Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.03.2016, Az. X R 10/13

10. Senat | REWIS RS 2016, 14816

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Gegenstand

(Korrektur aufgrund der neuen Erkenntnisse aus einem Benennungsverlangen - Änderung wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen - § 160 AO ist keine Schätzungsnorm)


Leitsatz

1. NV: Weder ein Benennungsverlangen i.S. des § 160 AO noch die (fehlende) Antwort hierauf begründet die Tatbestandsvoraussetzungen einer selbständigen Änderungsvorschrift.

2. NV: Nur wenn aufgrund des Benennungsverlangens nachträglich neue Tatsachen i.S. von § 173 AO bekannt werden, ist die Änderung einer bestandskräftigen Steuerfestsetzung nach dieser Vorschrift möglich.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 16. Januar 2013  4 [X.]/11, soweit es die Einkommensteuerfestsetzung 2006 bis 2008 sowie die [X.] und 2007 betrifft, aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine verstorbene Ehefrau E wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

2

Der Kläger erzielte gewerbliche Einkünfte aus dem An- und Verkauf von [X.] und Altmetall. Er zeichnete sowohl seine Einnahmen wie auch seine Ausgaben in [X.] auf. Etwa 80 % der [X.]kosten entfielen auf Ankäufe über jeweils mehr als 10.000 €.

3

Die Einkünfte des Klägers wurden ausgehend von diesen [X.] an Amtsstelle ermittelt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) erließ anschließend für die jeweiligen Streitjahre Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide, die nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen.

4

Im Rahmen der für die Streitjahre und das [X.] durchgeführten Außenprüfung verlangte der Prüfer die Benennung der Zahlungsempfänger, bei denen der Kläger [X.] eingekauft habe. Diesem Benennungsverlangen kam der Kläger nicht nach. Der Prüfer schätzte deshalb 75 % dieses [X.] als von steuerpflichtigen Unternehmen bezogen. Die auf diesen Teil entfallenden Kosten des [X.] ließ er nicht zum Betriebsausgabenabzug zu.

5

Die entsprechenden Änderungsbescheide beruhten für das [X.] auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung ([X.]) und für die Streitjahre 2006 bis 2008 auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] bzw. § 35b des [X.] ([X.]). Für das [X.] erging erstmalig ein Gewerbesteuermessbescheid. Die Einsprüche hiergegen blieben erfolglos.

6

Das Finanzgericht ([X.]) hat die Klage als begründet angesehen. Tatsache i.S. des § 173 [X.] sei der Umstand, dass der Kläger dem Benennungsverlangen des [X.] nicht nachgekommen sei. Die Benennung sei allerdings erst nach Eintritt der Bestandskraft dieser Bescheide verweigert worden und somit keine nachträglich bekannt gewordene Tatsache.

7

Mit der Revision macht das [X.] die Verletzung materiellen Rechts geltend.

8

Auch eine bestandskräftige Steuerfestsetzung sei nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] bei nachträglichen Zweifeln an der Identität der Zahlungsempfänger und der Erkenntnis über unzureichende Belege änderbar. Sowohl die später eingetretenen Zweifel wie das Wissen über die Beleglage seien die insoweit relevanten neuen Tatsachen.

9

In jedem Stadium des Verwaltungsverfahrens sei das [X.] deshalb berechtigt, einen Steuerpflichtigen gemäß § 160 Abs. 1 Satz 1 [X.] zur Ergänzung seiner Abrechnungspapiere aufzufordern, um den Empfänger bestimmter Ausgaben genau zu bezeichnen. Dies betreffe auch eine später durchgeführte Betriebsprüfung. Es sei die Eigenart des steuerrechtlichen Ermittlungs- und Prüfungsverfahrens, dass Geschäftsvorfälle durch die Finanzämter nachträglich, bei Betrieben, die der Außenprüfung unterlägen, unter Umständen erst nach Ablauf mehrerer Jahre aufgegriffen würden.

