Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.09.2010, Az. II R 36/09

2. Senat | REWIS RS 2010, 3124

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Gegenstand

(Anwendung des § 3 Nr. 4 GrEStG bei Vertragsübernahme - Abgrenzung zwischen Kaufvertragsübernahme und Neuabschluss eines Kaufvertrages - Anforderungen an die Revisionsbegründung)


Leitsatz

NV: Maßgebend für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 4 GrEStG ist im Fall der Übernahme eines Grundstückskaufvertrages das Verhältnis zwischen dem ursprünglichen Käufer und dem neuen Käufer, im Falle der Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrages und des Neuabschlusses das Verhältnis zwischen dem Veräußerer und dem neuen Käufer .

Tatbestand

1

I. Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 11. September 2006 erwarb der [X.]hemann ([X.]) der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) zum Kaufpreis von 250.000 € ein mit einem [X.]infamilienhaus bebautes Grundstück in [X.]. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) setzte daraufhin gegen [X.] Grunderwerbsteuer in Höhe von 8.750 € fest.

2

Durch notariell beurkundeten [X.] hoben die Vertragsparteien den Kaufvertrag vom 11. September 2006 sowie die dazu erklärte Auflassung wieder auf. [X.] bewilligte die Löschung der zu seinen Gunsten eingetragenen Auflassungsvormerkung. Die Vertragsaufhebung sowie die [X.] standen unter der aufschiebenden Bedingung der [X.]intragung der Klägerin als [X.]igentümerin des streitbefangenen Grundstücks im Grundbuch. [X.]ine Rückzahlung des bereits von [X.] entrichteten Kaufpreises sollte nicht erfolgen. In derselben Urkunde schlossen die Veräußerer mit der Klägerin vielmehr einen Kaufvertrag über das Grundstück. Der Kaufpreis von 250.000 € sollte als entrichtet gelten.

3

Das [X.] setzte gegen die Klägerin mit Bescheid vom 21. Mai 2007 Grunderwerbsteuer in Höhe von 8.750 € fest, nachdem es zuvor die von [X.] beantragte Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung für seinen [X.]rwerb abgelehnt und den ursprünglichen Kaufvertrag nicht i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (Gr[X.]StG) als rückgängig gemacht angesehen hatte.

4

[X.]inspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, im Streitfall habe wirtschaftlich nur ein einziger [X.]rwerbsvorgang stattgefunden, blieben erfolglos. Das Finanzgericht ([X.]) führte aus, es entspreche dem Wesen der Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrssteuer, an die tatsächlich gewählte [X.] Gestaltung anzuknüpfen. Dabei bilde jeder [X.]rwerbsvorgang einen in sich abgeschlossenen Steuerfall. Für die Frage, ob ein Rechtsvorgang der Besteuerung unterliege, sei es ohne Bedeutung, ob diesem in Bezug auf dasselbe Grundstück ein anderer Rechtsvorgang vorausgegangen sei, dieser der Grunderwerbsteuer unterliege oder mit grunderwerbsteuerrechtlicher Wirkung rückgängig gemacht worden sei. [X.]ntscheidend sei, dass der ursprüngliche Kaufvertrag zunächst aufgehoben und das Grundstück dann durch die Veräußerer an die Klägerin verkauft worden sei. Die Klägerin habe das Grundstück deshalb nicht i.S. des § 3 Nr. 4 Gr[X.]StG von [X.] erworben.

5

Ihre Revision stützt die Klägerin auf die Verletzung des § 3 Nr. 4 Gr[X.]StG. Sie habe wirtschaftlich das streitbefangene Grundstück von [X.] erworben, denn der notariell beurkundete [X.] habe unmittelbar zwischen ihr und [X.] Rechtsbeziehungen in Bezug auf die Kaufpreiszahlung, die Besitzverschaffung und die Gewährleistung begründet. Ihre mit dem Grundstückserwerb verbundenen Rechtspositionen habe sie deshalb im Wesentlichen von [X.] erlangt. [X.]s könne nicht von zwei voneinander losgelösten [X.]rwerbsvorgängen gesprochen werden.

