderung der Bereitstellung betrieblicher Ausbildungsplätze in einem Ausbildungsverbund im Jahr 2003. Die Zuwendung betrug 150 € je Teilnehmer/Woche für maximal 30 Wochen und sollte der Deckung der Personal- und Sachausgaben des am Verbund beteiligten [X.]/[X.] dienen (Ziff. 5.2).

3

Mit Bescheid vom 29. Juli 2004 gewährte der [X.] der Klägerin nach Ziffer 2. Buchst. b und 5.2 der Richtlinie eine Zuwendung in Höhe von 31 500 € für Personal- und Sachausgaben in den überbetrieblichen Phasen der Ausbildung von sieben in dem Bescheid näher bezeichneten [X.]. Unter dem 31. August 2006 übersandte die Klägerin den Verwendungsnachweis nebst Ausgabenbelegen und Teilnehmerlisten. Auf Nachfrage des [X.]n vom 7. Mai 2007 teilte sie am 14. Mai 2007 mit, ein Auszubildender habe an acht Wochen der angebotenen Lehrgänge nicht teilgenommen, weil er von seinem Ausbildungsbetrieb nicht freigestellt worden sei. Der [X.] verfasste noch 2007 einen Prüfvermerk zum Verwendungsnachweis, in dem ausgeführt wird, die acht Fehlwochen könnten nach der Förderpraxis nicht als förderfähig anerkannt werden.

4

Am 3. September 2013 hörte der [X.] die Klägerin zum Widerruf der ihr gewährten Zuwendung in Höhe von 1 200 € und zur Rückforderung dieses Betrages an. Mit Bescheid vom 16. Dezember 2013 widerrief er seinen Zuwendungsbescheid hinsichtlich des 30 300 € übersteigenden [X.] und forderte einen Betrag von 1 200 € zurück. Zur Begründung verwies er auf die genannten Fehlzeiten eines der geförderten Auszubildenden. Den Widerspruch der Klägerin wies er mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2015 zurück.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klage dagegen abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des [X.] geändert und die [X.] aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der [X.] könne sich für den auf die acht Fehlwochen eines Auszubildenden entfallenden Teil der Zuwendung darauf berufen, dass der Zweck der Zuwendung im Sinne von § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG MV nicht erfüllt worden sei. Bei Erlass des Teilwiderrufs- und [X.] sei die Frist des § 49 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 48 Abs. 4 VwVfG MV aber bereits abgelaufen gewesen. Sie beginne bei Ermessensentscheidungen regelmäßig erst mit der Anhörung des Betroffenen zur beabsichtigten Rücknahme. Vorliegend habe die maßgebliche Entscheidungsreife bereits im Jahr 2007 bestanden. Am 14. Mai 2007 habe die Klägerin den Grund für die Fehlzeiten mitgeteilt. In der Anlage zu dem der Klägerin übermittelten Prüfvermerk sei der Erlass eines Teilwiderrufs- und [X.] angekündigt worden. Eine weitere Anhörung sei nicht erforderlich gewesen. Diesem Ergebnis stehe nicht entgegen, dass der [X.] über die Frage von Widerruf und Rückforderung erst habe entscheiden wollen, wenn auch die Überprüfung der Förderung der Sachleistungen abgeschlossen gewesen sei, weil es sich bei der Zuwendung um eine teilbare Leistung handele.

6

Zur Begründung seiner Revision trägt der [X.] vor, die Jahresfrist habe nicht schon mit der Anfrage an die Klägerin vom 7. Mai 2007, ihrer Antwort vom 14. Mai 2007 oder der Erstellung des [X.] zum Verwendungsnachweis im Jahr 2007, sondern erst mit der Anhörung der [X.] zu laufen begonnen.

7

Der [X.] beantragt,

das Urteil des [X.] vom 30. Juni 2021 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] Schwerin vom 20. Juli 2015 zurückzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie verteidigt das angefochtene Urteil des [X.].