Das Benennungsverlangen führe deshalb nicht zu einer nachträglich entstandenen Tatsache, sondern zur Aufdeckung einer neuen Tatsache. Denn die Verweigerung der Empfängerbenennung nach erstmaliger Aufforderung während einer Betriebsprüfung habe ihre Ursache in der fehlenden [X.] zum jeweiligen Zahlungszeitpunkt. Insoweit gleiche diese Situation der nachträglich bekannt gewordenen oder festgestellten Schätzungsunterlage, bei deren rechtzeitiger Bekanntgabe das [X.] die Schätzung in anderer Weise vorgenommen hätte.

Das [X.] beantragt sinngemäß,
das [X.]-Urteil, soweit es die Einkommensteuerfestsetzung für die Jahre 2006 bis 2008 und die Festsetzung des [X.] für 2006 und 2007 betrifft, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit der [X.]inkommensteuerbescheid der Streitjahre 2006 bis 2008 und die Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre 2006 und 2007 betroffen sind. Die Sache wird insoweit zur anderweitigen Verhandlung und [X.]ntscheidung an das [X.] zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Das [X.] ist zwar zu Recht davon ausgegangen, der Umstand, dass der Kläger dem Benennungsverlangen des [X.] nicht nachgekommen ist, ermögliche keine Änderung der [X.]inkommensteuerfestsetzungen der Streitjahre 2006 bis 2008 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] und folglich auch nicht der Gewerbesteuermessbeträge der Streitjahre 2006 und 2007 gemäß § 35b [X.] (unten 1.). Die Anwendbarkeit von § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] bzw. § 35b [X.] könnte indes in Betracht kommen, wenn dem [X.] das Fehlen eines ordnungsgemäß geführten Wareneingangs erst nachträglich bekannt geworden wäre (unten 2.). Mangels entsprechender Feststellungen des [X.] ist die Sache zurückzuverweisen.

1. Voraussetzung für die Änderungsmöglichkeit ist eine nachträglich bekannt gewordene, nicht dagegen eine nachträglich entstandene Tatsache. [X.]ine erst nachträglich entstandene Tatsache ist das Benennungsverlangen des [X.], wie das [X.] zu Recht entschieden hat. Denn das [X.] hat die Benennung der [X.]mpfänger erst zu einem Zeitpunkt vom Kläger verlangt, als die Bescheide der Streitjahre bereits bestandskräftig gewesen sind. Auch die Verweigerung der Auskunft auf ein solches Benennungsverlangen geschieht erst nach [X.]rlass des zu ändernden Bescheides und kann für sich genommen schon deshalb keine nachträglich bekannt gewordene Tatsache i.S. des § [X.] darstellen. Folglich scheidet auch eine Änderung der Gewerbesteuermessbescheide gemäß § 35b [X.] für die Streitjahre 2006 und 2007 aus.

2. Als nachträglich bekannt gewordene Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] kommt jedoch die nicht ordnungsgemäße Aufzeichnung des [X.] und damit des Wareneingangs in Betracht. Die [X.] allein sind keine ausreichenden Aufzeichnungen.

a) Die Art und Weise, in der der Steuerpflichtige seine Aufzeichnungen geführt hat, insbesondere die nicht den Vorschriften des § 143 [X.] entsprechende Aufzeichnung, ist eine Tatsache.

aa) [X.]ine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestandes sein kann. Dies meint Zustände, Vorgänge, Beziehungen und [X.]igenschaften materieller oder immaterieller Art (so etwa Urteil des [X.] --BFH-- vom 6. August 1997 II R 33/95, [X.] 1998, 12). Keine Tatsachen i.S. des § [X.] sind Schlussfolgerungen aller Art, insbesondere juristische Subsumtionen (BFH-Urteil vom 24. Juli 1984 VIII R 304/81, [X.], 485, [X.] 1984, 785, m.w.N.).

bb) [X.]twas anderes gilt auch nicht, wenn der Kläger, was das [X.] nicht ausgeschlossen hat, des [X.] und Schreibens nicht mächtig war.

