Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.03.2011, Az. V ZR 156/10

5. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 8851

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Gegenstand

Wohnungseigentum: Einstellung von unberechtigten Ausgaben des Verwalters in die Jahresabrechnung und Berücksichtigung eines Ersatzanspruchs gegen einen Wohnungseigentümer bei Umlegung der Kosten in den Einzelabrechnungen


Leitsatz

1. In die Jahresabrechnung sind auch solche Ausgaben einzustellen, die der Verwalter unberechtigterweise aus Mitteln der Gemeinschaft getätigt hat .

2. Maßgeblich für die Umlegung der Kosten in den Einzelabrechnungen ist der jeweils einschlägige Verteilungsschlüssel, wie er sich aus einer Vereinbarung, einem Beschluss nach § 16 Abs. 3, 4 WEG, aus § 16 Abs. 2 WEG oder einer gerichtlichen Entscheidung ergibt. Steht ein Ersatzanspruch gegen einen Wohnungseigentümer in Rede, rechtfertigt dies nur dann eine von dem einschlägigen Umlageschlüssel abweichende Kostenverteilung, wenn der Anspruch tituliert ist oder sonst feststeht .

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der 11. Zivilkammer des [X.] vom 30. Juni 2010 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als in den zu [X.] auf der Eigentümerversammlung vom 19. Juli 2008 beschlossenen [X.] Kosten für die Reparatur eines Fensters der Wohnung Nr. 34 auf die Wohnungseigentümer umgelegt werden.

Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 5. Dezember 2008 zurückgewiesen.

Von den Kosten des [X.] erster Instanz tragen der Kläger 4/5 und die Beklagten 1/5. Die Kosten beider Rechtsmittelverfahren und die der [X.] trägt der Kläger alleine.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien sind die Mitglieder der im Rubrum näher bezeichneten Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung vom 19. Juli 2008 wurden verschiedene Beschlüsse gefasst. Soweit hier von Interesse wurden zu dem Tagesordnungspunkt ([X.]) 2 die Abrechnungen für das Wirtschaftsjahr 2007 und zu [X.] 3 die Entlastung des [X.] und der Verwalterin beschlossen. Das Amtsgericht hat der gegen beide Beschlüsse gerichteten Anfechtungsklage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten, mit der diese nur noch die Abweisung der Klage hinsichtlich des Beschlusses zu [X.] 2 beantragt haben, ist erfolgreich gewesen. Die Revision hat das [X.] zur Klärung der Frage zugelassen, "ob und in welchen Fällen die Berücksichtigung von tatsächlich getätigten, aber unberechtigten Ausgaben in der Jahresabrechnung dazu führt, dass die darauf beruhenden Einzelabrechnungen für ungültig zu erklären sind". Der Kläger möchte mit der Revision eine Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

I.

2

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die zu [X.] beschlossene Jahresabrechnung sei mit den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung vereinbar. Zwar seien die Kosten für die Reparatur einer [X.] der Wohnung Nr. 34 nach § 10 Abs. 3 der Teilungserklärung alleine von dem Eigentümer dieser Eigentumswohnung zu tragen. Auch hätte die Verwalterin weder die Errichtung von Trennwänden in den Kellerräumen noch die Reinigung der Fassade (Entfernung von Efeu) veranlassen dürfen. Beide Maßnahmen hätten - da nicht dringlich - nur mit vorheriger Beschlussfassung der Eigentümerversammlung ergriffen werden dürfen. Dies ändere jedoch nichts daran, dass die für diese Maßnahmen angefallenen Kosten in die Jahresabrechnung aufzunehmen seien. Ob die Maßnahmen zu Recht veranlasst worden seien, sei unerheblich. Entscheidend sei, dass die Rechnungen tatsächlich aus dem [X.]svermögen beglichen worden seien. Da die Liquidität und die Planungssicherheit der [X.] nicht gefährdet werden dürfe, sei es auch nicht geboten, die [X.] hinsichtlich der unberechtigten Kosten für ungültig zu erklären, um den Wohnungseigentümern die Gelegenheit zu geben, diese Kosten neu zu verteilen oder über deren Übernahme durch die [X.] zu beschließen. Sei ein Wohnungseigentümer der Auffassung, er werde unberechtigterweise mit Kosten belastet, könne er die Entlastung der Verwaltung anfechten.

