Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2017, Az. X ARZ 76/17

X. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 8279

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:110717BXARZ76.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X [X.]/17
vom
11.
Juli 2017
in dem Gerichtsstandsbestimmungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] § 17a Abs. 2
a)
Eine Verweisung an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs ist nicht nur im Erkenntnisverfahren möglich, sondern kommt auch in dem [X.] vor-, nach-
oder nebengelagerten Verfahren in Betracht.
b)
Eine im Vollstreckungsverfahren ausgesprochene unanfechtbar gewordene Verweisung an ein Gericht eines anderen Rechtswegs ist für dieses Gericht bindend.
[X.], Beschluss vom 11. Juli 2017 -
X [X.]/17 -
[X.]

-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.] hat am
11.
Juli 2017
durch den [X.] Richter Prof.
Dr.
Meier-Beck, die Richter [X.], Dr.
Bacher und
Dr.
[X.] sowie
die Richterin Dr.
[X.]
beschlossen:
Zuständiges Gericht ist das [X.].
Gründe:
I.
Der Gläubiger hat beim [X.] den Erlass eines Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses aufgrund eines Vergütungsfestset-zungsbeschlusses des [X.] vom 30.
Mai 2016
(Az.
11
A
13761/14) beantragt.
Das Amtsgericht hat nach Anhörung des Gläubigers den Rechtsweg zu den Amtsgerichten als Vollstreckungsgerichten
durch unangefochten gebliebe-nen Beschluss für unzulässig erklärt und das Verfahren entsprechend dem [X.] an das [X.] verwiesen.
Das [X.] hat die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Das Amtsgericht hat die
Verfahrensakten
unter Darlegung seiner Rechtsauffassung hinsichtlich der Zuständigkeit und unter Hinweis auf die Bindungswirkung des [X.] erneut an das Verwaltungsgericht übersandt, das
diese abermals an das Amtsgericht zurückgegeben
hat. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht angegeben, mit dem Antrag auf Erlass eines Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses werde ein Vollstreckungsverfahren eingeleitet, das nicht an ein Gericht eines anderen Rechtswegs verwiesen werden könne, 1
2
-
3
-
weil es sich nicht um ein kontradiktorisches Verfahren mit zwei Verfahrensbetei-ligten handle. Insofern sei es mit dem Verfahren über die Bewilligung von [X.] vergleichbar, bei dem es ebenfalls keinen Antragsgegner gebe
und das vom Anwendungsbereich des §
17a [X.] nicht erfasst werde.
[X.] könne auch im Vollstreckungsverfahren der
Antrag auf Erlass eines Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses nicht
Gegenstand einer [X.] sein, auch wenn im Streitfall der Rechtsweg zu den ordentlichen Ge-richten nicht zulässig
und das Verwaltungsgericht in der Sache ohne Zweifel zuständig sei. Vielmehr müsse das
Amtsgericht den Antrag ablehnen, damit
der Gläubiger ihn dann
beim zuständigen Verwaltungsgericht erneut stellen
könne.
Das [X.] hat die Sache dem [X.] zur Bestim-mung des
zuständigen Gerichts vorgelegt.
II.
Das zuständige Gericht ist in entsprechender Anwendung des §
36 Abs.
1 Nr.
6 ZPO zu bestimmen.
1.
Bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiede-ner Gerichtszweige ist §
36 Abs.
1 Nr.
6 ZPO entsprechend anwendbar. [X.] ein nach §
17a [X.] ergangener und unanfechtbar gewordener Be-schluss, mit dem ein Gericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig er-klärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, nach dem [X.] keiner weiteren Überprüfung unterliegt, ist eine -
regelmäßig deklaratori-sche
-
Zuständigkeitsbestimmung entsprechend §
36 Abs.
1 Nr.
6 ZPO im [X.] einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit geboten, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über
die Bindungswirkung der Verweisung kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte be-reit ist, die Sache zu bearbeiten, oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, dass der Rechtsstreit von diesem nicht prozessord-nungsgemäß gefördert werden wird, obwohl er gemäß §
17b Abs.
1 [X.] vor 3
4
-
4
-
ihm anhängig ist ([X.], Beschluss vom 29. April 2014
-
X
ARZ
172/14, NJW 2014, 2125 Rn.
5; Beschluss vom 14.
Mai
2013 -
X
ARZ
167/13, MDR
2013, 1242 Rn.
5
mwN).
So liegt der Fall hier.
Sowohl das
Verwaltungsgericht als auch das [X.] haben eine inhaltliche Befassung mit der Sache abgelehnt.
2.
Der [X.] ist für die Entscheidung zuständig. Sofern zwei Gerichte unterschiedlicher Rechtswege ihre Zuständigkeit verneint haben, obliegt die Bestimmung des zuständigen Gerichts demjenigen obersten Ge-richtshof des [X.], der zuerst darum angegangen wird ([X.], NJW
2014, 2125
Rn.
7 mwN).
3.
Zuständiges Gericht ist das [X.]. Seine [X.] ergibt sich aus der Bindungswirkung des rechtskräftigen [X.] des Amtsgerichts nach §
17a Abs.
2 Satz
3 [X.].
a)
Ein nach §
17a [X.] ergangener Beschluss, mit dem ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das
Gericht eines anderen Rechtswegs verwiesen hat, ist einer weiteren Über-prüfung entzogen, sobald er unanfechtbar geworden ist. Ist das zulässige Rechtsmittel nicht eingelegt worden oder ist es erfolglos geblieben oder zurück-genommen worden, ist die Verweisung für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs gemäß §
17a Abs.
2 Satz
3 [X.] bindend ([X.], NJW 2014, 2125 Rn.
9; MDR
2013, 1242 Rn.
9).
So ver-hält es sich hier, denn eine Beschwerde nach §
567
ZPO an das [X.] (vgl. §
17a Abs.
4 Satz
3 [X.]) ist innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht eingelegt worden.
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6
7
8
-
5
-

