Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.04.2010, Az. 3 C 2/10

3. Senat | REWIS RS 2010, 7142

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Gegenstand

Aberkennung des Rechts, von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen; Verwertung eines nachträglich erstellten medizinisch-psychologischen Gutachtens


Leitsatz

Dem Inhaber eines ausländischen EU-Führerscheins kann das Recht aberkannt werden, von dieser Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, wenn er der Fahrerlaubnisbehörde ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorgelegt hat, in dem unter Berücksichtigung von nach der Fahrerlaubniserteilung liegenden Umständen seine mangelnde Fahreignung festgestellt wird.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein [X.] Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Aberkennung des Rechts, von seiner in [X.] erworbenen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen.

2

Das [X.] verurteilte den Kläger mit Urteil vom 22. Februar 1988 wegen einer Trunkenheitsfahrt ([X.] von mindestens 2,23 Promille) zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung; ihm wurde erneut die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperre von 24 Monaten für die Wiedererteilung festgesetzt. Mit Strafbefehl vom 9. Februar 2000 erhielt der Kläger wegen einer weiteren Trunkenheitsfahrt am 27. März 1999 ([X.] zwischen 3,23 und 3,81 Promille), Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz eine Geldstrafe; für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis wurde eine Sperre von 10 Monaten festgesetzt.

3

Am 16. April 2003 erwarb der Kläger, der seit 1962 mit Wohnsitz in [X.] gemeldet ist, in [X.] eine Fahrerlaubnis der [X.]; im dort ausgestellten Führerschein ist als Wohnsitz eine Adresse in Amsterdam eingetragen.

4

Als das dem Beklagten durch einen Umschreibungsantrag des [X.] bekannt wurde, forderte er ihn auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen. Der Kläger kam dieser Aufforderung nach. Nach dem von ihm vorgelegten Gutachten vom 16. Januar 2007 ist zu erwarten, dass er auch künftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird. Im [X.] habe keine hinreichende Bewältigung seiner massiven Alkoholproblematik festgestellt werden können; es fehlten eine selbstkritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Trinkverhalten und eine stabile Verhaltenskorrektur. Die verkehrsmedizinische Untersuchung am 18. Dezember 2006 habe erhöhte [X.] und Hinweise auf einen massiven Alkoholmissbrauch bis in das Jahr 2006 ergeben.

5

Der Beklagte erkannte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 11. Mai 2007 die Befugnis ab, von seiner [X.] Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik [X.] Gebrauch zu machen. Da er sich nicht, wie vereinbart, einer weiteren Eignungsbegutachtung unterzogen habe, könne gemäß § 11 Abs. 8 der Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV - auf seine mangelnde Fahreignung geschlossen werden. Seinen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2007 zurück.

6

Die Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 15. September 2008 abgewiesen. Zwar sei § 11 Abs. 8 FeV nicht anwendbar, doch ergebe sich aus dem vom Kläger vorgelegten Gutachten, dass er wegen seiner Alkoholerkrankung nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sei. Der gemeinschaftsrechtliche Anerkennungsgrundsatz hindere daran, Eignungsmängel aus Umständen herzuleiten, die bereits zum Zeitpunkt der Erteilung der [X.] vorgelegen hätten. Hier werde aber auf Umstände abgestellt, die nach der Erteilung der [X.] Fahrerlaubnis eingetreten seien. Die Verwertbarkeit des Gutachtens werde nicht dadurch beschränkt, dass dessen Anforderung rechtswidrig gewesen sei.

7

Die Berufung des [X.] hat der [X.] mit Urteil vom 15. Mai 2009 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Beklagte sei zur Fahrerlaubnisentziehung verpflichtet gewesen, weil der Kläger wegen Alkoholmissbrauchs nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sei. Das von ihm beigebrachte medizinisch-psychologische Gutachten komme zu dem Ergebnis, dass er auch künftig ein Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Der Beklagte habe sich gemäß Art. 8 Abs. 2 der [X.] auf dieses Gutachten stützen dürfen; denn damit werde auf ein Verhalten des [X.] nach dem Erwerb der [X.] Fahrerlaubnis abgestellt. Auf welches Verhalten es dabei ankommen könne, sei nach den Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates zu beurteilen. Danach sei nicht maßgeblich, ob der Kläger nach dem Erwerb der [X.] und vor der Anordnung der Gutachtensbeibringung ein Verhalten gezeigt habe, das Anlass für die Anordnung geboten habe. Bei dem im Gutachten festgestellten Alkoholmissbrauch handele es sich um eine neue Tatsache mit selbständiger Bedeutung, die der Fahrerlaubnisentziehung ohne Rücksicht auf die Rechtmäßigkeit der Beibringungsanordnung zugrunde zu legen sei. Deshalb könne offenbleiben, ob diese Anordnung rechtmäßig gewesen sei, wofür aber Einiges spreche. Das Gutachten stelle beim Kläger Alkoholmissbrauch fest. Da die maßgeblichen [X.] Vorschriften eine Prognose verlangten, könne das zur Entziehung der Fahrerlaubnis führende Verhalten auch in einer künftigen Trunkenheitsfahrt liegen.