§ 143 Abs. 1 [X.] sieht bereits von seinem Wortlaut her keine Ausnahme vor. Vielmehr verlangt die Norm die Aufzeichnung des Wareneingangs von allen gewerblichen Unternehmern. Ausgehend vom Sinn und Zweck der Vorschrift, es gerade der Finanzbehörde zu ermöglichen, das Betriebsergebnis zu überprüfen und Daten für eine Nachkalkulation bereitzustellen (vgl. nur [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 143 [X.] Rz 1, m.w.N.), ist allein auf die Tätigkeit des Steuerpflichtigen und nicht auf seine Kenntnisse und persönlichen Fähigkeiten abzustellen. Sollte der Gewerbetreibende selbst nicht in der Lage sein, den Aufzeichnungspflichten nachzukommen, hat er sich anderer Personen zu bedienen. Diese Hilfe sachgerecht zu organisieren, gehört zu seinen Pflichten als gewerblich Tätiger.

b) Die Tatsache, dass der Wareneingang nicht ordnungsgemäß aufgezeichnet worden ist, muss nachträglich bekannt geworden sein.

aa) [X.]ine Tatsache wird nachträglich bekannt, wenn sie das [X.] im Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung des [X.]ingabewertbogens für den [X.]rlass des ursprünglichen Steuerbescheids noch nicht kannte (BFH-Urteil vom 18. März 1987 II R 226/84, [X.], 141, [X.] 1987, 416). Maßgebend hierfür ist die Kenntnis der zur Bearbeitung des [X.] organisatorisch berufenen Dienststelle (BFH-Urteil vom 23. März 1983 I R 182/82, [X.], 313, [X.] 1983, 548). Bekannt ist der zuständigen Dienststelle der Inhalt der dort geführten Akten, ohne dass insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters abzustellen ist (BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 IV R 114/82, [X.], 520, [X.] 1985, 492).

Im vorliegenden Fall ist es mangels geeigneter Feststellungen des [X.] dem Senat nicht möglich zu beurteilen, ob der Veranlagungssachbearbeiter, der an Amtsstelle für den Kläger und [X.] die [X.]inkünfte aus Gewerbebetrieb der Streitjahre ermittelte, die fehlende Ordnungsmäßigkeit der aufgezeichneten Wareneingänge kannte. Folglich wird das [X.] im zweiten Rechtszug feststellen müssen, ob bei der [X.]rmittlung der [X.]inkünfte aus Gewerbebetrieb an Amtsstelle in den Streitjahren bekannt war, dass der Wareneingang des [X.] nicht ordnungsgemäß aufgezeichnet worden war. Soweit der Kläger behauptet, er habe dies dem [X.] mitgeteilt, hat er substantiiert vorzutragen, wann und wie er welchen Veranlagungssachbearbeiter darüber informiert hatte. Zu beachten ist insoweit, dass der Kläger bereits mehrere Sachbearbeiter in seinem Schriftsatz vom 4. Oktober 2011 benannt hat.

Allein aus dem Umstand, dass der Kläger zum Zwecke der Gewinnermittlung (nur) die [X.] im [X.] vorgelegt hatte, lässt sich jedenfalls noch nicht schließen, dass das [X.] die unzureichende [X.]rfüllung der Aufzeichnungspflichten kannte. Auch wenn diese Hefte trotz der darin enthaltenen Angaben zu Ausgaben und damit zum Wareneinkauf nicht den Vorgaben des § 143 [X.] entsprechen, bedeutet das nicht, dass der Kläger die nach § 143 [X.] gebotenen Aufzeichnungen nicht daneben in anderer Form geführt haben könnte.

bb) Kannte das [X.] die mangelhafte [X.]rfüllung der Aufzeichnungspflicht nicht, hat es also tatsächlich erst nachträglich Kenntnis erlangt, so könnte lediglich der Grundsatz von [X.] und Glauben die Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] einschränken. Dies setzt voraus, dass einerseits dem [X.] die Tatsache bei ordnungsgemäßer [X.]rfüllung seiner [X.]rmittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre, dass andererseits der Steuerpflichtige entweder seiner Mitwirkungspflicht in vollem Umfang genügt hat (BFH-Urteil vom 13. November 1985 II R 208/82, BFH[X.] 145, 487, [X.] 1986, 241), oder aber sich aus der Abwägung der beiderseitigen Pflichtverletzungen ergibt, dass die Verletzung der [X.]rmittlungspflicht im konkreten [X.]inzelfall die Verletzung der Mitwirkungspflicht deutlich überwiegt (BFH-Urteil vom 11. November 1987 I R 108/85, BFH[X.] 151, 333, [X.] 1988, 115, unter II.2.; Senatsurteil vom 18. Mai 2010 [X.], [X.] 2010, 2225, unter [X.]). In der Regel aber trifft bei beidseitigen Versäumnissen den Steuerpflichtigen die Verantwortung mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (BFH-Urteile vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83, BFH[X.] 156, 339, [X.] 1989, 585, unter [X.]; vom 28. Juni 2006 XI R 58/05, BFH[X.] 214, 319, [X.] 2006, 835, unter [X.]a).

