Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2011, Az. III ZR 90/10

III. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 4975

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
III ZR 90/10

Verkündet am:

7. Juli 2011

K i e f e r

Justizangestellter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-

2

-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2011 durch den Vizepräsidenten [X.] und [X.],
[X.], Hucke
und Tombrink

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 15. März 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte zu 2 (im Folgenden: Beklagte) mit seiner im Dezember 2007 eingereichten Klage unter dem Vorwurf fehlerhafter Anla-geberatung auf Schadensersatz in Anspruch.

Auf Empfehlung eines für die Beklagte tätigen Handelsvertreters zeich-nete der Kläger im Mai 2001 eine Beteiligung an der F.

Beteiligungsgesell-schaft
74 GmbH & Co. KG (im Folgenden: F.

-Fonds 74), einem geschlosse-nen Immobilienfonds, über eine Summe
von 50.000
DM (nebst 5
% Agio). [X.] Anlage finanzierte der Kläger in Höhe von 40.000
DM über ein Darlehen bei 1
2
-

3

-

einer Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1. Für das zweite Halbjahr 2004 stellte der F.

-Fonds 74 seine Ausschüttungen ein und befindet sich seitdem in wirtschaftlichen Schwierigkeiten.

Der Kläger hat behauptet, er habe ausdrücklich eine sichere Anlage oh-ne zusätzliche
finanzielle Belastungen gewünscht. Der ihn beratende Handels-vertreter der Beklagten habe die Kapitalanlage unzutreffend als maximal wert-haltig, [X.] und steuersparend, als "finanziellen Selbstläufer"
sowie als absolut sicher und verlustrisikolos dargestellt. Er habe weiter erklärt, die Anlage biete eine Mindestrendite von 7,5
% (bzw. 7 %) jährlich, einen zuverlässigen Vermögenszuwachs und nach Ablauf von zehn Jahren eine freie Veräußerbar-keit sowie ein zusätzliches Einkommen aus den Ausschüttungen.
Den Anlage-prospekt
habe er, der Kläger, erst nach Zeichnung der Anlage übersandt erhal-ten; während der Beratungsgespräche sei ein
Prospekt für den F.

-Fonds
73 ([X.], dem der Kläger zunächst beitreten wollte) nur "lose durchge-blättert"
und hierbei lediglich auf die darin enthaltenen Bilder hingewiesen [X.], ohne den (weiteren) Inhalt anzusprechen. Der Kläger hat geltend ge-macht, er sei weder anleger-
noch objektgerecht beraten worden. Insbesondere habe er keine Aufklärung über den unternehmerischen Charakter der Beteili-gung, die Verlustrisiken bis hin zum Totalverlustrisiko, die hohe Kreditfinanzie-rung der Fondsimmobilien, deren mangelnde Werthaltigkeit und die stark ein-geschränkte Fungibilität der Beteiligung erhalten. Zudem habe die Beklagte
weder über die wirtschaftliche Schieflage der F.

-Gruppe und des Mietgaran-tiegebers noch über eine kritische Meldung in der [X.]ung "[X.]" vom 1.
April 2001 noch über Mängel des Anlageprospekts (hier vor allem: un-realistische und irreführende
Renditeaussichten) informiert.

Die Beklagte ist diesem Vorbringen im Einzelnen entgegengetreten.
3
4
-

4

-

Das Landgericht hat die Klage in Richtung auf die Beklagte durch [X.] abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung des [X.] ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom erkennenden [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen [X.] weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des [X.] Urteils und Zurückverweisung der Sache
an das Berufungsgericht.

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind Schadensersatzansprüche des [X.], soweit auf der Grundlage seines streitigen Vortrags [X.] in Betracht kommen, verjährt. Es hat hierzu ausgeführt:

Zwischen den Parteien sei ein Anlageberatungsvertrag geschlossen worden. Wenn man den vom Kläger geschilderten Inhalt des [X.] als wahr zu Grunde lege, habe die Beklagte ihre vertraglichen Pflichten zur anleger-
und objektgerechten Beratung verletzt. Soweit hiernach für die An-lageentscheidung des [X.] ursächliche Beratungsmängel in Betracht kä-men, seien Schadensersatzansprüche indes verjährt. Die Voraussetzungen für den Beginn der Verjährungsfrist hätten bereits zum 1.
Januar 2002 vorgelegen mit der Folge des Ablaufs der Verjährungsfrist am 31.
Dezember 2004. Es sei dem Kläger als grob fahrlässige Unkenntnis der behaupteten Beratungsfehler 5
6
7
8
-