8

Zur Begründung seiner Revision macht der Kläger geltend: Seine in [X.] erworbene Fahrerlaubnis sei gemäß Art. 1 Abs. 2 der [X.] anzuerkennen. Es liege keine der Ausnahmen vor, die der [X.] in seinen Urteilen vom 26. Juni 2008 gebilligt habe. Ebenso wenig falle ihm ein Fehlverhalten nach Erteilung der [X.] Fahrerlaubnis zur Last, das eine Anwendung von Art. 8 Abs. 2 der Führerscheinrichtlinie rechtfertige. Der Umstand, dass er der gemeinschaftsrechtswidrigen Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nachgekommen sei, genüge nicht; sonst hätte der Aufnahmemitgliedstaat die Möglichkeit, sich durch eine unzulässige Maßnahme ein Zugriffsrecht zu verschaffen, das ihm ansonsten nicht zustehe.

9

Der Beklagte tritt der Revision entgegen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der [X.] habe dem Kläger auf der Grundlage des von ihm vorgelegten medizinisch-psychologischen Gutachtens die Befugnis a[X.]kennen dürfen, von seiner [X.] Fahrerlaubnis im [X.] Gebrauch zu machen, verstößt weder gegen Bundes- noch gegen Gemeinschaftsrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).

1. Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügungen (vgl. u.a. Urteile vom 27. Septem[X.] 1995 - BVerwG 11 [X.] 34.94 - BVerwGE 99, 249 <250> = [X.] 442.16 § 15b [X.] Nr. 24 und vom 5. Juli 2001 - BVerwG 3 [X.] 13.01 - [X.] 442.16 § 15b [X.] Nr. 29 = NJW 2002, 78 m.w.N.), hier des Widerspruchsbescheides vom 7. Novem[X.] 2007. Zugrunde zu legen sind danach das Straßenverkehrsgesetz - StVG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 ([X.], [X.]. S. 919), hier zuletzt geändert durch Art. 26 des Gesetzes vom 7. Septem[X.] 2007 ([X.]), und die Fahrerlaubnis-Verordnung - [X.] - vom 18. August 1998 ([X.]) in der Fassung des Gesetzes vom 19. Juli 2007 ([X.]). Der gemeinschaftsrechtliche Maßstab ergibt sich aus der Richtlinie des Rates vom 29. Juli 1991 ü[X.] den Führerschein 91/439/[X.] ([X.] vom 24. August 1991 S. 1), zuletzt geändert durch die Verordnung ([X.]) Nr. 1882/2003 des [X.] und des Rates vom 29. Septem[X.] 2003 ([X.] vom 31. Okto[X.] 2003 S. 1). Die sog. [X.], die Richtlinie 2006/126/[X.] des [X.] und des Rates vom 20. Dezem[X.] 2006 ü[X.] den Führerschein ([X.] Nr. 403 S. 18), ist nach ihrem Art. 18 nicht anwendbar, da die in Rede stehende [X.] Fahrerlaubnis vor dem 19. Januar 2009 erteilt wurde.

2. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die innerstaatlichen Voraussetzungen für die A[X.]kennung des Rechts des [X.], von seiner [X.] Fahrerlaubnis im [X.] Gebrauch zu machen, gemäß § 3 Abs. 1 StVG sowie § 46 Abs. 1 und 5 [X.] vorliegen. Allerdings kann seine fehlende Fahreignung nicht - wovon der [X.] in seinem Bescheid vom 11. Mai 2007 noch ausgegangen war - aus § 11 Abs. 8 [X.] hergeleitet werden. Sie ergibt sich a[X.] aus dem vom Kläger vorgelegten medizinisch-psychologischen Gutachten.