Entscheidungsgründe

1. Die Revision ist zulässig. Insbesondere wurde der Beklagte bei ihrer Einlegung in einer § 67 Abs. 4 VwGO entsprechenden Weise vertreten. Die Revisionsschrift wahrt die Anforderungen des § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO. Nach dieser Vorschrift können Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts sich vor dem [X.] durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen. Dem ist genügt, wenn jedenfalls eine der die vertretungsbedürftige Prozesshandlung vornehmenden Personen bei der vertretenen Behörde oder juristischen Person des öffentlichen Rechts beschäftigt ist und die Befähigung zum Richteramt hat. Das folgt aus dem Zweck der Vorschrift, die behördliche Prozessführung zu vereinfachen und zu erleichtern. Die beteiligte Behörde oder juristische Person des öffentlichen Rechts soll vom Anwaltszwang unter der Voraussetzung befreit sein, dass ein Beschäftigter mit derselben formalen Qualifikation, nämlich der Befähigung zum Richteramt, ihre prozessualen Interessen wahrnimmt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. März 1993 - 4 [X.] - [X.] 310 § 67 VwGO Nr. 80 S. 11 f.). Bei einer von mehreren Personen unterzeichneten Erklärung gibt jede der Unterzeichnenden diese Erklärung für sich ab und macht sich ihren Inhalt zu eigen. Damit sind die Voraussetzungen des § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO für eine ordnungsgemäße Vertretung sichergestellt.

Nichts anderes gilt, wenn die dem [X.] unterliegende Prozesshandlung nach behördeninternen Regelungen nur von mehreren Personen gemeinsam abgegeben werden darf. Solche Regelungen haben keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der gegenüber dem [X.] vorgenommenen Prozesshandlung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. März 1993 - 4 [X.] - [X.] 310 § 67 VwGO Nr. 80 S. 12 f.).

2. Die Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil des [X.] beruht zwar auf der Verletzung von [X.]recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) sowie auf der unzutreffenden Anwendung des § 49 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 48 Abs. 4 VwVfG [X.] und § 28 Abs. 1 VwVfG [X.] (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Es stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Dies führt zur Zurückweisung der Revision.

a) Das Oberverwaltungsgericht ist unter Verstoß gegen §§ 133, 157 BGB vom Vorliegen einer teilweisen, einen Teilwiderruf des Zuwendungsbescheides grundsätzlich rechtfertigenden Zweckverfehlung im Sinne von § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG [X.] ausgegangen. Diese Norm ermächtigt zum Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, wenn die Leistung nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird. Danach muss der Zweck einer Zuwendung dem Bescheid selbst mit hinreichender Bestimmtheit zu entnehmen sein. Maßgeblich sind dafür neben dem Wortlaut des Bescheides auch der Inhalt der von ihm in Bezug genommenen Richtlinien, die Grundlage der Bewilligung der Zuwendung gewesen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1983 - 7 C 70.80 - [X.] 451.55 Subventionsrecht Nr. 72 S. 18 f.). Gemessen hieran verstößt die Auslegung des Zuwendungsbescheides vom 29. Juli 2004 durch das Berufungsgericht gegen §§ 133, 157 BGB, weil sie eine Zweckverfehlung nicht gemäß § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG [X.] aus dem Zuwendungsbescheid und der von ihm in Bezug genommenen Richtlinie, sondern allein aus einer nach Auffassung der Beteiligten bestehenden Förderpraxis abgeleitet hat.

Weder der Zuwendungsbescheid noch die von ihm in Bezug genommene Förderrichtlinie bieten Anhaltspunkte dafür, dass in der zeitweiligen Nichtteilnahme eines von seinem Betrieb nicht freigestellten Auszubildenden an der geförderten und von der Klägerin angebotenen Ausbildung eine Verfehlung des Zwecks der Zuwendung liegen könnte. Vielmehr wurde die Zuwendung nach Ziffer 1, 2 und 5.2 der Richtlinie für Personal- und Sachausgaben für die Bereitstellung betrieblicher Ausbildungsplätze in einem Ausbildungsverbund gewährt. Bereitgestellt ist ein Ausbildungsplatz schon dann, wenn der Auszubildende ihn nutzen kann. Dieser Zweck wurde nicht dadurch verfehlt, dass ein Auszubildender mangels Freistellung durch seinen Betrieb an Teilen der von der Klägerin bereitgestellten überbetrieblichen Ausbildung nicht teilnehmen konnte. Weder der Zuwendungsbescheid noch die Förderrichtlinie setzen für eine Wahrung des Zuwendungszwecks voraus, dass die von der Zuwendungsempfängerin bereitgestellten Ausbildungsplätze von sämtlichen geförderten Auszubildenden durchgehend wahrgenommen werden. Gegen die Förderschädlichkeit einer zeitweiligen Nichtinanspruchnahme des [X.] spricht auch, dass Ziffer 6.6 der Richtlinie eine Verringerung der Zuwendung in den - hier einschlägigen - Fällen der Förderung der überbetrieblichen Ausbildung (Ziff. 2. Buchst. b der Richtlinie) um die anteiligen Ausgaben vorsieht, die nachweislich bedingt durch die vorzeitige Beendigung eines Ausbildungsverhältnisses beim durchführenden Bildungsdienstleister entfallen. Eine Kürzung der Förderhöhe um Zuschüsse für bereitgestellte, aber nicht in Anspruch genommene Ausbildungswochen bei fortbestehendem Ausbildungsverhältnis und ohne nachweisliche Reduktion der Ausgaben stünde hierzu in Widerspruch.

