Bundesverwaltungsgericht, EuGH-Vorlage vom 21.10.2010, Az. 3 C 3/10

3. Senat | REWIS RS 2010, 2128

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Gegenstand

Vorlage zur Vorabentscheidung; Rückforderung von Lagerkostenvergütungen für die Einlagerung von Zucker; Verjährungsfrist für Zinsansprüche; Vorabentscheidungsersuchen


Leitsatz

1. Dem Europäischen Gerichtshof wird die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob Art. 3 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 auch für die Verjährung von Ansprüchen auf Zinsen gilt, die nach nationalem Recht neben der Rückzahlung des aufgrund einer Unregelmäßigkeit rechtswidrig erlangten Vorteils geschuldet sind.

2. Falls die Frage zu bejahen ist, werden dem Europäischen Gerichtshof weitere Fragen zur Auslegung von Art. 3 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 mit Blick auf Zinsansprüche vorgelegt.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Dem [X.] werden folgende Fragen zur Auslegung der Verordnung ([X.], [X.]) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 ([X.]) zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Gilt Art. 3 der Verordnung auch für die Verjährung von Ansprüchen auf Zinsen, die nach nationalem Recht neben der Rückzahlung des aufgrund einer Unregelmäßigkeit rechtswidrig erlangten Vorteils geschuldet sind?

Bei Bejahung von Frage 1:

2. Ist in den nach Art. 3 Abs. 3 der Verordnung gebotenen [X.] allein die Fristdauer einzubeziehen, oder müssen auch nationale Bestimmungen einbezogen werden, die den Beginn der Frist, ohne dass es hierfür weiterer Umstände bedarf, auf das Ende des Kalenderjahres hinausschieben, in denen der (hier: Zins-)Anspruch entsteht?

3. Beginnt die Verjährungsfrist auch für [X.] mit der Begehung der Unregelmäßigkeit bzw. mit der Beendigung der andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeit zu laufen, selbst wenn die [X.] erst spätere Zeiträume betreffen und deshalb erst später entstehen? Wird der Beginn der Verjährung bei andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten durch Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung auch in Ansehung der [X.] auf den Zeitpunkt der Beendigung der Unregelmäßigkeit hinausgeschoben?

4. Wann endet die Unterbrechungswirkung eines Bescheides der zuständigen Behörde nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 Satz 2 der Verordnung, durch den der fragliche (hier: Zins-)Anspruch dem Grunde nach festgestellt wird?

Gründe

I.

1

Der Klägerin wurden in den Zuckerwirtschaftsjahren 1994/95, 1995/96 und 1996/97 auf ihre monatlichen Anträge hin Lagerkostenvergütungen für die Einlagerung von Zucker gewährt. Mit drei Bescheiden vom 30. Januar 2003 forderte die Beklagte Lagerkostenvergütungen für diese drei Jahre zurück, weil die Klägerin in ihren Anträgen überhöhte Zuckermengen angegeben habe. In den Bescheiden wurde dem Grunde nach festgestellt, dass die zurückgeforderten Beträge vom Empfange an zu verzinsen seien; die Festsetzung der genauen Zinshöhe wurde späteren Bescheiden vorbehalten.

2

Gegen die Bescheide erhob die Klägerin Widersprüche. Mit [X.] vom 10. Oktober 2006 wurden die [X.] reduziert, die Widersprüche im Übrigen aber zurückgewiesen. Die Klägerin erhob Klage mit dem Antrag, die Bescheide teilweise aufzuheben; hierüber ist bislang nicht entschieden. In restlicher Höhe von 469 941,12 € wurden die [X.] bestandskräftig. Die Klägerin bezahlte diesen Betrag am 15. November 2006.