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 [X.] hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inha[X.] einer Fahrerlaubnis, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Das gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 [X.] insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis hat die Entziehung, wie sich aus § 3 Abs. 1 Satz 2 StVG und § 46 Abs. 5 Satz 2 [X.] ergibt, die Wirkung einer A[X.]kennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen; das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland erlischt.

a) Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 [X.] darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Das setzt nach Satz 2 allerdings voraus, dass der Betroffene bei der Anordnung, ein Gutachten beizubringen, auf die Folgen einer Nichtvorlage hingewiesen wurde. Außerdem mussten die rechtlichen Voraussetzungen für die Anforderung des Gutachtens erfüllt sein (st[X.]pr, vgl. u.a. Urteil vom 9. Juni 2005 - BVerwG 3 [X.] 21.04 - [X.] 442.10 § 2 StVG Nr. 11 m.w.N.).

Hier hatte der [X.] im Ausgangsbescheid die Anwendung von § 11 Abs. 8 [X.] darauf gestützt, dass der Kläger nicht - wie vereinbart - ü[X.] das Gutachten vom 16. Januar 2007 hinaus noch ein weiteres Gutachten beigebracht habe. Der Anwendung dieser Regelung steht a[X.] entgegen, dass der nach § 11 Abs. 8 Satz 2 [X.] erforderliche Hinweis auf die Folgen einer Nichtbeibringung fehlte. Ein solcher Hinweis muss entsprechend der Warnfunktion dieser Hinweispflicht und wegen der Schärfe der in Satz 1 vorgesehenen Sanktion auch dann erteilt werden, wenn - wie hier - die Vorlage eines Gutachtens nicht von der Behörde angeordnet, sondern von ihr mit dem Betroffenen vereinbart wurde (vgl. Beschluss vom 11. Juni 2006 - BVerwG 3 B 99.07 - [X.] 442.10 § 2 StVG Nr. 15).

b) Doch ergibt sich aus dem vom Kläger vorgelegten medizinisch-psychologischen Gutachten, dass er zum maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet war. Die Gutachter gelangen zu dem Ergebnis, beim Kläger sei zu erwarten, dass er auch künftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Somit liegt beim Kläger Alkoholmissbrauch im Sinne von Nr. 8.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung vor; das ist dann der Fall, wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können.

c) Das [X.] Fahrerlaubnisrecht steht einer Verwertung dieses Gutachtens und einer darauf gestützten Fahrerlaubnisentziehung (§ 3 Abs. 1 StVG sowie § 46 Abs. 1 und 5 [X.]) nicht entgegen. Die in der Fahrerlaubnis-Verordnung geregelten Voraussetzungen für die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens waren erfüllt; selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre, würde das die Verwertbarkeit nicht hindern.

Gemäß § 46 Abs. 3 [X.] sind die §§ 11 bis 14 [X.] entsprechend anzuwenden, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken begründen, dass der Inha[X.] einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet oder bedingt geeignet ist. Hier lagen wegen der [X.] des [X.] und der deshalb erfolgten Fahrerlaubnisentziehung die Voraussetzungen für die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b bis d [X.] vor. Die vom [X.]n ausgesprochene Anordnung, ein solches Gutachten beizubringen, wurde auch den inhaltlichen Anforderungen von § 11 Abs. 6 Satz 1 und 2 [X.] gerecht.

