Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.01.2009, Az. I ZR 148/06

I. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 5515

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 148/06 Verkündet am: 22. Januar 2009 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 22. Januar 2009 durch [X.] [X.] und [X.] Dr. Büscher, Dr. Bergmann, [X.] und [X.] für Recht erkannt:
Auf die Revision der Streithelferin der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 7. Juli 2006 aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten und ihrer Streithelferin wird das Ur-teil der 28. Zivilkammer des [X.] vom 23. November 2005 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streit-helferin der Beklagten werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen - 3 - Tatbestand: Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach [X.] Recht, produziert Polstermöbel. Ihre Kollektion enthält Möbelstücke, die nach Entwürfen von [X.], genannten [X.], ge-fertigt sind. Dazu gehören die Sessel und Sofas der Reihe "[X.]". 1 Zwischen der Klägerin und der Fondation [X.] in [X.], die die Recht des verstorbenen Urhebers wahrnimmt, bestehen seit 1965 urheber-rechtliche [X.]. 2 Die Beklagte, eine Zigarrenherstellerin, richtete in der Kunst- und [X.] der [X.] in [X.] eine [X.] ein. Sie erwarb bei ihrer in [X.] geschäftsansässigen Streithelferin Nachbil-dungen von Sesseln und Sofas der Modellreihen "[X.]" der [X.] und stellte diese in der [X.] auf. Die Streithelferin nimmt nicht in [X.], dass ihr urheberrechtliche Nutzungsrechte an den von [X.] geschaffenen Möbelmodellen eingeräumt sind. In der Vergangenheit stand ur-heberrechtlicher Schutz für Werke der angewandten Kunst in [X.] nicht zur Verfügung. 3 Die Klägerin hat beantragt, 4 die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, unerlaubte Nachbildungen (Plagiate) urheberrechtlich geschützter [X.]modelle, und zwar des Sessels [X.] und des zweisitzigen Sofas [X.], in der [X.] zu verwerten, insbesondere in der [X.] in der [X.] in [X.] , aufzustellen und gewerblich zu benut- zen. - 4 - Die Beklagte, die der Klage entgegengetreten ist, hat behauptet, die in Rede stehende [X.] in der [X.] werde von einem von ihr unabhängigen Gastronomen betrieben; sie habe die [X.] nur ausgestat-tet. 5 Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt ([X.] ZUM-RD 2006, 256). Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten und ihrer Streithelferin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen (O[X.] GRUR-RR 2007, 1). 6 Mit der Revision verfolgt die Streithelferin der Beklagten ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision [X.]. 7 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsanspruch nach § 97 [X.] i.V. mit § 17 [X.] als begründet angesehen. Dazu hat es ausgeführt: 8 Die fraglichen Möbelmodelle von [X.] wiesen die erforderliche Gestaltungshöhe auf, um als Werke der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt zu sein. Der Klägerin stehe aufgrund des [X.] mit der Fondation [X.] das alleinige Verbreitungs-recht an den nach den Entwürfen von [X.] gefertigten Möbelstücken zu. 9 10 Die Beklagte habe mit dem Aufstellen der Nachbildungen der [X.] in der [X.] der Kunst- und Ausstellungshalle der [X.] - 5 - [X.] in [X.] das Verbreitungsrecht der Klägerin verletzt. Von einem Inverkehrbringen von Vervielfältigungsstücken des Werkes [X.] von § 17 Abs. 1 [X.] sei auch auszugehen, wenn Nachbildungen der allgemeinen Öffentlich-keit zur Benutzung zugänglich gemacht würden. Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus der Bestimmung des § 17 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.], die Werke der angewandten Kunst von der Regelung des Vermietrechts ausnehme. Die Vorschrift sei nur eine Rückausnahme zu der in § 17 Abs. 2 [X.] vom [X.] ausgenommenen Vermietung. Das Verbot der Verbrei-tung stelle auch keine unzulässige Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28 [X.] dar. Betroffen sei nur eine dem Erwerbsvorgang nachfolgende Verwertungshandlung im Inland, die von dem Erwerbsgeschäft getrennt sei und dieses weder verhindere noch erschwere. I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 97 Abs. 1 [X.] nicht zu. Die Beklagte hat das urheberrechtliche Verbrei-tungsrecht der Klägerin [X.] von § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 17 Abs. 1 [X.] durch das Aufstellen der Möbelstücke in der [X.] der Kunsthalle nicht verletzt und auch nicht gegen das Verwertungsverbot nach § 96 [X.] verstoßen. 11 1. Die Klägerin begehrt mit ihren Klageanträgen Schutz für das Inland. Nach dem Schutzlandprinzip sind daher die Vorschriften des [X.] Urhe-berrechtsgesetzes anwendbar ([X.], 151 [X.]. 24 - [X.]; vgl. auch Art. 8 Abs. 1 der am 11. Januar 2009 in [X.] getretenen ROM-II-Verordnung). 12 13 2. Das Verbreitungsrecht ist das Recht, das Original oder Vervielfälti-gungsstücke des Werks in der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen (§ 17 Abs. 1 [X.]). Da es sich bei dem Verbreitungsrecht nach Art. 4 - 6 - Abs. 1 der Informationsgesellschafts-Richtlinie um harmonisiertes Recht han-delt, ist die Bestimmung des § 17 [X.] richtlinienkonform auszulegen (vgl. [X.], 151 [X.]. 32 f. - [X.]; [X.], Handbuch des [X.]s, 2003, § 20 Rdn. 19; [X.], ELR 2008, 212, 215; [X.]/[X.]/[X.], Gewerblicher Rechtsschutz, Ur-heberrecht, Medienrecht, § 17 [X.] Rdn. 2). Nach der Bestimmung der Richtli-nie sehen die Mitgliedstaaten vor, "dass den Urhebern in Bezug auf das Origi-nal ihrer Werke oder auf Vervielfältigungsstücke davon das ausschließliche Recht zusteht, die Verbreitung an die Öffentlichkeit in beliebiger Form durch Verkauf oder auf sonstige Weise zu erlauben oder zu verbieten". Die Vorschrift des Art. 4 Abs. 1 der Informationsgesellschafts-Richtlinie über das Verbreitungsrecht begründet nicht nur einen Mindestschutz, hinter dem die Mitgliedstaaten bei der Bestimmung ihres Schutzniveaus nicht zurück-bleiben dürfen, sondern stellt eine verbindliche Regelung des Verbreitungs-rechts auch im Sinne eines Maximalschutzes dar (a.[X.] in Dreier/[X.], [X.]sgesetz, 3. Aufl., § 17 Rdn. 4a; Heerma in [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 17 Rdn. 11; v. [X.], [X.]. 2008, 596, 597; [X.], Medien und Recht 2008, 246, 248). Dies folgt aus dem Zweck der Richtlinie, unterschiedliche einzelstaatliche Rechtsvorschriften über das Urhe-berrecht und verwandte Schutzrechte im Interesse der Rechtssicherheit und der Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts anzupassen und ein uneinheitliches Vor-gehen der Mitgliedstaaten zu vermeiden (Erwägungsgründe 1, 4 und insbeson-dere 6 und 7 der Richtlinie). Dementsprechend wird in den Erwägungsgründen verschiedentlich die Zielsetzung der [X.], ein harmonisiertes [X.] zu schaffen (Erwägungsgründe 1, 4, 6, 7, 9, 23 und 31), und betont, durch die Rechtsharmonisierung zur [X.] der Freiheiten des Binnenmarkts beizutragen (Erwägungsgrund 3). [X.] wird zu Recht die Konsequenz gezogen, dass Art. 4 der [X.] das Verbreitungsrecht allgemeingültig regelt (Dustmann in 14 - 7 - [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 17 Rdn. 5; Schricker/Loewen-heim, [X.], 3. Aufl., § 17 Rdn. 1; [X.] in [X.], 2. Aufl., § 17 Rdn. 5 und 12). Damit ist die Annahme nicht vereinbar, die Richtlinie bestimme nur einen Mindestschutz und räume den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, ein weiterreichendes Schutzniveau zu begründen oder aufrechtzuerhalten. [X.] ist, soweit ersichtlich, vor der Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] Gemeinschaften vom 17. April 2008 - [X.]/06, [X.], 604 - [X.][X.] auch nicht vertreten worden (vgl. [X.] in Eu-ropäisches [X.], 2001, S. 1044 f.; Schricker/[X.] aaO § 17 Rdn. 1; [X.]