Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.12.2015, Az. 1 StR 321/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2015, 1505

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Gegenstand

Wertersatzverfall nach Betäubungsmitteldelikten: Voraussetzungen des Vorliegens einer unbilligen Härte und erforderliche Feststellungen zu den Vermögensverhältnissen des Angeklagten


Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 13. Februar 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit hinsichtlich des Angeklagten [X.]von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz abgesehen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen 14 Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat davon abgesehen, gegen ihn den Verfall von Wertersatz anzuordnen. Lediglich hiergegen richtet sich die vom [X.] vertretene, auf die Verletzung materiellen und formellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das wirksam beschränkte Rechtsmittel hat bereits mit der Sachrüge Erfolg; auf die erhobene Verfahrensbeanstandung kommt es daher nicht mehr an.

I.

2

1. Nach den Urteilsfeststellungen verbrachte der zum Urteilszeitpunkt 44 Jahre alte Angeklagte [X.]zusammen mit dem Mitangeklagten [X.]im Zeitraum zwischen Dezember 2012 und 29. Mai 2013 in sechs Fällen jeweils 500 Gramm Methamphetamin ([X.]), insgesamt also drei Kilogramm [X.], mit einem Methamphetaminbase-Gehalt von mindestens 59,2 % von [X.] in der [X.] nach [X.]. Das Methamphetamin verkauften die Angeklagten [X.]und M.     , wie von ihnen von Anfang an beabsichtigt, von dort aus mit Ausnahme eines Eigenkonsumanteils von jeweils mindestens 40 Gramm zu Grammpreisen von mindestens 50 [X.] gewinnbringend weiter. Die Gewinne aus den Verkäufen nutzten die Angeklagten [X.]und [X.]zur Finanzierung der nachfolgenden [X.] sowie zur Deckung ihres Lebensunterhalts.

3

Nach einem Streit mit dem Mitangeklagten [X.]unternahm der Angeklagte [X.], nun gemeinsam mit dem Mitangeklagten [X.], im Zeitraum von Juni 2013 bis zum 9. Januar 2014 weitere acht [X.]. Hierbei verbrachten die Angeklagten [X.]und [X.]    jeweils weitere 500 Gramm [X.], insgesamt also vier Kilogramm [X.], mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 59,2 % von [X.] nach [X.], um sie dort gewinnbringend weiterzuverkaufen. Wie von vornherein beabsichtigt verkauften sie das Methamphetamin in den acht Fällen mit Ausnahme eines Anteils von jeweils mindestens 40 Gramm für den Eigenkonsum zu Grammpreisen von mindestens 50 [X.] weiter.

4

Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten [X.]hat das [X.] festgestellt, dass ihm mehrere Firmen gehörten, von denen er einen Teil verkauft hatte ([X.] ff.). Eine ihm gehörende Wohnung in [X.]vermietete er im [X.] ([X.] 11).

5

2. Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen seiner Rolle als Mitorganisator und Überwacher der [X.] und Veräußerungsgeschäfte als Mittäter sämtlicher Taten eingestuft und ihn daher wegen 14 Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG) verurteilt. Es hat gegen ihn für jede der Taten eine Einzelstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verhängt und hieraus unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem Strafbefehl eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten gebildet.

6

3. Das [X.] hat den Verfall von Wertersatz (§§ 73, 73a [X.]) nicht angeordnet und dies mit dem Vorliegen einer unbilligen Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 [X.] begründet. Es hat dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung „entgegen [X.], 295“ erfolgt sei. Im Einzelnen hat das [X.] angeführt, dass der Angeklagte [X.]selbst bei einer Haftentlassung zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt deutlich über 50 Jahre alt sein werde und nochmals von vorne anfangen müsse, zumal seine Festnahme letztlich zum wirtschaftlichen Niedergang seiner Unternehmen beigetragen habe. Eine weitere Schuldenlast in sechsstelliger Höhe durch Anordnung eines Verfalls von Wertersatz in Höhe von mindestens 322.000 [X.] (14 x 460 Gramm x 50 [X.] pro Gramm) würde seine Resozialisierung massiv gefährden ([X.] f.).

II.

7

Die wirksam auf die unterbliebene Verfallsanordnung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg; die Erwägungen des [X.]s vermögen die Ablehnung der Anordnung des [X.] nicht zu rechtfertigen.

8

1. Die Voraussetzungen des § 73c Abs. 1 Satz 1 [X.] sind bereits deshalb nicht rechtsfehlerfrei dargetan, weil das [X.] den systematischen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Alternativen des § 73c Abs. 1 [X.] missachtet und hieraus folgend das Vorliegen einer unbilligen Härte unzureichend begründet hat.

9

a) Zwar ist die Anwendung der Härtevorschrift des § 73c [X.] Sache des Tatrichters. Die Gewichtung der für das Vorliegen einer unbilligen Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 [X.] maßgeblichen Umstände ist daher der inhaltlichen revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich. Mit der Revision kann jedoch eine rechtsfehlerhafte Auslegung des Tatbestandsmerkmals „unbillige Härte“ beanstandet werden. Eine solche ist etwa gegeben, wenn die Bejahung dieses Merkmals auf Umstände gestützt wird, die bei seiner Prüfung nicht zum Tragen kommen können (vgl. [X.], Urteil vom 26. März 2009 – 3 [X.], [X.]R [X.] § 73c Härte 14).

b) So liegt der Fall hier. Das [X.] ist davon ausgegangen, dass eine „weitere Schuldenlast“ aus einer Verfallsanordnung in sechsstelliger Höhe für den Angeklagten deswegen eine unbillige Härte darstelle, weil sie nach dem wirtschaftlichen Niedergang seiner Unternehmen in der Folge seiner Festnahme seine Resozialisierung massiv gefährden würde. Ersichtlich ist sie dabei davon ausgegangen, dass der Wert des vom Angeklagten [X.]aus den Straftaten [X.] nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden ist.

