Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.09.2004, Az. I ZR 93/02

I. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 1741

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 9. September 2004 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.] : nein [X.]R : ja

Ansprechen in der Öffentlichkeit II
UWG § 7 Abs. 1

Die gezielte Direktansprache von Passanten an öffentlichen Orten zu Werbe-zwecken ist grundsätzlich eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 1 UWG, wenn der Werbende für den Angesprochenen nicht als solcher eindeutig erkennbar ist.

[X.], [X.]. v. 9. September 2004 - [X.] - OLG Frankfurt a.M LG Frankfurt a.M.

- 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 9. September 2004 durch [X.] [X.], Prof. [X.], [X.], Dr. Schaffert und Dr. Bergmann für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das [X.]eil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 7. Februar 2002 wird zurückgewiesen, soweit die Klage auch darauf gerichtet ist, der [X.] die beanstandeten Werbemaßnahmen in öffentlichen [X.] zu untersagen.

Im übrigen wird das Berufungsurteil aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Ent-scheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungs-gericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien sind Wettbewerber beim Vertrieb von [X.]. Sie streiten darüber, ob es wettbewerbsrechtlich zulässig ist, zur Werbung von Kunden für [X.] Passanten im öffentlichen Verkehrsraum gezielt und individuell anzusprechen oder ansprechen zu lassen. - 3 -
Eine Kundin der klagenden [X.] wurde im Mai und Juni 2000 im Eingangsbereich eines [X.] in [X.]vor einem Wer- bestand der Beklagten von Werbern mit dem Ziel angesprochen, sie für den Abschluß eines [X.] mit der Beklagten zu gewinnen.
Die Klägerin ist der Ansicht, das gezielte individuelle Ansprechen von Passanten im öffentlichen Verkehrsraum zu Werbezwecken sei unter dem Ge-sichtspunkt des belästigenden Anreißens von Kunden wettbewerbswidrig. Zur Begründung dafür, daß für ein gezieltes individuelles Ansprechen von Passan-ten seitens der Beklagten auch auf anderen öffentlichen Plätzen als dem Ein-gangsbereich eines Kaufhauses Erstbegehungsgefahr bestehe, hat die Klägerin weitere Vorfälle aus dem [X.] vorgetragen.
Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Androhung von [X.] zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wett-bewerbs im Rahmen der Akquise von [X.] [X.] auf öffentlichen Straßen, Plätzen, Märkten, Bahnhöfen, in [X.] Verkehrsmitteln, Einkaufszentren oder Geschäftspassa-gen gezielt und individuell anzusprechen und/oder ansprechen zu lassen.
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, der Klageantrag sei unbestimmt und erfasse zudem nicht die vorgetragenen Fälle. Darüber hinaus vertritt sie die Auffassung, die angegriffene Werbeform könne aufgrund geän-derter Gepflogenheiten und Wertungsmaßstäbe nicht mehr allgemein als wett-bewerbswidrig angesehen werden. - 4 -
Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Gegen dieses [X.]eil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Klägerin hat beantragt, die [X.] mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß im [X.]eilsausspruch nach dem Wort "lassen" folgender Nebensatz angefügt wird: "die weder ausdrücklich noch konkludent das Interesse an dem Angebot der Beklagten zum Ausdruck ge-bracht haben."
Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen ([X.] 2002, 232).
Mit der (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision erstrebt die Klä-gerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen [X.]eils nach Maßgabe ihres im Berufungsverfahren gestellten Antrags. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

