Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.01.2014, Az. VII ZR 177/13

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 8440

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VII ZR 177/13
Verkündet am:

23. Januar 2014

Seelinger-Schardt,

Justizangestellte,

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 242 Cc
a)
Eine Verwirkung kommt nur in Betracht, wenn sich der Verpflichtete im Vertrau-en auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (Bestätigung von [X.], Urteil vom 29.
Januar
2013
-
EnZR
16/12, [X.], 369 Rn.
13).
b)
Diese Voraussetzungen werden nicht allein durch den Vortrag eines auf Rück-zahlung von Honorar in Anspruch genommenen Architekten erfüllt, er habe "natürlich" mit den eingehenden Honorarzahlungen bereits in anderer Weise kalkuliert.

[X.], Urteil vom 23. Januar 2014 -
VII ZR 177/13 -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 23.
Januar
2014
durch den
Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
[X.], die Richterin Safari
Chabestari
und die Richter Kosziol, Dr.
Kartzke und Prof.
Dr.
Jurgeleit
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3.
Zivilsenats des [X.] vom 5.
Juni 2013 aufgeho-ben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin fordert von der Beklagten die Rückzahlung
angeblich über-zahlten Architektenhonorars.
Im Dezember 2003/Januar 2004 schlossen die Parteien einen als "Bera-tungsauftrag" bezeichneten Vertrag mit dem Betreff "Wohnanlage R.

-
Beratung bezüglich Undichtigkeiten und Beseitigung derselben", der eine [X.] nach Stundensätzen vorsieht.
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-
3
-
In der Folgezeit übersandte die Beklagte der Klägerin unter Bezugnahme auf den genannten Vertrag
fünf Honorarabschlagsrechnungen, die aus dem Zeitraum April 2004 bis Februar 2005 datieren und überwiegend Abrechnungen nach Zeitaufwand und Stundensätzen enthalten, mit einem Gesamtbetrag von 19.038,07

Die betreffenden Rechnungsbeträge wurden von der Klägerin sämtlich bezahlt.
Die Beklagte übersandte der Klägerin ferner eine vom 29.
August 2005 [X.] für erbrachte Architektenleistungen be-züglich [X.] mit einem
Bruttobetrag von 13.920

ebenfalls von der Klägerin bezahlt wurde. Darüber hinaus stellte die Beklagte der Klägerin mit [X.] vom 8.
März 2006
für erbrachte
Architekten-leistungen bezüglich [X.] einen Restbetrag von 3.916,95

in Rechnung, der von der Klägerin ebenfalls bezahlt wurde.
Die Beklagte übersandte der Klägerin außerdem
weitere Honorarrech-nungen vom 8.
März 2006
und vom 4.
Dezember 2006 mit einem [X.] von 2.094,80

Auch diese Rechnungsbeträge wurden von der Klägerin bezahlt.
Die Klägerin hat in erster Instanz Rückzahlung eines Betrags von 25.239,61

mit der Begründung, die Beklagte sei auf der Grundlage eines nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure ab-zurechnenden Honorars in dieser Höhe überzahlt.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin, mit der diese den Rückzahlungsbetrag auf 24.033,68

hat, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der Senat
mit Urteil vom 11.
Oktober 2012 -
VII
ZR
10/11, [X.]
2013, 117 = NZBau
2012, 783 = [X.]
2013, 39 das erste Berufungsurteil aufgehoben
und die Sache zur 3
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-
neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwie-sen. Nach der Zurückverweisung hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin erneut zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin
ihre vorinstanzlich gestellten Anträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

I.
Das Berufungsgericht führt im Wesentlichen aus, die geltend gemachten [X.] der Klägerin seien verwirkt. Das [X.] habe mit Recht auf den Einwand der illoyal verspäteten Rechtsausübung hingewiesen, der für sämtliche Rückforderungsbeträge gelte. Denn die Klägerin habe [X.] gegen den von der Beklagten übersandten Architektenvertrag angemeldet, was die Honorierung und deren Grundlage betroffen habe. Deswegen habe sie diesen Vertrag nicht unterschrieben. Sie habe ferner gewusst, dass die [X.] bis dahin auf Stundenlohnbasis abgerechnet habe; eine entsprechende [X.] habe sie auch unterschrieben. Die Klägerin habe damit gewusst, dass die Beklagte nicht auf der Basis der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure abgerechnet habe. Gleichwohl habe die Klägerin in Kenntnis des-sen, dass sie bereits etliche Teilrechnungen auf Stundenlohnbasis honoriert 8
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-
habe, sowohl die auf den nicht zustande gekommenen Architektenvertrag ge-stützten Rechnungen als auch weitere [X.] anstandslos und vorbehaltlos honoriert, obwohl es sich angesichts der aufgezeigten Um-stände geradezu aufgedrängt habe, dass hier möglicherweise eine Überzah-lung im Verhältnis zu dem nach den Grundsätzen der Honorarordnung für Ar-chitekten und Ingenieure
geschuldeten Honorar vorgelegen habe.
Die Klägerin habe dann mehr als zwei Jahre gewartet, bevor sie erstmals [X.] gegenüber der Beklagten geltend gemacht habe. Bis dahin habe die Beklagte darauf vertrauen dürfen, die gezahlten Honorare be-halten zu dürfen.
Auch wenn bislang keine Verjährung eingetreten gewesen sei, sei angesichts der gesamten Umstände von Verwirkung auszugehen.