3

Mit Bescheid vom 13. April 2007 setzte die Beklagte Zinsen auf den gezahlten Betrag in Höhe von 298 650,93 € fest. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin unter anderem geltend, die [X.] seien teilweise verjährt. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2007 gab die Beklagte dem Widerspruch hinsichtlich der Zinsen für 1997 und 1998 statt, weil insoweit bei Erlass der Bescheide vom 30. Januar 2003 eine vierjährige Verjährungsfrist abgelaufen gewesen sei. In restlicher Höhe von 237 644,17 € wies sie den Widerspruch jedoch zurück; insoweit hätten die [X.] vom 30. Januar 2003 den Lauf der Verjährungsfrist unterbrochen.

4

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die [X.] bis 2002 in Höhe von 119 984,27 € mit der Begründung, die [X.] sei auch insoweit verjährt. Der Lauf der Verjährungsfrist sei durch die Bescheide vom 30. Januar 2003 nicht unterbrochen oder gehemmt worden. Maßgeblich sei daher allein der [X.] vom 13. April 2007, bei dessen Erlass aber die vierjährige Verjährungsfrist auch für die vor 2003 aufgelaufenen Zinsen verstrichen gewesen sei.

5

Das Verwaltungsgericht hat den [X.] in Gestalt des Widerspruchsbescheides im Umfang der Anfechtung mit Urteil vom 25. November 2009 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Auf die Frage der Verjährung komme es nicht an. Die [X.] finde ihre Grundlage in § 14 des [X.]. Nach dieser Vorschrift seien Ansprüche auf Erstattung von besonderen Vergünstigungen "vom [X.]punkt ihrer Entstehung an" zu verzinsen. Die Rückforderung sei aber erst mit Bekanntgabe der Bescheide vom 30. Januar 2003 entstanden, so dass eine [X.] für frühere [X.]räume nicht bestehe.

6

Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt, mit der sie die Abweisung der Klage erstrebt. Zur Begründung macht sie geltend, dass die Bescheide vom 30. Januar 2003 die Bewilligung der Lagerkostenvergütung rückwirkend beseitigt habe, weshalb die Klägerin den überzahlten Betrag schon vom [X.]punkt des Empfanges an verzinsen müsse.

7

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beruft sich hilfsweise weiterhin auf Verjährung.

II.

8

Ob die Revision begründet ist, kann das [X.] nicht abschließend beurteilen. Die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ergeben zwar eine Verletzung des Bundesrechts (1.). Ob das Urteil sich aber aus anderen Gründen als richtig darstellt, wirft Fragen zum [X.] [X.]srecht auf, welche die Einholung einer Vorabentscheidung des [X.] erfordern (2.).

9

1. Das angefochtene Urteil beruht auf der Auffassung, die Pflicht zur Verzinsung des zu erstattenden Betrages sei erst mit der Rücknahme der Bewilligungsbescheide durch die Aufhebungs- und [X.] vom 30. Januar 2003 entstanden. Dem kann nicht gefolgt werden.

a) [X.] richtet sich nach nationalem Recht; darin ist dem Verwaltungsgericht beizupflichten. Maßgeblich ist § 14 Abs. 1 Satz 1 des [X.] ([X.]) in der Fassung des Art. 5 Ziff. 2 des Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften ([X.]) vom 2. Mai 1996 ([X.]). Hiernach sind Ansprüche auf Erstattung von besonderen Vergünstigungen - wie Vergütungen zum Ausgleich von Lagerkosten (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 11 [X.]) - vom [X.]punkt ihrer Entstehung an mit 3 vom Hundert über dem jeweiligen Diskontsatz der [X.] zu verzinsen, soweit Rechtsakte des Rates oder der [X.] nichts anderes vorsehen.