Im Übrigen ist in Bezug auf das innerstaatliche Recht geklärt, dass die Verwertbarkeit eines beigebrachten Gutachtens nicht davon abhängt, ob die behördliche Anordnung zu Recht erfolgt ist. Hat der Kraftfahrer das von ihm geforderte Gutachten vorgelegt oder sich einer angeordneten Prüfung gestellt, hat sich dadurch die Anordnung in der Weise erledigt, dass von seitens der Behörde rechtswidrig erlangten Erkenntnissen nicht mehr gesprochen werden kann. Zudem schafft das Ergebnis der Prüfung oder des Gutachtens eine neue Tatsache, die selbständige Bedeutung hat. Ein Verbot, diese Tatsache für die Entscheidung ü[X.] die Fahrerlaubnisentziehung zu verwerten, lässt sich aus den Regelungen der §§ 11 ff. [X.] oder sonstigem innerstaatlichen Recht nicht ableiten. Einem Verwertungsverbot steht auch das Interesse der Allgemeinheit entgegen, vor Kraftfahrern geschützt zu werden, die sich aufgrund festgestellter Tatsachen als ungeeignet erwiesen haben (st[X.]pr; vgl. u.a. Urteile vom 18. März 1982 - BVerwG 7 [X.] 69.81 - BVerwGE 65, 157 <162 f.> und vom 18. Novem[X.] 1983 - BVerwG 7 [X.] 35.82 - [X.] 442.16 § 15 [X.] Nr. 2; Beschluss vom 19. März 1996 - BVerwG 11 B 14.96 - [X.] 442.16 § 15b [X.] Nr. 26). Aus dem Urteil des Senats vom 9. Juni 2006 - BVerwG 3 [X.] 25.04 - ([X.] 442.10 § 2 StVG Nr. 12), auf das sich der Kläger demgegenü[X.] [X.]uft, ergibt sich nichts anderes. Dort wird auf die ständige Rechtsprechung verwiesen, wonach die Anwendbarkeit von § 11 Abs. 8 [X.] eine rechtmäßige Gutachtensanordnung voraussetzt. Doch betrifft das ersichtlich nur den Fall, dass - anders als hier - ein gefordertes Gutachten nicht beigebracht wurde.

3. Die auf das medizinisch-psychologische Gutachten gestützte A[X.]kennung des Rechts des [X.], von seiner [X.] Fahrerlaubnis im [X.] Gebrauch zu machen, ist mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Sie verstößt insbesondere nicht gegen den in der [X.][X.] bestimmten Grundsatz, dass die in einem anderen Mitgliedstaat erteilte [X.] anzuerkennen ist.

a) Gemäß Art. 1 Abs. 2 dieser Richtlinie werden die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine gegenseitig anerkannt. Dabei regelt das [X.] Gemeinschaftsrecht selbst zugleich die Mindestvoraussetzungen, die für die Erteilung einer Fahrerlaubnis erfüllt sein müssen. Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der [X.][X.] ist die Fahreignung durch das Bestehen einer Prüfung nachzuweisen, außerdem muss ein ordentlicher Wohnsitz im Ausstellermitgliedstaat vorgelegen haben (vgl. Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie).

Nach der Rechtsprechung des [X.] ist es Aufgabe des [X.] zu prüfen, ob die im Gemeinschaftsrecht aufgestellten Mindestvoraussetzungen, insbesondere diejenigen hinsichtlich des Wohnsitzes und der Fahreignung, erfüllt sind und ob somit die Erteilung - gegebenenfalls die Neuerteilung - einer Fahrerlaubnis gerechtfertigt ist. Wenn die Behörden eines Mitgliedstaates einen Führerschein gemäß Art. 1 Abs. 1 der [X.][X.] ausgestellt haben, sind die anderen Mitgliedstaaten nicht befugt, die Beachtung der in dieser Richtlinie aufgestellten Ausstellungsvoraussetzungen zu prüfen. Der Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ist als Nachweis dafür anzusehen, dass der Inha[X.] des Führerscheins am [X.] diese Voraussetzungen erfüllte ([X.], Beschluss vom 9. Juli 2009 - [X.]. [X.]-445/08, [X.] - NJW 2010, 217 = [X.], 735 sowie Urteile vom 19. Februar 2009 - [X.]. [X.]-321/07, [X.] -, vom 20. Novem[X.] 2008 - [X.]. [X.]-1/07, We[X.] - und vom 26. Juni 2008 - [X.]. [X.]-329/06 und [X.]-343/06, [X.] u.a. - NJW 2008, 2403, Rn. 52 f. und - [X.]. [X.]-334/06 bis [X.]-336/06, [X.] u.a. - Rn. 49 f., unter Bezugnahme auf die Beschlüsse vom 6. April 2006 - [X.]. [X.]-227/05, [X.]. [X.] Rn. 34 und vom 28. Septem[X.] 2006 - [X.]. [X.]-340/05, [X.] - Slg. [X.] Rn. 27).

