Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.09.2016, Az. 2 B 39/16

2. Senat | REWIS RS 2016, 4970

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Gegenstand

Wirkung des Antrags auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde


Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 19. Januar 2015 wird verworfen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

1. Der [X.]eklagte war unter [X.]erufung in das [X.]eamtenverhältnis auf [X.] ernannt und nach Ablauf seiner Wahlzeit in den Ruhestand versetzt worden. Noch vor Ablauf dieser Amtszeit wurde er wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern vorläufig des Dienstes enthoben. Wegen der ihm zur Last gelegten Taten verurteilte ihn das Amtsgericht durch rechtskräftigen Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung zur [X.]ewährung ausgesetzt wurde. Im sachgleichen Disziplinarverfahren erkannte ihm das Verwaltungsgericht das Ruhegehalt ab, die hiergegen eingelegte [X.]erufung ist erfolglos geblieben. Ausweislich der anwaltlichen Empfangsbestätigung ging dem [X.]evollmächtigten des [X.]eklagten das [X.]erufungsurteil am 22. April 2015 zu.

2

Am 20. Mai 2016 hat der [X.]eklagte durch einen neuen [X.]evollmächtigten Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gestellt und [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt. Die Frist sei durch das Verschulden einer Hilfsperson des früheren Prozessbevollmächtigten versäumt worden.

3

Die Angestellte S des ehemaligen [X.]evollmächtigten habe eine ordnungsgemäße postalische Übersendung des Urteils an den [X.]eklagten unterlassen und dem [X.]eklagten die Entscheidung nur durch eine E-Mail übermittelt, die im Absender den Namen der Angestellten ausgewiesen habe. Die Kanzlei habe sich auch nicht - etwa durch einen Telefonanruf - vergewissert, ob der [X.]eklagte die E-Mail erhalten habe. Tatsächlich habe der [X.]eklagte die E-Mail wegen des unbekannten Absenders nicht innerhalb der [X.]eschwerdefrist geöffnet. Vom Urteil habe er erst durch ein Schreiben der Versorgungsausgleichskasse vom 15. Juni 2015 erfahren. Auf Nachfrage habe ihm der frühere Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 15. Juli 2015 daraufhin die Entscheidung übersandt und mitgeteilt, dass eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht eingelegt worden sei, weil der [X.]eklagte auf die E-Mail nicht reagiert habe.

4

In dem beigefügten Schreiben des ehemaligen [X.]evollmächtigten des [X.]eklagten vom 15. Juli 2015 gibt dieser an, dass das Urteil nicht nur per E-Mail, sondern auch im Postwege versandt worden sei. Weiterhin wird eingeräumt, dass er in den letzten Wochen telefonisch sehr schwer erreichbar gewesen sei, weil er mehrfach in seinem [X.] [X.]üro gearbeitet habe. In einer weiterhin beigefügten eidesstattlichen Versicherung erklärt der [X.]eklagte, (zunächst) keine postalische Urteilsübersendung durch seinen früheren [X.]evollmächtigten erhalten zu haben.

5

2. Das Vorbringen erfüllt die in § 60 VwGO normierten Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht. Die [X.]eschwerde ist daher wegen Verfristung als unzulässig zu verwerfen.

6

a) Dies folgt zunächst schon daraus, dass bis zum heutigen Tage eine [X.]eschwerdebegründung nicht vorgelegt worden ist (vgl. § 60 Abs. 2 Satz 3 und 4 VwGO). Selbst wenn dem [X.]eklagten Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gewährt werden könnte, wäre deshalb die [X.]egründungsfrist (§ 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO) versäumt. Einen entsprechenden Antrag hat der [X.]eklagte nicht gestellt, er wäre mittlerweile auch verfristet.

7

Entgegen der von der [X.]eschwerde vorgebrachten Auffassung hemmt ein Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO) nicht die laufenden Fristen für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die [X.]egründungsfrist (vgl. etwa [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 2. März 1992 - 9 [X.] 256.91 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 2 Rn. 2 und vom 25. November 1993 - 1 [X.] 178.93 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 14 Rn. 3). Dem [X.]eklagten hätte daher für einen erfolgreichen Wiedereinsetzungsantrag oblegen, auch eine [X.]egründung für die von ihm begehrte Zulassung der Revision vorzulegen.

