Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.03.2016, Az. X R 9/13

10. Senat | REWIS RS 2016, 14836

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Gegenstand

Korrektur aufgrund der neuen Erkenntnisse aus einem Benennungsverlangen


Leitsatz

1. Weder ein Benennungsverlangen i.S. des § 160 AO noch die (fehlende) Antwort hierauf begründet die Tatbestandsvoraussetzungen einer selbständigen Änderungsvorschrift.

2. Nur wenn aufgrund des Benennungsverlangens nachträglich neue Tatsachen i.S. von § 173 AO bekannt werden, ist die Änderung einer bestandskräftigen Steuerfestsetzung nach dieser Vorschrift möglich.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 16. Januar 2013  4 K 212/11, soweit es die Einkommensteuerfestsetzung 2006 betrifft, aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) und ihr [X.]hemann ([X.]) wurden im Streitjahr zusammen zur [X.]inkommensteuer veranlagt.

2

[X.] erzielte gewerbliche [X.]inkünfte aus dem An- und Verkauf von Schrott und Altmetall. [X.]r zeichnete sowohl seine [X.]innahmen wie auch seine Ausgaben in [X.] auf. Diese reichten die [X.]heleute im Streitjahr --wie in den [X.] als Anlage zu ihrer [X.]inkommensteuererklärung ein. Die Kosten des [X.] betrugen in der Regel zwischen 2.000 € und 4.000 €, in 20 % der Fälle zwischen 4.000 € und 26.000 €.

3

Die [X.]inkünfte des [X.] wurden ausgehend von diesen [X.] an Amtsstelle ermittelt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) erließ anschließend u.a. für das Streitjahr 2006 einen nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden [X.]inkommensteuerbescheid.

4

Für die Jahre 2007 bis 2009 reichten die Klägerin und [X.] mit den Steuererklärungen [X.]innahmen-Überschussrechnungen ein, die von einem Steuerberater erstellt worden waren. Das [X.] setzte für diese Veranlagungszeiträume die [X.]inkommensteuern im Wesentlichen erklärungsgemäß unter dem Vorhalt der Nachprüfung fest.

5

Im Rahmen der für das Streitjahr und die Folgejahre 2007 bis 2009 durchgeführten Außenprüfung verlangte der Prüfer die Benennung der Zahlungsempfänger, bei denen [X.] Schrott eingekauft hatte. Diesem Benennungsverlangen kam [X.] nicht nach. Der Prüfer schätzte deshalb 45 % dieses [X.] als von steuerpflichtigen Unternehmen bezogen. Die auf diesen Teil des [X.] entfallenden Kosten ließ er nicht zum Betriebsausgabenabzug zu.

6

Die entsprechenden [X.] ergingen für die Jahre 2007 bis 2009 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung ([X.]), für das Streitjahr 2006 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. Die [X.]insprüche gegen die [X.] blieben erfolglos.

7

Im Klageverfahren reichte [X.] Auflistungen ein, die belegen sollten, dass er Metallschrott, Kupfer und [X.] bei drei Unternehmen im Streitjahr und den Jahren 2007 bis 2008 eingekauft habe. Der Abnehmer dieser Waren, den er genau bezeichnete, habe in diesen Jahren Container bei den entsprechenden Unternehmen aufgestellt und diese nach seinen Weisungen abgeholt. Nach der anschließenden Abrechnung mit ihm habe er seine Lieferanten bezahlt.

8

Das Finanzgericht ([X.]) hat die Klage der Klägerin und [X.] für das Streitjahr 2006 als begründet angesehen, weil die ursprünglich nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Steuerfestsetzung nicht änderbar sei. Tatsache i.S. des § 173 [X.] sei der Umstand, dass [X.] dem Benennungsverlangen des [X.] nicht nachgekommen sei. Die Benennung sei allerdings erst nach [X.]intritt der Bestandskraft des Bescheides verweigert worden und somit keine nachträglich bekannt gewordene Tatsache.

9

Mit der Revision macht das [X.] die Verletzung materiellen Rechts geltend, soweit das [X.]-Urteil die [X.]inkommensteuerfestsetzung des Streitjahres betrifft.