Dementsprechend sind die Befugnisse der Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 2 und 4 der [X.][X.] beschränkt (vgl. dazu im Einzelnen Urteile vom 11. Dezem[X.] 2008 - BVerwG 3 [X.] 26.07 - BVerwGE 132, 315 = [X.] 442.10 § 3 StVG Nr. 2 Rn. 30 und vom 25. Februar 2010 - BVerwG 3 [X.] 15 und 16.09 - juris). Gemäß Art. 8 Abs. 2 der [X.][X.] kann der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes vorbehaltlich der Einhaltung des straf- und polizeirechtlichen Territorialitätsprinzips auf den Inha[X.] eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins seine innerstaatlichen Vorschriften ü[X.] Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis anwenden. Hierzu hat der [X.] entschieden, dass er diese Befugnis nur aufgrund eines Verhaltens des Betroffenen nach Erwerb des von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins oder aufgrund nach dem Erwerb dieser Fahrerlaubnis eingetretenen Umständen ausüben kann (vgl. in diesem Sinne die Beschlüsse vom 6. April 2006 - [X.]. [X.]-227/05, [X.] - a.a.[X.] Rn. 38 und vom 28. Septem[X.] 2006 - [X.]. [X.]-340/05, [X.] - a.a.[X.] Rn. 35 f.).

Nach dieser Abgrenzung der Zuständigkeiten von Aussteller- und Aufnahmemitgliedstaat ist es dem Aufnahmemitgliedstaat verwehrt, Maßnahmen gegen den Inha[X.] einer ausländischen [X.] auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 2 der [X.][X.] allein auf ein Verhalten bzw. Umstände zu stützen, die [X.]eits zum Zeitpunkt der Erteilung dieser Fahrerlaubnis vorlagen. Insoweit obliegt die Prüfung der Fahreignung - wie der [X.] entschieden hat - dem Ausstellermitgliedstaat. Eine nur auf solche Gesichtspunkte abstellende nochmalige Bewertung der Fahreignung durch den Aufnahmemitgliedstaat wäre eine unzulässige Zweitprüfung. Anders verhält es sich a[X.], wenn die Anwendung innerstaatlicher Vorschriften nach Maßgabe von Art. 8 Abs. 2 der [X.][X.] auch auf ein Verhalten oder Umstände nach der [X.] gestützt werden kann, denn solche Umstände konnten vom Ausstellermitgliedstaat nicht [X.]ücksichtigt werden. Damit wird - entsprechend den Vorgaben des [X.] - einerseits ein Eingriff in die Zuständigkeiten und Befugnisse des [X.] vermieden, andererseits a[X.] auch verhindert, dass eine die Verkehrssicherheit gefährdende zeitliche Lücke bei der Ü[X.]prüfung der Fahreignung entsteht.

Ein in diesem Sinne nachträgliches Verhalten erfordert keinen weiteren Verkehrsverstoß, sondern nur das Vorliegen von nach der Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis eingetretenen Umständen, die für sich genommen oder in der Zusammenschau mit dem früheren Verhalten des Betroffenen dessen fehlende Eignung belegen. Entgegen der Auffassung des [X.] lässt sich dem vom [X.] in den genannten Entscheidungen verwendeten Begriff "Verhalten" - in der [X.] bzw. [X.] Fassung der Entscheidungen heißt es insoweit "comportement" bzw. "conduct" - nicht entnehmen, dass es nach der Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis schon zu einer die mangelnde Fahreignung erweisenden Auffälligkeit des Fahrerlaubnisinha[X.]s im Straßenverkehr, hier etwa zu einer Trunkenheitsfahrt, gekommen sein muss. Die Feststellung der Fahreignung setzt - nach der Konzeption der [X.] nicht anders als nach dem [X.]n Recht - eine Prognose des künftigen Verhaltens des Bewer[X.]s um eine Fahrerlaubnis bzw. Fahrerlaubnisinha[X.]s voraus. Mit dem Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer, den auch die [X.] sicherstellen will (vgl. nur Nr. 4 und 10 der Begründungserwägungen), wäre es unvereinbar, wenn die Fahrerlaubnisbehörde des [X.] trotz einer von Sachverständigen getroffenen negativen Einschätzung abwarten müsste, bis sich das von ihnen festgestellte Risiko realisiert und möglicherweise irreparable Schäden eingetreten sind. Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass in diesen Entscheidungen gleich[X.]echtigt zum Begriff "Verhalten" von nach der Erteilung der [X.] eingetretenen "Umständen" die Rede ist, auf die eine Maßnahme nach Art. 8 Abs. 2 der [X.][X.] gestützt werden kann. Es reicht somit aus, dass nach der Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis ein Gutachten ü[X.] die Fahreignung erstellt wird, das als Prognosebasis jedenfalls auch auf nachträgliche Umstände rekurriert und hieraus auf die neuerliche Ungeeignetheit des betreffenden Fahrerlaubnisinha[X.]s schließt.

