Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.03.2015, Az. 4 BN 7/15

4. Senat | REWIS RS 2015, 13864

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Gegenstand

Fristenregelung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO europarechtlich unbedenklich


Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 15. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Der Antragsteller wendet sich gegen einen im April 2008 öffentlich bekannt gemachten [X.]ebauungsplan sowie einen im November 2009 bekannt gemachten [X.].

2

Er erhob am 6. Mai 2013 beim Verwaltungsgericht Klage gegen einen Widerspruchsbescheid betreffend eine [X.]auvoranfrage "sowie den diesem zugrunde liegenden [X.]ebauungsplan" Nr. 314/1 und den "vorhergehenden [X.]ebauungsplan" Nr. 314 der Antragsgegnerin. Er beantrage - unter anderem -, die Nichtigkeit dieser [X.]ebauungspläne festzustellen. Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2013 beantragte er hilfsweise, "den [X.]ebauungsplan [X.]/[X.] - 1. Änderung zur Normenkontrolle an das Oberverwaltungsgericht zu verweisen". Am 31. Juli 2013 trennte das Verwaltungsgericht das Verfahren ab, soweit es die Feststellung der Nichtigkeit beider [X.]ebauungspläne betraf. Nach Anhörung der [X.]eteiligten erklärte sich das Verwaltungsgericht mit [X.]eschluss vom 9. September 2013 für unzuständig und verwies den Rechtsstreit an den [X.]hof.

3

Auf Nachfrage der dortigen [X.]erichterstatterin lehnte es der [X.]erichterstatter des [X.] ab, den [X.] oder den Verweisungsbeschluss zu ändern. Die [X.]erichterstatterin des [X.]hofs wies die [X.]eteiligten mit Schreiben vom 26. November 2013 darauf hin, dass ein Normenkontrollantrag nicht - wie die ursprüngliche Klage - gegen die [X.]augenehmigungsbehörde, sondern nur gegen die Gemeinde gerichtet werden könne. Der Antragsteller teilte unter dem 6. Dezember 2013 mit, er sei daran interessiert, das Normenkontrollverfahren gegen die Antragsgegnerin fortzuführen. In der mündlichen Verhandlung beantragte er die Vorlage einer Frage an den [X.] und hierzu hilfsweise, beide [X.]ebauungspläne der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären. Der [X.]hof legte dem [X.] keine Frage vor und lehnte den Normenkontrollantrag ab. Weder die Klageerhebung noch die Verweisung wahrten die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 [X.].

II

4

Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 [X.] gestützte [X.]eschwerde bleibt erfolglos.

5

1. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 [X.] zuzulassen.

6

a) Die [X.]eschwerde meint, der [X.]hof habe § 47 Abs. 2 [X.] vorliegend nicht anwenden dürfen.

7

Die [X.]indungswirkung des § 83 Satz 1 [X.], § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG sei entfallen, weil das Verwaltungsgericht bei der Verweisung in schwerwiegender Weise gegen §§ 86, 88 [X.] verstoßen habe. Der [X.]hof habe daher den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurückverweisen müssen.

8

Dieser Vorwurf geht fehl. Der Antragsteller hat das Verfahren beim [X.]hof als Normenkontrollverfahren geführt und damit die - jedenfalls vertretbare - prozessuale Sicht des [X.] bestätigt. Hieran muss er sich festhalten lassen. Für die [X.] war der [X.]hof zuständig (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 [X.]), der die Sachentscheidungsvoraussetzung des § 47 Abs. 2 Satz 1 [X.] zu prüfen hatte. Der Fall einer zu Unrecht erfolgten Verweisung, zu dem sich die angeführten Urteile des [X.] vom 6. Juni 1967 (4 [X.] 216.65 - [X.]VerwGE 27, 170 <173>) und vom 24. April 1975 (8 A 1.73 - [X.] 310 § 153 [X.] Nr. 15 S. 6) verhalten, lag nicht vor.

9

b) Der Antragsteller beanstandet zu Unrecht die Feststellung als aktenwidrig, er habe hilfsweise die Verweisung der [X.] beantragt. Er hat einen solchen Antrag mit Schriftsatz vom 3. Juli 2013 in einem handschriftlich angebrachten Zusatz gestellt ([X.]. 56 der Gerichtsakte). Dass dieser nur den [X.] zum Gegenstand hatte, ist in diesem Zusammenhang ohne [X.]edeutung. Denn der Antragsteller hat das Verfahren auch in der Folge gegen beide [X.]ebauungspläne geführt.

c) Der Antragsteller sieht das Recht auf [X.] aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG als verletzt an, weil der [X.]hof dem [X.] eine bestimmte Frage zur Auslegung des Unionsrechts nicht vorgelegt habe. Dies führt nicht auf einen Verfahrensfehler. Zur Anrufung des [X.]s ist ein Gericht nach Art. 267 Abs. 3 A[X.]V nur verpflichtet, wenn seine Entscheidung mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts nicht mehr angefochten werden kann. Dies ist hier nicht der Fall, weil die [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision statthaft ist ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 22. Dezember 2004 - 10 [X.] 21.04 - [X.] 401.65 Hundesteuer Nr. 8 S. 21 und vom 12. Oktober 2010 - 7 [X.] 22.10 - juris Rn. 9). Warum hier ferner das Gebot rechtlichen Gehörs berührt sein soll, führt die [X.]eschwerde nicht aus und vermag der Senat nicht zu erkennen.