Europäisches [X.]srecht enthält insofern keine Bestimmung, und zwar weder das besondere Recht für den Zuckersektor (vgl. Art. 8 der Verordnung Nr. 1785/81 des Rates vom 30. Juni 1981 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker, ABl Nr. L 177 S. 4, die Verordnung Nr. 1358/77 des Rates vom 20. Juni 1977 zur Aufstellung allgemeiner Regeln für den Ausgleich der Lagerkosten für Zucker, ABl Nr. L 156 S. 4, sowie die hierzu ergangene Durchführungsverordnung Nr. 1998/78 der [X.] vom 18. August 1978, [X.]) noch die sektorenübergreifende Verordnung ([X.], [X.]) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der [X.] ([X.]). Dieser Verordnung lässt sich entgegen der Ansicht der Klägerin insbesondere kein an die Mitgliedstaaten gerichtetes Verbot entnehmen, bei der Rückforderung von Subventionen, die [X.] geregelt sind, Zinsen auf der Grundlage nationaler Rechtsvorschriften zu erheben, wenn das [X.]srecht eine [X.] nicht begründet. In Art. 4 Abs. 2 der Verordnung ist lediglich bestimmt, dass eine Verzinsung möglicher Teil einer verwaltungsrechtlichen Maßnahme ist, mit der der durch eine Unregelmäßigkeit erlangte Vorteil entzogen wird. Ob die Verzinsung aber vorgesehen wird, richtet sich nach anderweitigen Vorschriften; das können Vorschriften des [X.]srechts wie solche des nationalen Rechts sein.

b) Das Verwaltungsgericht hat aber § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] unrichtig ausgelegt. Wie erwähnt, sind gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] Ansprüche auf Erstattung von besonderen Vergünstigungen vom [X.]punkt ihrer Entstehung an zu verzinsen. Entgegen der Ansicht des [X.] ist nicht ausgeschlossen, dass derartige Erstattungsansprüche rückwirkend entstehen und deshalb auch für zurückliegende [X.]räume zu verzinsen sind. So liegt es, wenn der Bewilligungsbescheid, der der Leistung zugrunde lag, wie hier rückwirkend aufgehoben oder widerrufen wird. Dies hat der [X.] in seinem Urteil vom heutigen Tage in der Parallelsache BVerwG 3 [X.] 4.10 im Einzelnen dargelegt; darauf wird verwiesen.

2. [X.] sich allerdings aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO), wenn die festgesetzte [X.] hinsichtlich der noch strittigen Jahre 1999 bis 2002 verjährt wäre.

2.1 Nach [X.] Recht sind die [X.] nicht verjährt.

a) Das ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass die Verjährung der [X.] erst mit der Bekanntgabe der [X.] vom 30. Januar 2003 zu laufen begonnen hätte. Zwar waren die [X.], auch soweit sie vergangene [X.]räume betrafen, erst von diesem [X.]punkt an durchsetzbar, weil ihre Entstehung die - rückwirkende - Beseitigung der Bewilligungsbescheide voraussetzte. Daraus ist aber nicht zu schließen, dass sie auch erst von diesem [X.]punkt an verjähren konnten. Vielmehr sind auch sie rückwirkend, nämlich sukzessive mit dem jeweils verzinsten [X.]raum entstanden. Dann aber erfordert es der Vertrauensschutz des Betroffenen, auch einen rückwirkenden Beginn der Verjährung für möglich zu halten, unabhängig davon, ob der zuständigen Behörde die anspruchsbegründenden Umstände seinerzeit bereits bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen.

b) Für die Zinsen für 1999 und 2000 gilt eine vierjährige, für diejenigen für 2001 und 2002 eine dreijährige Verjährungsfrist.

Gemäß §§ 197, 201 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in der bis zum 31. Dezember 2001 gültigen Fassung verjährten Ansprüche auf Rückstände von Zinsen in [X.]n vom Schluss des Jahres an, in welchem der Zinsanspruch entstand. Die genannten Vorschriften finden auf [X.] aus öffentlichem Recht entsprechende Anwendung (Urteil vom 17. August 1995 - BVerwG 3 [X.] 17.94 - BVerwGE 99, 109 <110>).

Das [X.] vom 26. November 2001 ([X.]) hat die Verjährungsfrist für Zinsen auf drei Jahre verkürzt (§ 195 BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung); die Frist beginnt unverändert mit dem Schluss des Jahres, in dem der Zinsanspruch entsteht (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F.). Die Verkürzung ist im öffentlichen Recht nachzuvollziehen; die Regelung des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist deshalb auch in ihrer neuen Fassung auf [X.] aus öffentlichem Recht entsprechend anzuwenden.

Nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch ([X.]BGB) finden die Vorschriften über die Verjährung in der neuen Fassung auf die am 1. Januar 2002 bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung. Hinsichtlich der Verjährungsfrist bestimmt Art. 229 § 6 Abs. 4 [X.]BGB, dass, wenn die neue Frist kürzer ist als die bisherige, die kürzere neue Frist ab dem 1. Januar 2002 läuft, dass Verjährung jedoch spätestens mit dem Ablauf der bisherigen längeren Frist eintritt. Dies führt dazu, dass es hinsichtlich der Zinsen für 1999 und für 2000 bei der bisherigen vierjährigen Frist bleibt.

c) Der Lauf der Verjährungsfrist wurde durch Erlass der [X.] vom 30. Januar 2003 gehemmt. Das ergibt sich aus § 53 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG). Ein Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, hemmt hiernach die Verjährung dieses Anspruchs; die Hemmung endet mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts oder sechs Monate nach seiner anderweitigen Erledigung.

2.2 Die Frage der Verjährung könnte jedoch bei Anwendung des Art. 3 der Verordnung ([X.], [X.]) Nr. 2988/95 anders zu beurteilen sein. Insofern stellen sich verschiedene Fragen zur Auslegung dieser Vorschrift, die der [X.] nicht ohne Vorabentscheidung des [X.] beantworten kann.

a) Die Verordnung ist grundsätzlich anwendbar. Sie gilt für die Rückforderung von Leistungen, die der Erstattungspflichtige aufgrund einer Unregelmäßigkeit erlangt hat, sofern die Leistung von der Behörde im Namen oder für Rechnung des [X.] erbracht wurde. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Klägerin hat die zu erstattende Leistung aufgrund einer Unregelmäßigkeit erlangt. Dabei steht der Anwendung der Verordnung nicht entgegen, dass die Unregelmäßigkeiten vor ihrem Inkrafttreten begangen wurden ([X.], Urteil vom 29. Januar 2009 - [X.]-278/07, [X.] u.a. - [X.]E 2009 [X.] Rn. 31 ff.). Die Leistung wurde von der [X.] auch im Namen oder für Rechnung des [X.] erbracht (vgl. zu dieser Voraussetzung [X.], Urteile vom 24. Juni 2004 - [X.]-278/02, [X.] - [X.]E 2004 [X.] und vom 29. Januar 2009 a.a.[X.] ). Die Vergütung für Lagerkosten für Zucker wird von den Mitgliedstaaten für Rechnung des [X.] gewährt. Daran ändert es nichts, dass die Aufwendungen für diese Vergütung durch eine Abgabe der [X.] refinanziert werden sollen.

Es fragt sich aber,

ob Art. 3 der Verordnung auch für die Verjährung von Zinsen gilt, die nach nationalem Recht neben der Rückzahlung des aufgrund einer Unregelmäßigkeit rechtswidrig erlangten Vorteils geschuldet sind.

Richtig ist, dass die Rückforderung von Leistungen gemäß Art. 4 Abs. 2 der Verordnung auch Zinsen umfasst, sofern solche - wie hier durch das nationale Recht - vorgesehen sind. Der [X.] hat daraus gefolgert, dass die Bestimmungen des Art. 3 der Verordnung über die Verjährung auch für solche Zinsen gelten ([X.], Urteil vom 17. März 2009 - [X.]/08 - [X.], 289 ). Das erscheint aber nicht als zwingend. Ebenso ist denkbar, dass sich [X.], die durch nationales Recht begründet sind, auch hinsichtlich ihrer Verjährung nach diesem nationalen Recht richten.

