Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2013, Az. IX ZB 119/12

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2094

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 119/12

vom

10. Oktober
2013

in dem Restschuldbefreiungsverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 295 Abs. 2, § 296 Abs. 1, § 300 Abs. 2
Hat der Schuldner in der [X.] eine wirtschaftlich selbständige Tätigkeit ausgeübt, sind die Gläubiger wegen der Nichtabführung von Beträgen an den [X.] regelmäßig berechtigt, einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung erst am Ende dieses Verfahrensabschnitts zu stellen.
[X.], Beschluss vom 10. Oktober 2013 -
IX ZB 119/12 -
AG [X.]

LG [X.]

-

2

-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch den
Richter Vill, die [X.] [X.], die Richter
Dr. [X.],
[X.] und die Richterin [X.]

am 10. Oktober
2013
beschlossen:

Auf die
Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der 11.
Zivilkammer des [X.] vom 9.
November 2012
aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Der Wert des [X.] wird auf 5.000

t-gesetzt.

Gründe:

I.

Über das Vermögen des Schuldners, der eine Zahnarztpraxis unterhält, wurde auf seinen Antrag am 11.
August 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 6.
Dezember 2007 kündigte ihm das Insolvenzgericht antragsgemäß die Restschuldbefreiung an und bestellte den weiteren Beteiligten
zu
2 als [X.]. Am 29.
Januar 2008 hob das Gericht das Insolvenzverfahren auf. In der 1
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3

-
Folgezeit leistete der Schuldner, der weiterhin als selbständiger Zahnarzt tätig war und zwei Kindern je zur Hälfte Unterhalt leisten musste, keine Zahlungen an den Treuhänder.

Am 14. August 2012 forderte das Insolvenzgericht die Gläubiger gemäß §
300 Abs.
1 [X.] auf, innerhalb einer Frist
von zwei Wochen zu dem Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung Stellung zu nehmen. Hierauf [X.] die weitere Beteiligte zu
1 unter Hinweis auf §
295 Abs.
2 [X.], dem Schuld-ner die Restschuldbefreiung zu versagen. Dieser hätte unter Zugrundelegung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst bei einem monatlichen Nettoein-müssen, so dass sich ein rückständiger Betrag von insgesamt 36.200

gesamte [X.] ergebe.

Das Insolvenzgericht hat dem Schuldner die Restschuldbefreiung ver-sagt. Auf die Beschwerde des
Schuldners hat das Beschwerdegericht diese Entscheidung aufgehoben und den Antrag auf Versagung der [X.] zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt die Gläubigerin die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

II.

Die kraft Zulassung durch das Beschwerdegericht gemäß §§
6, 300 Abs.
3 Satz 2, §
574 Abs.
1 Nr.
2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

