Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2023, Az. StB 72/23

3. Strafsenat | REWIS RS 2023, 9245

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Tenor

Eine Beschwerdeentscheidung des [X.] über den Antrag des Angeschuldigten vom 20. November 2023, Rechtsanwalt [X.]an Stelle von Rechtsanwalt [X.]    beizuordnen, ist nicht veranlasst.

Die Sache wird zur Entscheidung über den vorgenannten Antrag an das [X.] abgegeben.

Gründe

I.

1

Dem Angeschuldigten sind im Ermittlungsverfahren Rechtsanwalt [X.]    und Rechtsanwältin [X.].    als Pflichtverteidiger bestellt worden. Der Ermittlungsrichter des [X.] hat durch Beschluss vom 9. November 2023 den Antrag des Angeschuldigten vom 24. Oktober 2023 abgelehnt, Rechtsanwalt [X.]    zu entpflichten und an seiner Stelle Rechtsanwalt [X.]zu bestellen (1 [X.] 1404/23). Zur Begründung hat er ausgeführt, dass es an der für eine konsensuale [X.] erforderlichen Zustimmung von Rechtsanwalt [X.]    fehle und die Voraussetzungen eines Verteidigerwechsels gemäß § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] weder vorgetragen noch ersichtlich seien.

2

Mit [X.]riftsatz von Rechtsanwältin [X.].    vom 20. November 2023 hat der Angeschuldigte erneut beantragt, die begehrte Pflichtverteidigerauswechselung vorzunehmen, da nunmehr Rechtsanwalt [X.]    sein Einverständnis mit der einvernehmlichen [X.] gegenüber Rechtsanwältin [X.].    erklärt habe und eine entsprechende Erklärung - wie inzwischen geschehen - gegenüber dem [X.] abgegeben werde. Der [X.] hat mitgeteilt, dem Antrag nicht entgegenzutreten. Der Ermittlungsrichter des [X.] hat daraufhin den vorgenannten [X.]riftsatz als „Beschwerde“ ausgelegt, dieser nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

3

Eine Beschwerdeentscheidung des [X.] ist nicht veranlasst, weil der [X.]riftsatz der Verteidigerin Rechtsanwältin [X.].    vom 20. November 2023 keine sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des [X.] vom 9. November 2023 beinhaltet. Die Eingabe ist einer Auslegung in diesem Sinn nicht zugänglich. Sie stellt vielmehr einen erneuten Antrag des Angeschuldigten auf Aufhebung der Beiordnung von Rechtsanwalt [X.]    und Bestellung von Rechtsanwalt [X.]als weiteren Pflichtverteidiger dar. Zur Entscheidung hierüber ist nach Erhebung der Anklage durch den [X.] das [X.] berufen. Im Einzelnen:

4

1. Beim Verteidigerschriftsatz vom 20. November 2023 handelt es sich nicht um eine sofortige Beschwerde.

5

a) Zwar ist gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des [X.] vom 9. November 2023 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gemäß § 143a Abs. 4, § 304 Abs. 5, § 311 Abs. 1 und 2 [X.] statthaft. Auch ist es nach § 300 [X.] unschädlich, wenn die Anfechtungserklärung das Rechtsmittel, mit dem der Erklärende gegen einen ablehnenden Beschluss vorgeht, nicht bezeichnet. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt jedoch voraus, dass tatsächlich die Überprüfung einer bestimmten gerichtlichen Entscheidung mit dem Ziel ihrer Aufhebung oder Änderung begehrt wird und dieser Anfechtungswille aus der abgegebenen Erklärung unmissverständlich hervorgeht. Der Wille des Erklärenden, gegen eine bestimmte Entscheidung ein zulässiges Rechtsmittel einzulegen, muss deutlich zu erkennen sein. Ihm darf ein - gegebenenfalls für ihn kostenpflichtiges (§ 473 Abs. 1 [X.]) - Rechtsmittel nicht auf unsicherer Tatsachengrundlage aufgedrängt werden (vgl. [X.], Beschluss vom 20. September 2022 - StB 38/22, juris Rn. 6; KK-[X.]/[X.], 9. Aufl., § 300 Rn. 2; LR/[X.], [X.], 26. Aufl., § 300 Rn. 4 ff., jeweils mwN).

6

b) Hier kommt in dem [X.]riftsatz der Verteidigerin vom 20. November 2023 kein Anfechtungswille zum Ausdruck. Dagegen spricht bereits der Wortlaut der Eingabe. So hat der Angeschuldigte beantragt, Rechtsanwalt [X.]an Stelle von Rechtsanwalt [X.]    beizuordnen, ohne ein Rechtsmittel zu bezeichnen. Der Wille des Angeschuldigten, sofortige Beschwerde einzulegen, geht auch nicht aus der Antragsbegründung hervor. Vielmehr stützt er sein Begehren auf den neuen Umstand, wonach Rechtsanwalt [X.]    nunmehr sein Einverständnis mit der begehrten Pflichtverteidigerauswechselung erklärt habe. Hingegen wendet sich der Angeschuldigte nicht gegen den Inhalt des Beschlusses des Ermittlungsrichters des [X.] vom 9. November 2023. Diesem Auslegungsergebnis steht nicht entgegen, dass die Entscheidung über die Ablehnung der [X.] gemäß § 143a Abs. 4, § 311 Abs. 1 und 2 [X.] nach Ablauf der Wochenfrist in Rechtskraft erwächst. Denn durch die nunmehr von Rechtsanwalt [X.]    erklärte Einwilligung liegt eine wesentliche Veränderung der Sach- und Rechtslage vor, auf die ein neuerlicher Antrag gestützt werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom 21. April 2021 - StB 17/21, [X.]R [X.] § 142 Abs. 7 sofortige Beschwerde 1 Rn. 7; [X.] [X.]/[X.], [X.]., § 142 Rn. 48).

7

2. Nachdem der [X.] am 8. Dezember 2023 Anklage gegen den Angeschuldigten zum [X.] erhoben hat, ist für die Entscheidung über die beantragte Pflichtverteidigerauswechselung der Vorsitzende des mit der Sache befassten Strafsenats zuständig (§ 142 Abs. 3 Nr. 3 [X.]). Die Sache ist daher an das [X.] abzugeben.

[X.]äfer                    Berg                    [X.]

Meta

StB 72/23

20.12.2023

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

§ 304 Abs 5 StPO, § 311 Abs 1 StPO, § 311 Abs 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2023, Az. StB 72/23 (REWIS RS 2023, 9245)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9245

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