Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.06.2010, Az. XII ZB 118/10

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5526

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[X.]BESCHLUSS [X.] 118/10 vom 23. Juni 2010 in der [X.]
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 1906 Abs. 1 Nr. 1, 2 Zu den Anforderungen an eine zulässige Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB (im [X.] an Senatsbeschlüsse vom 1. Februar 2006 - [X.] 236/05 - [X.], 615, 616 und vom 13. Januar 2010 - [X.] 248/09 - FamRZ 2010, 365 [X.]. 14). [X.], Beschluss vom 23. Juni 2010 - [X.] 118/10 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 23. Juni 2010 durch die [X.] Richterin [X.] und [X.] Dr. Wagenitz, Dose, [X.] und [X.] beschlossen: Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 5 des [X.] vom 3. März 2010 wird [X.]. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe: [X.] Der Betroffene leidet an Schizophrenie; er befindet sich in einem akuten psychotischen Zustand. Seit 2007 war der Betroffene wiederholt untergebracht - zuletzt aufgrund von Beschlüssen des Amtsgerichts vom 30. Juni 2009 (Be-schwerdeentscheidung des [X.] vom 16. Juli 2009; Unterbringung bis 27. Juli 2009), vom 12. August 2009 (Beschwerdeentscheidung des Landge-richts vom 1. September 2009; Unterbringung bis 23. September 2009), vom 2. Oktober 2009 (Unterbringung bis 5. November 2009) und vom 12. Januar 2010 (Beschwerdeentscheidung des [X.] vom 26. Januar 2010; [X.] bis 22. Februar 2010). Den die Unterbringung genehmigenden Be-schlüssen lagen jeweils Gutachten (vom 29. Juni 2009 - [X.]1 - 3 - und [X.] , vom 12. August 2009 - [X.] , vom 1. Oktober 2009 und 6. Januar 2010 - beide [X.]. M. ) zugrunde, die u. a. von einer Selbsttö-tungsgefahr bzw. der Gefahr erheblicher Eigengefährdung für den Betroffenen ausgehen, ferner eine ärztliche Stellungnahme im Rahmen einer Anhörung am 26. Januar 2010 ([X.]). 2 Auf Antrag der Betreuerin hat das Amtsgericht (mit Beschluss vom 18. Februar 2010) erneut die Unterbringung des Betroffenen - nunmehr bis zum 19. August 2010 - genehmigt. Die Beschwerde des Betroffenen hat das Land-gericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rechts-beschwerde. I[X.] Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet. 3 1. Nach Auffassung des [X.] liegen die Voraussetzungen für ei-ne Unterbringung des Betroffenen nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB vor. Aufgrund der Schizophrenie bestehe die Gefahr, dass der Betroffene sich und anderen Personen erheblichen Schaden zufügen könne. Dies sei bedingt durch die bei dem Betroffenen bestehende psychotische Symptomatik mit erheblichen Änderungen im Affekt. In erster Linie liege eine Eigen- und Fremdgefährdung vor, die dazu führen könne, dass der Betroffene sich in für ihn schwierige Situa-tionen hineinbegibt und sich sein Zustand durch die ausgesetzte Medikation weiter verschlechtere. Das [X.] stützt seine Beurteilung auf ein weiteres von ihm eingeholtes Sachverständigengutachten des [X.]. M. (vom 9. Februar 2010), auf die ärztliche Stellungnahme des den Betroffenen behan-delnden Oberarztes [X.]

