Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.01.2012, Az. 3 StR 370/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 10302

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 370/11
vom
10. Januar 2012
in der Strafsache
gegen

wegen
Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
u.a.

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des
Beschwerde-führers
und
des [X.] -
zu 2. auf dessen Antrag -
am 10.
Januar 2012
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 11.
Mai 2011 aufgehoben
a)
im Ausspruch über die erste Gesamtstrafe ([X.] von sieben Monaten),
b)
mit den zugehörigen Feststellungen
im Maßregelaus-spruch.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückver-wiesen.
2.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat gegen den Angeklagten wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Beleidigung, und wegen Beleidigung Geldstrafen verhängt und ihn unter Einbeziehung zweier [X.]n aus einem Urteil vom 12.
Januar 2010 zu einer (ersten) Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten 1
-
3
-
verurteilt. Weiter hat es gegen ihn wegen schwerer Brandstiftung und wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in zwei Fällen auf eine zweite Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten erkannt. Es hat die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die
Revision
des Angeklagten, mit der er die Verlet-zung formellen und materiellen Rechts beanstandet, hat mit der Sachrüge den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§
349 Abs.
2 StPO).
1. Die Bildung der ersten Gesamtstrafe ist
rechtsfehlerhaft. Das [X.] hätte nach Auflösung der im Urteil vom 12.
Januar 2010 verhängten [X.] nur die [X.] für die zweite, nicht auch die für die erste dort abgeurteilte Tat einbeziehen dürfen.
Dem Urteil vom 12.
Januar 2010 gingen Vorverurteilungen vom 9.
Februar 2009 und 16.
April 2009 voraus, wobei die Verurteilung vom 16.
April 2009 -
wie dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch hinrei-chend zu entnehmen -
Taten vor dem 9.
Februar 2009 betraf. Zwar entfaltete das Urteil vom 12.
Januar 2010, das Taten vom 25.
Oktober 2008 und 21.
Februar 2009 zum Gegenstand hatte, damit Zäsurwirkung für die Taten II.
1 bis II.
4 der Urteilsgründe (Tatzeitraum Mai bis Dezember 2009), weil die am 21.
Februar 2009 verübte Tat am 9.
Februar 2009 noch nicht berücksichtigt werden konnte und der Vorverurteilung vom 16.
April 2009 im Hinblick auf die Tat vom 21.
Februar 2009 keine Zäsurwirkung zukam (vgl. [X.], Beschluss vom 7.
Dezember 1983 -
1
StR
148/83, [X.]St
32, 190, 193; Beschluss vom 24.
Oktober 2002 -
4
StR
332/02, NStZ
2003, 200, 201). In die im angefochte-nen Urteil gebildete (erste) Gesamtstrafe hätte aber die am 12.
Januar 2010 verhängte [X.] für die Tat vom 25.
Oktober 2008 nicht einbezogen wer-2
3
-
4
-
den dürfen, weil diese Tat schon am 9.
Februar 2009 hätte abgeurteilt werden können. Dass in dem Urteil vom 12.
Januar 2010
auf der Grundlage des §
53 Abs.
2 Satz
2 StGB von der Bildung einer Gesamtstrafe mit der früheren Verur-teilung
vom 9.
Februar 2009 abgesehen worden ist, ändert an der [X.] vom 9.
Februar 2009 hinsichtlich der Tat vom 25.
Oktober 2008 nichts
([X.], Beschluss vom 7.
Dezember 1983
-
1
StR
148/83, [X.]St
32, 190, 194; Urteil vom 12.
August 1998
-
3
StR
537/97, [X.]St
44, 179, 184).