5

-

anzulasten, dass er schon im Jahre 2001 deutliche Warnhinweise ignoriert ha-be und sich aufdrängenden Fragen zum Beratungsinhalt nicht nachgegangen sei. Der Kläger habe die ihm zur Unterschrift vorgelegten Vertragsunterlagen inhaltlich zur Kenntnis nehmen müssen. Aus dem [X.] vom 25.
April 2001, der [X.] vom gleichen Tage sowie aus den Beitritts-erklärungen vom 25.
April (betreffend F.

-Fonds 73) und 8.
Mai 2001 (bezüg-lich F.

-Fonds 74) habe er erkennen können und müssen, dass die [X.] Angaben des Anlageberaters in für die Anlageentscheidung zentralen Punkten unzutreffend beziehungsweise unvollständig gewesen seien und ihm eine von den Fondsinitiatoren und der Beklagten als bedeutsam eingestufte Informationsquelle, nämlich der Verkaufsprospekt, vorenthalten worden sei. In Anbetracht der hier getroffenen weit reichenden Investitionsentscheidung [X.] es unbedingt zu der
in eigenen Angelegenheiten einzuhaltenden Sorgfalt, dass sich der [X.] anhand des vorgehaltenen Informationsmate-rials
vergewissere, inwieweit die Kapitalanlage seinen Vorstellungen und Wün-schen entspreche und welche Risiken sie berge. Die unterbliebene Nachfrage nach dem Prospekt
sei umso unverständlicher, als der -
in Geldanlagen nicht unerfahrene
-
Kläger in beiden Zeichnungsscheinen mit gesonderter Unter-schrift jeweils ausdrücklich die Aushändigung des Prospekts bestätigt habe. Aus dem Prospekt habe der Kläger unschwer -
auch ohne vertiefte Lektüre
-
den unternehmerischen Charakter der Beteiligung und die damit verbundenen Risiken erfahren und zudem entnehmen können, dass diese Beteiligung für seine Anlageziele ungeeignet gewesen sei.

-

6

-

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.

1.
Soweit das Berufungsgericht annimmt, dass ein Anlageberatungsvertrag geschlossen worden ist und aufgrund des streitigen Vortrags
des [X.] zum Inhalt des Beratungsgesprächs Schadensersatzverpflichtungen der Beklagten wegen [X.] in Betracht kommen, wird dies von den Parteien im Revisionsverfahren
nicht beanstandet; aus revisionsrechtlicher Sicht bestehen hiergegen auch
keine Bedenken.

2.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Verjährung des Klagean-spruchs sind jedoch nicht frei von Rechtsfehlern.

a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der hier in [X.] stehende Schadensersatzanspruch wegen positiver Vertragsverletzung (Art.
229 §
5 Satz
1 EGBGB) im Jahre 2001, nämlich mit dem von der [X.] empfohlenen Erwerb der Beteiligung an dem geschlossenen Immobilien-fonds F.

-Fonds
74, entstanden ist (§
198 Satz
1 BGB a.F.) und mithin [X.] der 30jährigen Verjährungsfrist nach §
195 BGB a.F. unterlag. Der auf einer fehlerhaften Beratung beruhende Erwerb einer für den Anlageinteressen-ten nachteiligen, seinen konkreten Anlagezielen und Vermögensinteressen nicht entsprechenden Kapitalanlage stellt bereits für sich genommen einen Schaden dar und berechtigt ihn deshalb -
unabhängig von der (ursprünglichen) Werthaltigkeit der Anlage
-
dazu, im Wege des Schadensersatzes die [X.] der Anlage zu verlangen; der Schadensersatzanspruch entsteht hierbei schon mit dem (unwiderruflichen und vollzogenen) Erwerb der 9
10
11
12
-

