Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.07.2010, Az. 2 StR 104/10

2. Strafsenat | REWIS RS 2010, 4868

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 [X.] vom 14. Juli 2010 [X.]R: ja [X.]St: ja Veröffentlichung: ja StGB § 235 Abs. 4 Nr. 2 Alt. 2 Die [X.] des § 235 Abs. 4 Nr. 2 Alt. 2 StGB ist ebenso wie die Tatbegehung gegen Entgelt nach § 235 Abs. 4 Nr. 2 Alt. 1 StGB kein besonde-res persönliches Merkmal i.S.v. § 28 StGB. [X.], Beschluss vom 14. Juli 2010 - 2 [X.] - LG Meiningen in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Beihilfe zur Entziehung Minderjähriger - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführer am 14. Juli 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 29. September 2009 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.]. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen. Gründe: Das [X.] hat die Angeklagten wegen Beihilfe zur Entziehung Minderjähriger jeweils zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Mona-ten verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten, mit denen jeweils die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird, führen zur Aufhebung des Straf-ausspruchs; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 1 - 3 - 1. Das [X.] hat Folgendes festgestellt: Der in [X.] lebende gesondert verfolgte [X.] beauftragte Anfang Juni 2007 die als De-tektive tätigen Angeklagten, seine inzwischen in [X.] lebende vierjähri-ge Adoptivtochter zu observieren. Hintergrund hierfür war, dass die Kindesmut-ter sich nach zweijähriger Ehe Ende 2004 von ihm getrennt hatte und mit dem Kind nach [X.] verzogen war. Seitdem versuchte [X.], die Rückfüh-rung des Kindes nach [X.] gerichtlich durchzusetzen. Ihm war 2006 durch ein [X.] Gericht ohne Kenntnis der Kindesmutter das alleinige Sorgerecht für das Kind übertragen worden. Der Titel war zwar in [X.] für voll-streckbar erklärt worden, jedoch fehlte es an einer zur gewaltsamen Rückfüh-rung des Kindes berechtigenden besonderen gerichtlichen Verfügung gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F. Deshalb weigerten sich die zuständigen Behörden, [X.]das Kind unter Anwendung von Zwangsmitteln zuzuführen. [X.] hatte die Kindesmutter die Rückübertragung des alleinigen Sorgerechts vor einem [X.] Gericht beantragt. Die Angeklagten rechneten damit, dass eine gewaltsame Wegnahme des Kindes unzulässig ist. Sie entschlossen sich gleichwohl, [X.] bei der geplanten Entführung des Kindes zu unterstützen. Der Angeklagte [X.] übersandte [X.] mit Kenntnis des Angeklagten [X.]ein Schreiben, in dem er eine mögliche Entführungsstrategie dar-legte. Der Angeklagte [X.]