b) Die im medizinisch-psychologischen Gutachten vom 16. Januar 2007 getroffenen sachverständigen Feststellungen sind in zeitlicher und sachlicher Hinsicht geeignet, die vom [X.]n ausgesprochene Fahrerlaubnisbeschränkung mit Blick auf Art. 8 Abs. 2 der [X.][X.] zu tragen. Die Sachverständigen ziehen dort als Grundlage für die von ihnen vorgenommene Prognose nicht nur das Verhalten des [X.] und Umstände vor der Erteilung seiner [X.] Fahrerlaubnis im April 2003 heran. Maßgeblich abgestellt wird dort vielmehr auf die Befunde aus der verkehrsmedizinischen Untersuchung des [X.] am 18. Dezem[X.] 2006, die auf einen massiven Alkoholmissbrauch bis in das [X.] hinweisen, sowie auf das psychologische [X.], das eine unzureichende Aufarbeitung der Alkoholproblematik durch den Kläger zum Zeitpunkt der Untersuchung ergibt.

c) Der Verwertung dieses Gutachtens steht nicht entgegen, dass seine Anforderung europarechtlichen Vorgaben widersprach.

aa) Die Anordnung an den Kläger, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, war nach den in der Rechtsprechung des [X.] entwickelten Grundsätzen nicht mit Art. 1 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 2 und 4 der [X.][X.] vereinbar. Der [X.] hat diese Anordnung auf die vor der Erteilung der [X.] Fahrerlaubnis liegende Trunkenheitsfahrt des [X.] und die deshalb am 25. Februar 2000 erfolgte strafgerichtliche Verurteilung gestützt. Er bezog sich damit allein auf ein Verhalten oder Umstände, die vor der Erteilung der ausländischen [X.] eingetreten sind. Ist dem Aufnahmemitgliedstaat nach der Rechtsprechung des [X.] wegen des gemeinschaftsrechtlichen Anerkennungsgrundsatzes a[X.] eine Zweitprüfung verwehrt, kann es ihm auch nicht gestattet sein, vom Fahrerlaubnisinha[X.] die Vorlage eines Eignungsgutachtens zu fordern, das die Grundlage einer solchen Zweitprüfung bilden soll. Zu den innerstaatlichen Vorschriften ü[X.] Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der [X.][X.], die der Aufnahmemitgliedstaat nach der [X.]-Rechtsprechung nur eingeschränkt anwenden darf, gehören auch die das Vorfeld dieser Maßnahmen betreffenden Vorschriften ü[X.] die Klärung von Eignungszweifeln.

bb) Das Gemeinschaftsrecht schließt es a[X.] nicht aus, ein solches Gutachten gleichwohl zu verwerten, wenn es der Betroffene der Fahrerlaubnisbehörde des [X.] vorgelegt hat.

Die [X.][X.] enthält kein Verwertungsverbot für solche Fälle. Vielmehr wäre es mit der Verkehrssicherheit, deren Bedeutung auch in den Begründungserwägungen dieser [X.][X.] hervorgehoben wird (vgl. deren Nr. 4 und 10), nicht vereinbar, einem Fahrerlaubnisinha[X.], dessen fehlende Eignung unter Berücksichtigung von nach der Erteilung der [X.] liegenden Umständen festgestellt wurde, weiter als Kraftfahrer am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen.

