Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.07.2015, Az. 3 StR 84/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 7880

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 84/15
vom
21. Juli 2015
in der Strafsache
gegen

wegen Totschlags
u.a.

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Der 3.
Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21.
Juli 2015 gemäß §
349 Abs.
2 StPO einstimmig beschlossen:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 4.
November 2014 wird verworfen; jedoch wird das Ur-teil dahin klargestellt, dass neben der Waffe [X.] Modell 1361, Kaliber 22 long rifle, Seriennummer 668969, die sicherge-stellte Munition (20 Schuss Munition Kaliber 22 in gelbem Stoff-beutel) eingezogen ist.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den [X.] im Revisionsverfahren entstandenen notwen-digen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe und von Munition zu einer Freiheits-strafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungs-entscheidung getroffen. Die hiergegen gerichtete, auf sachlichrechtliche Bean-standungen gestützte Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg. Sie führt lediglich zur Präzisierung der Einziehungsentscheidung.

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Die Nachprüfung des Urteils hat auch unter Berücksichtigung der [X.] keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklag-ten ergeben. [X.] Erörterung bedarf nur Folgendes:

1. Das [X.] hat für seine Überzeugung vom bedingten Tötungs-vorsatz des Angeklagten auf die hochgefährliche Tatbegehung (Abgabe des Schusses aus dem Kleinkalibergewehr in die Brust des Opfers aus einer Ent-fernung von zwei Metern) vor dem Hintergrund langjähriger Feindschaft zwi-schen den beiden Männern abgehoben. Die generellen Hemmungen gegen-über der
Tötung eines anderen Menschen hat es dabei als gegen einen be-dingten Tötungsvorsatz sprechend bedacht. Weitere vorsatzkritische Elemente musste das [X.] bei dieser Sachlage nicht erörtern. Den Notruf bei der Telefonnummer 112 (zur Bedeutung von Lebensrettungsaktivitäten unmittelbar nach Tatbegehung vgl. [X.], Urteil vom 18.
Januar 2007 -
4 [X.], [X.], 331) setzte der Angeklagte nach der Tat nur auf Aufforderung des zu Hilfe geeilten Nachbarn ab. Die Tatbegehung trotz Anwesenheit zahlreicher anderer Personen in der Nähe des [X.] (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 23.
April 2003 -
2 StR 52/03, [X.], 603, 604) war hier angesichts der zahlreichen verbalen, körperlichen und gerichtlichen Auseinandersetzungen im Verlauf der letzten Jahre, die in der Kleingartenkolonie bekannt waren und zu einer Lagerbildung für bzw. gegen den Angeklagten und das Opfer geführt [X.] (UA S.
9), nicht ausdrücklich zu erörtern. Ohnehin ist der Aussagegehalt dieses Tatumstandes für die Differenzierung zwischen Körperverletzungs-
und Tötungsvorsatz nur gering (vgl. MüKoStGB/[X.], 2.
Aufl.,
§ 212 Rn.
58).

2. Der Ausschluss der Notwehrrechtfertigung hält im Ergebnis ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand.

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Nach den Feststellungen des [X.]s drückte
das spätere Opfer mit einer zwei Meter langen Holzlatte den Gartenzaun herunter, betrat das Grundstück des Angeklagten, schlug auf zwei Rasenmäher ein und [X.] dabei einen von ihnen. Dabei zerbrach die Latte in mehrere Stücke. [X.] hat das [X.] ausgeführt, dass dieser Angriff des Nachbarn auf das Hausrecht und das Eigentum des Angeklagten den unmittelbaren Gebrauch der Schusswaffe unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit der Notwehr-handlung nicht hätte rechtfertigen können.

Ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff auf das Leben oder die Ge-sundheit des Angeklagten war zur Überzeugung des [X.]s objektiv nicht gegeben. Danach rief der Nachbar, als er gewahr wurde, dass der Angeklagte mit dem Gewehr im Anschlag auf ihn zugetreten war und zum Verlassen seines Grundstücks aufgefordert hatte, einen anderen Kleingartenbesitzer um Hilfe und erhob den in seiner Hand verbliebenen etwa 46 cm langen Holzstummel lediglich zu dem Zweck, einen Angriff des Angeklagten abzuwehren (UA S.
39).

Das Schwurgericht hat allerdings nicht festgestellt, welche Vorstellung der Angeklagte in dieser Situation vom weiteren Verhalten seines Nachbarn hatte, und deshalb nicht ausdrücklich geprüft, ob sich der Angeklagte in der irrtümlichen Annahme einer Notwehrlage (Putativnotwehr) befand. Das gefähr-det den Bestand des Urteils indes nicht, da bei der irrigen Annahme eines un-mittelbar bevorstehenden Angriffs der Täter nicht mehr tun darf als der in wirkli-cher Notwehr Handelnde ([X.], Urteil vom 12.
März 1987
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4 StR 2/87, [X.]R StGB § 32 Abs.
1 Putativnotwehr 2), und das [X.] rechtsfehlerfrei [X.] hat, dass selbst im Falle eines Angriffs der Schuss in die Brust mangels Erforderlichkeit der [X.] nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Das Schwurgericht ist dabei von den Grundsätzen ausgegangen, die die Recht-5
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sprechung für die Grenzen der Notwehr unter Benutzung einer Schusswaffe aufgestellt hat. Danach darf der Angegriffene grundsätzlich das für ihn erreich-bare Abwehrmittel wählen, das eine sofortige und endgültige Beseitigung der Gefahr erwarten lässt; dem lebensgefährlichen Einsatz einer Schusswaffe sind gleichwohl Grenzen gesetzt. Er ist zwar nicht von vornherein unzulässig, kann aber nur das letzte Mittel der Verteidigung sein. In der Regel ist der [X.] gehalten, den Gebrauch der Waffe zunächst anzudrohen. [X.] dies nicht aus, so muss er, wenn möglich, vor dem tödlichen Schuss einen weniger ge-fährlichen Waffeneinsatz versuchen. In Frage kommen ungezielte Warn-schüsse oder, wenn diese nicht ausreichen, Schüsse in die Beine, um den [X.] kampfunfähig zu machen, also solche Abwehrmittel, die einerseits für die Wirkung der Abwehr nicht zweifelhaft sind und andererseits die Intensität und Gefährlichkeit des Angriffs nicht unnötig überbieten (vgl. [X.] aaO mwN). Dabei wird der Rahmen der erforderlichen Verteidigung durch die Stärke und die Gefährlichkeit des Angreifers und durch die Verteidigungsmöglichkeiten des Angegriffenen bestimmt ([X.], Urteil vom 29.
Juni 1994 -
3 [X.], [X.]R StGB § 32 Abs.
2 Erforderlichkeit 11 mwN). Angesichts der "konkreten Kampf-lage"
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der Nachbar hatte lediglich noch einen Holzstummel in der Hand;
der Angeklagte (sieben Jahre jünger und von kräftiger Statur) hatte sein Gewehr in

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Vorhalte; mit dem Gewehr
konnte zwar nur ein Schuss abgegeben werden;
der geringe Abstand zwischen den Kontrahenten ermöglichte indes einen sicheren Schuss auf weniger gefährliche Körperregionen -
ist die Würdigung des Land-gerichts, der Angeklagte habe nicht sofort auf die Brust des Opfers schießen dürfen, ohne Rechtsfehler.

Becker

Pfister

Ri[X.] Dr. Schäfer befindet sich

im Urlaub und ist daher gehindert

zu unterschreiben.

Becker

Mayer

Gericke

Meta

3 StR 84/15

21.07.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.07.2015, Az. 3 StR 84/15 (REWIS RS 2015, 7880)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7880

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