[X.] Das Berufungsgericht hat den Klageantrag als hinreichend bestimmt angesehen, den geltend gemachten Unterlassungsanspruch aber für nicht [X.] erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
Soweit der Unterlassungsantrag das Ansprechen von Passanten in [X.] Verkehrsmitteln betreffe, fehle es sowohl an einer Wiederholungs- als auch an einer Erstbegehungsgefahr, da die Klägerin keinen Vorfall vorgetragen habe, bei dem die Beklagte Passanten in einem öffentlichen Verkehrsmittel ha-be ansprechen lassen. - 5 -
Die Klage sei auch im übrigen unbegründet. Das gezielte individuelle Ansprechen von Passanten im öffentlichen Verkehrsraum zu Werbezwecken sei nicht mehr ohne weiteres als sittenwidrig zu bewerten. Das gelte vor allem dann, wenn das gezielte Ansprechen im Umkreis eines [X.]. Derartige Werbeformen prägten inzwischen das [X.] in den Ge-schäftszonen der Städte. Erst bei Hinzutreten weiterer Umstände, die über das bloße überraschende Ansprechen hinausgingen und den Kunden in eine Zwangslage brächten, könne die in Rede stehende Werbeform als unlauter zu beurteilen sein.
Diese Wertung werde durch die Vorschriften des Haustürwiderrufsgeset-zes bestätigt, nach denen ein gezieltes Ansprechen von Passanten im öffentli-chen Verkehrsraum nicht grundsätzlich verboten sei. Die nur geringfügige Belä-stigung der Passanten werde auch nicht durch die theoretische Möglichkeit [X.] in der Summe nicht mehr hinnehmbaren Häufung derartiger Werbeaktionen zu einem wettbewerbswidrigen Verhalten.
I[X.] Die Revision hat überwiegend Erfolg. Sie führt in diesem Umfang zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts kann auf der bisherigen Tatsachengrundlage nicht davon ausgegangen werden, daß der gel-tend gemachte Unterlassungsanspruch insgesamt unbegründet ist. Soweit die Klage darauf gerichtet ist, der Beklagten die beanstandeten Werbemaßnahmen auch in öffentlichen Verkehrsmitteln zu untersagen, ist die Revision jedoch un-begründet.
1. Der Unterlassungsantrag richtet sich allgemein gegen das gezielte und individuelle Ansprechen von Passanten an öffentlichen Orten zu [X.] 6 - zwecken. Anders als in dem der Senatsentscheidung vom 1. April 2004 ([X.], [X.], 699 = [X.], 1160 - Ansprechen in der [X.]) zugrundeliegenden Fall schließt dies Fallgestaltungen ein, in denen die Werbenden für Passanten ohne weiteres als solche erkennbar sind.
2. Der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch der Klägerin, der auf Wiederholungsgefahr gestützt ist, besteht nur, wenn das beanstandete Wettbewerbsverhalten der Beklagten zur [X.] seiner Begehung den Unterlas-sungsanspruch begründet hat und dieser Anspruch auch auf der Grundlage der nunmehr geltenden Rechtslage noch gegeben ist (vgl. [X.], [X.]. v. 13.3.2003 - I ZR 290/00, [X.], 622, 623 = [X.], 891 - [X.]; [X.]. v. 1.4.2004 - I ZR 317/01, [X.], 693, 694 = [X.], 899 - [X.] Wetten, für [X.] bestimmt). Die Rechtsänderung durch das Inkrafttreten des [X.] vom 3. Juli 2004 ([X.] I S. 1414 ff.) ist dementsprechend auch im Revisionsverfahren zu beachten. Dies bedeutet, daß die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der beanstandeten [X.] der Beklagten sowohl an § 1 UWG a.F. als auch am Maßstab der §§ 3, 7 Abs. 1 UWG zu messen ist.
