Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2013, Az. VII ZR 228/12

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2125

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR 228/12

vom

10. Oktober 2013

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am
10. Oktober 2013
durch den Richter Dr.
Eick, die Richterin [X.] und die Richter Kosziol,
[X.] und Prof. Dr. Jurgeleit
beschlossen:
Der Antrag des Beklagten
auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das
Revisionsverfahren
unter Beiordnung von Rechtsanwältin Dr.
A.

wird abgelehnt.

Gründe:
I.
Das Landgericht hat
entsprechend dem
Antrag des [X.] die ursprüng-liche Beklagte und spätere Insolvenzschuldnerin
verurteilt, an den Kläger 1
Mio.

len. Deren Berufung ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen.
Die ursprüngliche Beklagte
hat gegen das Urteil des Berufungsgerichts Revision eingelegt.
Mit Beschluss des Amtsgerichts -
Insolvenzgericht
-
B. vom 20.
De-zember
2012 ist -
vor Ablauf der verlängerten Frist zur Begründung der [X.] -
das Insolvenzverfahren über das Vermögen der ursprünglichen Beklagten eröffnet und der Beklagte
zum Verwalter in dem Insolvenzverfahren
über deren Vermögen bestellt worden. Dieser beantragt nunmehr,
ihm für das Revisions-1
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-
verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung
einer beim [X.] zugelassenen
Rechtsanwältin zu bewilligen.

II.
Die Voraussetzungen für die
Bewilligung der beantragten
Prozesskos-tenhilfe liegen
nicht vor, weil die beabsichtigte Rechtsverteidigung keine hinrei-chende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 116 Satz 2, § 114 Satz 1 letzter Halbsatz ZPO).
1. Grundsätzlich kommt im Streitfall die Aufnahme des unterbrochenen
Revisionsverfahrens durch den Beklagten als Verwalter
nach §
180 Abs.
2
i.[X.]. § 179 Abs. 2 InsO in
Betracht, wobei sich das Rechtsschutzziel des [X.] in die
Feststellung der ausgeurteilten Forderung

zur Tabelle verwandeln (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Juli 2008 -
IX ZR 150/05, [X.], 681
Rn. 12) und die beabsichtigte Rechtsverteidigung seitens des Beklagten
dahingehen müsste, die Feststellung der ausgeurteilten Forderung zur Tabelle abzuwehren.
2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur liquidationslosen Vollbe-endigung der [X.] infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Treuhandkommanditistin, der [X.],
und deren in-solvenzbedingten Ausscheidens aus der genannten Kommanditgesellschaft lassen entgegen der Auffassung des Beklagten keine Rechtsfehler erkennen. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur liquidationslosen Vollbeendigung der [X.] infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Treuhandkommanditistin und deren insolvenzbedingten Aus-scheidens aus der genannten Kommanditgesellschaft stehen im Einklang mit dem vom Berufungsgericht zitierten Urteil des [X.] 4
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(BVerwGE 140, 142 Rn. 12-20), das sich mit der liquidationslosen
Vollbeendi-gung gerade der [X.] befasst. Im Streitfall kann offenbleiben, wie zu entscheiden ist, wenn gleichzeitig über das Vermögen sämtlicher Gesell-schafter das Insolvenzverfahren eröffnet wird, so dass bei einschränkungsloser Anwendung des § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB kein Gesellschafter mehr vor-handen wäre, der als Gesamtrechtsnachfolger der [X.] werden könnte. Denn ein solcher Fall einer Simultaninsolvenz liegt hier nicht vor (vgl. BVerwGE 140, 142 Rn. 20).