7

-

Kapitalanlage ([X.]surteile vom 8.
Juli 2010 -
III
ZR 249/09, [X.], 152, 159
f Rn.
24 mwN;
vom 22.
Juli 2010 -
III
ZR 99/09, [X.] 2011, 68 Rn.
12; vom 22.
Juli 2010 -
III
ZR 203/09, [X.] 2010, 1026, 1027 Rn.
10
und vom 24.
März 2011 -
III
ZR 81/10, [X.], 874, 875 Rn.
9).

b) Gemäß Art.
229 §
6 Abs.
1 Satz
1 und Abs.
4 Satz
1 EGBGB gilt seit dem 1.
Januar 2002 für den bis dahin nicht verjährten Schadensersatzanspruch die dreijährige Regelverjährung nach §
195 BGB n.F., wobei für den Fristbeginn nunmehr zusätzlich zur Anspruchentstehung (§
199 Abs.
1 Nr.
1 BGB n.F.) die subjektiven Voraussetzungen nach §
199 Abs.
1 Nr.
2 BGB vorliegen müssen; der Gläubiger muss also von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt haben oder seine diesbezügliche Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruhen (s. etwa [X.]surteile vom 19.
November 2009 -
III
ZR
169/08, [X.], 118, 119 Rn.
13; vom 8.
Juli 2010 aaO S.
160 Rn.
25 mwN;
vom 22.
Juli 2010 -
III
ZR 99/09 aaO Rn.
11; vom 22.
Juli 2010 -
III
ZR 203/09 aaO Rn.
11 und vom 24.
März 2011 aaO Rn.
10 mwN; [X.], Urteile vom 9.
November 2007 -
V
ZR 25/07, [X.], 506 Rn.
8 mwN; vom 3.
Juni 2008 -
XI
ZR
319/06, [X.], 2576, 2578 Rn.
23; vom 10.
November 2009 -
VI
ZR 247/08, [X.], 214, 215
Rn.
10 und vom 15.
Juni 2010 -
XI
ZR 309/09, [X.], 1399, 1400 Rn.
11). Für eine dahingehende Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis des [X.] trägt der Schuldner -
hier also die Beklagte
-
die Darlegungs-
und Beweislast (s. etwa [X.]surteile vom 8.
Juli 2010 aaO; vom 22.
Juli 2010 -
III
ZR 203/09 aaO
und vom 24.
März 2011 aaO S.
875 Rn.
10 und S.
876 Rn.
17 mwN).

Insoweit sind folgende Maßgaben zu beachten:

13
14
-

8

-

aa) Die kenntnisabhängige regelmäßige Verjährungsfrist nach §§
195, 199 Abs.
1 BGB berechnet sich für jeden Beratungsfehler (bezüglich von [X.] abgrenzbarer, offenbarungspflichtiger Umstände) gesondert; die Vo-raussetzungen des §
199 Abs.
1 Nr.
2 BGB sind getrennt für jede Pflichtverlet-zung zu prüfen, und jede Pflichtverletzung ist in dieser Hinsicht
verjährungs-rechtlich selbständig zu behandeln (s. dazu [X.], Urteile vom 9.
November 2007 aaO S.
507 Rn.
17 und vom 23.
Juni 2009 -
XI
ZR
171/08, [X.], 372, 373 Rn.
14; [X.]surteile vom 19.
November 2009 aaO S.
119
f Rn.
15;
vom 22.
Juli 2010 -
III
ZR 203/09 aaO Rn.
13
und vom 24.
März 2011 aaO Rn.
11). Die verjährungsrechtlich gesonderte Prüfung mehrerer Pflichtverlet-zungen setzt nicht voraus, dass jede dieser Pflichtverletzungen eigenständige oder zusätzliche Schadensfolgen nach sich gezogen hat. Es genügt vielmehr, dass mehrere (von einander abgrenzbare) Pflichtverletzungen zum Gesamt-schaden beigetragen haben und ein Schadensersatzanspruch
auf mehrere (von einander abgrenzbare) Fehler gestützt wird ([X.], Urteile vom 9.
No-vember 2007 aaO und vom 23.
Juni 2009 aaO; [X.]surteile vom 19.
No-vember 2009 aaO;
vom 22.
Juli 2010 -
III
ZR 203/09 aaO
und vom 24.
März 2011 aaO S.
875
f Rn.
14
ff).