Eine von dem Inhalt des Zuwendungsbescheides und der von ihm in Bezug genommenen Richtlinie abweichende tatsächliche Förderpraxis des Beklagten könnte die für einen Widerruf gemäß § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG [X.] allein maßgebliche Zwecksetzung im Zuwendungsbescheid auch dann nicht ändern, wenn sie - anders als hier - vom [X.] festgestellt wäre.

b) Das Oberverwaltungsgericht hat § 49 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 48 Abs. 4 VwVfG [X.] sowie § 28 Abs. 1 VwVfG [X.], die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des [X.] übereinstimmen (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), unzutreffend angewendet. Es hat sich bei seiner Entscheidung von einem fehlerhaften Maßstab für den Beginn der Jahresfrist leiten lassen (aa). Das Berufungsgericht ist zudem unzutreffend davon ausgegangen, die Jahresfrist habe durch eine ordnungsgemäße Anhörung der Klägerin zu dem beabsichtigten Teilwiderruf des Zuwendungsbescheides zu laufen begonnen (bb).

aa) Die Jahresfrist des § 49 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 48 Abs. 4 VwVfG [X.] läuft für jeden [X.] - also für jeden Gesichtspunkt, der für sich genommen den Widerruf zumindest eines Teils des Bescheides, so wie die Behörde ihn erlassen hat, rechtfertigen kann - gesondert (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 - 10 C 5.17 - BVerwGE 164, 237 Rn. 42). Sie beginnt jeweils, wenn die Behörde vollständige Kenntnis von dem jeweiligen [X.] und den für die Widerrufsentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen hat (stRspr, BVerwG, Urteile vom 22. Oktober 1987 - 3 C 27.86 - [X.] 451.511 § 6 [X.] Nr. 2 S. 4 f., vom 24. Januar 2001 - 8 C 8.00 - BVerwGE 112, 360 <362 f.> und vom 23. Januar 2019 - 10 C 5.17 - BVerwGE 164, 237 Rn. 30; Beschluss vom 19. Dezember 1984 - [X.] 1.84 und 2.84 - BVerwGE 70, 356 <362>). Die erforderliche Kenntnis ist gegeben, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung objektiv in der Lage ist, unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über die Rücknahme oder den Widerruf zu entscheiden (BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2012 - 2 C 13.11 - BVerwGE 143, 230 Rn. 29 und Beschluss vom 19. Dezember 1984 - [X.] 1.84 und 2.84 - BVerwGE 70, 356 <362 f.>). Die für die Ausübung des Rücknahme- oder Widerrufsermessens maßgebliche Kenntnis erlangt die Behörde regelmäßig nur infolge einer - mit einer angemessenen Frist zur Stellungnahme verbundenen - Anhörung des Betroffenen (BVerwG, Urteile vom 24. Januar 2001 - 8 C 8.00 - BVerwGE 112, 360 <364> und vom 8. Mai 2003 - 1 C 15.02 - BVerwGE 118, 174 <179>). Unterlässt die Behörde die Anhörung, so läuft die Frist nicht (BVerwG, Beschluss vom 4. Dezember 2008 - 2 B 60.08 - juris Rn. 7); verzögert sie sie, so läuft die Frist gleichwohl nicht früher (BVerwG, Urteil vom 20. September 2001 - 7 C 6.01 - [X.] 316 § 48 VwVfG Nr. 103 S. 23). Die Anhörung selbst setzt die Frist noch nicht in Lauf. Erst mit der Stellungnahme des Betroffenen erhält die Behörde Kenntnis von den Umständen, die gegebenenfalls bei ihrer Ermessensausübung zu berücksichtigen sind, jedenfalls aber die Gewissheit, dass ihre bisherige Kenntnis vollständig ist (BVerwG, Urteil vom 20. September 2001 - 7 C 6.01 - a. a. [X.]); dann läuft die Frist. Entsprechendes gilt, wenn der Betroffene die gesetzte Frist verstreichen lässt, ohne Stellung zu nehmen. Veranlasst die Stellungnahme des Betroffenen die Behörde zu weiterer Sachaufklärung, so läuft die Frist erst mit deren Abschluss und gegebenenfalls einer erneuten Anhörung; zweckmäßigerweise weist die Behörde den Betroffenen hierauf hin (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 - 10 C 5.17 - BVerwGE 164, 237 Rn. 32).