3. Auch im Übrigen bietet die beabsichtigte Rechtsverteidigung keine hin-reichende Aussicht auf Erfolg.
a) Soweit das Berufungsgericht die ursprüngliche Beklagte als Handels-vertreterin eingestuft hat, lässt dies unter Berücksichtigung der vom Berufungs-gericht
herangezogenen Bestimmung in §
4 Abs.
1 des [X.] vom 15. März 2004 keine Rechtsfehler erkennen.
b) [X.] hat das Berufungsgericht eine objektiv feststehende,
mindestens hälftige Nichtausführung der vermittelten Geschäfte
(§ 87a Abs. 3 HGB), auf die sich das [X.] bezieht,
im Hinblick auf die vorgesehene [X.] der Treugeber angenommen. Es kann dahinstehen, ob von einer derartigen Nichtausführung der vermittelten Geschäfte bereits wegen der -
nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bestandskräftigen
-
Verfügung der [X.] (im Folgenden: [X.]) vom 15. Juni 2005 auszugehen ist, mit der der [X.] untersagt worden ist, auf der Grundlage von Verträgen
über treu-händerische Beteiligungen Gelder von Anlegern entgegenzunehmen, und mit der die unverzügliche Abwicklung der unerlaubt betriebenen Finanzkommissi-onsgeschäfte angeordnet worden ist. Das Berufungsurteil wird insoweit jeden-7
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-
falls durch die Ausführungen zur liquidationslosen
Vollbeendigung der [X.] infolge insolvenzbedingten Ausscheidens der Treuhandkommanditistin, der [X.], getragen.
c)
Keine Rechtsfehler lässt auch die Würdigung des Berufungsgerichts erkennen, dass die genannte
Nichtausführung der vermittelten Geschäfte auf Umständen beruht, die weder von der [X.] noch vom Kläger zu vertreten sind.
aa) Zu vertreten hat der
Unternehmer die Umstände, auf denen die Nichtausführung des Geschäfts beruht, wenn ihm oder seinen Erfüllungsgehil-fen insoweit persönliches Verschulden zur Last fällt (§§ 276, 278 BGB), darüber hinaus auch solche Umstände, die
seinem unternehmerischen oder betriebli-chen Risikobereich zuzuordnen sind (vgl. [X.], Urteil vom 5.
März
2008
-
VIII ZR 31/07, [X.] 2008, 2449
Rn. 18 m.w.[X.]).
Nicht zu vertreten hat der Unternehmer Umstände,
die nicht seinem unternehmerischen oder betriebli-chen Risikobereich zuzuordnen sind,
wie etwa unvorhersehbare Betriebsstö-rungen oder (rechtswidrige)
Eingriffe von hoher Hand (vgl. [X.]/Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Band 1, 4. Aufl., [X.] V, Rn. 461; [X.], Vertriebsrecht, 2. Aufl., § 87a Rn. 78).
Maßgebend sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls (vgl. [X.] in [X.]/Boujong/[X.]/Strohn, HGB, 2.
Aufl., § 87a Rn. 23; MünchKommHGB/von [X.], 3. Aufl., § 87a Rn. 53).
bb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts liegt der Grund für die Nichtausführung der vermittelten Geschäfte in den an die [X.] und die [X.] gerichteten Untersagungsverfügungen
der [X.] vom 15.
Juni 2005, die unter anderem zur liquidationslosen Vollbeendigung der [X.] infolge insolvenzbedingten Ausscheidens der Treuhandkomman-10
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6
-
ditistin, der
[X.],
geführt haben.
[X.] hat das Berufungsgericht die genannten Untersagungsverfügungen vom 15.
Juni 2005 als materiell rechtswidrig eingestuft. Nach der Rechtsprechung des [X.] sind Tätigkeiten der beanstandeten Art keine Finanzkommissionsgeschäf-te im Sinne des §
1 Abs.
1 Satz
2 Nr.
4 [X.] (vgl. BVerwG, NVwZ-RR 2009, 980
Rn.
27
ff.). Dem hat sich der [X.] für das hier verfahrensge-genständliche Modell angeschlossen (vgl.
[X.], Urteil vom 7.
Dezember
2009

