Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2017, Az. 4 StR 53/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 14059

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr: Bereitung eines Hindernisses


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. Oktober 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr verurteilt worden ist, sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen „Diebstahls in zwei Fällen und wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt“. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Verurteilung wegen versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1b StGB (Fall [X.]) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

3

a) Der Angeklagte hatte auf der Flucht vor den ihn verfolgenden Polizeibeamten den von ihm gefahrenen PKW zweimal in dem Moment auf die Gegenfahrbahn der dreispurig ausgebauten Bundesstraße gelenkt, als das Polizeifahrzeug jeweils gerade zum Überholen ansetzte. Das [X.] hat diese Fahrmanöver als Hindernisbereiten im Sinne des § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB gewertet und weiter gemeint, der Angeklagte habe mit „zumindest bedingte(m) [X.] hinsichtlich der konkreten Rechtsgutsgefährdung“ gehandelt. „Die hochgefährliche Fahrweise des Angeklagten und das Werfen der Gegenstände aus dem Fluchtfahrzeug durch den Mittäter belegen, dass der Angeklagte die konkrete Gefährdung der Polizeibeamten und des Streifenwagens zumindest billigend in Kauf genommen hat.“

4

b) Damit ist der Versuch eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nicht belegt.

5

aa) Nach gefestigter Rechtsprechung des [X.]s muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus zu einer kritischen Situation geführt haben, in der - was nach allgemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist - die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache im Sinne eines „[X.]“ so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (vgl. nur [X.]sbeschluss vom 3. November 2009 - 4 [X.], BGHR StGB § 315b Abs. 1 Nr. 3 Eingriff, erheblicher 6 mwN). Bei Vorgängen im fließenden Verkehr muss zu einem bewusst zweckwidrigen Einsatz eines Fahrzeugs in [X.] Absicht ferner hinzukommen, dass das Fahrzeug mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz missbraucht wurde ([X.]surteil vom 20. Februar 2003 - 4 [X.], [X.], 233, 237 f.; Beschluss vom 5. November 2013 - 4 [X.], [X.], 86).

6

bb) Das [X.] hat sich demgegenüber darauf beschränkt, einen bloßen [X.] festzustellen. Der [X.] kann - entgegen der Auffassung des [X.] - auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen, dass der Angeklagte bei seinen gefährlichen Fahrmanövern mit bedingtem Schädigungsvorsatz gehandelt hat.

7

2. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zieht die Aufhebung der - für sich [X.] - tateinheitlichen Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB und der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.

8

3. Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird deutlicher als bisher geschehen darzulegen haben, ob der Angeklagte - gegebenenfalls im Sinne sukzessiver Mittäterschaft - mit dem Hinauswerfen des Feuerlöschers und der weiteren Gegenstände durch seinen Mittäter einverstanden war und dies mit bedingtem Schädigungsvorsatz geschehen ist; der Angeklagte hat dies bestritten.

9

Für den Fall, dass sich in der erneuten Verhandlung ein auch nur bedingter Schädigungsvorsatz des Angeklagten nicht nachweisen lässt, wird der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter eine Strafbarkeit wegen Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB zu erwägen haben.

Sost-Scheible     

       

Roggenbuck     

       

Cierniak

       

[X.]     

       

Bender     

       

Meta

4 StR 53/17

15.03.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Görlitz, 18. Oktober 2016, Az: 150 Js 29561/15 - 2 KLs

§ 315b Abs 1 Nr 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2017, Az. 4 StR 53/17 (REWIS RS 2017, 14059)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 14059

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 53/17 (Bundesgerichtshof)


4 StR 334/17 (Bundesgerichtshof)

Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr: Verkehrsfeindlicher Inneneingriff


4 StR 188/15 (Bundesgerichtshof)

Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte: Notwendige Urteilsfeststellungen bei Zufahren auf eine …


4 StR 188/15 (Bundesgerichtshof)


4 StR 292/05 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.