verfasste zudem Anfang Juni 2006 ein Schriftstück, worin er [X.] um Erteilung eines schriftlichen Auftrags zur Rückführung seiner Tochter bat. Ob es tatsächlich zu einer Auftragserteilung durch [X.] kam, konnte nicht geklärt werden. Wenige Tage vor der eigentli-chen Entführung überführten die Angeklagten im Auftrag von [X.]einen Mietwagen aus [X.]. Sie wussten, dass dieser bei einer möglichen Ent-führung des Kindes Verwendung finden würde. Am 26. Juni 2007 entführten drei unbekannte Täter auftragsgemäß mit diesem Mietwagen das Kind und ver-brachten es zu [X.] nach [X.]. Ob die Angeklagten sich hierunter [X.] - 4 - den, konnte nicht geklärt werden. Für ihre Tätigkeiten erhielten die Angeklagten einen Betrag von mindestens 10.400 • von [X.]. 2. Die Strafkammer hat die Angeklagten wegen Beihilfe zu dem Qualifi-kationstatbestand des § 235 Abs. 4 Nr. 2 StGB (Tatbegehung gegen Entgelt oder in [X.]) verurteilt. Dies ist rechtlich unzutreffend, da die Angeklagten sich lediglich wegen Beihilfe zu dem Grundtatbestand des § 235 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben. Zwar handelten sie selbst in Bereiche-rungsabsicht, sie waren jedoch nicht Täter des § 235 Abs. 4 StGB und der Haupttäter [X.] verwirklichte lediglich den Grundtatbestand des § 235 Abs. 1 StGB. Die [X.] nach § 235 Abs. 4 Nr. 2 Alt. 2 StGB stellt ebenso wie die Tatbegehung gegen Entgelt nach § 235 Abs. 4 Nr. 2 Alt. 1 StGB kein besonderes persönliches Merkmal i.S.v. § 28 Abs. 2 StGB dar, da sie das Tatunrecht kennzeichnet, weshalb die Angeklagten akzessorisch aus dem Strafrahmen des § 235 Abs. 1 StGB haften. 3 3. Die Strafe des Teilnehmers richtet sich grundsätzlich nach der für die Haupttat geltenden Strafandrohung. § 28 Abs. 2 StGB enthält Ausnahmen von diesem Grundsatz der akzessorischen Teilnehmerhaftung. Die Rechtsprechung folgt mit der noch h.L. der Auffassung, dass § 28 Abs. 2 StGB zu einer Tatbe-standsverschiebung führt ([X.]St 6, 308, 311; 8, 205, 208, [X.] StV 1994, 17; [X.] StV 1995, 84; [X.]/[X.] StGB 26. Aufl. § 28 Rn. 1; [X.] in [X.] Kommentar StGB § 28 Rn. 53; [X.] in [X.]/[X.] StGB 28. Aufl. § 28 Rn. 28; [X.]/[X.]/[X.] Strafrecht Allgemeiner Teil 11. Aufl. § 32 Rn. 28, 35; [X.]/Weigend Strafrecht Allgemeiner Teil § 61 VII S. 657). Wenn beim Täter oder Teilnehmer besondere persönliche Merkma-le vorliegen, die die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, wird die Strafe demzufolge dem strengeren oder milderen Strafrahmen entnommen. Die Rechtsprechung differenziert zwischen täterbezogenen Umständen, die als be-4 - 5 - sondere persönliche Merkmale nach § 28 StGB behandelt werden und tatbezo-genen Merkmalen, für die § 28 StGB nicht gilt. Bei den Merkmalen des § 235 Abs. 4 Nr. 2 StGB handelt es sich nicht um besondere persönliche Merkmale i.S.v. § 28 StGB, sondern um tatbezogene Merkmale, die die akzessorische Haftung des Teilnehmers nicht durchbrechen. Dies hat das [X.] ersicht-lich nicht bedacht. In Anlehnung an die reichsgerichtliche Rechtsprechung bejaht der [X.] die Täterbezogenheit eines Merkmals, wenn es Motive und Ge-sinnungen betrifft, die die Persönlichkeit des [X.] kennzeichnen ([X.]St 22, 375, 378; 23, 39, 40). Dagegen handelt es sich um ein tatbezogenes Merkmal, wenn die "Verwerflichkeit der Tat als solcher" erhöht wird ([X.]St 22, 375, 380) oder das Merkmal das äußere Bild der Tat prägt, indem eine besondere Gefähr-lichkeit des [X.] gekennzeichnet ([X.]St 8, 70, 72) oder die Ausfüh-rungsart des Delikts beschrieben wird ([X.]St 23, 103, 105; [X.] NJW 1994, 271, 272). 