c) Besteht die Änderungsmöglichkeit der [X.]inkommensteuerfestsetzung für die Streitjahre gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.], folgt hieraus auch die Änderung der Gewerbesteuermessbescheide gemäß § 35b [X.] für die Streitjahre 2006 und 2007.

3. Die Sache ist zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das [X.] zurückzuverweisen. Sollte danach die nicht ordnungsgemäße Aufzeichnung des Wareneingangs eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] darstellen und einer Änderung der fraglichen Bescheide für die Streitjahre auch der Grundsatz von [X.] und Glauben nicht entgegenstehen, sind die zutreffenden rechtlichen Folgerungen über die Höhe der Betriebsausgaben zu ziehen.

a) Zunächst ermöglicht die [X.]rkenntnis über die fehlende Ordnungsmäßigkeit der Buchführung die zu einer höheren Steuer führende Schätzung der Höhe der Betriebsausgaben nach § 162 Abs. 2 Satz 2 [X.]. Die Schätzung nach § 162 [X.] ist grundsätzlich unabhängig von der Prüfung eines Abzugsverbots nach § 160 [X.] durchzuführen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juni 1997 VIII R 9/96, BFH[X.] 183, 358, [X.] 1998, 51, unter 2. der [X.]ntscheidungsgründe). Diese Befugnis stünde zunächst dem [X.], im Gerichtsverfahren innerhalb der Grenzen des [X.] nach § 96 Abs. 1 Satz 1, 2 [X.]O dem [X.] zu.

b) Aber auch die [X.]rkenntnisse des [X.] aus den [X.]rmittlungsmaßnahmen der Betriebsprüfung einschließlich des Benennungsverlangens können im Rahmen der Prüfung der Höhe der Betriebsausgaben verwertbar sein.

Die Berücksichtigung des in der Betriebsprüfung gewonnenen Wissens in diesem Sinne beruht nicht auf § 160 [X.] und ist unabhängig von den Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieser Vorschrift möglich und geboten. [X.]s handelte sich um [X.], die bereits durch § 88 Abs. 1 Satz 1 [X.] gerechtfertigt sind. § 160 Abs. 1 Satz 1 [X.] sperrt diese nicht, was § 160 Abs. 1 Satz 2 [X.] ausdrücklich klarstellt. Die [X.]rgebnisse dieser [X.]rmittlungen können im Rahmen des [X.] auch nach Bestandskraft eines Bescheids verarbeitet werden, wenn und soweit dies durch die entsprechenden Änderungsvorschriften gedeckt ist. Allein der Umstand, dass die entsprechenden Nachfragen ihrerseits auch als Benennungsverlangen nach § 160 [X.] qualifiziert werden können, ändert hieran nichts.

c) [X.]s ist jedoch nicht möglich, die nach diesen Maßstäben anzusetzenden Betriebsausgaben aufgrund des nicht erfüllten Benennungsverlangens nach § 160 Abs. 1 Satz 1 [X.] weiter zu reduzieren, mithin auf Grundlage dieser Vorschrift zu einer weiteren Steuererhöhung zu gelangen.