2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 [X.] zuzulassen.

Das angegriffene Urteil weicht nicht von dem Urteil des [X.] vom 24. April 1975 (8 A 1.73 - [X.] 310 § 153 [X.] Nr. 15 S. 6) ab. Danach hat ein Gericht, das wegen der [X.]indungswirkung eines zu Unrecht ergangenen Verweisungsbeschlusses zu entscheiden hat, so zu entscheiden, wie das an sich zuständige Gericht ohne die Verweisung zu entscheiden hätte. Hiervon weicht der [X.]hof schon deswegen nicht ab, weil er für die [X.] zuständig (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) und die Verweisung damit nicht zu Unrecht erfolgt war.

3. Die Revision ist schließlich nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zuzulassen.

a) Der Antragsteller misst der Frage grundsätzliche [X.]edeutung bei,

ob die Fristenregelungen in § 47 Abs. 2 Satz 1 [X.] und § 215 Abs. 1 [X.]auG[X.] mit den [X.]estimmungen des Rechts der [X.], insbesondere mit Art. 3 der Richtlinie 2001/42/EG ([X.]) vereinbar sind.

Dies führt nicht zur Zulassung der Revision. Eine Klärung durch eine höchstrichterliche Entscheidung in einem Revisionsverfahren ist nicht erforderlich, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten lässt ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 24. August 1999 - 4 [X.] 72.99 - [X.]VerwGE 109, 268 <270> und vom 16. November 2004 - 4 [X.] 71.04 - NVwZ 2005, 449 <450>).

Der Antragsteller macht unter [X.]erufung auf das Urteil des [X.]s vom 18. April 2013 ([X.]-463/11 - Rn. 43 f.) geltend, dass § 47 Abs. 2 Satz 1 [X.] außer Anwendung bleiben müsse, wenn anderenfalls [X.]estimmungen des Unionsrechts, hier: Art. 3 der Richtlinie 2001/42/[X.] und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (A[X.]. L 197 S. 30 - Plan-UP-RL) verletzt würden. Diese Rechtsauffassung trifft nicht zu. Nach der Rechtsprechung des [X.]s ist es bei Fehlen unionsrechtlicher Vorschriften Aufgabe der innerstaatlichen Rechtsordnung, die Verfahrensmodalitäten der Rechtsbehelfe zu regeln, die den Schutz der dem [X.]ürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Diese Modalitäten dürfen nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die entsprechenden innerstaatlichen Rechtsbehelfe (Äquivalenzgrundsatz) und sie dürfen die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (stRspr, vgl. etwa [X.], Urteil vom 12. Mai 2011 - [X.] 115/09 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2011:289] - Rn. 43; im Übrigen etwa [X.], in: [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl. 2014, [X.] Rn. 241; [X.], [X.], 385 <391>). Weder legt die [X.]eschwerde dar noch ist sonst ersichtlich, warum die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 [X.] diese Anforderungen verfehlen könnte, zumal sie die Möglichkeit einer inzidenten Prüfung nicht berührt.

Aus dem Urteil des [X.]s vom 18. April 2013 ([X.]-463/11) folgt nichts Anderes. Die [X.]efristung eines Rechtsbehelfs wie der Normenkontrolle ist nicht mit einer Regelung vergleichbar, die - wie § 214 Abs. 2a [X.]auG[X.] - bestimmte Rechtsverstöße für unbeachtlich erklärt. Welchen Klärungsbedarf die [X.]eschwerde zu dem im angegriffenen Urteil nicht angesprochenen § 215 Abs. 1 [X.]auG[X.] sieht, legt sie nicht dar.

b) Ferner führt auch die Frage,

ob die Umdeutung einer vor dem Verwaltungsgericht erhobenen Klage gegen die Ablehnung eines [X.]auvorbescheides (oder einer [X.]augenehmigung) in einen Normenkontrollantrag zum Zwecke der Verweisung an das Normenkontrollgericht überhaupt zulässig ist,

nicht zur Zulassung der Revision. Sie wäre in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Der Verweisungsbeschluss und das ihm zugrunde liegende Verständnis des klägerischen Antrags ist nach § 83 Satz 2 [X.] unanfechtbar und könnte daher nicht Gegenstand revisionsgerichtlicher Überprüfung sein. Hiervon unabhängig wird die Frage einer Umdeutung nicht aufgerufen, weil der Antragsteller das Verfahren als Normenkontrollverfahren geführt hat und weiterhin führt. Hieran muss er sich festhalten lassen.

4. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 [X.], die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 BN 7/15

18.03.2015

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 15. Dezember 2014, Az: 3 C 1990/13.N, Urteil

§ 47 Abs 2 S 1 VwGO, § 47 Abs 1 Nr 1 VwGO, § 83 Abs 1 VwGO, Art 3 EGRL 42/2001, Art 267 Abs 3 AEUV, Art 101 Abs 1 S 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.03.2015, Az. 4 BN 7/15 (REWIS RS 2015, 13864)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 13864

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