5 Das Merkmal der Tatbegehung gegen Entgelt gemäß § 235 Abs. 4 Nr. 2 Alt. 1 StGB ist tatbezogen, da die Entgeltlichkeit einen die Tat beschreibenden Umstand darstellt. 6 Soweit ersichtlich, hat die Rechtsprechung noch nicht entschieden, ob die [X.] i.S.v. § 235 Abs. 4 Nr. 2 StGB ein besonderes [X.] Merkmal gemäß § 28 StGB darstellt. Die Literatur qualifiziert die [X.] als tatbezogenes Merkmal mit der Folge, dass § 28 StGB keine Anwendung findet ([X.] in [X.]. § 28 Rn. 38; [X.] in [X.]/[X.] StGB 28. Aufl. § 28 Rn. 20; [X.]/[X.]/[X.] Straf-recht Allgemeiner Teil 11. Aufl. § 32 Rn. 11; [X.] Strafrecht Allgemeiner Teil 6. Aufl. § 20 Rn. 159; [X.]/Kuhlen Strafrecht Allgemeiner Teil I 5. Aufl. 7 - 6 - § 12 Rn. 195 ff.; a.A. [X.] in [X.]. § 28 Rn. 24 ff.). Dieser [X.] folgt der Senat. Bei der [X.] als Absichtsmerkmal [X.] es sich um eine überschießende Innentendenz, die in der Regel nicht ein besonderes persönliches Merkmal i.S.v. § 28 StGB, sondern ein tatbezogenes Merkmal darstellt. Grund hierfür ist deren (Delikts)Charakter als erfolgskupiertes Delikt. Die [X.] erscheint anstelle eines äußeren Merkmals im Tatbestand und stellt damit ein verkapptes Element des äußeren [X.] dar. Sie ist daher funktionell sachlicher Natur. Durch die bloße [X.] des Vollendungszeitpunkts kann ein sonst eindeutig tatbezogenes [X.] (wie die Bereicherung) sich nicht in ein täterbezogenes verwandeln. Hierauf hat der [X.] bereits in seiner Grundsatzentscheidung zur [X.] als besondere persönliche Merkmale i.S.v. § 28 StGB hingewiesen ([X.]St 22, 375, 380). Der Umstand, dass die [X.] im Kontext von § 235 Abs. 4 Nr. 2 StGB einen Qualifikationstatbestand darstellt, ändert an der Ein-ordnung als tatbezogenes Merkmal nichts (vgl. [X.] in [X.]. § 235 Rn. 123). Dementsprechend betrachten Rechtsprechung und h.L. z.B. auch im Rahmen von § 271 Abs. 3 StGB, der das gleiche [X.] enthält wie § 235 Abs. 4 Nr. 2 StGB, die [X.] als tatbezogenes [X.] ([X.] StV 2009, 589, 591; [X.] in LK 12. Aufl. § 271 Rn. 108; Puppe in [X.]. § 271 Rn. 66; [X.]/[X.] in [X.]/[X.] StGB 28. Aufl. § 271 Rn. 45; a.A. [X.] in [X.]. § 271 Rn. 36). 8 Der Schutzzweck des § 235 Abs. 4 Nr. 2 StGB legt ebenfalls eine Tatbe-zogenheit seiner [X.]e nahe. Die Reformierung des [X.] der Entziehung Minderjähriger im Zuge des [X.] vom 26. Januar 1998 diente insbesondere der Eindämmung des organisier-ten und kommerziellen Kinderhandels ([X.]. 13/8587 S. 23). Sofern die [X.] - 7 - handlung gegen Entgelt oder in [X.] vorgenommen wird, [X.] es sich typischerweise um kommerziellen und professionellen Kinderhan-del, was mit einer Erhöhung des Tatunrechts und einer Steigerung der Gefähr-lichkeit für die durch § 235 StGB geschützten Rechtsgüter einhergeht. [X.] deutlich wird dies bei der Alternative der Tatbegehung gegen Entgelt ge-mäß § 235 Abs. 4 Nr. 2 StGB. [X.] ist hier der Umstand, dass die Tat gegen eine Gegenleistung erfolgt. Hierbei handelt es sich, wie bereits oben ausgeführt, zweifelsfrei um einen die Tat beschreibenden Faktor. Nichts anderes gilt auch für die [X.]. 4. Die Angeklagten haben sich danach lediglich wegen Beihilfe zum Grundtatbestand des § 235 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Da das [X.] die Strafe dem nicht anwendbaren Qualifikationstatbestand entnommen hat, war der Strafausspruch aufzuheben und die Sache insoweit zurückzuverwei-sen. 10 [X.] [X.] Eschelbach Ott

Meta

2 StR 104/10

14.07.2010

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.07.2010, Az. 2 StR 104/10 (REWIS RS 2010, 4868)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4868

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