Auch eine bestandskräftige Steuerfestsetzung sei nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] bei nachträglichen Zweifeln an der Identität der Zahlungsempfänger und Kenntnisnahme von unzureichenden Belegen änderbar. Sowohl die später eingetretenen Zweifel wie auch das Wissen um die Beleglage seien die insoweit relevanten neuen Tatsachen.

In jedem Stadium des Verwaltungsverfahrens sei das [X.] deshalb berechtigt, einen Steuerpflichtigen gemäß § 160 Abs. 1 Satz 1 [X.] zur [X.]rgänzung seiner Abrechnungspapiere aufzufordern, um den [X.]mpfänger bestimmter Ausgaben genau zu bezeichnen. Dies betreffe auch eine später durchgeführte Betriebsprüfung. [X.]s sei die [X.]igenart des steuerrechtlichen [X.]rmittlungs- und Prüfungsverfahrens, dass Geschäftsvorfälle durch die Finanzämter nachträglich, bei Betrieben, die der Außenprüfung unterlägen, unter Umständen erst nach Ablauf mehrerer Jahre aufgegriffen würden.

[X.] führe deshalb nicht zu einer nachträglich entstandenen Tatsache, sondern zur Aufdeckung einer neuen Tatsache. Denn die Verweigerung der [X.]mpfängerbenennung nach erstmaliger Aufforderung während einer Betriebsprüfung habe seine Ursache in der fehlenden [X.] zum jeweiligen Zahlungszeitpunkt. Insoweit gleiche diese Situation der nachträglich bekannt gewordenen oder festgestellten Schätzungsunterlage, bei deren rechtzeitiger Bekanntgabe das [X.] die Schätzung in anderer Weise vorgenommen hätte.

Das [X.] beantragt sinngemäß,
das [X.]-Urteil, soweit es die [X.]inkommensteuerfestsetzung 2006 betrifft, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit der [X.]inkommensteuerbescheid des [X.] betroffen ist. Die Sache wird insoweit zur anderweitigen Verhandlung und [X.]ntscheidung an das [X.] zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Das [X.] ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass der Umstand, dass [X.] dem Benennungsverlangen des [X.] nicht nachgekommen ist, keine Änderung der Steuerfestsetzung des Jahres 2006 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ermöglicht (unten 1.). [X.]ine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] könnte indes in Betracht kommen, wenn dem [X.] das Fehlen eines ordnungsgemäß geführten Wareneingangs erst nachträglich bekannt geworden wäre (unten 2.). Mangels entsprechender Feststellungen des [X.] ist die Sache zurückzuverweisen.

1. Voraussetzung für die Änderungsmöglichkeit ist eine nachträglich bekannt gewordene, nicht dagegen eine nachträglich entstandene Tatsache. [X.]ine erst nachträglich entstandene Tatsache ist das Benennungsverlangen des [X.] --wie das [X.] zu Recht entschieden hat--. Denn das [X.] hat die Benennung der [X.]mpfänger erst zu einem Zeitpunkt vom Kläger verlangt, als die Bescheide des Jahres 2006 bereits bestandskräftig gewesen sind. Auch die Verweigerung der Auskunft auf ein solches Benennungsverlangen geschieht erst nach [X.]rlass des zu ändernden Bescheides und kann für sich genommen schon deshalb keine nachträglich bekannt gewordene Tatsache i.S. des § 173 [X.] darstellen.

2. Als nachträglich bekannt gewordene Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] kommt jedoch die nicht ordnungsgemäße Aufzeichnung des [X.] und damit des Wareneingangs in Betracht.

a) Die Art und Weise, in der der Steuerpflichtige seine Aufzeichnungen geführt hat, insbesondere die nicht den Vorschriften des § 143 [X.] entsprechende Aufzeichnung, ist eine Tatsache.

aa) [X.]ine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestandes sein kann. Dies meint Zustände, Vorgänge, Beziehungen und [X.]igenschaften materieller oder immaterieller Art (so etwa Urteil des [X.] --BFH-- vom 6. August 1997 II R 33/95, [X.] 1998, 12). Keine Tatsachen i.S. des § 173 [X.] sind Schlussfolgerungen aller Art, insbesondere juristische Subsumtionen (BFH-Urteil vom 24. Juli 1984 VIII R 304/81, BFH[X.] 141, 485, [X.] 1984, 785, m.w.N.).

bb) [X.]twas anderes gilt auch nicht, wenn --wie hier behauptet-- der Steuerpflichtige (hier: [X.]), obwohl als Gewerbetreibender tätig, nicht des Lesens und/oder Schreibens mächtig ist.