bb) Kenntnis vom Schaden und der Person des [X.] liegt im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadenser-satzklage, sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage, Erfolg verspre-chend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Weder ist notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Auch kommt es -
abgesehen von Ausnahmefällen
-
nicht auf die zu-treffende rechtliche Würdigung an. Vielmehr genügt im Grundsatz die Kenntnis 15
16
-

9

-

der den [X.] begründenden tatsächlichen Umstände. Hierzu gehört in Fällen unzureichender Beratung oder Aufklärung auch die Kenntnis der Um-stände einschließlich der wirtschaftlichen Zusammenhänge, aus denen sich die Rechtspflicht zur Aufklärung ergibt. Die dem Geschädigten bekannten Tatsa-chen müssen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des [X.] als nahe liegend erscheinen zu lassen. Es muss dem Geschädigten -
lediglich
-
zumutbar sein, auf Grund dessen, was ihm hinsicht-lich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Klage zu erheben, wenn auch mit dem verbleibenden Prozessrisiko, insbesondere hinsichtlich der Nach-weisbarkeit von Schadensersatz auslösenden Umständen (s. zu alldem etwa [X.], Urteile vom 3.
Juni 2008 aaO S.
2578
f Rn.
27
f mwN; vom 23.
Septem-ber 2008 -
XI
ZR 253/07, NJW-RR 2009, 544, 546 Rn.
32
f; vom 10.
November 2009 aaO S.
216 Rn.
14 und vom 15.
Juni 2010 aaO Rn.
12).

cc) [X.]e Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und sub-jektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt
voraus. [X.] fahrlässige Unkenntnis im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
2 BGB liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, wie etwa dann, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hat. Dem Gläubiger muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in [X.] eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung, eine schwere Form von "Verschulden gegen sich selbst", vorgeworfen werden können ([X.]surteile vom 8.
Juli 2010 aaO S.
161 Rn.
28 mwN;
vom 22.
Juli 2010 -
III
ZR 99/09 aaO Rn.
16 sowie III
ZR 203/09 aaO Rn.
12; [X.], Urteil vom 10.
November 2009 aaO S.
215 Rn.
13 mwN). Ihn trifft indes generell keine Obliegenheit, im [X.]
-

10

-

resse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der [X.] zu betreiben; vielmehr muss das Unterlassen von [X.] nach Lage des Falles als geradezu unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden des Gläubigers bejahen zu können ([X.] vom 8.
Juli 2010 aaO S.
161
f Rn.
28 und vom 22.
Juli 2010 -
III
ZR 203/09 aaO; [X.], Urteil
vom 10.
November 2009 aaO S.
216 Rn.
15
f mwN).

c) Diesen Maßgaben wird die Würdigung des Berufungsgerichts nicht in vollem Umfang gerecht. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an das Vorliegen grob fahrlässiger Unkenntnis im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
2 BGB nicht in jeder Hinsicht zutreffend erkannt.

aa) Wie der [X.] inzwischen -
nach Erlass des Berufungsurteils
-
mehr-fach entschieden hat, genügt der Umstand, dass der [X.] den ihm überlassenen Emissionsprospekt nicht durchgelesen hat, für sich allein genommen noch nicht, um den Vorwurf einer grob fahrlässigen Unkenntnis von Auskunfts-
oder [X.] des Anlageberaters oder -vermittlers, die als solche aus der Lektüre des Prospekts ersichtlich wären, zu begründen (Se-natsurteile vom 8.
Juli 2010 aaO S.
162
ff Rn.
29
ff;
vom 22.
Juli 2010 -
III
ZR 99/09 aaO S.
68 Rn.
13 und S.
69 Rn.
17
ff; vom 22.
Juli 2010
-
III
ZR 203/09 aaO S.
1027
f Rn.
15
ff
und vom 5.
Mai 2011 -
III
ZR 84/10, BeckRS 2011, 13871 Rn.
19). Der Anleger, der bei seiner Entscheidung die besonderen Er-fahrungen und Kenntnisse eines Anlageberaters oder -vermittlers in Anspruch nimmt, misst den Ratschlägen, Auskünften und Mitteilungen des Beraters oder Vermittlers, die dieser ihm in einem persönlichen Gespräch unterbreitet, be-sonderes Gewicht bei. Die Prospektangaben, die notwendig allgemein gehalten sind und deren Detailfülle, angereichert mit volks-, betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Fachausdrücken, viele Anleger von einer näheren Lektüre 18
19
-

