Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2017, Az. 5 StR 572/16

5. Strafsenat | REWIS RS 2017, 11917

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:260417U5STR572.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM [X.] [X.]S VOLKES

URTEIL
5 StR
572/16

vom
26. April
2017
in der Strafsache
gegen

wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.

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2
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Der 5.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom
26. Ap-ril
2017, an der teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter [X.],

[X.] [X.],
Richterin
Dr. [X.],
[X.],
[X.] Dr. König

als beisitzende Richter,

Oberstaatsanwältin beim [X.]

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt

F.

als Verteidiger,

Rechtsanwältin P.

als Nebenklägervertreterin,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

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für Recht erkannt:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 7. Juli 2016 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.].
Die weitergehende Revision wird verworfen.

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Von Rechts wegen
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Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen erpresserischen [X.] in Tateinheit mit schwerem Raub und vorsätzlicher Körperverlet-zung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt und ihn im Übrigen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, auf die
Sachrü-ge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat
im vom [X.] vertretenen Umfang hinsichtlich der [X.] der Sicherungsverwahrung Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
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I.
1. Nach den Feststellungen des [X.]s hielt sich der bereits im Jahr 2003 wegen schweren Raubes in fünf
Fällen
und
schwerer räuberischer Erpressung in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteil-te Angeklagte am 12. Mai 2015 mit einer schwarzen Mütze und einem schwar-zem Schal vermummt vor
der Hinterausgangstür einer
[X.]
in Leipzig auf. Als eine [X.] die Tür öffnete, rannte der Ange-klagte auf sie zu und richtete den Lauf seiner ungeladenen [X.] auf ihren Kopf. Die Zeugin kam zu Fall und erlitt dabei Verletzungen. Der An-geklagte zog sie in die Räumlichkeiten der Sparkasse,
in denen sich noch wei-tere Angestellte befanden, die er ebenfalls mit der Pistole bedrohte. Eine Mitar-beiterin musste [X.] öffnen. Diesem entnahm der Angeklagte mehr als 40.000 Euro,
mit denen
er aus der [X.] entkam.
2. Das [X.] hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte bereits am 21. Februar 2014 einen Banküberfall verübte und dadurch einen weiteren erpresserischen Menschenraub in Tateinheit mit schwerem Raub und mit vorsätzlicher Körperverletzung beging.
II.
1. Soweit die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision die Aufhebung des Freispruchs des Angeklagten hinsichtlich des [X.] vom 21. Febru-ar
2014 erstrebt, bleibt ihr der Erfolg versagt.
Aus den Gründen der Antrags-schrift des [X.]s hält der Freispruch
sachlich-rechtlicher Überprüfung stand.
2. Demgegenüber hat
die Ablehnung der Anordnung der Sicherungsver-wahrung (§ 66 StGB) keinen Bestand.
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a) Die Begründung des Urteils zur Ablehnung eines Hanges im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB ist rechtsfehlerhaft.
aa) Die [X.] stützt
die
Verneinung eines Hanges
des Angeklag-ten auf die Ausführungen des Sachverständigen. Danach seien die

s-druck gekommene stereotype Vorgehensweise über einen mehrjährigen [X.] in der Vergangenheit und die gleichförmige Ausübung der erneuten Taten ... zwar Indizien, die für einen Hang sprechen könnten, gleichwohl sei der Angeklagte keine aggressive und/oder dissoziale Persönlichkeit.
11). Bei ihm finde sich vielmehr eine besondere Bereitschaft, in Krisen-
und Über-forderungssituationen depressiv zu reagieren. Diese rezidivierende depressive Störung vermöge Tathandlungen wie die vorliegenden Raubüberfälle

anzu-bahnen und zu erklären
([X.]).
Damit hat die [X.] verkannt, dass die Ursache des Hanges für dessen Bejahung unerheblich ist (st. Rspr. [X.], Urteil vom 25. Mai 1971

1
StR 40/71, [X.]St 24, 160, 161).
Dass der Angeklagte an einer
rezidivie-renden depressiven Störung leidet, steht der Annahme eines Hanges deshalb nicht entgegen. Vielmehr kann sie
sogar für diese herangezogen werden.
bb) Zudem ist die im Urteil vorgenommene Prüfung eines Hanges im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB lückenhaft. In ihrem Rahmen ist eine [X.], auf eine umfassende Vergangenheitsbetrachtung abstellende Feststellung des gegenwärtigen Zustands des [X.] erforderlich (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Mai 2011

4 StR 87/11, [X.], 272, 273). Das Tatgericht hat sich in diesem Zusammenhang auch mit den Vorverurteilungen und den [X.], unter denen es zu diesen wie auch zu den verfahrensgegenständlichen Taten gekommen ist, auseinanderzusetzen (vgl. [X.], Urteil vom 27. Okto-ber
2004