3. Das gezielte individuelle Ansprechen von Passanten an öffentlichen Orten zu Werbezwecken ist unter der Geltung des § 1 UWG a.F. von der herr-schenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur grundsätzlich als wettbe-werbswidrig angesehen worden (vgl. die Nachweise in [X.] [X.], 699, 700 - Ansprechen in der Öffentlichkeit I). Es ist auch nach Inkrafttreten des [X.] gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 jedenfalls dann grundsätzlich als eine unzumutbare Belästigung im Sinne von §§ 3, 7 Abs. 1 UWG anzusehen, wenn der Werbende für den Angesprochenen nicht als sol-cher eindeutig erkennbar ist (vgl. [X.]/[X.]/[X.], [X.] 7 - recht, 23. Aufl., § 7 UWG Rdn. 96; a.A. Harte/[X.], UWG, § 7 Rdn. 29).
a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß das Ansprechen von Passanten in [X.] der Städte eine gewisse Belästigung [X.]. Die Angesprochenen könnten dem aber, solange nicht besondere Umstände wie etwa Aufdringlichkeit oder Hartnäckigkeit des Werbers, Irreführung über den Grund des Ansprechens oder gleichzeitiges Anbieten eines Geschenks hinzuträten, durch Nichtbeachtung oder eine kurze abweisende Bemerkung ausweichen, was in aller Regel auch tatsächlich geschehe. Das gezielte An-sprechen zu Werbezwecken im Umkreis eines zugehörigen [X.] schaffe keine Situation, in der sich ein erheblicher Teil der Angesprochenen aus Höflichkeit oder Verlegenheit auf ein Werbegespräch und in der Folge auf eine wirtschaftliche Bindung einlasse, obwohl an der angebotenen Leistung kein wirkliches Interesse bestehe.
b) Dieser Beurteilung kann jedenfalls für die Fallgestaltung nicht zuge-stimmt werden, daß der Werbende einen Passanten gezielt und individuell [X.], ohne daß der Werbezweck für diesen eindeutig erkennbar ist.
[X.]) Das Regelbeispiel des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG ist in solchen Fällen al-lerdings nicht anwendbar, weil der Werbende nicht als solcher erkennbar ist und der Angesprochene daher seinen entgegenstehenden Willen gar nicht zum Ausdruck bringen kann. Dies schließt eine Anwendung der Generalklausel des § 7 Abs. 1 UWG jedoch nicht aus (vgl. die Begründung des [X.] eines [X.], BT-Drucks. 15/1487, [X.]). - 8 - bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die gezielte [X.] von Passanten an öffentlichen Orten durch einen Werbenden, der als solcher nicht eindeutig erkennbar ist, grundsätzlich als unzumutbare Belä-stigung zu beurteilen.
(1) Wie sich aus § 3 UWG ergibt, genügt für die Annahme eines Wettbe-werbsverstoßes die Feststellung der Eignung einer solchen Handlung, unzu-mutbar belästigend zu wirken. Die Feststellung, daß sich die beanstandete [X.] in einem konkreten Einzelfall tatsächlich so ausgewirkt hat, ist nicht erforderlich.
(2) Das Berufungsgericht hat allerdings rechtsfehlerfrei angenommen, daß eine gezielte individuelle Ansprache unter den heutigen Verhältnissen für sich genommen noch nicht bei einem erheblichen Teil der Angesprochenen eine psychische Zwangslage schafft, die sie geneigt machen kann, auf ein be-worbenes Angebot einzugehen (vgl. [X.] [X.], 699, 700 - Ansprechen in der Öffentlichkeit I).
(3) Eine gezielte und individuelle Direktansprache von Passanten an [X.] Orten ist aber eine unerbetene Kontaktaufnahme und damit ein belä-stigender Eingriff in die Individualsphäre des Umworbenen. Der Passant wird dadurch in seinem Bedürfnis, auch im öffentlichen Raum möglichst ungestört zu bleiben, beeinträchtigt und unmittelbar persönlich für die gewerblichen Zwecke des werbenden Unternehmens in Anspruch genommen (vgl. [X.] [X.], 699, 701 - Ansprechen in der Öffentlichkeit I). Wenn sich der Werbende einem Passanten zuwendet, ohne eindeutig als solcher erkennbar zu sein, macht er sich zudem den Umstand zunutze, daß es einem Gebot der Höflichkeit unter zivilisierten Menschen entspricht, einer fremden Person, die sich beispielsweise nach dem Weg erkundigen möchte, nicht von vornherein abweisend und ableh-- 9 - nend gegenüberzutreten ([X.] [X.], 699, 701 - Ansprechen in der [X.]). Darin liegt ein unlauteres Erschleichen von Aufmerksamkeit für die eigenen, zunächst verdeckt gehaltenen gewerblichen Zwecke.