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-

4

-

1.
Das Beschwerdegericht
hat ausgeführt, der Antrag der Gläubigerin auf Versagung der Restschuldbefreiung sei zurückzuweisen, weil er nicht innerhalb der Jahresfrist des §
296 Abs.
1 Satz
2 [X.] gestellt worden sei. Zwar dürfte ein Verstoß des Schuldners gegen die sich aus §
295 Abs. 2 [X.] ergebenden Ob-liegenheiten anzunehmen sein. Dies könne aber dahinstehen, weil die Gläubi-gerin den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung schon sehr viel früher hätte stellen müssen. Jedenfalls seit Vorlage des zweiten Berichts des [X.]s vom 16.
Februar 2010, der ihr seit
März 2010 bekannt gewesen sei, habe sie gewusst, dass der Schuldner seinen Obliegenheiten aus §
295 Abs.
2 [X.] nicht nachgekommen sei und keine Beträge an
den Treuhänder abgeführt habe. Sie könne sich nicht darauf berufen, dass der [X.] erst mit Beschluss vom 19. Juli 2012 ([X.], Z[X.] 2012, 1488) geklärt habe, dass der Schuldner seinen Obliegenheiten aus §
295 Abs.
2 [X.] nur dann nachkomme, wenn er wenigstens jährliche Zahlungen an den Treuhänder [X.]. Für §
296 Abs.
1 Satz 2 [X.] reiche die Kenntnis der die [X.] begründenden Tatsachen aus.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Die Voraussetzungen des aufgrund der Verweisung in §
300 Abs.
2 [X.] auch auf
die
Schlussanhörung zur Restschuldbefreiung anwendbaren §
296 Abs.
1 [X.] liegen vor, soweit Satz
2
bestimmt,
dass der Antrag nur bin-nen eines Jahres nach dem Zeitpunkt gestellt werden kann, in dem die [X.] dem Gläubiger bekannt geworden ist. Für die Verletzung der den Schuldner gemäß
§
295 Abs.
2 [X.] treffenden Abführungsobliegenheit beginnt die Frist grundsätzlich erst mit Abschluss der [X.] zu [X.] ([X.], Beschluss vom 19.
Mai 2011 -
IX
ZB 224/09, Z[X.]
2011, 1301 Rn.
12
f; vom 17. Januar 2013 -
IX
ZB 98/11, Z[X.]
2013, 405 Rn.
20). Zwar 5
6
7
-

5

-
hat der [X.] zwischenzeitlich entschieden, dass der selbständig tätige Schuldner die Zahlung nicht erst am Ende der Wohlverhaltensphase zu leisten hat, sondern vielmehr verpflichtet ist,
in regelmäßigen Abständen, [X.] jährlich, Zahlungen an den Treuhänder zu erbringen
([X.], Beschluss vom 19.
Juli 2012 -
IX
ZB 188/09, Z[X.]
2012, 1488 Rn.
8, 13
ff). Dennoch kann oft erst am Ende der Wohlverhaltensperiode sicher festgestellt werden, ob ein Obliegenheitsverstoß vorliegt. Deswegen sind die Gläubiger regelmäßig berechtigt, den [X.] unabhängig von einer vorherigen Kenntnis von der Nichtabführung einzelner Beträge erst am Ende der [X.] zu stellen ([X.], Beschluss vom 19.
Mai 2011, aaO Rn.
13; vom 17. Januar 2013, aaO).
Hieran ändert auch die Feststellung nichts, dass der Schuldner zu perio-dischen Zahlungen an den Treuhänder verpflichtet ist.
Der im August 2009 beim Insolvenzgericht eingegangene [X.] ist schon deshalb ge-mäß §
296 Abs.
1 Satz
2 [X.] rechtzeitig gestellt worden, weil der Schuldner bis zum Ende der [X.] keine Zahlungen geleistet hat.

b) Bedenken gegen die Zulässigkeit des [X.]s
ergeben sich auch sonst nicht. Die Gläubigerin hat sowohl die Obliegenheitsverletzung wie auch die Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung glaubhaft gemacht. Ein Gläubiger genügt im Fall des §
295 Abs.
2 [X.] seiner Pflicht zur Glaub-haftmachung der Obliegenheitsverletzung des Schuldners und der Beeinträch-tigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger (§
300 Abs.
2, §
296 Abs.
1
[X.]), wenn er darlegt, dass der Schuldner an den Treuhänder nicht den Betrag abgeführt hat, den er bei Ausübung einer vergleichbaren abhängigen Tätigkeit nach dem üblichen Lohnniveau hätte abführen müssen ([X.], Beschluss vom 19.
Mai 2011, aaO Rn.
7). Der Schuldner
hat unstreitig
keine Beträge an den Treuhänder abgeführt. Durch die Bezugnahme auf den Tarifvertrag für den öf-fentlichen Dienst ist glaubhaft gemacht, dass der Schuldner in einem fiktiven 8
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-
angemessenen Dienstverhältnis so viel hätte verdienen können, dass er unter Berücksichtigung der ihn treffenden Unterhaltsverpflichtungen während des Laufs der Wohlverhaltensphase monatlich

an den Treuhänder hätte
abführen müssen.

