2. Senat | REWIS RS 2018, 3675
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Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs
1. Die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist ausgeschlossen, wenn der Ersterwerber eine ihm verbliebene Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet hat .
2. Der Erwerber verwertet seine Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag, wenn er durch seine Unterschrift unter den Vertrag über die Aufhebung des Grundstückskaufvertrags mit einer grundbesitzenden Gesellschaft bestimmen kann, wer die Anteile an dieser Gesellschaft erwerben darf. Der Anteilserwerb selbst muss nicht steuerbar sein .
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 1. Februar 2016 3 K 130/15 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
I.
Die [X.] war Mieterin eines Grundstücks, das sie an ein Logistikunternehmen untervermietete. Die [X.] errichtete auf dem Grundstück ein Gebäude. Sie war verpflichtet, dieses Gebäude bei Beendigung des Mietvertrags zu beseitigen.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Kapitalgesellschaft [X.] Rechts, deren Anteile zu 100 % von einer [X.] [X.] gehalten werden. Diese ist wiederum eine 100 %ige Tochter einer Holding S.à.r.l. Die S.à.r.l. gehört ihrerseits zu 100 % einem Fonds, an dem drei weitere Konzerngesellschaften sowie mehrheitlich außenstehende Anleger beteiligt sind. Eine der beteiligten Gesellschaften ist zu 87,04 % unmittelbar und zu 10,88 % mittelbar über eine 100 %ige Tochtergesellschaft an einer weiteren Gesellschaft, der [X.], beteiligt.
Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 29. August 2013 erwarb die Klägerin von der [X.] das Eigentum an dem Gebäude auf fremdem Boden sowie von einer Kommanditgesellschaft diverse auf dem Grundstück befindliche [X.] (im Wesentlichen Gleisanlagen). Nach § 8 Ziff. 7 des Kaufvertrags sollte die Klägerin vorbehaltlich der Zustimmung der Grundstückseigentümerin anstelle der [X.] in den bestehenden Mietvertrag eintreten. Für den Fall, dass die Grundstückseigentümerin die Zustimmung zur Übertragung des mit der [X.] geschlossenen Mietvertrags auf die Klägerin nicht erteilen und die Laufzeit des Mietvertrags nicht verlängern würde, vereinbarten die Vertragsparteien ein Rücktrittsrecht bis zum 15. Dezember 2013.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) setzte für den Erwerb des Gebäudes auf fremdem Boden mit Bescheid vom 14. Oktober 2013 Grunderwerbsteuer fest.
In der Folgezeit lehnte die Grundstückseigentümerin die Verlängerung der Laufzeit des Mietvertrags zu unveränderten Konditionen ab und forderte als Voraussetzung für die Zustimmung zur Vertragsübernahme eine höhere Miete. Durch Vereinbarung vom 13. Dezember 2013 verlängerten die Klägerin und die [X.] die Frist für die Ausübung des Rücktrittsrechts vom Kaufvertrag bis zum 23. Dezember 2013.
Mit notariell beurkundeter Vereinbarung vom 17. Dezember 2013 hoben die [X.] und die Klägerin den Kaufvertrag auf. In derselben Urkunde veräußerten die Gesellschafter der [X.] 94 % der Geschäftsanteile an die [X.], die Muttergesellschaft der Klägerin, und 6 % an die [X.]. Der Kaufvertrag über die [X.] wurde in derselben Urkunde ebenfalls zunächst aufgehoben und zu einem etwas geringeren Kaufpreis erneut abgeschlossen. Die Klägerin vermietete die [X.] anschließend an die [X.], die diese an das Logistikunternehmen weitervermietete.
Am 27. Januar 2014 beantragte die Klägerin beim [X.] die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 14. Oktober 2013. Das [X.] lehnte die Aufhebung durch Bescheid vom 10. Februar 2014 ab.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts ([X.]) wurde der ursprüngliche Kaufvertrag über das Gebäude auf fremdem Boden gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes ([X.]) rückgängig gemacht. Die Klägerin habe ihre Rechtsposition nicht im Sinne der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) zu den [X.] "verwertet". Weder sei es zu einer Weiterveräußerung des Gebäudes gekommen noch sei der Verkauf der Anteile an der [X.] einer Weiterveräußerung des Gebäudes gleichzustellen. Bei einer Übertragung von weniger als 95 % der Anteile an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft liege ungeachtet der gesellschaftsrechtlichen Möglichkeit eines Gesellschafters, auf das weitere Schicksal des Grundstücks Einfluss zu nehmen, keine grunderwerbsteuerrechtlich relevante Verwertung der Rechtsposition vor. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2016, 743 veröffentlicht.