(4) Die von der gezielten Direktansprache von Passanten an öffentlichen Orten ausgehende Belästigung ist für den Angesprochenen, der mit einer [X.] zu Werbezwecken nicht rechnet, auch unzumutbar, selbst wenn die Belästigung in der Regel als nur gering eingeschätzt wird. Ob eine [X.] im Sinne des § 7 Abs. 1 UWG unzumutbar belästigend ist, ist nicht nur nach dem Maß der Belästigung im Einzelfall zu beurteilen. Der Begriff der unzumutbaren Belästigung ist vielmehr im Licht des Gesetzeszwecks auszule-gen, dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen [X.] vor unlauterem Wettbewerb zu dienen (§ 1 UWG). Eine Belästigung ist deshalb um so eher als unzumutbar zu beurteilen, je mehr sie - wie im vor-liegenden Fall - nicht eine ungewollte oder nur gelegentliche Nebenwirkung [X.] Werbemaßnahme darstellt, sondern mit der beanstandeten Werbemethode notwendig und regelmäßig verbunden ist. Eine Werbemethode, bei der ein [X.] Verhalten bewußt und gezielt im eigenen Werbeinteresse ange-wandt wird, ist deshalb regelmäßig als unzumutbar belästigend einzustufen. Hinzu kommt die gerade bei einer Werbemaßnahme dieser Art naheliegende Gefahr, daß zahlreiche Anbieter sie anwenden würden, falls sie als wettbe-werbsrechtlich zulässig beurteilt würde, und sich dann auch solche Mitbewer-ber, die selbst an sich dieser Art von Werbung nicht zuneigen, aus [X.] zu einer Nachahmung gezwungen sehen können (vgl. [X.] 103, 203, 208 f. - Btx-Werbung; [X.] [X.], 699, 701 - Ansprechen in der Öffentlichkeit I).
Eine methodisch angewandte unzumutbare Belästigung wie das gezielte Ansprechen von Passanten an öffentlichen Orten zu zunächst nicht eindeutig - 10 - erkennbaren Werbezwecken ist in jedem Fall geeignet, den Wettbewerb nicht unerheblich zum Nachteil der anderen Marktteilnehmer zu verfälschen (§ 3 UWG).
(5) Der Bewertung der in Rede stehenden Werbemethode als wettbe-werbswidrig stehen - anders als das Berufungsgericht meint - nicht die gesetzli-chen Regelungen zur [X.] von Rechtsgeschäften gemäß § 312 Abs. 1 Nr. 3 BGB (früher: § 1 Abs. 1 Nr. 3 HausTürWG) entgegen (vgl. [X.] [X.], 699, 701 - Ansprechen in der Öffentlichkeit I; [X.]/[X.][X.] [X.]O § 7 UWG Rdn. 96). Ebensowenig bestehen verfassungsrecht-liche Bedenken gegen ein Verbot der beanstandeten Werbeform (vgl. [X.] [X.], 699, 701 - Ansprechen in der Öffentlichkeit I, m.w.N.). c) Die gezielte Direktansprache von Passanten auf öffentlichen Straßen oder Plätzen zu Werbezwecken kann dagegen nicht ohne weiteres als unzu-mutbare Belästigung (§ 7 Abs. 1 UWG) des Angesprochenen angesehen wer-den, wenn der Werbende von vornherein als solcher eindeutig erkennbar ist.
Die Kontaktaufnahme zu Werbezwecken ist für den Passanten in [X.] Fällen in aller Regel nicht überraschend und unvorhergesehen. Er hat - worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat - fast immer die [X.], sich einem Gespräch ohne große Mühe durch Nichtbeachtung des Wer-benden oder eine kurze abweisende Bemerkung oder Geste zu entziehen. [X.] liegt es aber, wenn dies nach den gegebenen Verhältnissen (z.B. in einer engen Straße) nicht möglich ist oder wenn der Werbende einen erkennbar ent-gegenstehenden Willen des Angesprochenen mißachtet, etwa indem er diesen am Weitergehen hindert oder ihm folgt. In solchen Fällen ist die Anwendung des § 7 UWG auch dann geboten, wenn sich der Werbende von vornherein als - 11 - solcher zu erkennen gegeben hat (vgl. [X.]/[X.]/[X.] [X.]O § 7 UWG Rdn. 96). Auf Umstände dieser Art stellt der Klageantrag jedoch nicht ab.
