Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.09.2023, Az. AnwZ (Brfg) 18/23

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2023, 7020

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Gegenstand

Vermögensverfall eines Rechtsanwalts


Tenor

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 5. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 1. März 2023 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist seit 13. Januar 1988 als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Bescheid vom 4. Mai 2022 widerrief die Beklagte die Zulassung des [X.] zur Rechtsanwaltschaft wegen [X.] (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]). Die Klage gegen den [X.] hat der [X.] abgewiesen. Der Kläger beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des [X.]s.

II.

2

Der Antrag des [X.] ist nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Der vom Kläger geltend gemachte [X.] (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO) liegt nicht vor.

3

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser [X.] setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (Senat, Beschluss vom 28. April 2023 - [X.] ([X.]) 6/23, juris Rn. 2 mwN). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den [X.] dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (Senat, Beschluss vom 28. April 2023 - [X.] ([X.]) 6/23, aaO).

4

a) Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 1 [X.] ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 28. April 2023 - [X.] ([X.]) 6/23, juris Rn. 5 mwN). Ist der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Schuldnerverzeichnis (§ 882b ZPO) eingetragen, wird ein Vermögensverfall vermutet (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 [X.]). Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen [X.] ist nach der Rechtsprechung des Senats allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen [X.]s, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 28. April 2023 - [X.] ([X.]) 6/23, aaO mwN).

5

b) Ausgehend davon bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des [X.]s, dass der Kläger sich zum maßgeblichen Zeitpunkt des [X.]s vom 4. Mai 2022 in Vermögensverfall befand.

6

aa) Wie der [X.] ausgeführt hat, war der Kläger zu diesem Zeitpunkt wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft noch in das Schuldnerverzeichnis eingetragen. Der Eintragung lag eine Forderung in Höhe von 249,34 € des "B.                                          Beitragsservice" zugrunde. Es wird somit ein Vermögensverfall vermutet (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 [X.]). Zwar kommt die Vermutung des [X.] nicht zur Geltung, wenn der Rechtsanwalt nachweist, dass die der Eintragung zugrundeliegende Forderung im maßgeblichen Zeitpunkt bereits getilgt war (Senat, Beschluss vom 16. Oktober 2019 - [X.] ([X.]) 28/19, juris Rn. 6 mwN). Einen solchen Nachweis hat der Kläger jedoch nicht geführt. Im Verfahren vor dem [X.] hat er nur allgemein vorgetragen, dass die Forderung schon längst bezahlt sei. Auch mit dem im Zulassungsverfahren erfolgten konkretisierten Vorbringen kann der Kläger den Nachweis nicht führen.

7

Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2023, mit dem der Kläger die Zulassung der Berufung beantragt hat, hat er angegeben, die Forderung am 21. Januar 2022 bezahlt zu haben, die Quittung sei jedoch momentan nicht auffindbar. Mit Schriftsatz vom 5. Juni 2023 hat der Kläger ergänzend mitgeteilt, dass die Durchsicht seiner Kontounterlagen ergeben habe, dass bereits am Mittwoch, den 2. Februar 2022, ein Betrag in Höhe von 233,12 € eingegangen sei, der vom [X.] der Gerichtsvollzieherin zurücküberwiesen worden sei. Offensichtlich habe der [X.] bereits mehr in bar bezahlt, als der Beitragsservice gefordert habe. Eine erläuternde Stellungnahme der Gerichtsvollzieherin liege dem [X.]n bis heute nicht vor. Die Barzahlungsquittung sei nicht auffindbar. Mit Schriftsatz vom 2. August 2023 hat der Kläger eine "Überweisungsbestätigung" der N  in B.    vom 2. August 2023 vorgelegt, mit welcher der Erhalt eines Überweisungsauftrags des [X.] in Höhe von 233,21 € vom 21. Januar 2022 bestätigt wird.

