Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.07.2020, Az. 5 StR 80/20

5. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1868

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Strafverfahren: Beweiswürdigung durch das Tatgericht


Tenor

Die Revision der Nebenklägerin gegen das Urteil des [X.] vom 27. August 2019 wird verworfen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision erstrebt die Nebenklägerin die Aufhebung des Freispruchs. Das vom [X.] vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

2

1. Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift hat die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last gelegt, am7. Dezember 2016 gegen 1 Uhr mit der auf dem Sofa im Wohnzimmer seiner damaligen [X.] Wohnung schlafenden minderjährigen Nebenklägerin den vaginalen Geschlechtsverkehr ausgeübt und hierdurch eine Straftat nach § 177 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 6 Nr. 1 StGB begangen zu haben.

3

2. Das [X.] hat sich aus tatsächlichen Gründen an einer Verurteilung wegen Vergewaltigung gehindert gesehen. Denn es hat nicht mit der dafür erforderlichen Sicherheit festzustellen vermocht, dass der Angeklagte - den von ihm in der Hauptverhandlung eingeräumten - Geschlechtsverkehr gegen den Willen der Nebenklägerin vollzogen hat oder diese unfähig war, einen den sexuellen Handlungen des Angeklagten entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern.

4

Zur Begründung des Freispruchs hat das [X.] im [X.] Folgendes ausgeführt: Der Angeklagte habe die Tat sowohl im Ermittlungsverfahren als auch in der Hauptverhandlung - wenn auch mit „unterschiedlichen Angaben“ - bestritten. Hingegen würden die gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin sprechenden Umstände „so schwer wiegen“, dass vernünftige Zweifel an der Richtigkeit der Aussage bestünden. Da zum eigentlichen Tatgeschehen Aussage gegen Aussage stünde, habe es die Zweifel nicht überwinden können.

II.

5

Entgegen der Revision hält die Beweiswürdigung - eingedenk des nur eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfungsumfangs (st. Rspr., vgl. [X.], Urteil vom 24. März 2015 - 5 StR 521/14, [X.], 178, 179) - der rechtlichen Überprüfung stand. Insbesondere decken die Ausführungen der Beschwerdeführerin und des [X.]s keine durchgreifenden Rechtsfehler auf.

6

1. Das [X.] ist der im Rahmen der sachlich-rechtlichen Begründungspflicht gebotenen näheren Dokumentation früherer Einlassungen der Angeklagten in dem hier erforderlichen Umfang nachgekommen (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 1. Februar 2017 - 2 StR 78/16, [X.], 183 mwN).

7

Es hat die wesentlichen Unterschiede der Angaben in den Urteilsgründen hinreichend dargestellt und sich mit ihnen auseinandergesetzt. Dass es in diesem Zusammenhang die spontane Äußerung des Angeklagten bei der nur wenige Stunden nach dem Vorfall durchgeführten Durchsuchung seiner Wohnung, er habe die Nebenklägerin „mit seiner Frau verwechselt“, nicht als einen durchgreifend gegen die Glaubhaftigkeit seiner Einlassung in der Hauptverhandlung sprechenden Umstand gewertet, sondern es für wahrscheinlicher gehalten hat, dass es hierbei um eine Ausrede für die ihm im Nachhinein als peinlich empfundene Durchführung des Geschlechtsverkehrs mit einer Freundin seiner Tochter gehandelt habe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die bloße Widerlegung einer entlastenden Einlassung kann ohnehin nicht ohne weiteres als ein den Angeklagten belastendes Indiz gewertet werden (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Januar 2015 - 2 [X.], [X.], 170).

8

2. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das [X.] den Angaben der Nebenklägerin zum [X.]geschehen nicht gefolgt ist.

9

a) Hierbei hat es sich hinreichend mit den Ausführungen der aussagepsychologischen Sachverständigen auseinandergesetzt, wonach die Aussage insgesamt „erlebnisbasiert“ sei. Denn die Beurteilung der Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage ist die ureigene Aufgabe des Tatgerichts (st. Rspr; vgl. nur [X.], Urteile vom 5. Juli 1955 - 1 [X.], [X.]St 8, 130, 131; und vom 30. Juli 1999 - 1 [X.], [X.]St 45, 164, 167; [X.], [X.], 8. Aufl., § 261 Rn. 116, 126). Zudem hat die Sachverständige auch ausgeführt, dass aufgrund der nur wenige Sätze umfassenden Aussage zum konkreten Tatvorwurf eine verlässliche Beurteilung der Glaubhaftigkeit dieses Teils der Angaben nicht möglich sei. Dass sich das [X.] bei seiner Bewertung entscheidend darauf gestützt hat, dass die Aussage der Nebenklägerin zum [X.]geschehen nicht konstant gewesen sei und eine - auch von der Sachverständigen festgestellte - Belastungsaggravation aufgewiesen habe, ist revisionsrechtlich nicht zu bemängeln.

b) Soweit das [X.] ergänzend berücksichtigt hat, dass die Angaben der Nebenklägerin, sie sei in dem Zeitraum vor dem von ihr nicht gewollten Geschlechtsverkehr allein gewesen, nicht mit dem Wissen des Angeklagten zu den in diesem Zeitraum auf ihrem Mobiltelefon eingegangenen und teilweise von ihr angenommenen Anrufen zu vereinbaren sei, ist auch dies rechtlich nicht zu beanstanden. Ein [X.] liegt auch insoweit nicht vor, da der [X.] ersichtlich nicht aus dem Blick geraten ist, dass der Anrufverlauf des Mobiltelefons der Nebenklägerin fotografisch dokumentiert worden war und dem Angeklagten daher auf anderem Wege - insbesondere durch Akteneinsicht - zur Kenntnis gelangt sein könnte, zumal der Angeklagte auch Angaben zum Inhalt der Telefonate machen konnte.

Cirener     

        

Berger     

        

[X.]

        

Köhler     

        

von Häfen     

        

Meta

5 StR 80/20

08.07.2020

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bremen, 27. August 2019, Az: 9 KLs 6/18

§ 261 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.07.2020, Az. 5 StR 80/20 (REWIS RS 2020, 1868)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1868

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 80/20 (Bundesgerichtshof)


5 StR 36/19 (Bundesgerichtshof)

Anforderungen an Begründung eines Freispruchs


4 StR 62/22 (Bundesgerichtshof)

Vergewaltigungsvorwurf: Beweiserwägungen zur Aussagekonstanz bei Aussage-gegen-Aussage-Konstellation


2 StR 292/21 (Bundesgerichtshof)

Revisionsgerichtliche Überprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung im Falle eines Freispruchs: Erfordernis der Darlegung des Geschehensablaufs in …


2 StR 487/18 (Bundesgerichtshof)

Beweiswürdigung bei Lüge eines Angeklagten


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.