4. Da sich der Unterlassungsantrag allgemein gegen die gezielte indivi-duelle Direktansprache von Passanten an öffentlichen Orten zu Werbezwecken richtet, erfaßt er auch Werbehandlungen, die grundsätzlich keine unzumutbare Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 UWG darstellen und daher wettbewerbs-rechtlich nicht zu beanstanden sind. Die zu weite Fassung des [X.] rechtfertigt aber nicht die vollständige Abweisung der Klage und die Zurückweisung der Revision insgesamt.
a) Eine Abweisung der Klage kommt bei dem gegenwärtigen [X.] nicht in Betracht, weil es der Klägerin auch darum geht, der [X.] die gezielte Direktansprache von Passanten an öffentlichen Orten zu [X.] zu untersagen, wenn der Werbende für den Angesprochenen nicht eindeutig als solcher erkennbar ist. Im Hinblick darauf, daß die Rechtslage im Berufungsverfahren noch ungeklärt war, ist es aus Gründen der prozessualen Fairneß geboten, der Klägerin durch erneute Eröffnung des Berufungsverfah-rens Gelegenheit zu geben, sich durch eine sachdienliche Antragsfassung auf die dargelegte Rechtslage einzustellen (vgl. [X.], [X.]. v. 4.3.2004 - I ZR 221/01, [X.], 696, 699 = [X.], 1017 - Direktansprache am Arbeitsplatz, für [X.] 158, 174 vorgesehen).
Ein Antrag, der darauf abstellt, ob der Werbende eindeutig als solcher erkennbar ist, wäre als hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO anzusehen, auch wenn dadurch die nähere Abgrenzung, was einem [X.] verboten ist, dem Vollstreckungsverfahren überlassen wird. - 12 - Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag - und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung - nicht derart un-deutlich gefaßt sein, daß der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, der Beklagte sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (vgl. [X.] 144, 255, 263 - Abgasemissionen; 156, 1, 8 f. - Paperboy, m.w.N.). In besonders gelagerten Fällen können aber bei der Bemessung der Anforderungen, die zur Sicherung der Bestimmtheit des Unter-lassungsantrags und des entsprechenden [X.]eilsausspruchs aufzustellen sind, die Erfordernisse der Gewährung eines wirksamen Rechtsschutzes mit abzu-wägen sein (vgl. [X.] 142, 388, 391 - [X.]). Die Anforderungen an die Konkretisierung des Streitgegenstands in einem Unterlassungsantrag sind demgemäß auch abhängig von den Besonderheiten des jeweiligen Sachgebiets (vgl. [X.], [X.]. v. 4.7.2002 - I ZR 38/00, [X.], 1088, 1089 = [X.], 1269 - Zugabenbündel; [X.], 696, 699 - Direktansprache am Arbeits-platz, für [X.] 158, 174 vorgesehen).
Müßte in Fällen der vorliegenden Art ein auf § 8 Abs. 1 i.V. mit §§ 3, 7 Abs. 1 UWG gestützter Unterlassungsantrag entsprechend den Besonderheiten des festgestellten Einzelfalls gefaßt werden, wäre für den Kläger eine antrags-gemäße Verurteilung in aller Regel nutzlos, weil der konkrete [X.] kaum jemals in gleicher Weise wiederholt werden wird. Dies würde auch die Wirksamkeit des Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb durch Belästigung von Passanten, wie sie hier in Rede steht, entscheidend beeinträchtigen. Es ist deshalb bei der Fassung des Klageantrags und des entsprechenden [X.]eils-ausspruchs hinzunehmen, daß das Vollstreckungsgericht bei der Beurteilung behaupteter Verstöße gegen ein in der dargelegten Weise gefaßtes Unterlas-sungsgebot auch Wertungen vornehmen muß (vgl. [X.] [X.], 696, 699 - 13 - - Direktansprache am Arbeitsplatz, m.w.N.). Die Rechtsverteidigung des [X.] und sein schützenswertes Interesse an Rechtsklarheit und Rechtssi-cherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen werden dadurch nicht unzu-mutbar beeinträchtigt.