Der Zweck des Art. 3 der Verordnung spricht nicht für seine Anwendung auch auf [X.]. Die Verordnung insgesamt dient, wie schon ihr Titel sagt, der Wahrung der finanziellen Interessen der [X.]. Art. 3 der Verordnung verfolgt diesen Zweck, indem er verhindert, dass die Verfolgung von Unregelmäßigkeiten dadurch unangemessen erschwert oder unmöglich wird, dass nationales Recht sie einer allzu kurzen Verjährungsfrist unterwirft. Deshalb sieht die Vorschrift für die Verjährung eine Mindestfrist von regelmäßig [X.]n vor (Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1); bei dem nationalen Verjährungsrecht kann es nur verbleiben, wenn dieses längere Fristen bestimmt (Art. 3 Abs. 3). Der genannte Zweck der Verordnung beschränkt sich aber auf die jeweilige Hauptforderung, also auf die Rückforderung überzahlter Beihilfen oder auf die verwaltungsrechtliche Sanktion selbst. Die Wahrung der finanziellen Interessen der [X.] erfordert es hingegen nicht, auch für die Verzinsung eine kürzere Verjährungsfrist als [X.] auszuschließen. Art. 4 Abs. 2 der Verordnung belegt, dass Zinsen überhaupt nicht erhoben werden müssten, ohne dass hierdurch die finanziellen Interessen der [X.] gefährdet würden. Wenn das nationale Recht die Erhebung von Zinsen vorsieht, so fließt das Aufkommen aus solchen [X.]n nicht in den [X.]shaushalt, sondern kommt dem Haushalt des Mitgliedstaats zugute. Dann aber werden die finanziellen Interessen der [X.] nicht gefährdet, wenn Zinsen nach nationalen Vorschriften erhoben werden, aber in weniger als [X.]n verjähren können.

Hinzu kommt, dass Art. 3 der Verordnung nach seiner Regelungskonzeption nicht auf [X.] angelegt ist. Die Vorschrift regelt "die Verjährung für die Verfolgung" von Unregelmäßigkeiten, hat also die Befugnis (und die Pflicht) der Behörde vor Augen, eine Unregelmäßigkeit mit einer verwaltungsrechtlichen Maßnahme oder Sanktion zu ahnden. Diese Befugnis wird schon durch die Unregelmäßigkeit selbst begründet. Dementsprechend knüpft der Beginn der Verjährung an die Begehung der Unregelmäßigkeit selbst an, bei andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten an deren Beendigung. All dies liegt bei [X.]n anders. [X.] entstehen nicht schon mit der Unregelmäßigkeit, sondern sukzessive mit jedem weiteren [X.]ablauf. Bei andauernden und wiederholten Unregelmäßigkeiten können [X.] auch schon für [X.]räume entstehen, während derer die Unregelmäßigkeit noch nicht beendet ist. Das wirft die Frage auf, wann die Verjährung derartiger [X.] beginnt. Hätte das [X.]srecht auch die Verjährung von [X.]n erfassen wollen, so wäre zu erwarten gewesen, dass es hierfür besondere Regelungen getroffen hätte.

In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass nach [X.] Recht [X.] zwar abhängig (akzessorisch) vom Bestehen der Hauptforderung, ansonsten aber selbständig sind. In Ansehung der Verjährung bedeutet dies, dass sie ebenfalls nicht mehr geltend gemacht werden können, wenn die Hauptforderung verjährt ist, dass sie im Übrigen aber selbständig (sukzessive) entstehen und selbständig (ebenso sukzessive) verjähren können.

b) Sollte Art. 3 der Verordnung auf [X.] anzuwenden sein, so stellen sich weitere Fragen.

aa) Gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung beträgt die Verjährungsfrist, da sektorbezogene Regelungen des [X.]srechts keine kürzere Frist bestimmen, [X.]. Nach Art. 3 Abs. 3 der Verordnung behalten die Mitgliedstaaten jedoch die Möglichkeit, eine längere Frist anzuwenden. Hierzu stellt sich die Frage,

ob in den nach Art. 3 Abs. 3 der Verordnung gebotenen [X.] allein die Fristdauer einzubeziehen ist oder ob auch nationale Bestimmungen einbezogen werden müssen, die den Beginn der Frist, ohne dass es hierfür weiterer Umstände bedarf, auf das Ende des Kalenderjahres hinausschieben, in denen der Zinsanspruch entsteht.