§ 143 Abs. 1 [X.] sieht bereits von seinem Wortlaut her keine Ausnahme vor. Vielmehr verlangt die Norm die Aufzeichnung des Wareneingangs von allen gewerblichen Unternehmern. Ausgehend vom Sinn und Zweck der Vorschrift, es gerade der Finanzbehörde zu ermöglichen, das Betriebsergebnis zu überprüfen und Daten für eine Nachkalkulation bereitzustellen (vgl. nur [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 143 [X.] Rz 1, m.w.N.), ist allein auf die Tätigkeit des Steuerpflichtigen und nicht auf seine Kenntnisse und persönlichen Fähigkeiten abzustellen. Sollte der Gewerbetreibende selbst nicht in der Lage sein, den Aufzeichnungspflichten nachzukommen, hat er sich anderer Personen zu bedienen. Diese Hilfe sachgerecht zu organisieren, gehört zu seinen Pflichten als gewerblich Tätiger.

b) Die Tatsache, dass der Wareneingang nicht ordnungsgemäß aufgezeichnet worden ist, muss nachträglich bekannt geworden sein.

aa) [X.]ine Tatsache wird nachträglich bekannt, wenn sie das [X.] im Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung des [X.]ingabewertbogens für den [X.]rlass des ursprünglichen Steuerbescheids noch nicht kannte (BFH-Urteil vom 18. März 1987 II R 226/84, BFH[X.] 149, 141, [X.] 1987, 416). Maßgebend hierfür ist die Kenntnis der zur Bearbeitung des [X.] organisatorisch berufenen Dienststelle (BFH-Urteil vom 23. März 1983 I R 182/82, BFH[X.] 138, 313, [X.] 1983, 548). Bekannt ist der zuständigen Dienststelle der Inhalt der dort geführten Akten, ohne dass insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters abzustellen ist (BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 IV R 114/82, BFH[X.] 143, 520, [X.] 1985, 492).

Im vorliegenden Fall ist es mangels geeigneter Feststellungen des [X.] dem Senat nicht möglich zu beurteilen, ob der [X.], der an Amtsstelle für die Klägerin und [X.] die [X.]inkünfte aus Gewerbebetrieb des Streitjahres ermittelte, die fehlende Ordnungsmäßigkeit des aufgezeichneten Wareneingangs kannte. Folglich wird das [X.] im zweiten Rechtszug feststellen müssen, ob bei der [X.]rmittlung der [X.]inkünfte aus Gewerbebetrieb an Amtsstelle im Streitjahr bekannt war, dass der Wareneingang von [X.] nicht ordnungsgemäß aufgezeichnet worden war. Soweit die Klägerin behauptet, ihr [X.]hemann habe dies dem [X.] mitgeteilt, hat sie substantiiert vorzutragen, wann und wie er welchen [X.] darüber informiert hatte. Zu beachten ist insoweit, dass die Klägerin bereits mehrere Sachbearbeiter in ihrem Schriftsatz vom 4. Oktober 2011 benannt hat.

Allein aus dem Umstand, dass [X.] zum Zwecke der Gewinnermittlung (nur) die [X.] im [X.] vorgelegt hatte, lässt sich jedenfalls noch nicht schließen, dass das [X.] die unzureichende [X.]rfüllung der Aufzeichnungspflichten kannte. Auch wenn diese Hefte trotz der darin enthaltenen Angaben zu Ausgaben und damit zum Wareneinkauf noch nicht den Vorgaben des § 143 [X.] entsprechen, bedeutet das nicht, dass [X.] die nach § 143 [X.] gebotenen Aufzeichnungen nicht daneben in anderer Form geführt haben könnte und der [X.] deshalb wusste, dass es daran fehlte.