aa) Der Umfang einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] bzw. § 35b [X.] ergibt sich aus den steuerlichen Auswirkungen der nachträglich bekannt gewordenen Tatsache(n). Wie sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift "soweit Tatsachen ..." ergibt, kann der Steuerbescheid nur punktuell berichtigt werden, nämlich durch die zutreffenden Schlussfolgerungen aus dieser Tatsache (vgl. z.B. von [X.] in [X.], § [X.] Rz 153). Anders als unter § 222 der Reichsabgabenordnung, wonach die neue Steuerfestsetzung grundsätzlich so vorzunehmen war, als handele es sich um die erste Veranlagung (vgl. BFH-Urteil vom 30. Januar 1969 V 149/64, BFH[X.] 95, 236, [X.] 1969, 409), findet eine Wiederaufrollung der Veranlagung nicht statt (so schon BFH-Urteil vom 12. August 1981 I R 78/78, BFH[X.] 134, 3, [X.] 1982, 100, Rz 11).

bb) [X.]s wäre eine unzulässige Wiederaufrollung der Veranlagung in diesem Sinne, wenn Betriebsausgaben, die im Rahmen der [X.]rmittlung und ggf. Schätzung nach Maßgabe von [X.], b anzusetzen sind, nach § 160 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht berücksichtigt würden und so die Steuerfestsetzung über den Korrekturrahmen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] bzw. § 35b [X.] hinaus weiter zuungunsten des [X.] geändert würde. Wie bereits unter [X.] dargestellt und vom [X.] zu Recht erkannt, begründet weder das Benennungsverlangen selbst noch die (fehlende) Antwort hierauf für sich die Tatbestandsvoraussetzungen einer selbständigen Änderungsvorschrift.

Die Rechtsfolgen des § 160 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind aber auch keine Umstände, die i.S. des § 162 Abs. 1 Satz 2 [X.] für die Schätzung von Bedeutung sind. Sie dürfen also in die [X.] nicht einbezogen werden. § 160 [X.] ist keine Schätzungsnorm, sondern setzt erst an, soweit Ausgaben nach anderen steuerlichen Regelungen, ggf. auch aufgrund einer Schätzung, abziehbar sind bzw. wären, bei denen also davon auszugehen ist, dass der Aufwand entstanden ist und daher im Rahmen einer Schätzung an sich zu berücksichtigen wäre (BFH-Urteil in BFH[X.] 183, 358, [X.] 1998, 51, unter 2.a; Senatsbeschluss vom 25. Juli 2012 X B 175/11, [X.] 2013, 44, unter [X.]b). In [X.] knüpft die Vorschrift mithin erst an das [X.]rgebnis der Schätzung an. Das schließt es aus, ihre Anwendung gleichzeitig über § 162 Abs. 1 Satz 2 [X.] zur Voraussetzung der Schätzung zu machen.

Hintergrund ist der Umstand, dass § 160 [X.] mögliche Steuerausfälle verhindern will, die dadurch eintreten, dass der [X.]mpfänger der bei dem Leistenden geltend gemachten Betriebsausgaben die [X.]innahmen nicht erfasst. Auch wenn die Vorschrift dies formell durch die Minderung des [X.] leistet, handelt es sich materiell-rechtlich um eine Inanspruchnahme des Leistenden als Haftender für die fremde Steuerschuld des [X.]mpfängers (vgl. BFH-Urteile in BFH[X.] 183, 358, [X.] 1998, 51, unter 2.b cc, sowie vom 10. März 1999 XI R 10/98, BFH[X.] 188, 280, [X.] 1999, 434, unter [X.]), die im Rahmen der Schätzung ein Fremdkörper wäre. Die bei Anwendung des § 160 [X.] gebotene Schätzung des mutmaßlichen [X.] beim [X.]mpfänger findet erst auf [X.] des § 160 [X.] statt und hat daher mit der Schätzung der Betriebsausgaben nach § 162 [X.] nichts zu tun (vgl. dazu Trzaskalik in [X.]/ [X.]/[X.], § 162 [X.] Rz 31).

4. [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

X R 10/13

09.03.2016

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 16. Januar 2013, Az: 4 K 214/11, Urteil

§ 88 Abs 1 S 1 AO, § 143 AO, § 160 Abs 1 S 1 AO, § 162 Abs 2 S 2 AO, § 173 Abs 1 S 1 Nr 1 AO, § 96 Abs 1 S 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.03.2016, Az. X R 10/13 (REWIS RS 2016, 14816)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14816

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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