Durch die rechtsfehlerhafte Bildung der ersten Gesamtstrafe ist der An-geklagte beschwert, weil eine im Urteil vom 12.
Januar 2010 noch zur [X.] ausgesetzte Freiheitsstrafe unter Wegfall der Vergünstigung nach §
56 Abs.
1 StGB einbezogen worden ist (vgl. [X.], Beschluss vom 5.
Juli 1990
-
1
StR
273/90, juris).
Das Urteil muss deshalb im Ausspruch über die erste Gesamtstrafe aufgehoben werden, wobei der neue Tatrichter zu beachten ha-ben wird, dass wegen des Verschlechterungsverbots des §
358 Abs.
2 StPO die neu zu verhängende Gesamtstrafe nur so hoch bemessen werden darf, dass sie zusammen mit der für die Tat vom 25.
Oktober 2008 verhängten [X.] von drei Monaten die im angefochtenen Urteil festgesetzte erste Gesamtstrafe von sieben Monaten Freiheitsstrafe nicht übersteigt (vgl. [X.], Beschluss vom 7.
Dezember 1990 -
2
StR
513/90, [X.]R StPO § 358 Abs.
2 Nachteil
4). Bei der Zäsurwirkung als solcher bleibt es ohne Rücksicht auf ei-nen etwaigen zwischenzeitlichen Erlass der am 12.
Januar 2010 verhängten Strafe, weil die Gesamtstrafe nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten tatrichterlichen Verhandlung zu bilden ist ([X.], Urteil vom 9.
Dezember 2009 -
5
StR
459/09, [X.]R StGB §
55 Abs.
1 Satz
1 Erledi-gung
4; [X.], StGB, 59.
Aufl., §
55 Rn.
37 mwN). Die Feststellungen sind 4
-
5
-
durch den Rechtsfehler bei der Bildung der ersten Gesamtstrafe nicht betroffen und können bestehen bleiben (§
353 Abs.
2 StPO).
2. Der [X.] hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
a) Das [X.] hat sachverständig beraten ausgeführt, bei dem [X.] lägen die "typischen Symptome einer paranoiden Persönlichkeitsstö-rung" vor, und dies mit dem "Verschenken einer Erbschaft" in den siebziger Jahren
aus Verärgerung über die Veranlagung zur Erbschaftsteuer, der [X.] allein zum Zwecke der Erlangung wirtschaftlicher Vor-teile, dem Verfassen von "insgesamt über 100 Schreiben an Gerichte und Be-hörden" und negative Äußerungen über eine Nachbarin und einen Polizeibeam-ten im Zusammenhang mit gegen ihn geführten polizeilichen Ermittlungen [X.]. "Spätestens ab dem [X.]" sei "der Alltag des Angeklagten (ne-ben der Behandlung seiner körperlichen Leiden) durch den Kampf gegen das von ihm
empfundene Unrecht und gegen eine -
aus seiner Sicht -
ihn 'terrorisie-rende Umwelt' bestimmt" gewesen. Es hat aus diesen Umständen auf eine "Einengung der Lebensführung" und eine "Stereotypisierung des Verhaltens" des Angeklagten, der "unflexible, unangepasste und paranoide [X.]" zei-ge, geschlossen und angesichts "der gesamten vom Sachverständigen ausge-führten Umstände und der anderen hier zu Tage getretenen Tatsachen", insbe-sondere der "besonders starken Zuspitzung" wegen des mit einer "Inhaftierung zusammenhängenden Gesamtszenarios", im Hinblick auf die schwere Brand-stiftung die Voraussetzungen des §
63 StGB bejaht.
b) Diese Erwägungen belegen schon nicht, dass der Angeklagte die schwere Brandstiftung aufgrund des Vorliegens eines der Eingangsmerkmale des §
20 StGB im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§
21 StGB) begangen hat. Ob eine paranoide Persönlichkeitsstörung
als schwere andere 5
6
7
-
6
-
seelische Abartigkeit qualifiziert werden kann, hängt -
wie vom [X.] grundsätzlich zutreffend gesehen -
davon ab, ob es im Alltag des [X.] zu Einschränkungen des beruflichen oder [X.] Handlungsvermögens gekom-men ist und die Persönlichkeitsstörung sein Leben vergleichbar nachhaltig
und mit ähnlichen Folgen belastet
oder einengt
wie eine krankhafte seelische Stö-rung
(vgl. [X.], Beschluss vom 26.
Juli 2000 -
2
StR
278/00, [X.]R StGB §
21 seelische Abartigkeit
35). Einschränkungen des Alltags des Angeklagten dieses Umfangs hat das [X.] indes nicht festgestellt. Die von ihm
für eine Ein-engung des [X.] Handlungsvermögens konkret herangezogenen Umstände
beziehen sich zum Teil auf lange zurückliegende Vorgänge. Sie
lassen sich überdies -
auch, soweit sie das Verfassen zahlreicher Schreiben an Gerichte und Behörden betreffen -
innerhalb der Bandbreite "normalen"
menschlichen Verhaltens erklären, zumal sich das [X.], was gegen seine Annahme eines dauernden Zustands im Sinne des §
63 StGB (vgl. [X.], Urteil vom 6.
März 1986 -
4
StR
40/86, [X.]St
34, 22, 27; st. Rspr.)
spricht, bei den sons-tigen Taten nicht sicher von einer erheblichen Verminderung der [X.] hat überzeugen können. Seine Ausführungen zur "Einengung der [X.]", zur "Stereotypisierung des Verhaltens" und zu unflexiblen, unan-gepassten und paranoiden [X.]n
nehmen das Ergebnis vorweg, ohne die tatsächlichen Voraussetzungen einer Persönlichkeitsstörung in dem nach §§
20, 21 StGB erforderlichen Schweregrad nachvollziehbar zu belegen.
c) Im Übrigen hat das [X.] eine Wahrscheinlichkeit höheren [X.], dass der Angeklagte infolge eines nach §
63 StGB relevanten Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist ([X.], Beschluss vom 23.
November 2010
-
3
StR
385/10, [X.], 30, 31 mwN),
nicht rechtsfehlerfrei belegt. Es hat seine Gefährlichkeitsprognose allein an die schwere Brandstiftung geknüpft, 8
-
7
-
weil es weitere rechtswidrige Taten eines die Unterbringung nach §
63 StGB rechtfertigenden Schweregrades nicht festgestellt hat. Die Tatumstände der schweren Brandstiftung -
Sorge des Angeklagten um seine Habe aus Anlass seiner bevorstehenden Inhaftierung -
waren indessen besondere, für deren Wiederholung außer der bloßen Möglichkeit, dass der Angeklagte künftig er-neut zum Haftantritt geladen werden könnte, nichts spricht und die damit eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für vergleichbar gewichtige Rechtsbrüche nicht ergeben.
Im Gegenteil legen sie eine Gelegenheits-
oder Konflikttat nahe, die eine Unterbringung nach §
63 StGB nicht rechtfertigt (vgl. [X.], Beschluss vom 29.
Mai 1991 -
3
StR
148/91, [X.]R StGB §
63 Gefährlichkeit
15; [X.] vom 1.
September 1998 -
4
StR
367/98).
d) Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatri-schen Krankenhaus muss daher -
wiederum unter Hinzuziehung eines Sach-verständigen (§
246a StPO) -
aufgrund neu zu treffender Feststellungen (§
353 Abs.
2 StPO) erneut geprüft und entschieden werden.
[X.] Schäfer

Mayer Menges
9

Meta

3 StR 370/11

10.01.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.01.2012, Az. 3 StR 370/11 (REWIS RS 2012, 10302)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10302

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