II.

3

Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung ganz überwiegend stand.

4

1. Infolge der zulässigerweise beschränkten Zulassung der Revision (vgl. Urteil vom 16. Juli 2010 - [X.], juris Rn. 7 ff., insoweit in NJW 2010, 3158 nicht abgedruckt) konnte dem Senat die Sache nur anfallen, soweit Positionen betroffen sind, bei denen die im Tatbestand referierte und nach Auffassung des Berufungsgerichts klärungsbedürftige Rechtsfrage eine Rolle gespielt hat. Auf diese Positionen hat sich die Revision denn auch folgerichtig beschränkt.

5

2. In der Sache ist der Beschluss zu [X.] lediglich mit Blick auf die in den [X.] umgelegten Kosten für die Reparatur der [X.] in der Wohnung Nr. 34 für ungültig zu erklären; im Übrigen ist die Revision unbegründet.

6

a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass in die [X.] auch solche Ausgaben einzustellen sind, die der Verwalter unberechtigterweise aus Mitteln der [X.] getätigt hat ([X.], Urteil vom 6. März 1997 - [X.], [X.] 1997, 284, 287; BayObLG, NJW-RR 2004, 1090; jeweils mwN). Nur so ist sichergestellt, dass die Wohnungseigentümer die Vermögenslage der Wohnungseigentümergemeinschaft erfassen, die Jahresabrechnung auf ihre Plausibilität (Senat, Urteil vom 4. Dezember 2009 - [X.], NJW 2010, 2127, 2129) und ggf. auch darauf hin überprüfen können, was mit den eingezahlten Mitteln geschehen ist (BayObLG, NJW-RR 1992, 1431, 1432) und ob Regressansprüche gegen den Verwalter oder sonstige Personen in Betracht kommen und ob diese gerichtlich durchgesetzt werden sollen. Eine solche Prüfung wäre zumindest deutlich erschwert, wenn unberechtigt getätigte Ausgaben in die Gesamtabrechnung nicht eingestellt würden (zutreffend KG, [X.], 108).

7

b) Auch bei den [X.] sind unberechtigt getätigte Ausgaben zu berücksichtigen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist darauf angewiesen, dass alle tatsächlichen Belastungen nach dem jeweils einschlägigen Verteilungsschlüssel umgelegt werden, weil ansonsten die Sicherung der Liquidität und die Planungssicherheit der [X.] in nicht hinnehmbarer Weise in Mitleidenschaft gezogen würden. Lassen sich Ansprüche gegen den jeweiligen Schuldner durchsetzen, fließen der [X.] die vereinnahmten Gelder in einem späteren Abrechnungszeitraum wieder zu. Es liegt daher im wohlverstandenen Interesse der Wohnungseigentümer, dass auch unberechtigte Belastungen des [X.]svermögens möglichst kurzfristig umgelegt werden (vgl. [X.], [X.], 60, 62). Das gilt umso mehr, als durch die Beschlussfassung über die Jahresabrechnungen die Rechtsstellung der [X.] gegenüber möglichen Regressschuldnern nicht beeinträchtigt wird.

