Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.05.2022, Az. 1 StR 19/22

1. Strafsenat | REWIS RS 2022, 4472

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Gegenstand

Steuerhehlerei durch Veräußerung unversteuerter unverzollter Zigaretten: Unzulässigkeit der Einziehung von Taterträgen bei Zahlung des Kaufpreises an den Lieferanten anstatt an den Steuerhehler


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 13. Oktober 2021 in dem Ausspruch über die Einziehung dahin geändert, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 90.795 € angeordnet wird; die darüber hinausgehende Einziehung entfällt.

2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen des Angeklagten im Revisionsverfahren sowie 2/5 der betreffend die Einziehung im ersten Rechtszug entstandenen Auslagen und der insoweit notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger [X.]ei in sieben Fällen unter Einbeziehung einer Strafe aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts S.    zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 151.295 € angeordnet. Die auf die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 60.500 € beschränkte und auf die Beanstandung der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.

2

Das [X.] hat – soweit für die Revision von Bedeutung – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

Der Angeklagte veräußerte unversteuerte und unverzollte Zigaretten, die aus einem Drittland in das Zollgebiet der [X.] verbracht und anschließend nach [X.] geliefert worden waren. Die Lieferanten hatten die bei der Einfuhr aus dem Ausland nach [X.] entstandene Tabaksteuer nicht abgeführt; die Zigaretten waren nicht mit einer [X.] [X.] versehen und in [X.] nicht verkehrsfähig.

4

Der Angeklagte veräußerte die bei seinen Lieferanten bestellten und von ihm erworbenen Zigaretten jeweils gewinnbringend und auf eigene Rechnung an seinen Abnehmer, den gesondert Verfolgten     [X.]. Die Lieferungen erfolgten auf Veranlassung des Angeklagten stets direkt an     [X.]. Ferner veranlasste der Angeklagte in den [X.], 2, 4, 5 und 7 der Urteilsgründe, dass der gesondert Verfolgte   [X.]einen Teil des mit dem ihm vereinbarten Kaufpreises (insgesamt 60.500 €) bei Lieferung der Zigaretten an die Lieferanten entrichtete, um „Verbindlichkeiten“ des Angeklagten aus dem Einkauf der Zigaretten zu begleichen.

II.

5

1. Die Revision des Angeklagten ist – wie sich aus der expliziten Antragstellung in der Revisionsbegründung ergibt – wirksam auf die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in den [X.], 2, 4, 5 und 7 der Urteilsgründe auf den Betrag beschränkt, der in diesen Fällen durch den gesondert Verfolgten   [X.] auf Veranlassung des Angeklagten direkt an dessen Lieferanten bezahlt wurde (60.500 €).

6

2. Die über einen Betrag von 90.795 € hinausgehende Einziehung des Wertes von Taterträgen hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Angeklagte hat durch die Zahlung des Betrages von insgesamt 60.500 € unmittelbar an seine Lieferanten durch den gesondert Verfolgten   [X.]nichts im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB erlangt, da der Angeklagte weder eigene Verfügungsgewalt an den Zahlungsmitteln erlangt hat noch durch die Zahlung gemäß § 267 [X.] von einer Verbindlichkeit befreit wurde.

7

Die Voraussetzungen für eine Einziehung des Betrages von insgesamt 60.500 € (in den [X.], 2, 4, 5 und 7 der Urteilsgründe) nach § 73 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 73c Satz 1 StGB sind nicht gegeben.

8

a) Der aus der Veräußerung der Zigaretten dem [X.] zufließende Erlös unterliegt gemäß § 73 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB der Einziehung als Surrogat des [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juli 2019 – 1 [X.] Rn. 29; Beschlüsse vom 5. Mai 2021 – 1 [X.] Rn. 8; vom 23. Mai 2019 – 1 [X.] Rn. 20 und vom 4. Juli 2018 – 1 [X.] Rn. 8). Vorliegend hat der Angeklagte jedoch nicht den Erlös aus den Verkäufen erlangt, sondern der gesondert Verfolgte   [X.] hat insgesamt 60.500 € direkt an den Lieferanten des Angeklagten gezahlt. Zwar kann auch die Befreiung von einer Verbindlichkeit grundsätzlich einen Vermögensvorteil darstellen. Daran fehlt es jedoch, wenn das der Verbindlichkeit zugrunde liegende Rechtsgeschäft unwirksam ist und der Täter somit durch die Leistung eines [X.] lediglich von einer unwirksamen – und damit nicht werthaltigen – Verbindlichkeit frei wird (vgl. [X.], Beschlüsse vom 19. Oktober 2021 – 3 StR 331/21 Rn. 3; vom 15. Dezember 2021 – 2 [X.] Rn. 6; vom 6. Mai 2010 – 3 [X.] Rn. 5 jeweils zu Forderungen aus [X.] und vom 26. Oktober 2021 – 2 [X.] Rn. 16 zu einem Schuldenerlass für die Beteiligung an einer Straftat; Eser/[X.] in [X.]/[X.], StGB, 30. Aufl., § 73 Rn. 18).

9

b) Die Nichtigkeit des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts folgt aus § 134 [X.] in Verbindung mit § 374 AO als Verbotsgesetz. Maßgeblich für die Einordnung eines Strafgesetzes als Verbotsgesetz sind Sinn und Zweck des verletzten Strafgesetzes, wobei Strafgesetze im Zweifel als Verbotsgesetze anzusehen sind (vgl. [X.] NJW 1991, 2955, 2956; [X.]/[X.], [X.], 61. Edition, § 134 Rn. 7; [X.], [X.], 9. Aufl., § 134 Rn. 68). Vor dem Hintergrund des Zwecks der Vorschrift der [X.]ei, deren Tatunrecht in der Aufrechterhaltung des steuerrechtswidrigen Zustandes liegt und die verhindern soll, dass unversteuerte und unverzollte Zigaretten in den Verkehr gelangen (vgl. [X.], Urteile vom 15. April 1980 – 5 [X.], [X.]St 29, 239, 242 und vom 7. November 2007 – 5 [X.] Rn. 24; [X.] in [X.], Abgabenordnung, 15. Aufl., § 374 Rn. 1), sind Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte des [X.]s als nichtig anzusehen (vgl. zur Hehlerei gemäß § 259 StGB [X.], [X.], 9. Aufl., § 134 Rn. 70).

Demgemäß hat der Angeklagte durch die direkten Zahlungen des gesondert Verfolgten   [X.]an den Lieferanten keinen Vermögenswert im Sinne von § 73 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB erlangt.

3. [X.] folgt für die Revisionsinstanz aus § 467 Abs. 1 StPO und für den ersten Rechtszug aus § 465 Abs. 2 StPO analog (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Februar 2021 – 1 [X.] Rn. 6 ff.).

III.

Über die lediglich hilfsweise erhobene – und im Übrigen unstatthafte – sofortige Beschwerde gegen die [X.] war angesichts des Erfolgs des Rechtsmittels nicht zu entscheiden.

Jäger     

      

Bellay     

      

Bär     

      

Hohoff     

      

Pernice     

      

Meta

1 StR 19/22

18.05.2022

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stade, 13. Oktober 2021, Az: 60 KLs 18/19

§ 374 AO, § 73 Abs 1 StGB, § 73 Abs 3 Nr 1 StGB, § 73c S 1 StGB, § 134 BGB, § 1 TabStG, §§ 1ff TabStG, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.05.2022, Az. 1 StR 19/22 (REWIS RS 2022, 4472)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4472 NJW 2022, 2703 REWIS RS 2022, 4472

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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