III.

Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben. Da der Senat zu einer eigenen Sachentscheidung nicht in der [X.] ist, ist die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§
577 Abs.
4 Satz 1 ZPO).

Für den weiteren Verfahrensgang weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Soweit das Beschwerdegericht meint, dass dem Schuldner eine [X.] der sich aus §
295 Abs.
2 [X.] ergebenden Obliegenheiten anzulasten sein dürfte, reichen die bisherigen Feststellungen nicht aus, um diesen Vorwurf zu rechtfertigen. Zwar genügt der Gläubiger, der einen Antrag stellt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, im Fall des §
295 Abs.
2 [X.] seiner Pflicht zur Glaubhaftmachung der Obliegenheitspflichtverletzung und der Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger (§
300 Abs.
2, §
296 Abs.
1 [X.]), wenn er darlegt, dass der Schuldner an den Treuhänder nicht den Betrag abgeführt hat, den er bei Ausübung einer vergleichbaren abhängigen Tätigkeit -
etwa nach BAT
-
hätte abführen müssen. Der Schuldner muss sich dann von dem Vorwurf, seine [X.] schuldhaft verletzt zu ha-ben, nach §
296 Abs.
1 Satz 1 letzter Halbs. [X.] entlasten ([X.], Beschluss 9
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-

7

-
vom 7. Mai 2009 -
IX
ZB 133/07, Z[X.] 2009, 1217 Rn.
5; vom 19. Mai 2011, aaO Rn.
7).

Voraussetzung für die Berechnung des anzunehmenden fiktiven Netto-einkommens aus einem angemessenen Dienstverhältnis ist, dass es sich um eine dem Schuldner mögliche abhängige Tätigkeit handelt ([X.], Beschluss vom 5. April 2006 -
IX
ZB 50/05, Z[X.] 2006, 547 Rn.
13; vom 19. Mai 2011, aaO Rn.
6; Graf-Schlicker/[X.], [X.], 3.
Aufl., §
295 Rn.
20; [X.] in Pa-pe/Uhländer, [X.], §
295 Rn.
30). Neben einer schlechten Lage am [X.], die
es verhindert, dass der Schuldner eine angemessene abhängige [X.] findet, kann sich die Unangemessenheit auch daraus ergeben, dass der Schuldner aufgrund seines Alters oder aus Krankheitsgründen nicht in der Lage ist, die vergleichbare Tätigkeit auszuüben (vgl. Weinland in [X.]/[X.]/Ringstmeier, [X.], §
295 Rn.
43; [X.], Z[X.] 2010, 2068, 2069).

2. Der Schuldner, der nur auf einem Auge sieht, hat geltend gemacht, aufgrund seiner Sehbehinderung gehindert
zu sein,
als angestellter Zahnarzt den Verdienst zu erzielen, den ein nicht behinderter Zahnarzt erzielen würde. Mit diesem Einwand, der für den von dem Schuldner zu führenden Entlastungs-beweis
([X.],
Beschluss vom 24. September 2009 -
IX
ZB 288/08, Z[X.] 2009, 2069 Rn.
6)
erheblich sein könnte, hat sich das [X.] bisher nicht be-fasst. Es wird deshalb zu prüfen haben, ob dem Schuldner eine Tätigkeit als

12
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angestellter Zahnarzt ungeachtet seiner Sehbehinderung möglich gewesen wä-re und er den von der Gläubigerin glaubhaft gemachten Tariflohn hätte erzielen können.

Vill
[X.]
[X.]

[X.]
[X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 18.09.2012 -
37 IN 88/06 -

LG [X.], Entscheidung vom 09.11.2012 -
11 [X.] -

Meta

IX ZB 119/12

10.10.2013

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2013, Az. IX ZB 119/12 (REWIS RS 2013, 2094)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2094

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