5 StR 130/04,
NStZ 2005, 265). An einer derartigen umfassenden 6
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Vergangenheitsbetrachtung fehlt es hier. Das [X.] hat es unterlassen, die Vortaten des Angeklagten und die ihn bei diesen Taten bewegenden Grün-de inhaltlich darzulegen, obgleich der Sachverständige hierauf ausdrücklich Bezug genommen hat ([X.]).
b) Die Ansicht der [X.], bei den (möglicherweise) zu prognosti-zierenden weiteren Raubtaten handle es sich nicht um erhebliche Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB, begegnet durchgreifenden rechtlichen Be-denken.
aa) Das [X.] orientiert sich bei seiner Entscheidung an einem Beschluss des [X.]es vom 24. Januar 2012 (5 [X.]). Es berücksichtigt dabei nicht, dass sich diese
Entscheidung auf den Rechtszustand nach Fest-stellung der Verfassungswidrigkeit der Regelungen zur Sicherungsverwahrung durch das [X.] ([X.] 128, 326) bezieht. Nach der vom [X.] damals getroffenen Weitergeltungsanordnung durfte § 66 StGB nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung weiter angewandt werden (vgl. [X.] aaO,
S.
406, Rn. 172); in der Regel war der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur unter der Voraussetzung gewahrt, [X.] stellte eine Einschränkung gegenüber den Taten dar, die nach §
66 Abs.
1 Satz
1 Nr.

sind (vgl. [X.], [X.] vom 2.
August
2011

3 StR 208/11, [X.]R StGB § 66 Strikte [X.]).
Der [X.] kann offenlassen, ob Raubtaten der vom Angeklagten began-genen Art, diesen strengen Maßstäben genügen würden
(vgl. hierzu [X.], [X.] vom 11. Dezember 2012

5 [X.], [X.]St 58, 62, 70 mwN). 10
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Denn diese erhöhten Anforderungen finden auf den vorliegenden Fall keine Anwendung mehr, weil
die Tat am 12.
Mai
2015 und damit nach dem [X.] zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5.
Dezember
2012 ([X.] [X.]) am 1.
Juni
2013 begangen
wurde. Mit der Schaffung des §
66c StGB durch dieses Gesetz wurde den Bedenken des [X.]s
Rechnung getra-gen, die sich ausdrücklich auf die Ausgestaltung der Unterbringung der Siche-rungsverwahrung und den vorhergehenden Strafvollzug, nicht aber auf die [X.] und materiellen Anordnungsvoraussetzungen
des § 66 StGB bezogen. Damit ist auch der Grund für die über den Gesetzeswortlaut hinausgehende Einschränkung des Anwendungsbereichs der Sicherungsverwahrung entfallen. Nach Inkrafttreten des genannten Gesetzes bestehen gegen die Gültigkeit und die Verfassungsmäßigkeit von §
66 Abs.
1 StGB keine Bedenken mehr ([X.], Urteile vom 24. Oktober 2013

4 [X.], NJW 2013,
3735, 3736; vom 7.
Januar 2015

2 StR 292/14, [X.], 208, 209). Anders als bei Taten, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes abgeurteilt, aber bereits vor dem 1.
Juni
2013 begangen wurden, besteht
kein Anlass,
die erhöhten Vorausset-zungen aus [X.] weitergelten zu lassen (vgl. [X.], Urteil vom 7.
Januar 2015 aaO mwN).
bb) Maßstab für die Gefährlichkeitsprüfung nach § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB ist demnach, ob der Täter infolge eines Hanges
zu erheblichen Straftaten zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist. Diese Vorausset-zung ist erfüllt, wenn aufgrund
des bei ihm bestehenden Hanges
die bestimmte Wahrscheinlichkeit besteht, dass er auch in Zukunft Straftaten begehen wird, die eine erhebliche Störung des Rechtsfriedens darstellen (vgl. [X.], Beschluss vom 3.
Dezember 2002

4 [X.], [X.], 108). Als wesentlichen Anhaltspunkt für die Beurteilung der Erheblichkeit zu erwartender Straftaten nennt das Gesetz eine schwere seelische oder körperliche Schädigung
der [X.]
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fer. Bezugspunkt sind danach die wahrscheinlichen Folgen der zu
erwartenden Straftaten.
Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte, der sich seiner Opfer zudem im Sinne des § 239a Abs. 1 StGB bemächtigt hat, diese mit einer täuschend echt wirkenden
Schreckschusspistole mit dem Tode bedroht. Dass die Waffe nicht geladen war, wussten die Opfer in der [X.] nicht. Der Umstand, dass die Bankangestellten im Hinblick auf solche Überfälle geschult sind, vermag ihnen für sich genommen weder die Angst
zu nehmen, möglicherweise

geplant oder aufgrund unglücklicher Umstände

erschossen zu werden, noch bietet die Schulung eine Gewähr dafür, dass etwaige Banküberfälle tatsächlich ohne er-hebliche psychische Folgen für die Bankangestellten bleiben. Auch Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben können über die Beeinträchti-gung des seelischen Gleichgewichts hinaus körperliche oder nachhaltige psy-chische Folgen
mit Krankheitswert nach sich ziehen, die
ungeachtet der objek-tiven Ungefährlichkeit des Tatmittels entstehen können ([X.], Beschluss vom 11. Dezember 2012 aaO). Solche erheblichen psychischen und auch körperli-chen Folgen sind bei der Geschädigten Fa.

auch tatsächlich eingetreten.
3. Der [X.] schließt aus, dass eine etwaige Maßregelanordnung [X.] auf die verhängte Strafe gehabt hätte.

Mutzbauer

Sander
[X.]

[X.]

König
14
15

Meta

5 StR 572/16

26.04.2017

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2017, Az. 5 StR 572/16 (REWIS RS 2017, 11917)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11917

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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