Diese Begründung wird dem systematischen Verhältnis nicht gerecht, in welchem die Regelungen des § 73c Abs. 1 Satz 1 und § 73c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. [X.] zueinander stehen. Da die tatbestandlichen Voraussetzungen, welche nach Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift ein Absehen vom Verfall nach pflichtgemäßem Ermessen ermöglichen, nicht zugleich einen Ausschlussgrund nach § 73c Abs. 1 Satz 1 [X.] bilden können, folgt aus der Systematik der Norm, dass das [X.] des Wertes des [X.] im Vermögen des Betroffenen jedenfalls für sich genommen keine unbillige Härte darstellen kann (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Februar 2014 – 1 [X.], [X.]R Härte 16; Urteil vom 26. März 2009 – 3 [X.], [X.]R [X.] § 73c Härte 14; Urteil vom 12. Juli 2000 – 2 StR 43/00, [X.], 589, 590).

Für das Vorliegen einer unbilligen Härte bedarf es daher zusätzlicher Umstände, welche die hohen Voraussetzungen des Tatbestandsmerkmals belegen. Eine unbillige Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 [X.] kommt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] (vgl. nur [X.], Urteil vom 26. März 2009 – 3 [X.], [X.]R [X.] § 73c Härte 14 mwN) nur dann in Betracht, wenn die Anordnung des Verfalls schlechthin ungerecht wäre und das Übermaßverbot verletzen würde. Die Auswirkungen des Verfalls müssen mithin im konkreten Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen. Es müssen besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine außerhalb des [X.] liegende zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen auch unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfalls nicht zugemutet werden kann. Eine unbillige Härte liegt demnach nicht schon dann vor, wenn der Verfallsbetrag nicht beigetrieben werden kann oder der Betroffene [X.] geworden ist. Nach diesen Maßstäben ausreichende gravierende Umstände lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Allein die Erwägung, der Angeklagte werde bei Haftentlassung deutlich über 50 Jahre alt sein und müsse angesichts des wirtschaftlichen Niedergangs seiner Unternehmen nochmals von vorne anfangen ([X.]), genügt auch unter Berücksichtigung des Resozialisierungsgedankens für die Annahme einer unbilligen Härte nicht.

2. Auch auf § 73c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. [X.] kann das Absehen von der Anordnung des [X.] nicht gestützt werden. Die Ausübung des dem Tatrichter durch diese Vorschrift eingeräumten Ermessens erfordert nicht nur die Feststellung des aus der Straftat [X.], sondern auch die Ermittlung des Wertes des noch vorhandenen Vermögens, um diese Werte einander gegenüber stellen zu können (vgl. [X.], Urteil vom 29. April 2004 – 4 [X.], [X.], 454). Hieran fehlt es.

Den Urteilsgründen lässt sich nicht in der erforderlichen Klarheit entnehmen, dass zum Zeitpunkt des tatrichterlichen Urteils der Wert des aus den Straftaten [X.] in dem Vermögen nicht mehr vorhanden war. Insgesamt fehlt es an konkreten Feststellungen zum Stand des Vermögens zum Zeitpunkt des tatrichterlichen Urteils. Nach den Urteilsfeststellungen zu den persönlichen Verhältnissen besaß der Angeklagte jedenfalls bis zu seiner Festnahme mehrere Firmen ([X.] ff.) und hatte zudem noch im [X.] eine Wohnung in M. vermietet ([X.] 11). Allein die Erwägung des [X.]s, „weitere Schulden“ würden die Resozialisierung des Angeklagten massiv gefährden, machen die erforderlichen Feststellungen zu den Vermögensverhältnissen des Angeklagten nicht entbehrlich.

3. Die Sache bedarf daher neuer tatrichterlicher Verhandlung und Entscheidung über die Frage des [X.] gemäß §§ 73, 73a [X.]. Der Senat hebt die zugehörigen Urteilsfeststellungen insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht hierzu neue, widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen. Abschließend weist der Senat auf die Möglichkeit hin, dass nach § 73c Abs. 1 [X.] die Anordnung des Verfalls auf einen Teil des [X.] beschränkt werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. März 2009 – 3 [X.], [X.]R [X.] § 73c Härte 14; Beschluss vom 29. Oktober 2002 – 3 [X.], [X.], 75).

Graf                             Jäger                       Mosbacher

               Fischer                           Bär

Meta

1 StR 321/15

01.12.2015

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 13. Februar 2015, Az: 1 KLs 359 Js 12606/13

§ 73c Abs 1 S 1 StGB, § 73c Abs 1 S 2 Alt 1 StGB, § 29 BtMG, §§ 29ff BtMG, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.12.2015, Az. 1 StR 321/15 (REWIS RS 2015, 1505)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1505

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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