vom 1. März 2010 sowie auf den persönlichen 4 - 4 - Eindruck, den das Gericht von dem Betroffenen bei dessen persönlicher Anhö-rung am 1. März 2010 gewonnen hat. Der Betroffene habe dabei erklärt, dass er aus politischen Gründen verfolgt werde, keine Medikamente benötige und sie nach seiner Entlassung aus der Klinik auch nicht mehr einnehmen werde. Der Betroffene verfüge nach Überzeugung der Kammer über keine Einsicht in seine Krankheit und sei in seiner verfestigten Überzeugung, ohne Medikamente gleich gut leben zu können und keiner Heilbehandlung zu bedürfen, nicht zu beeinflussen. 2. Diese Ausführungen halten im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. 5 a) Zwar ist richtig, dass - wie die Rechtsbeschwerde rügt - die Feststel-lungen des [X.] eine Unterbringung des Betroffenen nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB allein nicht zu tragen vermögen. 6 Nach dieser Vorschrift ist eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer zulässig, wenn eine Heilbehandlung notwendig ist, die ohne die Un-terbringung nicht durchgeführt werden kann und der Betreute aufgrund einer psychischen Krankheit die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann. Da eine Unterbringung nach die-ser Vorschrift gerade nicht an die engeren Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB (Suizidgefahr, erhebliche Gesundheitsbeschädigung) gebunden ist, kommt - wie der Senat dargelegt hat - dem Verhältnismäßigkeitsprinzip bei der Anwendung dieser Regelung als notwendigem Korrektiv für Eingriffe in das Freiheitsrecht besondere Bedeutung zu. Für eine die Unterbringung rechtferti-gende Heilbehandlung muss deshalb im Einzelfall eine medizinische Indikation bestehen und der mögliche therapeutische Nutzen der Behandlung gegen die Gesundheitsschäden abgewogen werden, die ohne die Behandlung entstehen 7 - 5 - würden (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2006 - [X.] 236/05 - [X.], 615, 616). 8 Dem landgerichtlichen Beschluss sind Erörterungen zur [X.] nach diesen Maßstäben nicht zu entnehmen; insbesondere werden - von der Rechtsbeschwerde beanstandet - die konkret beabsichtigte Therapie und die Aussichten, die der Krankheitsverlauf mit und ohne diese Therapie [X.] würde, dort nicht, jedenfalls nicht ausdrücklich, benannt. Zwar durfte das [X.] davon ausgehen, dass sich Behandlungsbedürftigkeit, Therapie und Unterbringungsnotwendigkeit aus den mehreren umfänglichen Gutachten, die im Laufe der aufeinander folgenden Unterbringungsverfahren erstellt [X.] sind, mit hinreichender Verlässlichkeit und Aktualität erschließen lassen - so zuletzt aus dem vom [X.] ausdrücklich in Bezug genommenen [X.] des [X.]. M. vom 9. Februar 2010. Auch finden sich bereits in den vorangegangenen Beschwerdeentscheidungen des [X.] vom 1. September 2009 (Seite 2) und vom 26. Januar 2010 (Seite 2) hierzu nähere Hinweise, deren stete Wiederholung grundsätzlich als unnötige [X.] erach-tet werden könnte. Indes unterscheidet sich die angefochtene Entscheidung von den vorangegangenen Beschlüssen durch die nunmehr vorgesehene Un-terbringungsdauer von einem halben Jahr nicht unerheblich; angesichts dieses Unterschiedes bedurfte es einer Darlegung, inwieweit auch die jetzt genehmigte längerfristige Unterbringung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit von den bisherigen Befunden gedeckt und durch das therapeutische Konzept gerechtfertigt wird. An einer solchen - zumindest summarischen - Darlegung fehlt es in dem angefochtenen Beschluss. b) Indes erweist sich die angefochtene Entscheidung gleichwohl im Er-gebnis als richtig. Denn das [X.] hat seine Entscheidung auch auf 9 - 6 - § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB gestützt. Diese Begründung rechtfertigt das [X.]. 10 Wie der Senat ebenfalls dargelegt hat, verlangt diese Vorschrift - im Ge-gensatz zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung - keine akute, unmittelbar be-vorstehende Gefahr für den Betreuten. Notwendig ist allerdings eine ernstliche und konkrete Gefahr für dessen Leib und Leben (Senatsbeschluss vom 13. Januar 2010 - [X.] 248/09 - FamRZ 2010, 365 [X.]. 14), wobei die [X.] an die Voraussehbarkeit einer Selbsttötung oder einer erheblichen gesundheitlichen Eigenschädigung jedoch nicht überspannt werden dürfen. Die Prognose ist im Wesentlichen Sache des Tatrichters (Senatsbeschluss vom 13. Januar 2010 - [X.] 248/09 - FamRZ 2010, 365 [X.]. 14). Das [X.] ist insoweit dem Gutachten des Sachverständigen [X.]. M. vom 9. Februar 2010 gefolgt, nach dem "weiterhin die Gefahr [besteht], dass der Betroffene sich selbst erheblichen gesundheitlichen Scha-den zufügt". Es hat sich außerdem auf die gutachtliche Stellungnahme des den Betroffenen behandelnden Oberarztes [X.] gestützt, der anlässlich seiner Anhörung vor dem [X.] die Ergebnisse der Begutachtung durch [X.]. M. ausdrücklich bestätigt hat. Beiden sachverständigen [X.] ist zu entnehmen, dass ohne die Fortsetzung der bisherigen Medikation die Gefahr einer erheblichen Eigenschädigung des Betreuten besteht, der Be-treute in der Vergangenheit die Einnahme der Medikamente stets abgesetzt hat und deshalb die Unterbringung zur kontinuierlichen Fortführung der Medikation erforderlich ist. Weiterer Erkundungen bedurfte es - auch im Hinblick auf die in den vorangehenden Genehmigungsverfahren eingeholten gutachtlichen Stel-lungnahmen, die für den Fall einer Unterbrechung der Therapie einhellig von der Gefahr einer erheblichen gesundheitlichen Eigenschädigung des Betroffe-nen ausgehen - nicht. Insbesondere bedurfte es danach keiner Ermittlung [X.] - 7 - sonderer tatsächlicher Vorkommnisse aus der jüngeren Vergangenheit, die si-chere Rückschlüsse auf die Gefahr der Eigenschädigung ermöglichen könnten; ebenso war es - angesichts der auch in den Gutachten geschilderten Lebenssi-tuation des Betroffenen - verzichtbar, weil fernliegend, ausdrücklich auch der Frage nach möglichen Alternativen zur Unterbringung nachzugehen. 12 Aus der von der Rechtsbeschwerde angeführten Stellungnahme der [X.], die diese am 26. Januar 2010 - anlässlich einer Anhörung im vorangehenden Genehmigungsverfahren - abgegeben hat, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Danach hält die Stationsärztin zum damaligen Zeitpunkt einen Suizid "grundsätzlich für möglich"; die Suizidgefahr sei "jedoch nicht mehr das vordergründige Thema". Früher habe es [X.] gegeben. "Durch seine Verweigerungshaltung" sei der Betroffene "in eine perspektivlose Situati-on geraten". Es sei daher "in der Tat die schlimmste Befürchtung, dass [X.] passieren könne". Es ist [X.] nicht zu beanstanden, wenn das [X.] diesen Ausführungen keine Bedeutung zugemessen- 8 - hat, die den zuvor wiedergegebenen Darlegungen des [X.]. M. und des Oberarztes [X.]

widerstreiten. [X.] [X.] [X.]: [X.], Entscheidung vom [X.]/09 - [X.], Entscheidung vom [X.] - 5 T 63/10 -

Meta

XII ZB 118/10

23.06.2010

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.06.2010, Az. XII ZB 118/10 (REWIS RS 2010, 5526)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5526

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