8

Aus dem in Anspruch genommenen [X.]eschluss vom 17. April 2002 - 3 [X.] 137.01 - ([X.] 310 § 60 VwGO Nr. 244) folgt nichts anderes, weil dieser den Fall eines erfolgreichen Prozesskostenhilfegesuchs hinsichtlich der Einlegungsfrist betrifft, der hier nicht vorliegt. Der [X.]eklagte ist nicht infolge seiner finanziellen Lage an der Einhaltung von Fristen gehindert worden.

9

b) Unabhängig hiervon ist mit dem Antrag auch nicht glaubhaft gemacht worden, dass der [X.]eklagte ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde verhindert war.

Nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO steht dem Verschulden des [X.]eklagten dasjenige seines [X.]evollmächtigten gleich. Der Wiedereinsetzungsantrag muss deshalb Tatsachen glaubhaft machen, die auch ein Verschulden des [X.]evollmächtigten ausschließen. Dies wäre der Fall, wenn die Fristversäumung ausschließlich durch ein pflichtwidriges Handeln einer vom [X.]evollmächtigten sorgfältig angewiesenen und überwachten Hilfsperson verursacht worden wäre.

Der hierauf zielende Vortrag des [X.] erschöpft sich indes in bloßen Mutmaßungen zum Organisationsablauf in der Kanzlei des früheren [X.]evollmächtigten. [X.]ereits dem Schreiben des ehemaligen [X.]evollmächtigten sind keinerlei Hinweise für einen entsprechenden Geschehensablauf zu entnehmen; eine Glaubhaftmachung fehlt ohnehin. Im Übrigen wäre nach dem vorgebrachten Geschehensablauf auch von einem eigenen Verschulden des [X.]evollmächtigten auszugehen, der sich der Fristenkontrolle nicht in einem derartigen Ausmaß entledigen kann (vgl. etwa [X.]VerwG, Urteil vom 23. November 1982 - 9 C 167.82 - [X.]VerwGE 66, 240 <241>).

Schließlich ist weder vorgetragen noch erkennbar, warum der [X.]eklagte seit der unstreitigen Übermittlung des Urteils mit Schreiben seines ehemaligen [X.]evollmächtigten vom 15. Juli 2015 ohne eigenes Verschulden hätte daran gehindert gewesen sein sollen, sich Rechtsrat über die Möglichkeiten einer Wiedereinsetzung oder andere Abhilfen zu verschaffen. Falsche Rechtsauskünfte durch [X.]evollmächtigte sind insoweit nicht beachtlich (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).

c) Von einer weiteren [X.]egründung wird abgesehen (vgl. § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO). Der Senat weist jedoch darauf hin, dass angesichts der erheblichen strafgerichtlichen Sanktion, die bei außerdienstlichen Pflichtverletzungen Indizcharakter für die Schwere des Dienstvergehens entfaltet (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - [X.]VerwGE 152, 228 Rn. 37), ein Absehen von der [X.] hier nur bei Vorliegen besonderer Milderungsgründe in [X.]etracht kommen könnte, die von den [X.] nicht festgestellt worden sind. Angesichts der verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr ist der Verlust der Ruhestandsbezüge aber nur deswegen nicht bereits mit der Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung erfolgt (vgl. § 70 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]eamtVG [X.] i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]eamtStG), weil die Sanktion durch einen Strafbefehl ausgesprochen worden war.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 41 Abs. 1 [X.] [X.], § 77 Abs. 1 [X.]DG, § 154 Abs. 2 VwGO. Der Festsetzung eines Streitwertes bedarf es nicht, weil die Gerichtsgebühren streitwertunabhängig festgesetzt werden.

Meta

2 B 39/16

26.09.2016

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, 19. Januar 2015, Az: 14 LB 6/12, Urteil

§ 133 Abs 2 S 1 VwGO, § 133 Abs 3 S 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.09.2016, Az. 2 B 39/16 (REWIS RS 2016, 4970)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 4970

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