11

-

abhält, treten demgegenüber regelmäßig in den Hintergrund. Vertraut daher der Anleger auf den Rat und die Angaben "seines"
Beraters oder Vermittlers und sieht er deshalb davon ab, den ihm übergebenen Anlageprospekt durchzuse-hen und auszuwerten, so ist darin im Allgemeinen kein in subjektiver und objek-tiver Hinsicht "grobes Verschulden gegen sich selbst"
zu sehen. Unterlässt der Anleger eine "Kontrolle"
des Beraters oder Vermittlers durch Lektüre des [X.], so weist dies auf das bestehende Vertrauensverhältnis hin und ist deshalb für sich allein genommen nicht schlechthin "unverständlich"
oder "un-entschuldbar"
([X.]surteile vom 8.
Juli 2010 aaO S.
163
f Rn.
33; vom 22.
Juli 2010 -
III
ZR 203/09 aaO S.
1028 Rn.
15
sowie III
ZR 99/09 aaO
S.
69 Rn.
19).
Sofern im Einzelfall aus besonderen Gründen konkreter Anlass dafür entsteht, den Emissionsprospekt wegen des Verdachts auf eine bestimmte Pflichtverlet-zung (Beratungs-
oder Auskunftsfehler) durchzulesen, beschränkt sich die [X.] des Anlegers auf die diese Pflichtverletzung unmittelbar betreffenden Passagen des Prospekts; sie erstreckt sich mithin nicht (jedenfalls: nicht ohne Weiteres) auf weitere abgrenzbare, aus der Lektüre anderer Passagen des Prospekts etwa ersichtliche Aufklärungsfehler des Beraters
oder Vermittlers ([X.]surteil vom 22.
Juli 2010 -
III
ZR 203/09 aaO S.
1028 Rn.
18
f).

bb) Hiernach beanstandet die Revision zu Recht, dass das Berufungsge-richt eine den Beginn der Verjährung auslösende grob fahrlässige Unkenntnis des [X.] von den behaupteten [X.] im [X.] daraus hergeleitet hat, dass der Kläger die Anforderung und Lektüre des Emissionsprospekts -
den er seiner Behauptung nach erst einige [X.] nach der Zeichnung der Betei-ligung erhielt
-
unterlassen habe. Dies vermag nach der erwähnten [X.]s-rechtsprechung noch keine grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
2 BGB zu begründen.

20
-

12

-

Soweit das Berufungsgericht eine grob fahrlässige Unkenntnis des Klä-gers -
zusätzlich
-
aus weiteren Umständen, insbesondere
aus der unterbliebe-nen Beachtung von Hinweisen und gesondert unterzeichneten Erklärungen in anderen Vertragsunterlagen, entnimmt, hält dies den Angriffen der Revision und der hierauf bezogenen rechtlichen Überprüfung ebenfalls nicht stand. Aus diesen Umständen ergibt sich kein derart deutlicher und auffälliger Hinweis auf (etwaige) Beratungsfehler, dass eine grob fahrlässige Unkenntnis des [X.] angenommen werden könnte.

Dem [X.] vom 25.
April 2001
sind keinerlei "Warnhinweise"
zu entnehmen. Aus dem Darlehensvertrag vom 25.
April/8.
Mai 2001
konnte der Kläger zwar erkennen, dass am 30.
April 2011 noch ein Darlehensbetrag von 22.874,90
DM offen stehen würde. Dies mag möglicherweise einen Anhalt geben für die Unrichtigkeit der behaupteten Beratung dahin, dass die Anlage nach Ablauf von zehn Jahren Überschüsse und ein "zusätzliches Einkommen"
erbringen werde, aber noch keinen Aufschluss über die Unrichtigkeit der be-haupteten Beratung des Inhalts, dass sich die Anlage finanziell (über Ausschüt-tungen und Steuervorteile) durchgehend selbst trage, und -
erst recht
-
nicht über die weiteren vom Kläger gerügten Beratungsfehler.