/[X.] aaO § 54 Rdn. 41; [X.], EWiR 2007, 189 f.). Die zum Teil im Schrifttum vertretene gegenteilige Ansicht stellt darauf ab, dass die Regelungen des Verbreitungsrechts im WCT-Vertrag ([X.]) und im WPPT-Vertrag ([X.] über Darbietungen und Tonträger) nur Mindestrechte gewähren und es den Vertragsstaaten unbenommen bleibt, über diesen Min-destschutz hinauszugehen ([X.] in Dreier/[X.] aaO § 17 Rdn. 4a; v. [X.], [X.]. 2008, 596). Die sich daraus ergebenden Folgerungen betreffen aber nur die Auslegung der Vorschrift des Art. 4 Abs. 1 der [X.] und damit die vom [X.] beantwortete Frage, ob eine Verbreitung im Sinne dieser Richtlinienbestimmung nur bei einer Übertragung des Eigentums vorliegt oder ob die Richtlinie über den in den völkerrechtlichen Verträgen vorgesehenen Schutz hinausgeht. Für die Frage, ob die Informationsgesellschafts-Richtlinie ihrerseits den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet, ein höheres [X.] vorzusehen, ist dies jedoch ohne Belang. 15 16 3. Der [X.] hat die Frage, ob von einer Verbreitung ausgegangen werden kann, wenn der Öffentlichkeit nur - 8 - der Gebrauch von Werkstücken eines urheberrechtlich geschützten Werkes überlassen wird, verneint. Er hat angenommen, dass eine Verbreitung auf an-dere Weise als durch Verkauf [X.] des Art. 4 Abs. 1 der [X.] nur vorliegt, wenn eine Übertragung des Eigentums an dem Gegenstand erfolgt ([X.] [X.], 604 [X.]. 41 - [X.][X.]). Ein Dritter greift daher nicht in das ausschließlich dem Urheber nach § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 17 Abs. 1 [X.] zustehende Verbreitungsrecht ein, wenn er Nachbildungen urheberrechtlich geschützter Modelle von Möbeln der Öffent-lichkeit zum Gebrauch zugänglich macht. Von einer Verbreitung ist nach der Rechtsprechung des [X.] auch nicht auszugehen, wenn einem Dritten der Besitz des Originals oder eines [X.] übertragen wird ([X.] [X.], 604 [X.]. 36 und 41 - [X.][X.]). Im Streitfall hat die Beklagte danach das der Klägerin zustehende Verbreitungsrecht nicht verletzt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beklagte der Öffentlichkeit die Möbelstücke zur Benutzung zur Verfügung gestellt hat oder sie den Besitz an den Werkstücken auf den die [X.] betreibenden Gastronomen übertragen hat. In beiden Sachverhaltskonstellationen ist eine Verbreitung [X.] von Art. 4 Abs. 1 der Informationsgesellschafts-Richtlinie und § 17 Abs. 1 [X.] nicht erfolgt, weil die Möbelstücke weder verkauft worden sind noch das Eigentum an ihnen übertragen worden ist. 17 18 4. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung stehen der Klägerin die begehrten Ansprüche auch nicht wegen Verletzung des [X.] aus § 96 Abs. 1 [X.] zu. Nach dieser Vorschrift dürfen rechtswidrig hergestell-te Vervielfältigungsstücke nicht verbreitet werden. Eine unmittelbare Anwen-dung des § 96 Abs. 1 [X.] scheidet aus, weil der Begriff der Verbreitung dem-jenigen des § 17 [X.] entspricht und dessen Voraussetzungen nicht vorliegen (s. oben unter II 3). - 9 - Eine analoge Anwendung der Bestimmung, für die sich die Revisionser-widerung ausspricht, kommt ebenfalls nicht in Betracht. Es fehlt an einer für eine analoge Anwendung erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Nach der Entscheidung des [X.] hat der Gemeinschaftsgesetzgeber das Verbreitungsrecht bewusst auf Sachverhalte beschränkt, die mit der Übertragung des Eigentums des Originals des Werks oder eines Vervielfältigungsstücks verbunden sind ([X.] [X.], 604 [X.]. 38 - [X.][X.]). 19 - 10 - II[X.] [X.] folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. 20 [X.]Büscher Bergmann

[X.] Koch Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 23.11.2005 - 28 O 268/05 - O[X.], Entscheidung vom 07.07.2006 - 6 U 227/05 -

Meta

I ZR 148/06

22.01.2009

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.01.2009, Az. I ZR 148/06 (REWIS RS 2009, 5515)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 5515

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6 U 227/05 (Oberlandesgericht Köln)


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