Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 08.07.2014, Az. 1 WNB 2/14

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2014, 4238

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Gegenstand

Inhalt des qualifizierten Zeugnisses eines Soldaten


Leitsatz

Zum Inhalt des Dienstzeugnisses eines Soldaten im Sinne des § 32 Abs. 1 Satz 2 SG.

Gründe

1

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2

Sie ist insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet. Wird der Beschluss des Truppendienstgerichts - wie hier - sowohl dem Beschwerdeführer als auch dem Bevollmächtigten zugestellt, richtet sich die Berechnung der in § 22a Abs. 4 [X.] geregelten Frist nach der zuletzt bewirkten Zustellung (vgl. dazu im Einzelnen: Beschluss vom 17. Dezember 2013 - BVerwG 1 [X.] 2.12 und 1 [X.] 3.12 - Rn. 31 ff. ). Ausgehend von der zuletzt bei dem Bevollmächtigten am 4. März 2014 bewirkten Zustellung ist die Einlegungs- und Begründungsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde gewahrt. Der Antrag des Bevollmächtigten auf "Wiedereinsetzung" vom 2. April 2014 ist daher gegenstandslos.

3

2. Die Beschwerde hat jedoch keinen Erfolg.

4

Der Sache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 22a Abs. 2 Nr. 1 [X.]) nicht zu.

5

a) Nach ständiger Rechtsprechung der Wehrdienstsenate des [X.] unterliegt die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 22b Abs. 2 Satz 2 [X.] denselben Anforderungen, wie sie von den Revisionssenaten des [X.] in ständiger Rechtsprechung an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gestellt werden (Beschlüsse vom 1. Juli 2009 - BVerwG 1 [X.] 1.09 - [X.] 450.1 § 22a [X.] Nr. 1 = [X.], 258, vom 17. Juni 2010 - BVerwG 2 [X.] 7.10 - [X.] 450.1 § 22b [X.] Nr. 2 Rn. 9 = [X.] 2010, 252 und vom 21. Januar 2011 - BVerwG 1 [X.] 1.11 -). Wird die Nichtzulassungsbeschwerde - wie hier - auf die grundsätzliche Bedeutung der Beschwerdesache gestützt, muss in der Beschwerdebegründung dargelegt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem angestrebten Rechtsbeschwerdeverfahren zu erwarten ist.

6

b) Die Beschwerde bezeichnet als grundsätzlich bedeutsam die Frage,

ob § 32 Abs. 1 [X.] sowie die ihn konkretisierenden Vorschriften der Anlage 23 der [X.] so zu verstehen und auszulegen sind, dass für die Erstellung eines abschließenden [X.]ses lediglich die letzten planmäßigen Beurteilungen eines Soldaten heranzuziehen sind.

7

Soweit die Beschwerde diese Grundsatzrüge auf die Auslegung der Vorschriften der Anlage 23 der [X.] bezieht, rechtfertigt sich daraus nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde, weil die insoweit aufgeworfene Frage die Auslegung von Bestimmungen betrifft, bei denen es sich nicht um Rechtsnormen, sondern um Verwaltungsvorschriften handelt. Die Auslegung einer Verwaltungsvorschrift ist aber keine Rechtsfrage, die einer Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren zugänglich ist (stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 17. September 2013 - BVerwG 1 [X.] 3.13 - Rn. 7 und vom 3. Januar 2014 - BVerwG 1 [X.] 4.13 - Rn. 3).

8

Soweit die als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage auf die Auslegung des § 32 Abs. 1 [X.] abstellt, ist bereits zweifelhaft, ob sie sich nach der Entscheidung des Truppendienstgerichts mit diesem Inhalt stellt, ob sie also in dem angestrebten Rechtsbeschwerdeverfahren erheblich wäre. Denn das Truppendienstgericht hat in dem angefochtenen Beschluss ausdrücklich eine "vergangenheitsbezogene Gesamtbetrachtung" als Ausgangspunkt der Erstellung eines [X.]ses fixiert und dazu für den Einzelfall des Antragstellers ausgeführt, dass der Inhalt seines [X.]ses im Hinblick auf die eingeschränkte persönliche Kenntnis der [X.] von den dienstlichen Leistungen des Antragstellers "vorwiegend an den vorliegenden Beurteilungen und Informationen Dritter zu orientieren" gewesen sei.

9

Jedenfalls lässt sich die aufgeworfene Frage unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des [X.] ohne Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens beantworten.

§ 32 Abs. 1 Satz 2 [X.] regelt den Anspruch eines Soldaten auf Erteilung eines qualifizierten [X.]ses, das nicht nur - wie das sogenannte einfache [X.] im Sinne des Beamtenrechts - über Art und Dauer der wesentlichen von ihm bekleideten Dienststellungen Auskunft gibt, sondern zusätzlich über seine Führung, seine Tätigkeit und seine Leistung im Dienst. Zu den im Wesentlichen gleichlautenden beamtenrechtlichen Vorschriften über das [X.] (bis zum 11. Februar 2009 in § 92 [X.]; seit dem 12. Februar 2009 in § 85 [X.]) ist in der Rechtsprechung des [X.] folgendes geklärt:

Das qualifizierte [X.] nach § 85 Satz 2 [X.] bzw. § 92 Satz 2 [X.] ist grundsätzlich zur Information möglicher künftiger Arbeitgeber oder neuer Dienstherren bestimmt. Durch diesen Zweck, der außerhalb des [X.] liegt, für das es ausgestellt wird, unterscheidet sich das [X.] grundlegend von der dienstlichen Beurteilung. Zweck des qualifizierten [X.]ses ist, dem ausgeschiedenen Beamten in Erfüllung der Fürsorgepflicht den [X.] an eine künftige berufliche Tätigkeit zu vermitteln. Das [X.] muss daher aufgrund der nachwirkenden Fürsorgepflicht des Dienstherrn wohlwollend sein, um dem ehemaligen Beamten den Weg in ein neues Arbeitsleben nicht unnötig zu erschweren. Andererseits dient es der Unterrichtung eines [X.], der die Einstellung des ehemaligen Beamten erwägt, und muss daher wahr sein. Unter Berücksichtigung der Fürsorgepflicht und der Wahrheitspflicht hat das [X.] die wesentlichen Tatsachen und Bewertungen zu enthalten, an denen Dritte ein berechtigtes und verständiges Interesse haben, um ein zutreffendes Bild von der Gesamtpersönlichkeit des ehemaligen Beamten zu erhalten. Wesentliche Angaben - unabhängig davon, ob sie für den Beamten günstig oder nachteilig sind - dürfen nicht verschwiegen werden. Falsche Angaben oder wesentliche Auslassungen im qualifizierten [X.] können, soweit der neue Arbeitgeber darauf vertraut hat, gegenüber dem früheren Arbeitgeber Schadensersatzansprüche auslösen. Das bedeutet, dass ungünstige Tatsachen zwar wahrheitsgemäß dargestellt werden müssen, aber nur in dem Umfang und in der Ausführlichkeit, wie es das berechtigte Informationsbedürfnis eines künftigen Arbeitgebers oder Dienstherrn erfordert. Im Rahmen dieser Vorgaben ist dem für die Erteilung des qualifizierten [X.]ses zuständigen Dienstvorgesetzten eine ihm vorbehaltene Beurteilungsermächtigung eingeräumt, die einer beschränkten verwaltungsgerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle unterliegt (Urteil vom 23. November 1995 - BVerwG 2 [X.] - [X.] 232 § 42 [X.] Nr. 21 = juris Rn. 14, 15 m.w.N.). Den Beurteilungsspielraum, der dem für die Erteilung des qualifizierten [X.]ses zuständigen Dienstvorgesetzten eingeräumt ist, hat das [X.] in ständiger Rechtsprechung betont und dabei unterstrichen, dass ein qualifiziertes [X.] alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen enthalten muss, durch die [X.] ein zutreffendes Bild von der Gesamtpersönlichkeit des Beamten vermittelt werden kann (Beschluss vom 2. Mai 1988 - BVerwG 2 CB 48.87 - [X.] 237.7 § 104 [X.] Nr. 4 = juris Rn. 3; zum Beurteilungsspielraum bereits: Urteil vom 26. Januar 1961 - BVerwG 2 C 45.59 - BVerwGE 12, 29 <34>). Bei der Darstellung der Leistungen des Beamten hat der Verfasser des [X.]ses eine etwa hervorgetretene Eignung für ein bestimmtes Fachgebiet, überdies auch etwaige auffallende positive Eigenschaften allgemeiner Art - wie Fleiß, Verantwortungsbewusstsein oder Gründlichkeit -, die sich dauerhaft im Dienst gezeigt haben, zu erwähnen, auch wenn sie die Einzelbewertungen oder die Gesamtbewertung nicht beeinflusst haben sollten. Andererseits können negative Eigenschaften, die sich als hervorstechend erwiesen haben, nicht unerwähnt bleiben (Urteil vom 26. Januar 1961 a.a.[X.] 32).

Hiernach sind in ein qualifiziertes [X.] alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen einzubeziehen, durch die einem [X.] ein zutreffendes Bild von der Gesamtpersönlichkeit des Beamten gegeben werden kann. Die Entscheidung, welche Tatsachen und Bewertungen insoweit "wesentlich" sind, und die Gewichtung und Gesamtbewertung der Leistung obliegen aber dem für die Erteilung des qualifizierten [X.]ses zuständigen Dienstvorgesetzten im Rahmen des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums.

Da § 32 Abs. 1 Satz 2 [X.] inhaltlich den beamtenrechtlichen Vorschriften über das [X.] entspricht, sind die vorstehend ausgeführten Grundsätze auch für das qualifizierte [X.] eines Soldaten maßgeblich.

Ob das dem Beschwerdeführer erteilte qualifizierte [X.] uneingeschränkt den Anforderungen des § 32 Abs. 1 Satz 2 [X.] mit den in der Rechtsprechung entwickelnden Maßgaben genügt, kann nur unter Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalles beantwortet werden. Einer rechtsgrundsätzlichen Klärung ist diese Frage hingegen nicht zugänglich.

Meta

1 WNB 2/14

08.07.2014

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WNB

vorgehend Truppendienstgericht Süd, 24. Februar 2014, Az: S 4 RL 1/14 (S 4 BLa 12/13), Beschluss

§ 32 Abs 1 S 2 SG, § 85 S 2 BBG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 08.07.2014, Az. 1 WNB 2/14 (REWIS RS 2014, 4238)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4238

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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6 C 16.1655

M 5 K 21.94

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