bb) Kannte das [X.] die mangelhafte [X.]rfüllung der Aufzeichnungspflicht nicht, hat es also tatsächlich erst nachträglich Kenntnis erlangt, so könnte lediglich der Grundsatz von [X.] und Glauben die Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] einschränken. Dies setzt voraus, dass einerseits dem [X.] die Tatsache bei ordnungsgemäßer [X.]rfüllung seiner [X.]rmittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre, dass andererseits der Steuerpflichtige entweder seiner Mitwirkungspflicht in vollem Umfang genügt hat (BFH-Urteil vom 13. November 1985 II R 208/82, BFH[X.] 145, 487, [X.] 1986, 241), oder aber sich aus der Abwägung der beiderseitigen Pflichtverletzungen ergibt, dass die Verletzung der [X.]rmittlungspflicht im konkreten [X.]inzelfall die Verletzung der Mitwirkungspflicht deutlich überwiegt (BFH-Urteil vom 11. November 1987 I R 108/85, BFH[X.] 151, 333, [X.] 1988, 115, unter II.2.; Senatsurteil vom 18. Mai 2010 [X.], [X.] 2010, 2225, unter [X.]). In der Regel aber trifft bei beidseitigen Versäumnissen den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (BFH-Urteile vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83, BFH[X.] 156, 339, [X.] 1989, 585, unter [X.]; vom 28. Juni 2006 XI R 58/05, BFH[X.] 214, 319, [X.] 2006, 835, unter [X.]a).

3. Die Sache ist zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das [X.] zurückzuverweisen. Sollte danach die nicht ordnungsgemäße Aufzeichnung des Wareneingangs eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] darstellen und einer Änderung des [X.]inkommensteuerbescheids 2006 auch der Grundsatz von [X.] und Glauben nicht entgegenstehen, sind die zutreffenden rechtlichen Folgerungen über die Höhe der Betriebsausgaben zu ziehen.

a) Zunächst ermöglicht die [X.]rkenntnis über die fehlende Ordnungsmäßigkeit der Buchführung die zu einer höheren Steuer führende Schätzung der Höhe der Betriebsausgaben nach § 162 Abs. 2 Satz 2 [X.]. Die Schätzung nach § 162 [X.] ist grundsätzlich unabhängig von der Prüfung eines Abzugsverbots nach § 160 [X.] durchzuführen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juni 1997 VIII R 9/96, BFH[X.] 183, 358, [X.] 1998, 51, unter 2. der [X.]ntscheidungsgründe). Diese Befugnis stünde zunächst dem [X.], im Gerichtsverfahren innerhalb der Grenzen des [X.] nach § 96 Abs. 1 Satz 1, 2 [X.]O dem [X.] zu.

b) Aber auch die [X.]rkenntnisse des [X.] aus den [X.]rmittlungsmaßnahmen der Betriebsprüfung einschließlich des Benennungsverlangens können im Rahmen der Prüfung der Höhe der Betriebsausgaben verwertbar sein.

Die Berücksichtigung des in der Betriebsprüfung gewonnenen Wissens in diesem Sinne beruht nicht auf § 160 [X.] und ist unabhängig von den Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieser Vorschrift möglich und geboten. [X.]s handelte sich um [X.], die bereits durch § 88 Abs. 1 Satz 1 [X.] gerechtfertigt sind. § 160 Abs. 1 Satz 1 [X.] sperrt diese nicht, was § 160 Abs. 1 Satz 2 [X.] ausdrücklich klarstellt. Die [X.]rgebnisse dieser [X.]rmittlungen können im Rahmen des [X.] auch nach Bestandskraft eines Bescheids verarbeitet werden, wenn und soweit dies durch die entsprechenden Änderungsvorschriften gedeckt ist. Allein der Umstand, dass die entsprechenden Nachfragen ihrerseits auch als Benennungsverlangen nach § 160 [X.] qualifiziert werden können, ändert hieran nichts.

c) [X.]s ist jedoch nicht möglich, die nach diesen Maßstäben anzusetzenden Betriebsausgaben aufgrund des nicht erfüllten Benennungsverlangens nach § 160 Abs. 1 Satz 1 [X.] weiter zu reduzieren, mithin auf Grundlage dieser Vorschrift zu einer weiteren Steuererhöhung zu gelangen.