b)
Für eine Durchbrechung der Bindungswirkung, wie sie im Anwen-dungsbereich des §
281 Abs.
1 ZPO insbesondere für objektiv willkürliche Ent-scheidungen anerkannt ist, ist grundsätzlich kein Raum ([X.], Beschluss vom 29. April 2014 -
X
ARZ
172/14, NJW 2014, 2125 Rn.
12).
Das gesetzliche Mittel zur Sicherung einer Entscheidung durch das Gericht des zulässigen [X.] ist allein die Eröffnung des [X.] gegen den [X.]. Steht den Parteien aber ein Rechtsmittel zu Gebote und wird dieses nicht genutzt, besteht kein Anlass, dem Gericht des für zulässig erklärten Rechtswegs die Befugnis zuzubilligen, sich an die Stelle des Rechtsmittelge-richts zu setzen ([X.], MDR
2013, 1242 Rn.
12).
c)
Der [X.] hat bislang offenlassen können, ob Ausnah-mefälle denkbar sind, in denen die bindende Wirkung einer rechtskräftigen Verweisung zu verneinen ist. Diese Frage bedarf auch im Streitfall keiner Ent-scheidung.
Nach der Rechtsprechung des Senats kommt eine Ausnahme von der Bindungswirkung allenfalls bei extremen Verstößen gegen die den [X.] und seine Bestimmung regelnden materiell-
und verfahrensrechtlichen Vorschriften in Betracht ([X.], NJW
2014, 2125 Rn.
13 mwN).
Ein solcher Verstoß liegt im Streitfall nicht vor:
Das Verwaltungsgericht ist, wie es auch nicht in Frage stellt,
als [X.] nach §
167 Abs.
1 Satz
2 VwGO zuständig ([X.]/[X.]/
Bier/Pietzner, VwGO, Stand: 10/2016, §
167 Rn.
13). Die Verweisung an das Verwaltungsgericht nach
§
17a
Abs.
2 [X.] begegnet keinen Bedenken. §
17a Abs.
2 [X.] findet grundsätzlich für Vollstreckungsverfahren Anwendung, die beim Vollstreckungsgericht des unzulässigen Rechtswegs eingeleitet worden sind (vgl.
[X.], NJW 2014, 2125). Der Begriff "Rechtsstreit"
in §
17a Abs.
2 [X.] meint nicht nur das kontradiktorische Erkenntnisverfahren, sondern kann 9
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11
12
-
6
-
weitere, dem Erkenntnisverfahren vor-, nach-
oder nebengelagerte Verfahren erfassen. Dies
folgt aus dem Wortlaut, der in §
17a Abs.
2 Satz
2 [X.]
neben dem Kläger den Antragsteller aufführt,
und entspricht dem Ziel
der Regelung, Gerichtsverfahren zu vereinfachen
und
zu beschleunigen, indem ohne langwie-rige Zuständigkeitsstreitigkeiten Klarheit über den zulässigen Rechtsweg [X.] werden kann. Dieses Bedürfnis
besteht für Zwangsvollstreckungsverfah-ren gleichermaßen wie für Klageverfahren, Prozesskostenhilfeverfahren
(vgl.
[X.], Beschluss
vom 26.
Juli 2001 -
X
ARZ
132/01, NJW
2001, 3633; Be-schluss
vom 30.
Juli 2009
-
Xa
ARZ
167/09, NJW
2010, 209 Rn.
13 mwN;
[X.]/[X.], [X.], 8.
Aufl. 2015,
§
17 Rn.
7 mwN) und
Verfahren des vor-läufigen Rechtsschutzes
(vgl.
[X.], Beschluss
vom 5.
April 2001
-
III ZB 48/00, NJW 2001, 2181 (2182); [X.], Beschluss
vom 19.
Dezember 2002