Diesem Maßstab wird die Berechnung der Jahresfrist des § 49 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 48 Abs. 4 VwVfG [X.] durch das Berufungsgericht nicht in jeder Hinsicht gerecht. Es nimmt unzutreffend an, dass die Jahresfrist bei teilbaren Bescheiden hinsichtlich ein- und denselben [X.]es für jeden rechtlich selbständig beurteilbaren Teil des Bescheides gesondert läuft. Nach § 49 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 48 Abs. 4 VwVfG [X.] bezieht sich die für den Beginn der Jahresfrist erforderliche Kenntnis der Behörde von Tatsachen, die den Widerruf eines Verwaltungsakts rechtfertigen, auf den gesamten von der Behörde erlassenen Bescheid. Erlaubt die bisherige Tatsachenkenntnis der Behörde ihr erst hinsichtlich eines Teils des Bescheides eine Prüfung, ob der jeweilige [X.] vorliegt, beginnt die Jahresfrist hinsichtlich dieses [X.]es noch nicht zu laufen. Der Fristbeginn setzt vielmehr voraus, dass die Behörde Kenntnis aller erforderlichen Tatsachen hat, um das Vorliegen des betreffenden [X.]es für den gesamten Bescheid zu prüfen.

bb) Das Berufungsgericht hat schließlich unter unzutreffender Anwendung des § 28 Abs. 1 VwVfG [X.] angenommen, die Jahresfrist für den teilweisen Widerruf des Zuwendungsbescheides vom 29. Juli 2004 habe bereits im [X.] zu laufen begonnen. Nicht zu beanstanden ist insoweit sein rechtlicher Ausgangspunkt, wonach der Beginn des Laufs der Jahresfrist vorliegend eine ordnungsgemäße Anhörung voraussetzte, weil das dem Beklagten eingeräumte Widerrufsermessen weder auf eine Entscheidung reduziert noch hinsichtlich einer bestimmten Entscheidung intendiert war. Eine Ermessensbeschränkung folgte weder aus der geringen Höhe des [X.] noch aus der zeitweiligen [X.] oder daraus, dass die Klägerin lange [X.] ersichtlich rückzahlungsbereit war und dass in der 2013 durchgeführten Anhörung kein Umstand vorgebracht wurde, der dem Beklagten nicht bereits im [X.] 2007 bekannt war.

Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe die Klägerin zu dem beabsichtigten Teilwiderruf des Zuwendungsbescheides vom 29. Juli 2004 ordnungsgemäß angehört, wird den Anforderungen des § 28 Abs. 1 VwVfG [X.] jedoch nicht gerecht. Eine die Jahresfrist in Lauf setzende Anhörung setzt voraus, dass der von der beabsichtigten Maßnahme Betroffene von der Absicht zum Erlass eines vorläufig konkretisierten, bestimmten Verwaltungsakts in Kenntnis gesetzt und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird. Die Anhörung muss so konkret sein, dass der [X.] erkennen kann, weshalb und wozu er sich äußern soll, mit welcher Entscheidung er zu rechnen hat und dass er Gelegenheit zur Stellungnahme hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 - 3 C 16.18 - BVerwGE 168, 63 Rn. 9). Die von dem Oberverwaltungsgericht festgestellte Übermittlung des [X.] aus dem [X.] an die Klägerin, die der Senat seiner Entscheidung mangels durchgreifender Verfahrensrügen nach § 137 Abs. 2 VwGO zugrundezulegen hat, genügte diesen Anforderungen nicht, weil ihm allenfalls entnommen werden konnte, dass der verfahrensgegenständliche Teilwiderruf erfolgen sollte. Gelegenheit zur Stellungnahme räumte er nicht ein.

c) Das angefochtene Urteil stellt sich indessen aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der [X.] des § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG [X.] ist nicht gegeben, weil der im Verwaltungsakt bestimmte Zuwendungszweck durch die zeitweilige Nichtteilnahme eines Auszubildenden nicht verfehlt wurde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

8 C 11/21

25.05.2022

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, 30. Juni 2021, Az: 2 L 392/15, Urteil

§ 48 Abs 4 VwVfG MV 2020, § 49 Abs 3 S 1 Nr 1 VwVfG MV 2020, § 49 Abs 3 S 2 VwVfG MV 2020, § 28 Abs 1 VwVfG MV 2020, § 67 Abs 4 S 4 VwGO, § 67 Abs 4 S 1 VwGO, § 133 BGB, § 157 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.05.2022, Az. 8 C 11/21 (REWIS RS 2022, 4683)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4683

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AN 15 K 23.1634

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