In [X.] besteht nämlich die Besonderheit, dass die kurzen Fristen - die zwei- oder vierjährige nach altem, die dreijährige nach neuem Recht - erst am Ende des Kalenderjahres zu laufen beginnen, in dem der Anspruch entstanden ist (§§ 198, 201 BGB a.F., § 199 Abs. 1 BGB n.F.). Sie betragen daher nur in dem seltenen Ausnahmefall genau zwei, drei oder [X.], wenn der Anspruch genau am 31. Dezember eines Jahres entstanden ist, sind in allen anderen Fällen aber länger.

Die Frage kann für diejenigen [X.] offenbleiben, deren Verjährung nach nationalem Recht die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der seit 1. Januar 2002 geltenden - neuen - Fassung zugrunde zu legen wären; denn diese sehen eine Frist von nur drei Jahren vor, die auch bei Einbeziehung des hinausgeschobenen Fristbeginns keinesfalls länger ist als die vierjährige [X.]e Regelfrist. Insofern verbleibt es bei der Geltung des [X.]srechts. Dies betrifft aber nur die in 2001 und 2002 aufgelaufenen Zinsen (vgl. oben 2.1 b). Die Verjährung der in 1999 und 2000 aufgelaufenen Zinsen hingegen richtet sich, wendet man nationales Recht an, nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 gültigen Fassung, nach dem die kurze Verjährungsfrist [X.] beträgt. Stellt man für den von Art. 3 Abs. 3 der Verordnung ([X.], [X.]) Nr. 2988/95 geforderten [X.] nur auf diese Fristdauer ab, so ist die nationale Frist nicht länger, sondern genauso lang wie die [X.]e Regelfrist; dann ist allein [X.]srecht maßgebend (so [X.], Urteil vom 17. März 2009, [X.], 289). Bezieht man hingegen den regelmäßig hinausgeschobenen Fristbeginn mit ein, so ist die Frist nach nationalem Recht länger als nach dem [X.]srecht, und das nationale Recht wäre maßgebend.

Der Unterschied wirkt sich freilich nicht für sämtliche in den Jahren 1999 und 2000 aufgelaufenen Zinsen aus, sondern nur für diejenigen, die bis zum 30. Januar 1999 entstanden sind, also - etwas vergröbernd - lediglich für die Zinsen für den Januar 1999; denn diese waren bei Erlass der [X.] vom 30. Januar 2003, die am 31. Januar 2003 bekannt gegeben wurden, bei Anwendung des [X.]srechts verjährt, bei Anwendung des nationalen Rechts infolge des hinausgeschobenen Fristbeginns hingegen unverjährt.

bb) Ist [X.]srecht anwendbar, so stellt sich des Weiteren die - bereits angesprochene - Frage, zu welchem [X.]punkt der Lauf der Verjährungsfrist beginnt. Dabei müssen zwei Teilfragen unterschieden werden.

Nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1, Unterabs. 2 der Verordnung ([X.], [X.]) Nr. 2988/95 beginnt die Verjährungsfrist mit der Begehung der Unregelmäßigkeit, bei andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten mit deren Beendigung zu laufen. Sollte Art. 3 der Verordnung [X.] erfassen, so stellt sich die Frage,

ob die Verjährungsfrist auch für sie mit der Begehung oder der Beendigung der Unregelmäßigkeit zu laufen beginnt, selbst wenn die [X.] erst spätere [X.]räume betreffen und deshalb erst später entstehen.

Das wirft vor allem dann Probleme auf, wenn das nationale Recht vorsieht, dass Zinsen erst für die [X.] nach der Ahndung der Unregelmäßigkeit verlangt werden können; sie könnten dann verjährt sein, noch ehe sie entstanden sind.

Hiervon zu unterscheiden ist die weitere Frage,

ob der Beginn der Verjährung bei andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten durch Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung auch in Ansehung der [X.] auf den [X.]punkt der Beendigung der Unregelmäßigkeit hinausgeschoben wird.