aa) Der Umfang einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ergibt sich aus den steuerlichen Auswirkungen der nachträglich bekannt gewordenen Tatsache(n). Wie sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift "soweit Tatsachen ..." ergibt, kann der Steuerbescheid nur punktuell berichtigt werden, nämlich durch die zutreffenden Schlussfolgerungen nur aus dieser Tatsache (vgl. nur von [X.] in [X.], § 173 [X.] Rz 153). Anders als unter § 222 der Reichsabgabenordnung, wonach die neue Steuerfestsetzung grundsätzlich so vorzunehmen war, als handele es sich um die erste Veranlagung (vgl. BFH-Urteil vom 30. Januar 1969 V 149/64, BFH[X.] 95, 236, [X.] 1969, 409), findet eine Wiederaufrollung der Veranlagung nicht statt (so schon BFH-Urteil vom 12. August 1981 I R 78/78, BFH[X.] 134, 3, [X.] 1982, 100, Rz 11).

bb) [X.]s wäre eine unzulässige Wiederaufrollung der Veranlagung in diesem Sinne, wenn Betriebsausgaben, die im Rahmen der [X.]rmittlung und ggf. Schätzung nach Maßgabe von [X.], b zu berücksichtigen sind, nach § 160 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht berücksichtigt würden und so die Steuerfestsetzung über den Korrekturrahmen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] hinaus weiter zuungunsten des [X.] geändert würde. Wie bereits unter [X.] dargestellt und wie das [X.] zu Recht erkannt hat, begründet weder das Benennungsverlangen selbst noch die (fehlende) Antwort hierauf für sich die Tatbestandsvoraussetzungen einer selbständigen Änderungsvorschrift.

Die Rechtsfolgen des § 160 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind aber auch keine Umstände, die i.S. des § 162 Abs. 1 Satz 2 [X.] für die Schätzung von Bedeutung sind. Sie dürfen also in die [X.] nicht einbezogen werden. § 160 [X.] ist keine Schätzungsnorm, sondern setzt erst an, soweit Ausgaben nach anderen steuerlichen Regelungen, ggf. auch aufgrund einer Schätzung, abziehbar sind bzw. wären, bei denen also davon auszugehen ist, dass der Aufwand entstanden ist und daher im Rahmen einer Schätzung an sich zu berücksichtigen wäre (BFH-Urteil in BFH[X.] 183, 358, [X.] 1998, 51, unter 2.a; Senatsbeschluss vom 25. Juli 2012 X B 175/11, [X.] 2013, 44, unter [X.]b). In [X.] knüpft die Vorschrift mithin erst an das [X.]rgebnis der Schätzung an. Das schließt es aus, ihre Anwendung gleichzeitig über § 162 Abs. 1 Satz 2 [X.] zur Voraussetzung der Schätzung zu machen.

Hintergrund ist der Umstand, dass § 160 [X.] mögliche Steuerausfälle verhindern will, die dadurch eintreten, dass der [X.]mpfänger der bei dem Leistenden geltend gemachten Betriebsausgaben die [X.]innahmen nicht erfasst. Auch wenn sie dies formell durch die Minderung des [X.] leistet, handelt es sich materiell-rechtlich um eine Inanspruchnahme des Leistenden als Haftender für die fremde Steuerschuld des [X.]mpfängers (vgl. BFH-Urteile in BFH[X.] 183, 358, [X.] 1998, 51, unter 2.b cc, sowie vom 10. März 1999 XI R 10/98, BFH[X.] 188, 280, [X.] 1999, 434, unter [X.]), die im Rahmen der Schätzung ein Fremdkörper wäre. Die bei Anwendung des § 160 [X.] gebotene Schätzung des mutmaßlichen [X.] beim [X.]mpfänger findet erst auf [X.] des § 160 [X.] statt und hat daher mit der Schätzung der Betriebsausgaben nach § 162 [X.] nichts zu tun (vgl. dazu Trzaskalik in [X.]/[X.]/[X.], § 162 [X.] Rz 31).

4. [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

X R 9/13

09.03.2016

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 16. Januar 2013, Az: 4 K 212/11, Urteil

§ 88 Abs 1 S 1 AO, § 143 AO, § 160 Abs 1 S 1 AO, § 162 Abs 2 S 2 AO, § 173 Abs 1 S 1 Nr 1 AO, § 96 Abs 1 S 1 FGO, § 4 Abs 4 EStG 2002, EStG VZ 2006

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.03.2016, Az. X R 9/13 (REWIS RS 2016, 14836)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14836

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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