8

Bei ([X.] gegen den Verwalter gilt nichts anderes. Die Genehmigung der Jahresabrechnungen durch die Wohnungseigentümerversammlung enthält keine konkludente Billigung der von dem Verwalter getätigten Ausgaben (vgl. BayObLG, [X.], 385). Auch ist eine Beschlussfassung über die Entlastung nicht Voraussetzung für die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Verwalter; allenfalls steht eine erteilte Entlastung als negatives Schuldanerkenntnis (§ 397 Abs. 2 BGB) der Geltendmachung von Ansprüchen entgegen (vgl. [X.], Urteil vom 6. März 1997 - [X.], [X.] 1997, 284, 287). [X.], aaO; Jennißen in Jennißen, WEG, 2. Aufl., § 28 Rn. 187). Darauf kommt es hier jedoch nicht an, weil der die Verwalterin entlastende Beschluss zu [X.] bereits rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist. Daher wird sich die Wohnungseigentümergemeinschaft jedenfalls auf Antrag zumindest eines Wohnungseigentümers mit der Frage des [X.] gegen die Verwalterin zu befassen haben (vgl. auch [X.], [X.], 62; KG, [X.], 108).

9

c) In den [X.] sind die Kostenpositionen auf die Wohnungseigentümer umzulegen. Maßgeblich hierfür ist der jeweils einschlägige Verteilungsschlüssel, wie er sich aus einer Vereinbarung, einem Beschluss nach § 16 Abs. 3, 4 WEG, aus § 16 Abs. 2 WEG oder einer gerichtlichen Entscheidung ergibt. Steht ein Ersatzanspruch gegen einen Wohnungseigentümer in Rede, rechtfertigt dies nur dann eine hiervon abweichende Kostenverteilung, wenn der Anspruch tituliert ist oder sonst feststeht, etwa weil er von dem betreffenden Wohnungseigentümer anerkannt worden ist (weitergehend KG, [X.], 108; [X.], aaO, § 28 Rn. 86 mwN). Dagegen erscheint es nicht sachgerecht, das Verfahren über die Anfechtung von Beschlüssen über die Jahresabrechnung mit dem Streit über das Bestehen [X.] Ersatzansprüche gegen Wohnungseigentümer zu betrachten. Das gilt umso mehr, wenn für eine Berücksichtigung [X.] Ansprüche sogar verlangt wird, dass jedenfalls bei der Beschlussfassung "in nachvollziehbarer und nachprüfbarer Weise die tatsächliche und rechtliche Grundlage der Forderung dargelegt" wird (so wohl [X.], [X.], 441, 443 f.), weil ansonsten Beschlussanfechtungen provoziert würden.

Gemessen daran, ist die Umlage der für die Errichtung der Trennwände und für die Reinigung der Fassade aufgewendeten Kosten nicht zu beanstanden; ohnehin kommen Ersatzansprüche vorliegend nicht gegen Wohnungseigentümer, sondern nur gegen die Verwalterin in Betracht. Anders verhält es sich bei den Kosten für den Austausch der Scheibe in der Wohnung Nr. 34. Nach der - rechtlich unbedenklichen - Regelung in § 10 Abs. 3 der Teilungserklärung sind derartige Kosten von dem jeweiligen Wohnungseigentümer zu tragen. Diese Bestimmung geht dem allgemeinen Umlageschlüssel vor. Daher sind sämtliche [X.] - beschränkt auf die fehlerhaft umgelegte Position (vgl. Senat, Beschluss vom 15. März 2007 - [X.], [X.]Z 171, 335, 339) - für ungültig zu erklären (vgl. nur Jennißen in Jennißen, aaO, § 28 Rn. 154; [X.]/Then, WEG, § 28 Rn. 85).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, § 97 Abs. 1 und § 101 ZPO.

Krüger                                Schmidt-Räntsch                                    [X.]

                  Brückner                                              Weinland

Meta

V ZR 156/10

04.03.2011

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Karlsruhe, 30. Juni 2010, Az: 11 S 14/09, Urteil

§ 16 Abs 2 WoEigG, § 16 Abs 3 WoEigG, § 16 Abs 4 WoEigG, § 28 Abs 3 WoEigG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.03.2011, Az. V ZR 156/10 (REWIS RS 2011, 8851)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8851

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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