Dagegen richtet sich die Revision des [X.]. Werde im Zusammenhang mit der Aufhebung eines Kaufvertrags über ein Grundstück dieses weiterveräußert, sei für die Anwendung des § 16 Abs. 1 [X.] nach der Rechtsprechung des [X.] entscheidend, ob für den früheren Erwerber trotz der Vertragsaufhebung die Möglichkeit der Verwertung einer aus dem "rückgängig gemachten" Erwerbsvorgang herzuleitenden Rechtsposition verblieben und der Verkäufer demzufolge nicht aus seinen Bindungen entlassen worden sei. Nutze der Ersterwerber die Rechtsposition im eigenen wirtschaftlichen Interesse im Zusammenhang mit einer Weiterveräußerung des Grundstücks oder um zu bestimmen, wer die Anteile an der [X.], der Veräußerin, erwerben dürfe, sei § 16 Abs. 1 [X.] nicht anwendbar. Dabei sei nicht relevant, ob durch den zweiten Rechtsvorgang ein weiterer grunderwerbsteuerbarer Tatbestand verwirklicht werde.
Das [X.] beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Voraussetzungen für eine Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 [X.] sind nicht erfüllt.
1. Wird ein Erwerbsvorgang rückgängig gemacht, bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist, so wird auf Antrag die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn die Rückgängigmachung durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts oder eines Wiederkaufsrechts innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 [X.]).
a) "Rückgängig gemacht" ist ein Erwerbsvorgang, wenn über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus die [X.]spartner sich derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt (BFH-Urteil vom 5. September 2013 II R 9/12, [X.], 177, [X.], 588, Rz 11, m.w.N.).
b) Wird im Zusammenhang mit der Aufhebung eines Kaufvertrags über ein Grundstück dieses weiterveräußert, ist für die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 [X.] entscheidend, ob für den früheren Erwerber trotz der [X.]saufhebung die Möglichkeit der Verwertung einer aus dem "rückgängig gemachten" Erwerbsvorgang herzuleitenden Rechtsposition verblieben und der Verkäufer demzufolge nicht aus seinen Bindungen entlassen war (BFH-Urteil in [X.], 177, [X.], 588, Rz 12).
c) Dem früheren Erwerber verbleibt die Möglichkeit der Verwertung einer aus dem "rückgängig gemachten" Erwerbsvorgang herzuleitenden Rechtsposition jedenfalls dann, wenn z.B. der Aufhebungs- und der [X.] in einer einzigen Urkunde zusammengefasst sind (BFH-Urteil in [X.], 177, [X.], 588, Rz 13). In diesem Fall hat er die rechtliche Möglichkeit, die Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrags zum anschließenden Erwerb des Grundstücks durch eine von ihm ausgewählte dritte Person zu nutzen. Denn der Veräußerer wird aus seiner Übereignungsverpflichtung gegenüber dem früheren Erwerber erst mit der Unterzeichnung des [X.]s durch alle [X.] und damit erst in dem Augenblick entlassen, in dem er bereits wieder hinsichtlich der Übereignung des Grundstücks an den [X.] gebunden ist (BFH-Urteil in [X.], 177, [X.], 588, Rz 13).
d) Die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ist in einem solchen Fall jedoch nur dann ausgeschlossen, wenn der Ersterwerber eine ihm verbliebene Rechtsposition auch in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet hat. Eine Verwertung in diesem Sinne liegt vor, wenn die Einflussnahme des [X.] auf die Weiterveräußerung Ausfluss der ihm verbliebenen Rechtsposition ist (BFH-Urteil in [X.], 177, [X.], 588, Rz 14).
e) Dieselben Grundsätze wie bei der Weiterveräußerung gelten, wenn die Verkäuferin eine [X.] ist, der Kaufvertrag rückgängig gemacht wird und in derselben Urkunde die Anteile an der [X.] auf den Ersterwerber oder einen bzw. mehrere von diesem bestimmte Dritte übertragen werden.