Die Beitrittserklärungen vom 25.
April und 8.
Mai 2001
enthalten die (formularmäßige) Angabe, dass der Anleger den [X.] vollinhaltlich zur Kenntnis genommen habe, sowie eine gesondert unterzeichnete "Informati-onsbestätigung", wonach der Anleger den vollständigen Prospekt ausgehändigt bekommen habe, ihm ausreichend [X.] geblieben sei, den [X.] zur Kenntnis zu nehmen, und weitere über den [X.] hinausgehende Ver-sprechungen und Zusicherungen nicht gemacht worden seien. Hieraus ergibt sich kein Anhalt für vom behaupteten Beratungsinhalt abweichende Risikohin-21
22
23
-

13

-

weise, zumal nicht derart, dass der Anleger nicht ohne grobe Fahrlässigkeit von der Durchsicht des Anlageprospekts (und der damit verbundenen "Kontrolle"
der Angaben "seines"
Beraters) absehen dürfte. Mithin bedarf es entgegen der Ansicht der Revision keiner Entscheidung, ob diese formularmäßigen Bestäti-gungen gemäß §§
307
ff
BGB unwirksam sind.

Die "[X.]"
vom 25.
April 2001 enthält unter Nummer
6 zwar eine Reihe von Hinweisen. Diese sind aber nicht geeignet, die Annahme einer grob fahrlässigen Unkenntnis des [X.] von der Unrichtigkeit des [X.] Inhalts der mündlichen Beratung zu stützen. Insbesondere die angeblich zugesagten ([X.]-)Merkmale der "Sicherheit", "selbst tragenden Finanzierung"
sowie dauerhaften, stabilen und hohen "Rentabilität"
der Anlage werden durch diese Hinweise nicht -
jedenfalls nicht mit der nötigen Klarheit und Auffälligkeit
-
in Zweifel gezogen; vielmehr wird vornehmlich auf den langfristigen Charakter der Kapitalanlage und mögliche Abschläge im Falle einer vorzeitigen Veräuße-rung (also auf eine solchermaßen eingeschränkte Fungibilität) aufmerksam gemacht (s. Nummer 6.1. und 6.2.).

Auch die übrigen vom Berufungsgericht angeführten Fallumstände ver-mögen keine grob fahrlässige Unkenntnis des [X.]
zu begründen. Dies gilt insbesondere für die
"Anlageerfahrung"
des [X.]. Diese
beschränkte sich zur damaligen [X.] -
worauf die Revision zutreffend hinweist
-
auf eher "[X.]"
Kapitalanlagen (nämlich: Spareinlagen, Sparbriefe etc.); über spezifi-sche Kenntnisse über Anlagen in geschlossenen Immobilienfonds verfügte der Kläger -
soweit ersichtlich
-
nicht.

24
25
-

14

-

d) Somit tragen die gegebene Begründung und die bisherigen [X.] nicht die Folgerung, dass der [X.] verjährt sei.

3.
Das Berufungsurteil ist nach alldem aufzuheben (§
562 Abs.
1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
563 Abs.
1 ZPO). Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht insbesondere zum Vorliegen von haftungsbegründenden [X.] -
von seinem Standpunkt aus folge-richtig
-
keine abschließenden Feststellungen getroffen hat und die Sache [X.] nicht zur Endentscheidung reif ist (§
563 Abs.
3 ZPO). Das Berufungsge-richt hat hiernach Gelegenheit, sich mit dem weiteren Vorbringen der Parteien in der Revisionsinstanz zu befassen.

[X.]

[X.]
Herrmann

Hucke
Tombrink
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 07.07.2009 -
11 O 3019/07 -

OLG [X.], Entscheidung vom 15.03.2010 -
4 U 160/09
-

26
27

Meta

III ZR 90/10

07.07.2011

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2011, Az. III ZR 90/10 (REWIS RS 2011, 4975)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4975

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

III ZR 186/10 (Bundesgerichtshof)


III ZR 47/15 (Bundesgerichtshof)


III ZR 186/10 (Bundesgerichtshof)

Verjährungsbeginn bei Aufklärungs- und Beratungsfehlern: Unterlassene Lektüre des Emissionsprospektes in der Widerrufsfrist als grobe Fahrlässigkeit


VI ZR 135/10 (Bundesgerichtshof)


III ZR 47/15 (Bundesgerichtshof)

Verjährungsbeginn für Schadensersatzansprüche gegen Kapitalanlageberater: Grob fahrlässige Unkenntnis des Kapitalanlegers von Beratungsfehlern


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.