II.
Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der [X.] ist nicht verwirkt.
1.
Für die Revisionsinstanz ist mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen, dass der Klägerin der
wegen Überzah-lung geltend gemachte
Rückzahlungsanspruch
in voller Höhe zusteht.
2.
Nach der Rechtsprechung des [X.] ist ein Recht ver-wirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Gel-tendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen ([X.]). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Be-trachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichte-10
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te im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 29.
Januar 2013 -
EnZR
16/12, RdE
2013, 369 Rn.
13; Urteil vom 20.
Juli 2010

EnZR
23/09, NJW 2011, 212 Rn.
20
-
Stromnetznutzungsentgelt
IV, [X.]. m.w.[X.]). Allein der Ablauf einer gewissen Zeit nach Entstehung des Anspruchs
vermag das notwendige Umstandsmoment nicht zu begründen (vgl. [X.], Urteil vom 14. Januar 2010 -
VII ZR 213/07, [X.], 618 Rn. 25 = NZBau 2010, 236
= [X.] 2010, 353). Unterliegt ein Rückforderungsanspruch der (kurzen) regelmäßigen Verjährung von drei Jahren (§§
195, 199 BGB), kann eine weite-re Abkürzung dieser Verjährungsfrist durch Verwirkung nur unter ganz beson-deren Umständen angenommen werden (vgl. [X.], Urteil vom 29.
Januar
2013
-
EnZR 16/12,
aaO
Rn.
13; Urteil vom 11.
Oktober 2012

VII
ZR
10/11, [X.]
2013, 117 Rn.
20 = NZBau
2012, 783 = [X.]
2013, 39, [X.]. m.w.[X.]). Denn dem Gläubiger soll die Regelverjährung
grundsätzlich ungekürzt erhalten bleiben, um ihm die Möglichkeit zur Prüfung und Überlegung zu geben, ob er einen Anspruch rechtlich geltend macht (vgl. [X.], Urteil vom 29.
Januar 2013

EnZR
16/12, aaO
Rn.
13).
Nach diesen Maßstäben ist das Recht, die
Überzahlung geltend zu ma-chen, nicht verwirkt. Das Berufungsgericht hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Verwirkung eines der Regelverjährung unterliegenden Anspruchs vor Ablauf der Verjährungsfrist nur unter ganz besonderen Umständen angenom-men
werden kann. Solche Umstände, die im Streitfall zugleich das für die [X.] notwendige Umstandsmoment darstellen würden,
liegen nicht vor. [X.] der Zeitablauf bis zur Geltendmachung der [X.]
ver-mag das notwendige Umstandsmoment nicht zu begründen.
Auch die vorbe-haltlose Begleichung der von der Beklagten gestellten Rechnungen rechtfertigt
-
entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung
-
nicht die Annahme, die 14
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7
-
Beklagte habe sich im Vertrauen auf das Verhalten der Klägerin in ihren [X.] so eingerichtet, dass ihr
durch die verspätete Durchsetzung des
Rück-zahlungsanspruchs
ein unzumutbarer Nachteil entstünde.
Der Vortrag, die Beklagte habe "natürlich"
auch mit den eingehenden Honorarzahlungen bereits in anderer Weise kalkuliert, ist substanzlos und nicht geeignet, einen unzumutbaren Nachteil für die Beklagte zu begründen. [X.] gilt für den Vortrag, sie habe sich "natürlich"
darauf eingestellt, nach Ablauf einiger Jahre nicht mehr in [X.] Weise mit Rückzahlungs-ansprüchen konfrontiert zu werden.

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8
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III.
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie
zur weiteren Sachaufklä-rung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, wobei der Senat von der Möglichkeit des §
563 Abs.
1 Satz
2 ZPO Gebrauch macht.
[X.]
Safari Chabestari
Kosziol

Kartzke

Jurgeleit
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom [X.] -
2-12 O 231/09 -

O[X.], Entscheidung vom 05.06.2013 -
3 U 56/10 -

16

Meta

VII ZR 177/13

23.01.2014

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.01.2014, Az. VII ZR 177/13 (REWIS RS 2014, 8440)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8440

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZR 177/13

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