In diesem Fall behält der Ersterwerber --wirtschaftlich gesehen-- den durch den ursprünglichen Kaufvertrag begründeten Zugriff auf das Grundstück, obwohl dieses nach der Rückgängigmachung des Kaufvertrags zivilrechtlich bei der [X.] verbleibt. Erfolgen die Rückgängigmachung des Kaufvertrags und die anschließende Übertragung der Anteile an der grundbesitzenden [X.] in einer Urkunde, nutzt der Ersterwerber seine Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag, um zu bestimmen, wer die Anteile an der grundbesitzenden [X.] erwerben darf. Stellt er damit sicher, dass er selbst oder ein von ihm bestimmter Dritter die Anteile erwerben kann, liegt darin eine die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ausschließende Verwertung der Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag im eigenen wirtschaftlichen Interesse (BFH-Urteil in [X.], 177, [X.], 588, Rz 15). Entsprechendes gilt, wenn die Anteile an der grundbesitzenden [X.] durch mehrere vom Ersterwerber des Grundstücks bestimmte Dritte erworben werden.
f) Der Erwerber verwertet seine Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag nicht nur dann zu eigenen wirtschaftlichen Zwecken, wenn er Einfluss auf den späteren Weiterverkauf des Grundstücks ausübt. Es reicht vielmehr aus, wenn er durch seine Unterschrift unter den [X.] des [X.] mit einer grundbesitzenden [X.] bestimmen kann, wer die Anteile an dieser [X.] erwerben darf. Entscheidend ist, ob der Erwerber sich oder einem oder mehreren [X.] einen maßgeblichen Einfluss auf die grundbesitzende [X.] verschafft. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn der Anteilserwerb nicht zu einem (weiteren) grunderwerbsteuerbaren Vorgang führt.
g) Die vorstehende Auffassung steht nicht im Widerspruch zu der vom [X.] zitierten Rechtsprechung, wonach eine nach § 1 Abs. 3 [X.] steuerbare Anteilsvereinigung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 [X.] in der Weise rückgängig gemacht werden kann, dass das Quantum von 95 % der Anteile an der grundbesitzenden [X.] nach dem Rückerwerb unterschritten wird, und zwar auch dann, wenn nicht sämtliche zunächst übertragenen Anteile zurück übertragen wurden (vgl. BFH-Urteil vom 11. Juni 2013 II R 52/12, [X.], 419, [X.], 752, und für den Fall des § 1 Abs. 2a [X.] BFH-Urteil vom 18. April 2012 II R 51/11, [X.], 569, [X.], 830). Auch in einem solchen Fall ist stets zu prüfen, ob die Voraussetzungen an einen den Anforderungen des § 16 Abs. 2 Nr. 1 [X.] genügenden, rechtlich und tatsächlich vollständigen Rückerwerb erfüllt sind, wenn die zurückübertragenen Anteile an Dritte weitergegeben werden (mangels Entscheidungserheblichkeit offen gelassen im BFH-Urteil in [X.], 419, [X.], 752, Rz 21).
2. Da das [X.] von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 [X.] sind nicht erfüllt. Es fehlt an einer tatsächlichen Rückgängigmachung des steuerbaren Erwerbsvorgangs.
Die [X.]sparteien haben den Kaufvertrag vom 29. August 2013 mit notariell beurkundetem [X.] rückwirkend aufgehoben. Zugleich haben die Muttergesellschaft der Klägerin zu 94 % und die im Konzern eingebundene [X.] zu 6 % die Anteile an der [X.] erworben. Dabei hat die Klägerin ihre Rechtsposition aus dem Kaufvertrag dahingehend verwertet, dass sie mit ihrer Unterschrift unter den [X.] den Erwerb von 100 % der Anteile durch die mit ihr im Konzern verbundenen [X.]en sicherstellte. Ihr Interesse ging nicht allein dahin, sich vom [X.] vollständig zu lösen. Sie wollte das Gebäude auf fremdem Boden wirtschaftlich für ihre Muttergesellschaft sichern, und hat zugleich die auf dem Grundstück befindlichen [X.] erworben. Damit war sichergestellt, dass die [X.] weiter zusammen mit dem Gebäude an das Logistikunternehmen vermietet werden konnten. Unerheblich ist im Zusammenhang mit der Aufhebung des Kaufvertrags über das Gebäude auf fremdem Boden, dass der Erwerb der Anteile an der [X.] nicht zu einem grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang geführt hat.
3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.
Meta
19.09.2018
Urteil
vorgehend FG Hamburg, 1. Februar 2016, Az: 3 K 130/15, Urteil
§ 16 GrEStG 1997, § 1 Abs 3 GrEStG 1997
Zitiervorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.09.2018, Az. II R 10/16 (REWIS RS 2018, 3675)
Papierfundstellen: REWIS RS 2018, 3675
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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