6

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung sowie den Grunderwerbsteuerbescheid vom 21. Mai 2007 in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung vom 6. Februar 2008 aufzuheben.

7

Das [X.] beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

8

Die Revision sei bereits unzulässig, weil die Revisionsbegründung der Klägerin neben der Bezeichnung der verletzten Norm keine Auseinandersetzung mit den Gründen enthalte, auf die das [X.] sein Urteil gestützt habe. Jedenfalls lägen aber materiell die Voraussetzungen des § 3 Nr. 4 Gr[X.]StG nicht vor, weil die Klägerin das Grundstück nicht von [X.], sondern von den Veräußerern erworben habe.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie des [X.] vom 21. Mai 2007 in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung vom 6. Februar 2008 (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). [X.]ntgegen der Auffassung des [X.] haben die Vertragsparteien den Grundstückskaufvertrag vom 11. September 2006 nicht aufgehoben und einen zugunsten der Klägerin wirkenden neuen Kaufvertrag geschlossen, sondern die Klägerin hat den bestehenden [X.] übernommen. Durch die nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. 7 [X.] steuerbare Vertragsübernahme hat die Klägerin das Grundstück steuerfrei nach § 3 Nr. 4 [X.] von [X.], ihrem [X.]hemann, erworben.

1. Die Revisionsbegründung der Klägerin entspricht den Vorgaben des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a [X.]O. Hierin werden die Revisionsgründe durch die bestimmte Bezeichnung der Umstände angegeben, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Der Sinn und Zweck des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a [X.]O besteht darin, das Revisionsgericht zu entlasten und den Rechtsmittelführer zu zwingen, Inhalt, Umfang und Zweck des Revisionsangriffs von vornherein klarzustellen (vgl. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 30. April 2002 [X.]/00, [X.] 2002, 1185, m.w.N.). Deshalb reicht die Bezeichnung der aus Sicht des Rechtsmittelführers verletzten Norm nicht aus, sondern muss sich dieser mit den tragenden Gründen des finanzgerichtlichen Urteils auseinandersetzen und darlegen, weshalb er diese für unrichtig hält (vgl. [X.] vom 16. Oktober 1998 [X.], [X.] 1999, 501; [X.]-Urteil vom 16. März 2000 III R 21/99, [X.], 169, 172, [X.], 700). Anders als das [X.] meint, hat die Klägerin nicht nur den aus ihrer Sicht verletzten § 3 Nr. 4 [X.] angegeben, sondern darüber hinaus --jedenfalls sinngemäß-- ausgeführt, dass bei der Anwendung dieser Norm und entgegen der Annahme des [X.] eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten sei.

2. Die Klägerin hat die zugunsten des [X.] im Kaufvertrag vom 11. September 2006 begründeten Rechtspositionen durch den [X.] übernommen und damit das Grundstück auf der Grundlage eines nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. Nr. 7 [X.] steuerbaren [X.]rwerbsvorgangs, aber steuerfrei nach § 3 Nr. 4 [X.] von ihrem [X.]hemann erworben.

a) Der [X.] hat mit Urteil vom 22. Januar 2003 [X.] ([X.][X.] 201, 541, [X.] 2003, 526) entschieden, dass in dem Fall, dass die Partner eines [X.] vor dessen Vollzug mit einem [X.] vereinbaren, dass dieser an die Stelle des Käufers treten solle, entweder eine Vertragsübernahme durch den [X.] oder ein Neuabschluss des Kaufvertrages mit dem ursprünglichen Veräußerer vorliegen kann. [X.]ine Vertragsübernahme liegt danach dann vor, wenn sich die Beteiligten im Wesentlichen auf einen Austausch der Käuferseite beschränken, während die Änderung des [X.] in weiteren Punkten, insbesondere mit Blick auf den Vertragsgegenstand und den Kaufpreis, einem Neuabschluss eines [X.] zwischen dem ursprünglichen Veräußerer und dem [X.] gleichkommen kann.