In der Rechtsprechung des [X.] zum [X.]recht finden sich ebenfalls keine Anhaltspunkte für ein entsprechendes Verwertungsverbot. Auch mit den allgemeinen Grundsätzen, die der [X.] zum bei Verstößen gegen Gemeinschaftsrecht gebotenen Rechtsschutz entwickelt hat, steht die Heranziehung des vom Kläger vorgelegten Gutachtens in Einklang. Danach ist es Sache des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten, die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die dem Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte dienen (vgl. [X.], Urteil vom 10. April 2003 - [X.]. [X.]-276/01, Steffensen - Slg. [X.] Rn. 60 ff. m.w.N.). Diese Modalitäten dürfen a[X.] nicht weniger günstig ausgestaltet sein als für entsprechende innerstaatliche Klagen (Äquivalenzgrundsatz); nach dem [X.] darf die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder ü[X.]mäßig erschwert werden (a.a.[X.] Rn. 60). Schließlich darf das Recht auf ein faires Verfahren, wie es u.a. in Art. 6 [X.] niedergelegt ist, nicht verletzt sein. Die Prüfung, ob diese Grundsätze beachtet wurden, weist der [X.] den nationalen Gerichten zu, die dabei alle ihnen verfügbaren rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte zu [X.]ücksichtigen haben (a.a.[X.] Rn. 65, 68 und 78).

Ein Verstoß gegen den Äquivalenzgrundsatz scheidet aus. Die Verwertbarkeit eines vom Fahrerlaubnisinha[X.] vorgelegten Eignungsgutachtens wird - wie gezeigt - auch bei einem Verstoß der Gutachtensanforderung gegen innerstaatliches Recht bejaht. Ebenso wenig kann ein Verstoß gegen den [X.] angenommen werden. Der Betroffene hatte es selbst in der Hand, ob er der Fahrerlaubnisbehörde das Gutachten zugänglich macht. Die Aufforderung der Fahrerlaubnisbehörde, ihr ein Eignungsgutachten vorzulegen, ist nach den Regelungen in der [X.] nicht zwangsweise durchsetzbar. Die Behörde kann zwar im Falle der Vorlageverweigerung gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 [X.] auf die mangelnde Fahreignung des Betroffenen schließen; das setzt a[X.] eine rechtmäßige, also auch gemeinschaftsrechtskonforme Anordnung voraus. Dadurch ist der Betroffene geschützt, wenn der Aufnahmemitgliedstaat seine Befugnisse ü[X.]schritten haben sollte. Legt er a[X.] - aus welchen Gründen auch immer - das Gutachten vor, muss er sich an den zu seiner Fahreignung gewonnenen Erkenntnissen festhalten lassen. Ihm verbleibt auch dann die Möglichkeit, die im Gutachten getroffenen Feststellungen durch hinreichend substanziierte Einwände in Zweifel zu ziehen. Schließlich wird mit einer Verwertung des Gutachtens nicht gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens verstoßen, dessen Einhaltung auch das innerstaatliche Recht verlangt (vgl. [X.] 91, 176 <180 f.>). Nach der Rechtsprechung des [X.] für Menschenrechte, auf die auch der [X.] in diesem Zusammenhang Bezug nimmt, regelt Art. 6 Abs. 1 [X.] das Beweisrecht als solches nicht; die Zulässigkeit eines Beweises, der rechtswidrig gewonnen wurde, kann danach nicht grundsätzlich oder abstrakt ausgeschlossen werden (vgl. [X.]MR, Urteile vom 18. März 1997, [X.]/[X.] - Recueil des [X.], §§ 33 und 34 und vom 25. März 1999, [X.] und [X.]/[X.] - Recueil des [X.], § 45, NJW 1999, 3545). Dass mit der Verwertung des Gutachtens der kontradiktorische [X.]harakter des Gerichtsverfahrens verletzt sein könnte, ist mit Blick auf die dem Fahrerlaubnisinha[X.] offenstehenden Einwendungsmöglichkeiten und den Grundsatz der freien Beweiswürdigung auszuschließen. Ebenso wenig führt die Verwertung des Gutachtens sonst zu einer unzumutbaren Verkürzung der Verfahrensrechte des betroffenen Fahrerlaubnisinha[X.]s.

Meta

3 C 2/10

28.04.2010

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 15. Mai 2009, Az: 2 A 2203/08, Urteil

§ 3 Abs 1 StVG, § 11 Abs 8 FeV, § 13 FeV, § 46 Abs 1 FeV, § 46 Abs 3 FeV, § 46 Abs 5 FeV, Art 1 Abs 2 EWGRL 439/91, Art 7 Abs 1 EWGRL 439/91, Art 7 Abs 5 EWGRL 439/91, Art 8 Abs 2 EWGRL 439/91, Art 8 Abs 4 EWGRL 439/91

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.04.2010, Az. 3 C 2/10 (REWIS RS 2010, 7142)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7142

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