b) Soweit die Klage allerdings darauf gerichtet ist, der Beklagten die [X.] Werbemaßnahmen auch in öffentlichen Verkehrsmitteln zu [X.], hat das Berufungsgericht sie mit Recht abgewiesen. In diesem Umfang hat die Revision keinen Erfolg, weil es an der erforderlichen Begehungsgefahr fehlt.
Die von der Klägerin beanstandete konkrete Verletzungshandlung hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts darin bestanden, daß eine Kundin der Klägerin im Eingangsbereich eines [X.] vor einem [X.] der Beklagten von Werbern angesprochen wurde, die versuchten, sie für den Abschluß eines [X.] mit der Beklagten zu gewinnen. Das Charakteristische des beanstandeten Verhaltens der Beklagten besteht also darin, daß sie Passanten an öffentlichen Orten zu Werbezwecken gezielt und individuell ansprechen läßt. Bei der Fassung eines [X.] sind zwar im Interesse eines hinreichenden Rechtsschutzes gewisse Verallge-meinerungen zulässig, sofern auch in dieser Form das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt. Dies hat seinen Grund darin, daß eine Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungsform begründet, sondern auch für alle im [X.] gleichartigen Verletzungshandlungen (vgl. [X.] 126, 287, 295 - [X.]; [X.], [X.]. v. 29.6.2000 - I ZR 29/98, [X.], 907, 909 = [X.], 1258 - Filialleiterfehler; [X.]. v. 4.9.2003 - [X.], [X.], 154, 156 = [X.], 232 - [X.], m.w.N.). Die Grenze der zulässigen Ver-allgemeinerung ist jedoch die Begehungsgefahr (vgl. [X.], [X.]. v. 10.11.1994 - 14 - - I ZR 201/92, [X.], 125 f. = WRP 1995, 183 - Editorial I; [X.] [X.], 907, 910 - Filialleiterfehler). Diese ist hinsichtlich einer Direktansprache von Fahrgästen in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht gegeben.
Eine Werbung in öffentlichen Verkehrsmitteln durch direktes Ansprechen der Fahrgäste ist weitaus belästigender als ein Ansprechen von Passanten im öffentlichen Straßenraum. Auch wenn festgestellt werden sollte, daß die [X.] in den konkret beanstandeten Fällen wettbewerbswidrig gehandelt hat, könnte deshalb nicht ohne weiteres angenommen werden, sie wolle auch in [X.] Verkehrsmitteln für den Abschluß von [X.]n wer-ben.
II[X.] Danach erweist sich die Revision teilweise als unbegründet. Im übri-gen Umfang führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückver-weisung der Sache zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten der [X.], an das Berufungsgericht.

[X.] [X.] [X.]

Schaffert Bergmann

Meta

I ZR 93/02

09.09.2004

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.09.2004, Az. I ZR 93/02 (REWIS RS 2004, 1741)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1741

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I ZR 227/01 (Bundesgerichtshof)


6 U 95/01 (Oberlandesgericht Köln)


6 U 112/00 (Oberlandesgericht Köln)


6 U 20/01 (Oberlandesgericht Köln)


I ZR 164/09 (Bundesgerichtshof)

Wettbewerbsverstoß: Gemeinschaftsrechtskonformes generelles Verbot der unerbetenen Telefonwerbung; Nachweis der Einverständniserklärung bei einer Bestätigungsmail im Double-opt-in-Verfahren …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.