Sieht das nationale Recht - wie in [X.] - vor, dass Zinsen für die [X.] seit Erlangung des rechtswidrigen Vorteils verlangt werden können, so entstehen [X.] auch für Jahre, während derer die Befugnis der Behörde zur Rückforderung des Vorteils selbst noch nicht verjährt ist, weil die Unregelmäßigkeit noch andauert oder wiederholt wird. Das kann zur Akkumulation ganz erheblicher Zinsen führen, die die Hauptforderung erreichen oder übersteigen. Das [X.] Recht unterwirft derartige Ansprüche auf rückständige Zinsen auch deshalb einer von der Hauptforderung gesonderten - und damit ebenfalls sukzessiven - Verjährung, um eine solche Akkumulation zu vermeiden, die ruinös wirken könnte und jedenfalls als unbillig erscheint (vgl. oben 2.1 a).

cc) Schließlich ist zweifelhaft, welche Auswirkungen der Erlass der [X.] vom 30. Januar 2003 und der darin verfügten Feststellung der [X.] dem Grunde nach auf die Verjährung nach dem [X.]srecht hat.

Der [X.] hat festgestellt, dass der Erlass eines [X.]s den Lauf der vierjährigen Verjährungsfrist nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung ([X.], [X.]) Nr. 2988/95 unterbricht und dass diese Frist danach von neuem zu laufen beginnt (Urteil vom 29. Januar 2009 a.a.[X.] ). Hiernach hätten die [X.] den Lauf der - noch offenen (vgl. oben aa) - Verjährung auch hinsichtlich der Zinsen am 31. Januar 2003 unterbrochen; es hätte eine neue Frist zu laufen begonnen, die dann am 31. Januar 2007 abgelaufen wäre. Bei Erlass des [X.]es am 13. April 2007 wäre die [X.] mithin bereits verjährt gewesen.

Hier kommt freilich hinzu, dass die [X.] auch die [X.] selbst dem Grunde nach verbindlich festgestellt haben. Die Feststellung wurde allerdings von der Klägerin angefochten und ist bislang nicht bestandskräftig. Dies wirft die Frage auf, ob die [X.] während der Dauer des behördlichen und gerichtlichen Überprüfungsverfahrens verjähren kann. Nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 Satz 2 der Verordnung ([X.], [X.]) Nr. 2988/95 beginnt die Verjährungsfrist "nach jeder eine Unterbrechung bewirkenden Handlung" von neuem. Es ist daher zu fragen,

wann die Unterbrechungswirkung eines Bescheides der zuständigen Behörde endet, durch den der fragliche (hier: Zins-)Anspruch dem Grunde nach festgestellt wird.

Wie gezeigt (oben 2.1 c), bewirkt ein solcher Bescheid nach dem [X.]n Recht in der seit 2002 gültigen Fassung, dass die Verjährung bis zu dessen Unanfechtbarkeit gehemmt ist (§ 53 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Während der Dauer eines Widerspruchs- oder Klageverfahrens kann also keine Verjährung eintreten. Das trägt dem Umstand Rechnung, dass der Erlass eines solchen Bescheides einem Vertrauen des Betroffenen, die Behörde werde den (hier: Zins-) Anspruch nicht mehr geltend machen, die Schutzwürdigkeit genommen ist.

Es spricht vieles dafür, auch für das [X.]srecht anzunehmen, dass die unterbrechende Wirkung eines derartigen Bescheides bis zu dessen Unanfechtbarkeit anhält.

Meta

3 C 3/10

21.10.2010

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

EuGH-Vorlage

Sachgebiet: C

vorgehend VG Köln, 25. November 2009, Az: 13 K 4803/07, Urteil

Art 3 EGV 2988/95, § 14 MOG, § 199 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, EuGH-Vorlage vom 21.10.2010, Az. 3 C 3/10 (REWIS RS 2010, 2128)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2128

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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