II
ZR 15/08, [X.], 1077
Rn. 14 f.). Die Erwägung des Berufungsgerichts, dass ein derartiges rechtswidriges behördliches Einschreiten nicht dem [X.] Unternehmerrisiko zuzurechnen ist, ist nicht zu beanstanden. Der Streitfall ist entgegen der Auffassung des Beklagten signifikant anders gelagert als der dem Urteil des [X.] vom 5.
März
2008 -
VIII ZR 31/07, [X.] 2008, 2449 zugrunde liegende Fall. In dem letztgenannten Fall hatte die [X.] ein Veräußerungs-
und Zahlungsverbot gegen die als Unternehmer im Sinne von § 87a Abs.
3 HGB fungierende Bank erlassen, nachdem diese in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war. Der [X.] hat bei die-ser Lage die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung für rechtens erachtet, dass die Zahlungsschwierigkeiten der Bank und die daraufhin ergriffenen Zwangsmaßnahmen der genannten Anstalt, die dazu führten, dass die [X.] von der Bank nicht weiter ausgeführt werden konnten und die Bankkun-den ihre Zahlungen einstellten, in den Risikobereich der Bank fallen und damit von ihr zu vertreten sind (vgl. [X.], Urteil
vom 5. März 2008 -
VIII ZR 31/07, aaO
Rn. 17). Im Streitfall haben hingegen nach den Feststellungen des [X.] erst die rechtwidrigen Untersagungsverfügungen der [X.]
zur liquidationslosen Vollbeendigung der [X.] infolge insolvenzbeding-ten Ausscheidens der Treuhandkommanditistin, der [X.],
geführt.
Es ist im Übrigen nicht ersichtlich, dass die [X.] oder der Kläger
die Eröff-nung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der [X.], die die liqui--
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dationslose Vollbeendigung der [X.] nach sich zog, hätten [X.] können.

d) Die tatrichterliche Auslegung der im [X.] vom 15. März 2004 getroffenen Regelungen seitens des Berufungsgerichts, wonach etwaige Rückzahlungsansprüche nach § 87a Abs. 3 HGB
nicht ausge-schlossen sind,
ist revisionsrechtlich nur beschränkt überprüfbar (vgl. [X.], Ur-teil vom 12. November 2008 -
VIII ZR 170/07, [X.]Z 178, 307 Rn. 12 m.w.[X.]). Rechtsfehler sind insoweit nicht erkennbar.
Entsprechendes gilt hinsichtlich der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, wonach die Parteien des [X.]
vom 15. März 2004 keine vom Vertragswortlaut abwei-chende Einigung hinsichtlich des Ausschlusses etwaiger Rückzahlungsansprü-che nach § 87a Abs. 3 HGB getroffen haben, und hinsichtlich der Würdigung, dass dem Anspruch des [X.] nicht der Einwand der Treuwidrigkeit entge-gensteht.
e)
Soweit das Berufungsgericht ausgeführt hat, dass die Verjährung der Provisionsrückzahlungsansprüche durch die Klageerhebung [X.] rechtzeitig gehemmt wurde, lässt dies ebenfalls keine Rechtsfehler erkennen.
4. Nach dem Vorstehenden kann offenbleiben, ob dem Beklagten Pro-zesskostenhilfe auch deshalb nicht bewilligt werden kann, weil den übrigen In-

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8
-
solvenzgläubigern im Insolvenzverfahren auf Beklagtenseite als am Gegen-stand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten zuzumuten
ist, die Kosten
des Revisionsverfahrens aufzubringen
(vgl. § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Eick
[X.]
Kosziol

Kartzke

Jurgeleit

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 06.08.2009 -
21 O 3378/07 -

O[X.], Entscheidung vom 18.07.2012 -
2 [X.]/09 -

Meta

VII ZR 228/12

10.10.2013

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2013, Az. VII ZR 228/12 (REWIS RS 2013, 2125)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2125

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