b) Neuabschluss und Vertragsübernahme unterscheiden sich dabei nicht darin, zwischen welchen Personen bei der Vertragsdurchführung zivilrechtlich der [X.]igentumswechsel an den Grundstücken stattfindet, weil sich der [X.]igentumsübergang in beiden Fällen rechtsnotwendig zwischen dem ursprünglichen Veräußerer als dem bisherigen Grundstückseigentümer und dem [X.] vollzieht. Beide Alternativen unterscheiden sich allerdings darin, zwischen welchen Personen der grunderwerbsteuerrechtlich maßgebliche Rechtsträgerwechsel stattfindet. Dieser verläuft beim Neuabschluss vom ursprünglichen Veräußerer auf den [X.], während die Vertragsübernahme einen (regelmäßig sogleich erfüllten) Anspruch auf Übertragung eines Übereignungsanspruchs bezüglich des Grundstücks begründet und damit grunderwerbsteuerrechtlich zu einem Rechtsträgerwechsel gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. Nr. 7 [X.] zwischen dem ursprünglichen Käufer und dem [X.] führt, der einen nochmaligen grunderwerbsteuerrechtlich relevanten Rechtsträgerwechsel auf den [X.] --diesmal gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.]-- ausschließt (vgl. [X.]-Urteil in [X.][X.] 201, 541, [X.] 2003, 526 in Abgrenzung zum Urteil vom 26. September 1990 [X.]/87, [X.] 1991, 482).

c) Maßgebend für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 4 [X.] ist im Fall der Vertragsübernahme das Verhältnis zwischen dem ursprünglichen Käufer und dem neuen Käufer, im Falle der Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrages und des [X.] das Verhältnis zwischen dem Veräußerer und dem neuen Käufer.

3. Danach ergibt sich für den Streitfall, dass die Klägerin das Grundstück i.S. des § 3 Nr. 4 [X.] steuerfrei von [X.] erworben hat, weil sich der notarielle [X.] bei verständiger Würdigung seines gesamten Inhalts als Vertragsübernahme darstellt. [X.]s ist zwar einzuräumen, dass die Vertragsparteien eine "Vertragsaufhebung" und einen neuen "Kaufvertrag" vereinbart haben. Allerdings haben sie inhaltlich den Kaufvertrag vom 11. September 2006 nur dahingehend geändert, dass ein Austausch der Person des Käufers vorgenommen wurde. Kaufgegenstand und Kaufpreis sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen blieben hingegen unverändert. Insbesondere sollte der ursprüngliche Kaufvertrag zum Gegenstand des Weiterveräußerungsvorgangs gemacht werden; "der Inhalt der anderen notariellen Niederschrift ... (solle) ... als in dieser Urkunde selbst enthalten" gelten und "Teil der heutigen Vereinbarung" werden. Darüber hinaus spricht für die Annahme einer Vertragsübernahme auch, dass die "Vertragsaufhebung" unter der aufschiebenden Bedingung der [X.]intragung der Klägerin als [X.]igentümerin im Grundbuch vereinbart wurde. Die zugunsten des [X.] durch den [X.] begründeten Rechtspositionen sollten danach nahtlos auf die Klägerin übergehen und nicht an die Veräußerer zurückfallen. Schließlich sollte auch der bereits von [X.] entrichtete Kaufpreis auf die durch den [X.] begründete [X.] der Klägerin "angerechnet" werden.

4. Da das [X.] von einem anderen Rechtsstandpunkt ausgegangen ist, war sein Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Da die Klägerin durch den notariellen [X.] das Grundstück nach § 3 Nr. 4 [X.] steuerfrei durch Vertragsübernahme von ihrem [X.]hemann erworben hat, war keine Grunderwerbsteuer festzusetzen. Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 21. Mai 2007 in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung vom 6. Februar 2008 war deshalb aufzuheben.

Meta

II R 36/09

22.09.2010

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 27. Mai 2009, Az: 3 K 101/08, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1997, § 1 Abs 1 Nr 5 GrEStG 1997, § 1 Abs 1 Nr 7 GrEStG 1997, § 3 Nr 4 GrEStG 1997, § 120 Abs 3 Nr 2 Buchst a FGO, § 16 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.09.2010, Az. II R 36/09 (REWIS RS 2010, 3124)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3124

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