8

Dass der Kläger die Forderung bereits erfüllt haben soll, kann dadurch nicht nachgewiesen werden. Der Kläger kann keinen Nachweis dafür vorlegen, dass er die Forderung in voller Höhe in bar an die Gerichtsvollzieherin gezahlt hätte. Auch eine Begleichung der Forderung durch Überweisung ist nicht belegt. Die "Überweisungsbestätigung" vom 2. August 2023 verweist in ihrem letzten Absatz selbst darauf, "dass dieses Dokument lediglich eine Bestätigung des Überweisungsauftrags darstellt, nicht jedoch der Überweisungsausführung." Einen Beleg für die Überweisungsausführung hat der Kläger nicht vorgelegt. Es fehlen zudem Belege zu der von ihm behaupteten Rücküberweisung durch die Gerichtsvollzieherin und des von ihm behaupteten Grundes für diese Rücküberweisung. Schließlich liegt der Überweisungsbetrag von 233,21 € unter dem Betrag der Forderung von 249,34 €.

9

bb) Unerheblich ist der Verweis des [X.] darauf, dass die der Eintragung zu Grunde liegende Forderung nur von geringer Höhe sei. Denn der Umstand, dass es der Kläger sogar wegen einer vergleichsweise geringfügigen Forderung zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und einer Eintragung im Schuldnerverzeichnis hat kommen lassen, spricht für und nicht gegen das Vorliegen eines [X.] (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Oktober 2022 - [X.] ([X.]) 20/22, juris Rn. 10 mwN).

Soweit der Kläger die Methoden des Beitragsservices für rechtlich zweifelhaft hält und zudem vorbringt, dass der Zahlungsverzug damit zusammenhänge, dass er Beträge für den Beitragsservice aus Gründen des politischen Protests nur unregelmäßig überweise und dass auch wegen einer Erkrankung die Forderung bei ihm in Vergessenheit geraten sei, ändert dies ebenfalls nichts an der Vermutung des [X.]. Das Vorbringen des [X.] gegen das Vorgehen des Beitragsservices, das zur Eintragung im Schuldnerverzeichnis führte, ist nicht erheblich. Denn in ständiger Rechtsprechung geht der Senat von einer Tatbestandswirkung der Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus. Im [X.] nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] werden demnach Titel und Vollstreckungsmaßnahmen nicht auf ihre inhaltliche und verfahrensrechtliche Richtigkeit überprüft. Behauptete Fehler sind in den jeweils vorgesehenen Verfahren geltend zu machen (Senat, Beschluss vom 13. Juni 2019 - [X.] ([X.]) 25/19, juris Rn. 12 mwN). Für den Widerruf ist zudem nicht entscheidend, aus welchen Gründen der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist und ob er dies verschuldet hat oder nicht (Senat, Beschluss vom 3. November 2021 - [X.] ([X.]) 29/21, [X.], 86 Rn. 10 mwN).

cc) Der [X.] ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger die gesetzliche Vermutung des [X.] nicht widerlegt hat.

Ein Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, muss zur Widerlegung der Vermutung des [X.] ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und konkret darlegen sowie belegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind (Senat, Beschluss vom 20. Dezember 2022 - [X.] ([X.]) 22/22, [X.] 2023, 287 Rn. 7 mwN). Wie der [X.] festgestellt hat, liegt entsprechender Vortrag des [X.] nicht vor. Ein solcher ist auch im Zulassungsverfahren nicht erfolgt.

2. Weitere Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 [X.] i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 VwGO) hat der Kläger nicht dargetan und liegen auch nicht vor. Soweit der Kläger schreibt, dass er von dem Termin vor dem [X.] am 1. März 2023 keine Kenntnis gehabt habe, reicht dies zur Rüge eines Verfahrensfehlers nicht aus. Der Kläger geht nicht darauf ein, dass er nach den Feststellungen des [X.]s im Protokoll vom 1. März 2023 mit Schreiben vom 16. November 2022, zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 18. November 2022, zum Termin geladen worden und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 [X.].

[X.]     

      

Liebert     

      

Ettl   

      

Lauer     

      

Niggemeyer-Müller     

      

Meta

AnwZ (Brfg) 18/23

27.09.2023

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof München, 1. März 2023, Az: BayAGH I - 5 - 9/22

§ 14 Abs 2 Nr 7 BRAO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.09.2023, Az. AnwZ (Brfg) 18/23 (REWIS RS 2023, 7020)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7020

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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