-
I [X.], [X.], 1194;
[X.], Beschluss
vom 29.
Juli 2004
-
III [X.], NJW-RR 2005, 142;
Kissel/[X.], [X.], aaO §
17 Rn.
7
mwN).
Überdies
hätte das Verwaltungsgericht das Verfahren trotz seiner Auffassung, dass eine Rechtswegverweisung unzulässig sei, ohne weiteres übernehmen können
und müssen, nachdem der Gläubiger mit seinem Verweisungsantrag zum Ausdruck gebracht hat, den Antrag auf Erlass eines Pfändungs-
und Überweisungsbe-schlusses vor dem zuständigen Gericht weiterverfolgen
zu wollen.
Die Bindungswirkung des [X.] entfällt für das [X.] nicht deshalb, weil
der Schuldner am Vollstreckungsverfahren bislang nicht beteiligt worden ist. Zum einen kann die Bindungswirkung [X.], wenn von einer Anhörung der Parteien, ohne das Willkürverbot zu verlet-zen, abgesehen worden ist ([X.]/[X.]/Bier/[X.], VwGO, aaO §
17a [X.] Rn.
15
mwN). Zum anderen ist der Schuldner vor der Pfändung über das [X.] nicht zu hören, §
834 ZPO. Dies gilt auch dann, wenn der Antrag auf Überweisung mit dem Pfändungsantrag verbunden wird (Zöl-ler/Stöber, ZPO, aaO §
834 Rn.
2).
Um den [X.] nicht zu [X.]
-
7
-
fährden, ist eine Entscheidung über den Rechtsweg ohne Anhörung und ohne Zustellung an den Schuldner zulässig (vgl. [X.], Beschluss vom 2.
März 1983
-
IVb
ARZ 49/82, NJW
1983, 1859 zur Zuständigkeitsbestimmung nach §
36 Nr.
6 ZPO; [X.]/Lückemann, ZPO, aaO §
17a
[X.] Rn.
10).
Mögliche auf eine Überprüfung des Rechtswegs gerichtete Rechtsbehelfe des
Schuldners bleiben hiervon unberührt.

Meier-Beck
[X.]
Bacher

[X.]
[X.]
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 25.01.2017
-
711 M 116661/16 -

Meta

X ARZ 76/17

11.07.2017

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ARZ

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2017, Az. X ARZ 76/17 (REWIS RS 2017, 8279)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8279

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